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ADB:Dieckhoff, August Wilhelm

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Artikel „Dieckhoff, August Wilhelm“ von Wilhelm Walther (Theologe) in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 672–677, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dieckhoff,_August_Wilhelm&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 10:01 Uhr UTC)
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Dieckhoff: August Wilhelm D., namhafter confessionell-lutherischer Theologe, wurde geboren in Göttingen am 5. Februar 1823, war an der dortigen theologischen Facultät seit 1847 Repetent, seit 1850 Privatdocent, seit 1854 a. o. Professor für systematische und historische Theologie. 1856 wurde er von der theologischen Facultät in Greifswald zum Doctor ernannt. 1860 folgte er einem Rufe als o. Professor für historische Theologie nach Rostock und wirkte hier in ungeschwächter Frische bis zu seinem Ende. Seit 1873 war er Mitglied der Prüfungscommission für das theologische Amtsexamen, seit 1883 Mitglied des Consistoriums. 1887 wurde er zum Rector der Universität erwählt. Er starb am 12. September 1894.

Mit hervorragendem Scharfsinn und großer dialektischer Begabung ausgerüstet hat D. in reichster schriftstellerischer Thätigkeit die kirchengeschichtliche Forschung gefördert. Sein Interesse galt vorwiegend der Entwicklung der christlichen Lehre, speciell der präcisen Bestimmung der Bedeutung der Lutherischen Reformation, deren Errungenschaften er zugleich gegen solche neueren Aufstellungen, die er für Entstellungen ansah, mit Energie zu behaupten suchte. Dieses Gebiet betrat er schon mit seiner Habilitationsschrift „De Carolostadio Lutheranae de servo arbitrio doctrinae contra Eckium defensore“. Von demselben Interesse geleitet wünschte er auch über die Frage, ob die mittelalterlichen Waldenser als Vorläufer der Lutherischen Reformation zu bezeichnen seien, größere Klarheit zu schaffen. 1851 erschien seine Arbeit „Die Waldenser im Mittelalter; zwei historische Untersuchungen“. In dem ersten Theil unterzog er die Manuscripten-Litteratur der Waldenser einer einschneidenden Kritik, in dem zweiten stellte er „die ursprüngliche Beschaffenheit [673] der waldensischen Sekte“ dar. Gegen die hiergegen besonders von Herzog gerichteten Angriffe vertheidigte (und modificirte) er seine Aufstellungen durch einen längeren Artikel „Die Waldenser im Mittelalter“ in den Göttinger gelehrten Anzeigen von 1858. Seine Ergebnisse faßte er kurz zusammen in einem unter gleichem Titel veröffentlichten Vortrage (1861). Das im wesentlichen zu allgemeiner Anerkennung gelangte Resultat seiner Untersuchung ist dieses: Die neuwaldensische Ueberlieferung, es seien die Waldenser schon vor der Reformation im Besitze der wesentlichen evangelischen Wahrheit gewesen, ist irrig. Denn die diesen Schein erweckenden waldensischen Schriften rühren in der Form, in der sie später verwandt wurden, erst aus nachreformatorischer Zeit her. So ergab sich für D. das Urtheil: Wohl haben die Waldenser sich auf die heilige Schrift gestützt und damit einen von der kirchlichen Autorität unabhängigen Standpunkt eingenommen. Aber während sie in dem, was sie verneinten, im Rechte waren, haben sie „die Wahrheit selbst keineswegs auch positiv richtig erfaßt“. Ja, indem sie „das Schriftprincip in einer zu äußerlich-abstracten Weise geltend machten“, verfielen sie in Irrthümer, denen gegenüber die römische Kirche im Rechte war. Die rechte religiöse Erkenntniß, welche wir der Lutherischen Reformation zu verdanken haben, ist weder durch bloße Aufstellung des Schriftprincips, noch durch innige Herzensfrömmigkeit zu ersetzen.

