Der getreue Eckart (Tieck)
Der edle Herzog groß
Von dem Burgunder Lande
Litt manchen Feindesstoß
Wohl auf dem ebnen Sande.
Mein Muth ist mir entwichen,
Die Freunde sind erblichen,
Die Knecht’ geflohen seind!
„Ich kann mich nicht mehr regen,
Wo bleibt der edle Degen,
Eckart, der treue Mann?
„Er war mir sonst zur Seite
In jedem harten Strauß,
Daheim bei sich zu Haus.
„Es mehren sich die Haufen,
Ich muß gefangen seyn,
Mag nicht wie Knecht’ entlaufen,
So klagt der von Burgund,
Will sein Schwert in sich stechen:
Da kommt zur selben Stund’
Eckart, den Feind zu brechen.
Keck in den Feind hinein,
Ihm folgt die Schaar verwegen
Und auch der Sohne fein.
Burgund erkennt die Zeichen
Die Feinde mußten weichen,
Die wüthend erst getobt.
Da schlug mit treuem Muthe
Eckart in’s Volk hinein,
Sein zartes Söhnelein.
Als nun der Feind bezwungen,
Da sprach der Herzog laut:
„Es ist dir wohl gelungen,
Du hast viel Mann geworben,
Zu retten Reich und Leben,
Dein Söhnlein liegt erstorben,
Kann’s dir nicht wieder geben.“
Bückt sich, der starke Held,
Und nimmt die theure Last,
Den Sohn in Armen hält.
„Wie starbst du, Heinz, so frühe,
Mich reut nicht meine Mühe,
Ich seh’ dich gerne an,
„Weil wir dich, Fürst, erlösten
Aus deiner Feinde Hohn,
Ich schenke dir den Sohn.“
Da ward dem Burgund trübe
Vor seiner Augen Licht,
Weil diese große Liebe
Er weint die hellen Zähren
Und fällt ihm an die Brust:
„Dich, Held, muß ich verehren,“
Spricht er, „in Leid und Lust.“
Da Alles von mit wich,
So will ich nun auch lieben
Wie meinen Bruder dich.
„Und sollst in ganz Burgunde
Wenn ich mehr lohnen kunnte,
Ich gäbe gern noch mehr.“
Als dies das Land erfahren,
So freut sich Jedermann,
Eckart den treuen Mann.
Er schwang sich auf sein Pferd,
Eckart, der treue Held,
Und sprach: „in aller Welt
„Die Söhn’ hab’ ich verloren,
So find’ ich nirgends Trost,
Der Fürst ist mit erboßt,
Hat meinen Tod geschworen.“
Und klagt aus vollem Herzen
Die übergroßen Schmerzen,
Daß weit die Stimme schallt:
„Die Menschen sind mir todt,
In Eichen, wilden Buchen,
Ihn’n klagen meine Noth.
„Kein Kind, das mich ergötzt;
Erwürgt vom schlimmen Leuen
Der Liebste starb zuletzt.“
Wie Eckart also klagte,
Verlor er Sinn und Muth,
Er reit’t in Zorneswuth,
Das Roß, das treu geblieben,
Stürzt hin im wilden Lauf,
Er achtet nicht darauf,
Und will nun nichts mehr lieben.
Wirft sich zu Boden hin,
Auf Sterben steht sein Sinn,
Sein Wunsch nur nach dem Grabe.
Der Herzog sank darnieder
Da nahm Held Eckart bieder
Ihm auf die Schultern fein.
Er sprach: „gar viel Beschwerden
Mach’ ich dir, guter Mann!“
Muß man gar viel bestahn.“
„Doch sollst du,“ sprach Burgund,
„Dich freun, bei meinem Worte,
Komm’ ich nur erst gesund
Der Held fühlt Thränen heiß
Auf seinen alten Wangen,
Er sprach: „auf keine Weis’
Trag’ ich nach Lohn Verlangen.“
Sprach der Burgund in Noth;
„Wohin willst du mich tragen?
Du bist wohl gar der Tod?“ –
„Tod bin ich nicht genannt,“
„Du stehst in Gottes Hand,
Sein Licht mag dich bescheinen!“
„Ach, wohl ist mir bewußt,“
Sprach Jener drauf in Reue,
Drum zittr’ ich, daß Er dräue.
