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ADB:Gallus, Jodokus

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Artikel „Gallus, Jodocus“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 348–351, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gallus,_Jodokus&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 15:01 Uhr UTC)
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Gallus: Jodocus (Jost Han), kirchlicher Humanist zu Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts, gebürtig aus Ruffach im Elsaß (woher Rubeacensis oder Rubeaquensis), der Geburtsstadt Pellican’s, des Chronisten Maternus Berlerus, Konrad Lycosthenes (Wolfhart) und Joh. Hugo. Um das J. 1459 geboren und mütterlicherseits ein Oheim Konrad Pellican’s, unterrichteten ihn als einen vielversprechenden talentvollen Knaben und zugleich um ihn vor einer damals grassirenden pestartigen Krankheit zu schützen, zuerst die Minores zu Ruffach (Schöpflin, Alsatia illustr. II. p. 82) in ihrem Kloster, dann besuchte er auf deren Kosten mehrere Jahre lang mit J. Wimpfeling (dessen Isidoneus Germanicus cap. 16. Bl. 7), Peter Schott, Rietpurg von Speyer, Joh. Torrentinus, Joh. Hugo u. a. die berühmte Unterrichtsanstalt, die Ludwig Dringenberg kurz zuvor (1490[1]) in Schlettstadt errichtet hatte. Hierauf wurde er von den Ruffacher Franciscanern nach Basel befördert, um daselbst seine Studien zu verfolgen (wo er bereits auch seinen Namen latinisirte) und von da nach Heidelberg, in dessen Universitätsmatrikel er eingezeichnet ist als „Jodocus gallus de rubea aqua basiliensis dioec. 22. die mensis octobris 1476“. Hier war er durch dieselben der Gastfreundschaft eines ehrbaren und wohlhabenden Mannes, Namens Regenspurger, empfohlen, der zugleich Procurator der dortigen Franciscaner war. Auf dieser Hochschule aber zeichnete sich G. so sehr durch Fleiß und Fortschritte aus, daß er bald darauf zugleich mit den zwei Söhnen seines Gastfreundes nicht nur die Magisterwürde sich erwarb, sondern auch in das Collegium der Universität und zum Präfect der Nova Bursa (Acta Univers. III. 367. 425 b. Pareus hist. Ms. p. 95. Pfälz. Copial. Fol. 25. Im Karlsr. Archiv) erwählt wurde. Dazu wurde er später Baccalaureus und Licentiat der Theologie, auch „Doctor artium“ und bekleidete mehrmals das Amt eines Rectors der Universität. Als Lehrer der Hochschule zeichnete er sich besonders durch seine philosophischen Vorträge über die Logik und Physik des Aristoteles aus, war ein beliebter Prediger und keiner unter allen seinen Mitlehrern hielt mehr lateinische Reden an die Universität und den Clerus als er. Zugleich lebte er in Heidelberg in freundschaftlichem und wissenschaftlichem Verkehre mit Joh. v. Dalberg, Rud. Agricola, Pleninger, Wacker u. a., und auch Melanchthon gedenkt seiner (Vierte Säcularfeier d. Erfind. d. Buchdruckerk. in Heidelb. S. 50) noch später auf das rühmlichste mit dem Bemerken, daß er ihn als Jüngling gekannt habe. Daß unter jenem „Jodocus (Jost)“, den (nach Strobel, Gesch. d. Elsasses III, 268) in der sogenannten Weißenburger Fehde (1468–70) Pfalzgraf Friedrich I., um die Abtei Weißenburg zu reformiren und sie mit anderen Mönchen zu besetzen, von Heidelberg aus dahin gesendet hatte und der daselbst in der Kirche St. Johann mit großem Aufwand von Beredtsamkeit den wohlwollenden Charakter und die fromme Denkungsweise der neuen Klosterleute rühmte – ein anderer Jodocus (etwa