Schloss Kronenburg im Sunde
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„Das Faustrecht ist der Ritterschaft genommen, aber es blieb, als eine Regale, Königen.“ Die Burgen der adelichen Schnapphähne liegen in Trümmer; aber fürstliche Zwangzollstätten an den Ufern der freien Ströme stehen noch aufrecht: – die ungläubigen Barbaresken sind aus den Meeren vertrieben; doch an der Ausgangspforte der Ostsee, an der großen Welthandelsstraße des Sundes, macht ein christlicher Staat den Wegelagerer gegen alle Handelsvölker der Erde, hält ihre Schiffe an und läßt ihnen die Wahl, entweder theures Lösegeld zu zahlen, oder in den Grund gebohrt zu werden. Dänemarks König erhebt auf solche Art jährlich Millionen, und alle Staaten, die mächtigsten wie die kleinsten, dulden solche Erpressung. Man sagt zwar, das Jahrhunderte lang geübte Gewalt-Unrecht des Sundzolls gälte jetzt als ein historisches Recht. Schöne Logik, die den Enkeln das Stehlen nachsehen müßte, wenn Väter und Großväter am Galgen starben! Aber unsere Zeit wird sie noch zu Schanden machen, wie sie vieles Aehnliche zu Schanden gemacht hat. In unsern Tagen, wo die Geistesblitze rasch durch die Gesellschaft zucken und im Nu, wie ein Contagium, die Kopfe entzünden, mag auch über Nacht auf die Häupter der Meinungsführer der Gedanke niederfahren, welch ein alle Völker schändender, rechtloser Gräuel Dänemarks Zöllnerei am Sunde ist; mit feurigen Zungen gepredigt, wird dann der Begriff einziehen in die bereiften Schädel der Staatensteuerer, und das erste entschlossene Nein irgend einer Macht an das tributfordernde Dänemark wird den Sund von seiner Kette befreien. Wenn solches aber geschehen ist, dann wird man sich eben so sehr wundern, wie sich eine Welt viele Jahrhunderte lang von dem kleinen, schwachen Dänemark brandschatzen lassen konnte, als man sich, nach ihrer Ausrottung, über die lange Dauer der Barbaresken-Seeräuberei gewundert und geschämt hat. Es gibt in den sogenannten historisch-rechtlichen Beziehungen der Staaten und Völker zu einander noch gar viel Schändliches und Thörichtes; in der vordersten Reihe desselben steht der Sundzoll. Doch er hat am längsten gedauert. Unsere Zeit – die Zeit des Uebergangs, welche berufen ist, Stein vor Stein den ganzen Babel des historisch-rechtlichen Frevels abzutragen, und die nicht eher rasten und ruhen soll, als bis alles Schlechte und Mißbräuchliche abgeschafft, alles Hohle zertrümmert, alles Unnütze und Schädliche entfernt, alles Todte und Erstorbene abgeschlagen und alles Unrecht – hüllte es sich auch in Purpur und Heiligenschein! – zerschmettert und geschleift
[96] worden ist, – sie wird auch den Tag herbeiführen, wo Kronenburgs eherne Stimme schweigt und der Schiffer auf das gewaltige Gemäuer hinweist, wie der Wanderer auf die verfallene Burg des Schnapphahns. –
Stolz und finster, wie der Geist des Faustrechts, erhebt sich jetzt das alte Schloß mit seinen Zinnen und gewaltigen Eckthürmen mitten aus der schäumenden Fluth des Sundes auf einem Felsen und sperrt mit seinen Batterien des Meeres Straße.
Kronenburg wurde von Friedrich II. von Dänemark erbaut; indeß schon in viel älterer Zeit stand auf diesem Felsen eine Veste der dänischen Könige und mehre hatten daselbst ihre Wohnung. Das Schloß ist im gothischen Styl und ganz massiv; es bildet ein Viereck mit 4 Hauptthürmen, welches einen geräumigen Hof einschließt. Fast alle Räume in demselben sind bombenfest gewölbt und in den Kasematten kann eine Garnison von 1500 Mann mit allen nöthigen Vorräthen Schutz finden. In diesem Schlosse spielte mancher düstere Akt der dänischen Hof- und Staatsgeschichte von Hamlet an bis zur Königin Mathilde. Von dem Thurme, in welchem das letztgenannte Opfer der Cabale eingekerkert saß, thut sich dem Blick ein Panorama auf, so herrlich als irgend eins auf der Erde. Rechts ist die Straße des Sunds, auf der die Schiffe unter dem rollenden Donner der selten schweigenden Geschütze des Schlosses zur Ost- und Nordsee ziehen; links das Kattegat und seine Inseln; gegenüber Schwedens blaue, hügelvolle Küste mit den alterthümlichen Warten und Leuchtthürmen; zu den Füßen das grüne, flache, dänische Land, wie ein Garten, das freundliche, lebendige Helsingör mit dem Hafen voller Schiffe und dem classischen Lande der Sage und Romantik.