„Ich hab’ dem treusten Freunde
Die Kinder umgebracht,
Drum steht er mir zum Feinde
„Er war mir recht ergeben,
Als wie der treuste Knecht,
Und war im ganzen Leben
Mir niemals ungerecht.
Das kann er nie verzeih’n,
Ich fürcht’, in diesen Nöthen
Treff’ ich ihn hier im Hain:
„Das sagt mir mein Gewissen,
Die Kind’ hab’ ich zerrissen,
Dafür zerreißt er mich.“
Der Eckart sprach: „empfinden
Mußt du so schwere Last,
Und schwer gefrevelt hast;
„Daß du den Mann wirst schauen,
Ist auch gewißlich wahr;
Doch magst du mir vertrauen,
Da stand der Eckart von der Erden
Und trat herfür an’s helle Licht.
Er zeigt mit traurigen Gebehrden
Sein hochbekümmert Angesicht.
Den Blick des Mannes auszuhalten,
Den Adern sein entweicht das Blut,
In Ohnmacht ist er festgehalten.
Es stürzen ihm die matten Glieder
„Allmächt’ger Gott!“ so schreit er laut,
„Du bist es, den mein Auge schaut?
Wohin soll ich vor dir entfliehn?
Mußt du mich aus dem Walde ziehn?
Der muß mich in den Armen tragen?“
So klagt Burgund und weint im Sprechen,
Und fühlt das Herz im Busen brechen,
Er sinkt dem Eckart an die Brust,
Der Eckart leise zu ihm spricht:
„Der Schmach gedenk’ ich fürder nicht,
Damit die Welt es sehe frei:
Der Eckart ward dir stets getreu.“
Aus den grünen Räumen
Zu uns wallend nieder,
Wie Verstorbner Lieder?
Spricht Eckart zu den jungen Herrn:
Wie sich die Tön’ herüberschwungen,
Erwachet in den frommen Jungen
Ein seltsam böser Geist,
Der sie nach unbekannter Ferne reißt.
Uns rufen die Quellen, uns locken die Wälder,
Gar heimliche Stimmen entgegen singen,
In’s irdische Paradies uns zu bringen!“
Der Spielmann kommt in fremder Tracht
Und höher schwillt der Töne Macht,
Und heller glänzt der Sonne Licht;
Die Blumen scheinen trunken,
Im Abendroth nieder gesunken,
Sanft irrend blau und goldne Streifen.
Wie ein Schatten ist hinweggehoben,
Was sonst den Sinn zur Erden zieht,
Gestillt ist alles irdische Toben,
Die Felsen schwanken lichterloh,
Die Triften jauchzen seligfroh,
Es wirrt und irrt Alles in die Klänge hinein,
Und will in der Freude heimisch seyn;
Sie ist im holden Wahnsinn ganz versunken.
Da wurde Eckart rege
Und wundert sich dabei,
Er hört der Töne Schläge
Ihm dünkt die Welt erneuet,
In andern Farben blühn,
Er weiß nicht, was ihn freuet,
Fühlt sich in Wonne glühn.
So fragt er sich entzückt,
„Mir Weib und liebe Söhne,
Und was mich sonst beglückt?“
Doch faßt ein heimlich Grauen
Er darf nur um sich schauen
Und fühlt sich bald ein Mann.
Da sieht er schon das Wüthen
Der ihm vertrauten Kind’,
Und unbezwinglich sind.
Sie werden fortgezogen
Und kennen ihn nicht mehr,
Sie toben wie die Wogen
Was soll er da beginnen?
Ihn ruft sein Wort und Pflicht,
Ihm wanken selbst die Sinnen,
Er kennt sich selber nicht.
Von seinem Freund zurück,
Er höret den Burgunde
Und sieht den letzten Blick.
So schirmt er sein Gemüthe
Indem kommt im Gewüthe
Der Spielmann selbst ihm nah.
Er will den Degen schwingen
Und schlagen jenes Haupt:
Die Kraft ist ihm geraubt.
Es stürzen aus den Bergen
Gestalten wunderlich,
Ein wüstes Heer von Zwergen,
Die Söhne sind gefangen
Und toben in dem Schwarm,
Umsonst ist sein Verlangen,
Gelähmt sein tapfrer Arm.
An Schlössern wild vorbei,
Sie ziehn von Ost nach Westen
Mit jauchzendem Geschrei.
Eckart ist unter ihnen,
Er muß der Hölle dienen,
Bezwungen ist sein Sinn.