Jodocus Eichmann, derselbe, der auch in dem im J. 1480 in Heidelberg verfaßten „Manuale scholarium“ p. 11, 31 und 14, 32, abgedruckt in Zarncke’s Deutsche Univers. d. Mittelalters, S. 1–48, als „Jodocus“ vorkommt? Vgl. oben Bd. V S. 471) zu verstehen sei, erhellt aus der oben angeführten Zeitbestimmung der Immatriculation, dagegen unterliegt es nach den Universitätsakten keinem Zweifel, daß unser G. mit einer ähnlichen Mission nach Pforzheim, jedoch in späterer Zeit (1511) von dem Speyerer Bischofe Philipp von Rosenberg betraut worden war. Hier hatten sich nämlich „inter plebanum (Leutpriester, Geistlicher der Stadtkirche) et monachos“ (fratres praedicatores et minores) Dissidien erhoben, zu deren Schlichtung er abgeordnet wurde und wobei auch sein Neffe Pellicanus und dessen Schüler Sebast. Münster gegenwärtig waren. Diesen Auftrag erledigte G. zur vollen Zufriedenheit des Bischofs am 14. November 1511, indem er die Parteien versöhnte und den Vertrag [349] schriftlich bekräftigen ließ. Nachdem G. längere Jahre zu Heidelberg gelebt, übernahm er die Pfarrei zu Neckarsteinach. Bald darauf, seit 1510, finden wir ihn zu Speyer als Prediger und Antistes der dortigen Kirchen sowie als bischöflichen Rath. In der Lebensbeschreibung Geilers v. Kaisersberg, welche B. Rhenanus dessen Navicula sive speculum stultitiae (Argentor. 1513. Fol.) anfügte und die unserem G. dedicirt ist, nennt ihn jener „Doctorem, Theologum ac Divi Mauritii apud Nemetes [Spirenses] Canonicum“. Adam in vita Pellicani – Nachrichten, deren Quelle die Heidelberger Universitätsakten sind – erzählt von G.: „Cum parochiam nactus esset Steinachii supra Heidelbergam, et postea Spirae in Cathedrali Ecclesia pastor et praedicator, familiam alere cogeretur, ancillas honestas habuit. Tolerabilius judicabat extra domum concubinam habere; quia facilius se continere posset, quam domi, quod impoenitentiae signum esset. Alias vitae inculpabilis“. G. zeigte sich in dieser von vielen der Besten damals getheilten Auffassung des Concubinats eben nur als Kind seiner Zeit. Für die Wohlfahrt seiner Angehörigen zu Ruffach sowie insonderheit die geistige Ausbildung seines Neffen Pellicanus liebevoll besorgt, ließ er, obgleich selbst ohne große Mittel, den letzteren von Basel, wo er sich kümmerlich durchzuschlagen hatte, zu sich nach Heidelberg kommen, um hier seine Studien fortzusetzen und zu vollenden. Daß Pellicanus, nachdem ihn der Oheim der großen Kosten wegen 1492 wieder nach Hause entlassen hatte, hier bei den Ruffacher Franciscanern in die Klosterkutte kroch, war G. sehr unangenehm. Als der Neffe auf des Oheims Aufforderung, das Kloster wieder zu verlassen, antwortete: „Velle se deo servire in eo statu, quem arbitraretur ipsi placere, in quo et ipse speraret salvari“, erwiederte G. „Permitto lubens pro me monachus ut sis, sed non ut pro me beatificeris in coelis.“ G. starb zu Speyer in den angegebenen Würden am 21. März 1517 an podagrischen Leiden. Seine Bibliothek kam seinem Testamente gemäß, nachdem die Söhne seiner Nichte, einer Schwester Pellican’s, gestorben waren, an die Franciscaner zu Ruffach. Sein übriges Vermögen hatte G. dem St. Germansstifte zu Speyer vermacht, in welchem er auch begraben wurde. G. starb mit dem Ruhme eines freimüthigen Mannes, der (Joh. Jak. Hottinger, Helvet. Kirchengesch. IV, Zusätze S. 138) die damaligen Verderbnisse in der Religion und Kirche bitter beklagte und nach Kräften eine