Da sich nach Dieckhoff’s Ansicht „immer unabweislicher die Bedeutung des Dogmas vom Abendmahl in der gegenwärtigen Entwicklung der theologischen Wissenschaft und der Kirche geltend machte“, veröffentlichte er 1854 den 1. Band des weitläufig angelegten Werkes „Die evangelische Abendmahlslehre im Reformationszeitalter“, welches die Geschichte dieser Lehre bis ins Detail hinein geben will, weil „man nicht in den Sätzen, in denen sich die verschiedenen Lehrmeinungen abschließen und zusammenfassen, sondern in der Begründung dieser Sätze, in den Voraussetzungen, auf welchen sie ruhen, das innere Verständniß der Lehrentwickelung findet“. Die Darstellung umfaßt nur die Lehre des Mittelalters, Luther’s bis 1523, Wesel’s und Honius’, Karlstadt’s, Zwingli’s, Oekolampad’s und des schwäbischen Syngrammas. Die Fortsetzung ist nicht erschienen. Auch hier spricht D. aus: „Die Reformation ist nicht ein reines Zurückgehen auf einen früheren, ursprünglichen Zustand der Kirche gewesen, wenn sie auch in dem historischen Widerspruche zu der Tradition der alten Kirche das Neue der zurückzuweisenden römischen Tradition aufdecken mußte. Sie erfaßte vielmehr in wahrer Weise, was die mittelalterliche Kirche in falscher Weise gesucht und erstrebt hat. Der Reformation kommt auch der Kirche der ersten Jahrhunderte gegenüber eine selbständige, weiterführende Bedeutung zu“. – Um Luther’s Lehre von der Rechtfertigung in das rechte Licht zu stellen, veröffentlichte D. in der „Theologischen Zeitschrift“, welche er gemeinsam mit Kliefoth von 1860–64 herausgab und mit einem Artikel „Zur gegenwärtigen Lage der Lutherischen Theologie“ eröffnete, eine längere Abhandlung über „Augustins Lehre von der Gnade“ (1860) und über „Luthers Lehre von der Gnade“ (1861), ohne den versprochenen Artikel „Calvins Lehre von der Gnade“ hinzuzufügen. 1865 erschien von ihm „Luthers Lehre von der kirchlichen Gewalt“. Als Abschluß dieser zugleich in die Vergangenheit der Kirche zurückblickenden Arbeiten über die Reformation ist die gehaltvolle Schrift zu bezeichnen: „Justin, Augustin, Bernhard und Luther. Der Entwicklungsgang christlicher Wahrheitserfassung in der Kirche als Beweis für die Lehre der Reformation“ (1882).

Von jetzt an wendet sich D. vor allem der Erforschung der Anfänge Luther’s [674] zu, welche er schon 1852 in dem Aufsatz „Luther’s evangelische Lehrgedanken in ihrer ersten Gestalt“ (Dtsche. Zeitschr. f. christl. Wissensch. u. christl. Leben) ins Auge gefaßt hatte. Nachdem Seidemann 1876 „Luthers erste und älteste Vorlesungen über die Psalmen“ herausgegeben hatte, veröffentlichte D. 1883 in der „Zeitschr. f. kirchl. Wissensch. u. kirchl. Leben“ einen Artikel „Luthers erste Vorlesungen über die Psalmen“. Aus diesen schöpfte er „Die Stellung Luthers zur Kirche und ihrer Reformation in der Zeit vor dem Ablaßstreit“ (1883). In demselben Jahre erschien als Erwiderung auf die römischerseits gegen die Lutherfeier erhobenen Anklagen die Festrede „Luthers Recht gegen Rom“. Als dann einige der gegen Joh. Janssen’s Geschichte des deutschen Volkes seit dem Ausgange des