Anaphe (Ἀνάφη, jetzt im Volksmunde Νάφη), eine zur Gruppe der Sporaden gehörige, längliche aber schmale Insel im kretischen Meere östlich von Thera, bergig und wenig fruchtbar, fast ganz baumlos und ohne sicheren Ankerplatz für grössere Schiffe. Zuerst soll sie von Phoinikern unter Führung des Membliaros in Besitz genommen und daher auch selbst Membliaros genannt worden sein (Steph. Byz. s. Ἀνάφη und Μεμβλίαρος); den Namen A. führte die Sage auf die Argonauten zurück, denen sie in finsterer Sturmesnacht, da sie zu Apollon um Rettung riefen, plötzlich als Zufluchtsort erschienen sein sollte, worauf sie dem Apollon Aigletes einen Tempel auf der Insel errichteten (Apollon. Rhod. IV 1709ff. Apollod. I 9, 26. Conon. narr. 49). Die Stelle dieses Tempels, nahe dem östlichen Ende der Insel, unterhalb eines hohen Vorgebirges, nimmt jetzt ein Kloster der Panagia ein, in welchem zahlreiche Inschriften erhalten sind, welche zeigen, dass innerhalb des heiligen Bezirkes ausser dem Apollon – der in den Inschriften neben dem Beinamen Αἰγλήτης (Strab. X 484) auch den Ἀσγελάτας führt – auch Aphrodite, Asklepios und (Zeus) Ktesios verehrt wurden. Von dem Heiligtume aus führte eine gepflasterte Strasse, eine Art ἱερὰ ὁδός, nach der ziemlich in der Mitte der Insel, auf der Spitze eines Berges, gelegenen Stadt A., von der sich noch Reste der Stadtmauern und anderer Bauten, sowie zahlreiche Gräber erhalten haben; südlich unterhalb derselben, an der Südküste der Insel, [2061] war durch Dämme eine Art künstlicher Hafen hergestellt. Die Insel war schon im Altertume, wie noch jetzt, reich an Rebhühnern (Athen. IX 400 d). Vgl. Ross Archaeolog. Aufsätze II 486ff.; Reisen auf den griech. Inseln I 75ff. A. MiliarakisΚυκλαδικά Ath. 1874, 31. R. Weil Athen. Mitt. I 249. Inschriften ausserdem CIG II 2477–83 und Add. p. 1093. Bull. hell. I 286. Münzen spärlich Head HN 410; vgl. Imhoof-Blumer Abh. Bayr. Akad. XVIII 3, 1890, 543.
Neuerer zusammenfassender Artikel: R. A. McNeal Anaphe, home of the Apollon Strangford, Archaeology XX (1967) 254ff., ferner A. Philippson Die griech. Landschaften IV (1959) 161ff. Inschriften und Quellenbelege: IG XII 3 S. 54ff. nr. 247–319 a. S. 229 nr. 1264f. Suppl. p. 83.