bessere Zeit anbahnen half, wie er denn schon als Rud. Agricola’s Zuhörer zu Heidelberg dessen freieren theologischen Ansichten vollkommen beigepflichtet hatte „assentiens doctrinae ejus de Religione, quam ipse Agricola ex Wesselo hauserat et deinde illustrarat“ (H. Alting, Hist. eccles. Palatin. p. 136). Sein Einfluß als Humanist, seit mehr denn drei Jahrhunderten ungewürdigt, kann sich mit dem der bedeutendsten messen und sein Verhältniß zu den Heidelberger Vorgängern der Reformation gibt ihm eine unbestrittene Bedeutung. G. ist der Verfasser einer jener köstlichen akademischen Scherzreden, der sogenannten „Disputationes“ oder „Quaestiones fabulosae seu facetosae“, von denen bis jetzt sechs (fünf mit dem Namen ihrer Verfasser) bekannt sind (vgl. die Artikel Gribus, Hartlieb, P. Olearius und Schramm) und die, obgleich lateinisch abgefaßt, als eine Fundgrube deutschen Witzes und Humors, als ein wahrer Schatz sowol für die deutsche Litteratur wie für die Sittengeschichte einen unvergänglichen Werth behalten. (Noch Fischart steht unter ihrem Einflusse.) Denn in diesen quodlibetarischen Reden wurden die Gebrechen der Zeit auf die schärfste Weise gegeißelt und dadurch sind diese Reden ein sehr wesentliches Beförderungsmittel der Reformation geworden. Ebenso wichtig aber sind sie auch für die Litteratur; sie waren ein jährlich von Neuem und frisch aufsprudelnder Quell der komischen Litteratur, namentlich der Prosa, und sie geben uns ein Bild von der damals im deutschen Volke lebenden Lust an satirischen Darstellungen. Auch die spätere [350] komische Litteratur sowol im Ganzen, in Ton und Haltung, wie in einzelnen Stellen, ist nicht völlig zu verstehen ohne eine genauere Kenntniß der quodlibetischen Reden, durch die mehrfach die verwickeltsten Stellen zu lebendigster Anschauung gebracht werden. Eine der werthvollsten dieser Scherzreden nun und zugleich der Zeit nach die älteste derselben ist die des G. Sie wurde im J. 1488, frühestens 1487 und zugleich mit jener des Gribus (vgl. den Art.) an einem Tage zu Heidelberg gehalten. Ihr Titel ist: „Monopolium et societas vulgo des liechtschiffs“ (vgl. Brant’s Narrenschiff, herausgeg. von Zarncke, Vorrede S. LXVII ff.), und ihr Zweck war diejenigen lächerlich zu machen und zu verspotten, welche bloße Titel haben ohne Aemter und von Windmacherei sich nähren. Der Name „Liechtschiff“ bedeutet Leichtschiff oder ein Schiff zur Aufnahme aller lüderlichen und ruinirten Gesellen und es ist wohl möglich, daß, wie auch Zarncke (l. c.) des Weiteren ausführt, gerade dieses Leichtschiff Seb. Brant die erste Idee zu seinem eigenen Narrenschiff gegeben habe. Präses der Rede war Jakob Wimpfeling und er war es auch, der sie zum Druck beförderte und sie mit einigen Worten einleitet. Die erste Ausgabe erschien durch die Officin des Magisters Peter Attendorn zu Straßburg, eines Schülers Wimpfeling’s in dessen Drucke: „Directorium Statuum“ o. O. u. J. (1489) 4 (in München und Berlin), worin auch die akademische Scherzrede des Gribus „Monopolium Philosophorum“ enthalten ist. Neuere Abdrücke nach deren Original finden sich bei Zarncke (l. c.) und in dessen „Deutsche Univers im Mittelalter“ S. 51–61. Eine anderweitige lateinische Rede des G. ist uns in dem bezeichneten durch Attendorn gedruckten Werke (Bl. b 6a–c 5a) enthalten (auch theilweise abgedruckt in J. M. König’s Reformationsgesch. d. Stadt Speyer 1834. 