Mittelalters gerichteten protestantischen Schriften nicht hinreichende Klarheit über die Lehre vom Ablaß documentirten, gab D. 1886 die Schrift „Der Ablaßstreit“ heraus, in der er einerseits darlegte, daß in der That der Ablaß infolge der laxen scholastischen Lehre von der erforderlichen Reue die gefährlichste Abstumpfung der Gewissen bewirken mußte, und anderseits nachwies, welche Bedeutung dem Ablaßstreite für die religiöse Entwicklung Luther’s zuzuschreiben ist, daß ihm nämlich dadurch die Erkenntniß von der Bedeutung der kirchlichen Absolution aufging. 1887 folgte die Schrift „Luthers Lehre in ihrer ersten Gestalt“. Diese mag vielleicht noch nicht genügend die Unterschiede zwischen der frühesten und der späteren Lehre Luther’s hervorgehoben haben, kann aber noch immer als Grundlage für weitere Untersuchungen in dieser Richtung dienen und hat durch den Nachweis, daß bei Luther der Glaube stets die Reue einschließt, auch eine gegen Aufstellungen von Schülern Ritschl’s gerichtete Tendenz. In der Abhandlung „Die Anfangssworte des 32. Psalms und die evangelische Rechtfertigungslehre“ (1888) zeigte D., wie Augustin und Bernhard in verschiedenen Richtungen zu der richtigen Erfassung dieser Lehre durch Luther beigetragen haben.

Für besonders wichtig hielt es D., das „Formalprincip der Reformation“, die Lehre von der Autorität der heiligen Schrift intact zu erhalten. Dieses schien ihm unmöglich zu sein, wenn man mit v. Hofmann die Schrift als die Urkunde der Heilsoffenbarung bestimme. Hiergegen wandte er sich in der „Kirchlichen Zeitschrift“ 1858 mit dem Aufsatze „Die evangelisch-lutherische Lehre von der heiligen Schrift“ und 1860 in der „Theologischen Zeitschrift“ mit der Abhandlung „System und Schrift. Noch einmal wider v. Hofmann“. Als dann 1870 v. Ketteler in seinem Buche „Das allgemeine Concil und seine Bedeutung für unsere Zeit“ die alten Angriffe gegen das evangelische Schriftprincip erneuerte, antwortete D. mit dem Buche „Schrift und Tradition“ (1870), in welchem er „in einer auch dem Laien verständlichen Weise“ vor allem das evangelische Schriftprincip darstellte, das römische Traditionsprincip widerlegte und besonders ausführlich und überzeugend die „Vollständigkeit“ und „Klarheit“ der Schrift besprach, in der Ueberzeugung, daß „die sichere Erkenntniß des guten Rechts und des rechten Sinnes des evangelischen Schriftprincips infolge der so tiefgreifenden Krisis, in der sich gegenwärtig unsere Kirche befindet, auch unsern eigenen kirchlichen Aufgaben gegenüber nothwendig“ sei. – Schon in dem früheren Streite mit v. Hofmann hatte die Frage nach dem Verhältniß zwischen dem gepredigten Worte und der heiligen Schrift einen Hauptpunkt ausgemacht. Im Januar 1886 nun hatte sich die Dorpater Pastoralconferenz wieder mit diesem Gegenstande beschäftigt und als die Quelle des Glaubens das gepredigte Wort aufgefaßt. D. fürchtete, durch solche Scheidung des gepredigten Wortes von der Schrift gehe „die Gründung des Glaubens und seiner Gewißheit in dem göttlich gewissen Worte Gottes verloren“, und meinte in der Theologie des [675] Erlanger