Da nahen sie dem Berge,
Aus dem Musik erschallt,
Stillstehn und machen Halt.
Der Fels springt von einander,
Ein bunt Gewimmel drein,
Man sieht Gestalten wandern
Da faßt er seinen Degen
Und spricht: „ich bleibe treu!“
Und haut mit Kraft verwegen
In alle Schaaren frei.
Sie fliehen durch das Thal,
Der Feind noch unbezwungen
Mehrt sich zu Eckarts Qual.
Die Zwerge sinken nieder,
Es kommen andre wieder,
Und jeder kämpft mit Wuth.
Da sieht der Held schon ferne
Die Kind’ in Sicherheit,
Mein Leben hier im Streit.“
Sein tapfres Schwert thut blinken
Im hellen Sonnenstrahl,
Die Zwerge niedersinken
Die Kinder sind entschwunden
Im allerfernsten Feld,
Da fühlt er seine Wunden,
Da stirbt der tapfre Held.
Wild kämpfend wie der Leu,
Und blieb noch dem Burgunde
Im Tode selber treu.
Als nun der Held erschlagen,
Dankbar hört man ihn sagen:
„Eckart hat meinen Thron
„Erkämpft mit vielen Wunden
Und seinem besten Blut,
Verdank’ ich seinem Muth.“
Bald hört man Wundersagen
Im ganzen Land umgehn,
Daß wer es wollte wagen
Der werde dorten schauen
Des treuen Eckart Geist,
Der Jeden mit Vertrauen
Zurück vom Felsen weist,
Noch Schutz und Wache hält.
Es preisen alle Erben.
Eckart den treuen Held.
Zur Zeit der Römer, die hier ein Kastell oder eine Niederlassung hatten, lag Breisach (Mons Brisiacus) auf dem linken Rheinufer; im 10. Jahrhundert war es eine Insel, im 13. aber stand der Berg schon diesseits des Flusses. Von den Römern kam Breisach an das fränkische Geschlecht der Harlinger oder Harlungen. Ein Theil des Berges heißt der Eckartsberg und erinnert noch an den treuen Eckart, welcher, aus dem Geschlechte der Karolinger stammend, als Pfalzgraf hier seinen Sitz gehabt und dem Herzog von Burgund bis in den Tod die treueste Freundschaft bewahrt haben soll. (Siehe obige Romanze von Tieck, die eines eigenen Commentars bedürfte, für den hier kein Raum sich bietet.)
Von Breisach, als der Hauptstadt dieses Landstriches, hat das Breisgau seinen Namen erhalten.
Wenige teutsche Städte haben einen solchen Wechsel von Ereignissen erfahren, als diese. Das Schloß wurde von Berthold V. von Zähringen erbaut und von Maximilian I. erweitert. Eine Hauptmerkwürdigkeit ist die St. Stephanskirche oder das Münster, eines der schönsten altteutschen Gebäude. Den Hochaltar schmücken treffliche, aus Holz geschnitzte Bildwerke. Die Gebeine des heiligen Gervaß und Protaß, welche Kaiser Friedrich I. im Jahr 1162 von Mailand nach Breisach bringen ließ, ruhen in dieser Kirche in einem silbernen Sarge. Auch sieht man darin viele Grabsteine berühmter Feldherren und anderer hohen Personen. Für [303] den Freund römischer und teutscher Alterthümer ist hier ein reiches, noch nicht gehörig benütztes Feld.
Zwei Männer treten besonders aus der Geschichte Breisachs hervor, in deren Schicksal diese Stadt eng verflochten war: der burgundische Landvogt von Hagenbach und der Herzog Bernhard von Weimar. Ueber Jenen siehe die folgenden, ihn betreffenden Artikel. Ein schöneres Erinnerungsbild ist das des Herzogs Bernhard, dieses edlen Helden des dreißigjährigen Krieges. Er hatte den Plan gefaßt, das ganze obere Rheinthal zwischen dem Schwarzwalde und den Vogesen zu erobern und sich ein eigenes Fürstenthum zu gründen, dessen Hauptstadt Breisach werden sollte. Seine Unternehmungen versprachen auch wirklich einen glücklichen Erfolg, aber unerbittlich ereilte ihn der Tod mitten in diesen großen Entwürfen und er starb, wie man behauptet, an genossenem Gifte, in der Nachbarschaft von Breisach, zu Neuenburg.