8. S. 11 ff.). Sie trägt den Titel: „Jodoci gallici Rubiacensis Oratio habita in sinodo Spirensi Quarto ydus Maij Anno. Mcccclxxxix presente Domino Ludovico eiusdem Ecclesie inclito Episcopo Incipit foeliciter.“ Hatte in einer Rede, welche dieser gedruckt unmittelbar voransteht, und welche Geiler v. Kaisersberg zu Straßburg vor dem Bischofe und dem Clerus hielt, dieser mit Entschiedenheit und Freimuth die Pflichten eines Bischofs betont, so erinnert in diesem vor dem Speyerer Bischofe und seiner Geistlichkeit gehaltenen Vortrage G. an diejenigen des Clerus, indem er in einer zwischen Sacerdos und Presbyter dialogisch gehaltenen Beschreibung des Lebens der Dorf- und Stadtpriester deren keineswegs löbliche Sitten zur Sprache bringt. Von anderen größeren Arbeiten außer den zwei erwähnten wird ihm, jedoch nicht mit voller Sicherheit, zugeschrieben: „Nosce te ipsum“ (Heidelberg 1480, auch Venedig 1489. 4), denn auch ein anderes theologisches Werk des Joh. Carthusianus, Heidelb. 1489. 4. (Panzer Ann. I, 458) besteht unter diesem Titel; auch eine Anzahl lateinische Predigten, handschriftlich aus dem J. 1510, werden unter dem gleichen Titel auf der Erlanger Universitätsbibliothek (Irmischer S. 208. Nr. 771) aufbewahrt. Dagegen ist er mit vollkommener Sicherheit der Verfasser einer anderen Schrift: „Mensa philosophica“, welche (vgl. Theoph. Elychnius [Gottlieb Dachtler] Relatio ex Parnasso. Straßb. 1619. 4. S. 28) zuerst 1489, dann wiederholt o. O. u. J. (c. 1500) und Cöln 1507 etc. im Druck erschienen ist. Es ist (nach Weller, Altes und Neues I. 368) ein philosophischer Unterricht, wie man bei dem Essen seine Gesundheit und sein Vergnügen befördern soll und enthält eine große Zahl kleiner Geschichten, die zum Theil noch jetzt bekannt sind. Außerdem werden, wie Dachtler a. a. O. berichtet, „beim 35. Capitul den Priorn in der Bettel Münch Orden, im 36. Capitul den München in gemein, im 37. den Prediger München, im 38. Capitul den Parfüßer München, jedem besonders, im 39. den angonden Ordens Leuthen oder Novitijs … geringe laudes gesungen.“ Daß er ferner eben so sicher der Verfasser der „Praefatio (epistola)“ zu J. Wimpfeling’s [351] Carmen de laudibus ecclesiae Spirensis 1486 (Hain, III. P. I. 511), das er auch durch den Druck bekannt machte, gewesen sei, erhellt unzweifelhaft aus der Unterschrift, datirt „ex Heydelberga an. Dom. MccccLxxxVI“, worin er Wimpfeling seinen Lehrer und sich dessen discipulus nennt. Als Verfasser eines „Tetrastychon“ erscheint er ferner in der Adolescentia Wimpfeling’s (Argent. 1500. 4. Bl. LXVIa), eines lateinischen Epigramms „Theologi Heydelbergensis“, in der Ausgabe 1515, Bl. LIIIIa und von 4 Distichen in den „Memorabiles Evangelistarum Figurae“ (Phorce), Th. Anshelm 1504 (Serapeum 1861 S. 119).

Theils nach ungedruckten, theils nach den im Texte genannten Quellen. Vgl. Zarncke’s Deutsche Univers. d. Mittelalt. und dessen Aufsatz in Haupt’s Zeitschr. IX, 119 ff.; ferner M. Flacii Auct. Catal. Test. Verit. p. 251. B. G. Struve, Pfälz. Kirchenhistorie 1721. 4. S. 7. Panzer, Ulr. v. Hutten, S. 49. Wiskowatoff, Jak. Wimpfeling, S. 24–25, 74–75. Röhrich, Mittheil. a. d. Gesch. d. evangel. K. d. Elsasses, I. S. 92. Häusser, Anf. d. class. Studien zu Heidelb., S. 47. Strobel, Geschichte des Elsasses III. S. 557. F. Weinkauff in d. Jenaer Lit. Zeit. 1878. Art. 92.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 348. Z. 12 v. o. l.: 1450 (st. 1490). [Bd. 19, S. 826]