Frank die bösen Folgen dieser unrichtigen Werthung der Schrift zu erkennen, indem nach dessen „System der christlichen Gewißheit“ „die Vergewisserung des Glaubens in der Subjektivität des Gläubigen zu suchen“ sei. Daher verfocht er 1886 in einem Conferenzvortrage „Das gepredigte Wort und die heilige Schrift“ die Anschauung, es sei die Schrift „nicht bloß Richtschnur und Norm der kirchlichen Lehre, sondern auch Quelle und zwar die einzig in sich selbst göttlich gewisse Quelle des Glaubens“. Dagegen trat Volck in Dorpat auf in dem Mai- und Juniheft der „Mittheilungen für die evangel. Kirche in Rußland“ und v. Oettingen in der Schrift „Die Lehre von den Gnadenmitteln mit Bezug auf Gebet und Wort Gottes“. Beide behaupteten hinsichtlich der wichtigeren gegen sie gerichteten Thesen, daß sie mit denselben stets übereingestimmt hätten. D. aber wandte sich nochmals gegen sie mit der Schrift „Das Wort Gottes“ (1888). Er verfocht die Ansicht, welche freilich auch seine Gegner festhalten wollten, daß „wir Gottes Offenbarungswort in objectiv gewisser Weise allein in der heiligen Schrift besitzen“. – Den altdogmatischen Inspirationsbegriff dagegen glaubte auch er aufgeben zu müssen, weil derselbe „eine einseitige Fortbildung des Inspirationsbegriffs der Kirche“ sei und „mit der Beschaffenheit der Kirche in Widerspruch stehe“. Dies legte er dar in der Schrift „Die Inspiration und Irrthumslosigkeit der heiligen Schrift“ (1891), meinte auch nachweisen zu können, daß „die Grundstellung Augustins zur Inspiration eine principiell andere als die der Dogmatiker des 17. Jahrhunderts“ gewesen sei, indem nach diesem Kirchenvater „die eigene Geistesthätigkeit der heiligen Schriftsteller bei Abfassung der Schrift nicht aufgehoben und die mit der menschlichen Geistesthätigkeit verknüpften Unsicherheiten nicht gänzlich ausgeschlossen“ gewesen seien. Ebenso glaubte er bei Luther lesen zu dürfen, „daß durch die Inspiration nicht alles Unsichere und Unrichtige in Dingen, die für den Glauben bedeutungslos sind, gänzlich ausgeschlossen sei“, – dogmengeschichtliche Urtheile, die vielleicht nicht in dieser Gestalt aufrecht zu erhalten sind. Seine eigene Ansicht über die Unfehlbarkeit der h. Schrift bestimmte er dahin, daß nur solche Irrthümer ausgeschlossen seien, „durch welche der von Gott gewollte Zweck der h. Schrift gehindert oder irgendwie ins Unsichere gestellt wäre“. Gegen ihn erhoben sich zwei Anhänger des „absoluten Inspirationsbegriffs“, Greve, „Der Kampf um die heilige Schrift und ihre Inspiration“ (1892) und Rohnert, „Was lehren die derzeitigen deutschen Professoren der evangelischen Theologie über die heilige Schrift und deren Inspiration?“ (1892). Dieckhoff’s Antwort unter dem Titel „Noch einmal über die Inspiration und Irrthumslosigkeit der heiligen Schrift“ (1893), prüfte besonders nochmals Luther’s Aussagen und legte die thatsächliche Beschaffenheit der Bibel dar, die in Nebendingen nicht irrthumslos sei und hinsichtlich des Stils und der Darstellung Verschiedenheiten biete, auch nicht selbst von sich absolute Irrthumslosigkeit aussage.

Auch an der Lösung der durch die Zeitereignisse angeregten kirchlichen Fragen betheiligte sich D. eifrig. Die Annexion lutherischer Kirchengebiete durch Preußen im J. 1866 veranlaßte die Erwägungen, wie man vom lutherischen Standpunkt aus über die Union zu urtheilen habe, und welches Verfahren hinsichtlich der Zulassung zum lutherischen Abendmahl einzuhalten sei. Im Gegensatze zu einer schrofferen Richtung vertrat D. in einigen Artikeln in dem „Kirchenblatt für die Angelegenheiten der luth. Kirche in Braunschweig und Hannover“ 1868 die Ansicht, „daß zwar die Abendmahlsgemeinschaft zwischen lutherischen und unirten Kirchen ausgeschlossen sei, daß aber die Zulassung von Christen lutherischen Glaubens innerhalb der Union nicht verboten“ sei. Dabei hatte er den Satz Stahl’s, daß „die lutherische Kirche jetzt [676] die Reformirten als solche nicht mehr als abgetrennt von dem Leibe Christi betrachte“, als richtig anerkannt und geltend gemacht, diese Anschauung sei schon auf dem Religionsgespräch zu Marburg von Luther ausgesprochen. Diese Behauptung, gegen die sich ein Aufsatz „Etwas über die Marburger Artikel“ in demselben Kirchenblatt 1870 wandte, verfocht D. in der Schrift „Der Schlußsatz der Marburger Artikel und seine Bedeutung für die richtige Beurtheilung des Verhältnisses der Confessionskirchen zu einander“ (1872), mit der Mahnung schließend: „Darin, daß man den Reformirten als solchen den Christennamen abspricht, wird man die Kraft des lutherischen Zeugnisses vergeblich suchen“.

Sodann beschäftigte ihn die Frage nach der Verfassung der Kirche und ihrem Verhältnisse zum Staate. „In unseren Tagen steht mit der Verbindung der Kirche mit dem Staate der Bestand unserer deutschen Volkskirche, die Bonifacius gegründet hat, in Gefahr.“ In dieser Erwägung veröffentlichte er in der „Theol. Zeitschr.“ 1861 eine Abhandlung über „Die Gründung der deutschen Kirche durch Bonifacius“, beantwortete daselbst 1862 die einschlägige Schrift v. Ketteler’s „Freiheit, Autorität und Kirche“ mit dem Artikel „Zur christlichen Politik“ und zeigte daselbst 1863 in dem Aufsatze „Der Sieg des Christenthums über das Heidenthum unter Constantin d. Gr.“: „Die innere Nothwendigkeit des Bandes zwischen Staat und Kirche, wie sie sich in der Geschichte darlegt, dürfen wir uns auch unter dem Druck der scheinbar widersprechenden Thatsachen nicht aus den Augen rücken lassen. Dabei ist es aber sehr wichtig zu erkennen, wie es zunächst die innere Nothwendigkeit des Staates ist, die den Bund mit dem Christenthum und der Kirche fordert. Eben das liegt sehr klar in den Ereignissen der Constantinischen Epoche vor“. Es folgte 1863 und 64 in der „Theol. Zeitschr.“ die ausführliche, an historischen Untersuchungen reiche Abhandlung „Zur Lehre vom Kirchenregimente“, und 1872 die Schrift „Staat und Kirche. Principielle Betrachtungen über das Verhältniß beider zueinander. Nebst einem Anhange über das neue preußische Schulaufsichtsgesetz“. Ueber „die Verbindlichkeit des Huldigungseides und ihre Grenzen“ hatte er sich 1867 im „Neuen Mecklenburgischen Kirchenblatt“ ausgesprochen.

Als nach Einführung der obligatorischen Civilehe im Deutschen Reiche über die Bedeutung der kirchlichen Trauung verhandelt wurde, sprach D. zunächst in den Göttinger gelehrten Anzeigen 1876 sein Urtheil über Cremer’s Buch „Die kirchliche Trauung“ aus. Sodann hoffte er im Gegensatze zu Sohm nachweisen zu können, daß der kirchlichen Trauung noch neben dem Civilacte eine Bedeutung für die Schließung der Ehe zukommen könne. Aber „nach langem Sträuben drängte sich ihm die Ueberzeugung auf, daß ein inneres Gegensatzverhältniß zwischen Civilact und kirchlicher Trauung bestehe, welches nur mit der obligatorischen Civilehe wieder beseitigt werden könne“. Zu diesem Ergebniß gelangte er in der größeren Schrift „Die kirchliche Trauung, ihre Geschichte im Zusammenhang mit der Entwickelung des Eheschließungsrecht und ihr Verhältniß zur Civilehe“ (1878). Unter Berücksichtigung der abweichenden Ansichten Sohm’s und v. Scheurl’s vertheidigte er seine These, „daß die Trauungsfrage allein durch die Wiederbeseitigung der obligatorischen Civilehe ihre rechte Lösung finden könne“, in der weiteren Schrift „Civilehe und kirchliche Trauung.“ (1880). Ist es ihm auch nicht gelungen, seiner Anschauung in weiteren Kreisen Anerkennung zu verschaffen, so verdienen doch seine historischen Untersuchungen noch immer Berücksichtigung.

In einen unerquicklichen Streit wurde D. dadurch verwickelt, daß die Rostocker theologische Facultät von Amerika aus um ein Gutachten über die [677] in der Missourisynode aufgestellte Lehre von der Prädestination ersucht wurde. Mit der Abfassung dieses „Erachtens der Theologischen Fakultät zu Rostock über die Lehre der Wisconsin-Synode von der Gnadenwahl“ (1884) war D. beauftragt. Gegen dieses Gutachten erschienen zwei Erwiderungen (von Gräbner, „Populäre Beleuchtung des Erachtens …“ und von A. Brauer, „Oeffentliches Zeugniß gegen die unlutherische neue Lehre der Theol. Fakultät zu Rostock“). D. antwortete mit der Schrift: „Der Missourische Praedestinatianismus und die Concordienformel“ (1885); und als von denselben Vertretern der missourischen Lehre zwei neue Angriffe erfolgten (von Gräbner, „Synergistisch-rationalisirende Stellung der Theolog. Fakultät zu Rostock“, von Brauer, „Professor Dieckhoff’s Lehre von der Bekehrung“), vertheidigte er sich mit der Schrift „Zur Lehre von der Bekehrung und von der Praedestination“ (1886). Ihm kam es in diesem Kampfe darauf an, „die Allgemeinheit des göttlichen Gnadenwillens neben der „Alleinursächlichkeit der Gnade hinsichtlich unseres Heils“ festzuhalten: „Die Missourier, welche behaupten, daß die Praedestination nicht irgendwie durch das Verhalten des Menschen bedingt sei, sind hinter die von der lutherischen Theologie der Reformationszeit gefundene und den Bestimmungen der Concordienformel zu Grunde liegende Lösung auf den vorreformatorisch-augustinischen Standpunkt, den Luther in der Schrift de libero arbitrio noch nicht überwunden hatte, zurückgesunken“. Daß aber der Mensch, obwol allein der Geist Gottes die Bekehrung wirkt, doch sich dem Wirken des Geistes gegenüber verschieden verhalten kann, ist nicht in den Kräften des natürlichen Menschen begründet, sondern wird durch die zuvorkommende Gnade ermöglicht. – Von kleineren Schriften Dieckhoff’s seien noch erwähnt: „Das chinesische Heidenthum“; ein Vortrag, den er 1859 als einer der Directoren der „Chinesischen Stiftung“ veröffentlichte; sodann sein Angriff gegen die Theologie Ritschl’s „Die Menschwerdung des Sohnes Gottes“ (1882), ein Vortrag, in dem er sich auch über die neueren Constructionen dieser Lehre durch die, welche „die Gottheit des Herrn bewahren wollen“, ausspricht, nämlich Dorner, „die modernen Kenotiker“ und Martensen. „Ueber die Stellung der theologischen Fakultäten zur Kirche“ sprach er 1883 seine Ueberzeugung aus unter Berücksichtigung der betreffenden Ansichten von A. Heynsius, Holsten, Ed. Riehm und E. Haupt. Seine Rectoratsrede 1888 behandelte „Leibnitz’ Stellung zur Offenbarung“.