Handelsmaschine

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Die „Handels­maschine“ war eine der ersten in der langen Modellreihe von Enigma-Maschinen (Abbildung aus Scherbius’ Aufsatz in der ETZ vom 29. November 1923).

Bei der Handelsmaschine, auch als Typenradmaschine bezeichnet,[1] handelt es sich um das erste „schreibende“ Modell der Rotor-Schlüsselmaschine Enigma.

In der langen Geschichte der unterschiedlichen Enigma-Modelle war die im Jahr 1923 eingeführte sogenannte „Handelsmaschine“ das erste in Serie gefertigte Modell (siehe auch: Stammbaum der Enigma unter Weblinks). Nach Erfindung der Maschine durch Arthur Scherbius, seiner ersten Patentanmeldung dazu am 23. Februar 1918,[2] sowie der Herstellung von Prototypen, wurde von der Firma Scherbius & Ritter in Berlin-Wannsee die Enigma entwickelt. Kurz darauf begann die Fertigung des ersten Modells bei der Gewerkschaft Securitas, ebenfalls in Berlin (W 35, Steglitzer Str. 2, heute Pohlstraße, Tiergarten). Am 9. Juli 1923, ging aus der Gewerkschaft Securitas die Chiffriermaschinen-Aktiengesellschaft (ChiMaAG) hervor.[3]

Bei der Handelsmaschine handelte es sich um eine vergleichsweise voluminöse und schwere Maschine. Ihre Abmessungen (L×B×H) betragen etwa 65 cm × 45 cm × 38 cm bei einem Gewicht von rund 50 kg.[4] Im Gegensatz zu den früheren „Probemaschinen“ und den späteren „Glühlampen-Chiffriermaschinen“, war sie die erste der „schreibenden Enigma-Chiffriermaschinen“. Sie wurde kommerziell auf Messen zum Kauf angeboten, wie 1923 in Leipzig und Bern und 1924 auf dem internationalen Postkongress des Weltpostvereins in Stockholm.[5]

Nach den Patentanmeldungen vom 26. September 1920 (Nr. 425147) von Scherbius und vom 26. März 1924 (Nr. 429122) von Paul Bernstein (siehe auch: Enigma-Patente) hatte die Handelsmaschine vier Chiffrierwalzen und zusätzlich vier gezähnte Antriebswalzen mit Lücken, die für eine unregelmäßige Weiterschaltung der Chiffrierwalzen sorgten, mit folgender Konfiguration:

  • 11 Stellungen 5 Zähne und 6 Lücken
  • 15 Stellungen 9 Zähne und 6 Lücken
  • 17 Stellungen 11 Zähne und 6 Lücken
  • 19 Stellungen 11 Zähne und 8 Lücken

Dies ergibt eine Periode von 11·15·17·19 = 53.295. Verglichen mit den 264 oder 456.976 möglichen Stellungen der vier Chiffrierwalzen nennt es Friedrich L. Bauer „fast eine progressive Chiffrierung“.[6] Dies war eine kryptographische Stärke der Handelsmaschine, die späteren Modellen (ab Enigma-A) fehlte.

Bereits ab 1920 versuchte Scherbius auch das Reichs­post­ministerium für seine Maschine zu interessieren und entwickelte auf der Basis der Handelsmaschine ein weiteres Modell, genannt die „Postmaschine“. Dieses Projekt konnte jedoch nicht erfolgreich abgeschlossen werden.[7]

  • Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, ISBN 3-540-67931-6.
  • Friedrich L. Bauer: Historische Notizen zur Informatik. Springer, Berlin 2009, ISBN 3-540-85789-3.
  • Louis Kruh, Cipher Deavours: The commercial Enigma – Beginnings of machine cryptography. PDF; 800 kB In: Cryptologia, Rose-Hulman Institute of Technology, Taylor & Francis, Philadelphia PA 26.2002,1 (Januar), ISSN 0161-1194; abgerufen 4. März 2016
  • Arthur Scherbius: „Enigma“ Chiffriermaschine. PDF; 1 MB In: Elektrotechnische Zeitschrift, November 1923, S. 1035–1036; abgerufen 21. Februar 2019.
  • Claus Taaks: Scherbius and the Enigma – Political, Economic and Military Conditions. Proceedings of the 6th International Conference on Historical Cryptology HistoCrypt 2023, S. 170–179, PDF; 253 kB (englisch).
  • Heinz Ulbricht: Die Chiffriermaschine Enigma – Trügerische Sicherheit. Ein Beitrag zur Geschichte der Nachrichtendienste. PDF; 4,7 MB Dissertation, Braunschweig 2005.
  • Anders Wik: The First Classical Enigmas – Swedish Views on Enigma Development 1924–1930. Proceedings of the 1st International Conference on Historical Cryptology, PDF; 12,5 MB 2018, S. 83–88.

Einzelnachweise

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  1. Siegfried Türkel: Chiffrieren mit Geräten und Maschinen. 1927, S. 79 (cryptomuseum.com [PDF]).
  2. Patentschrift Chiffrierapparat DRP Nr. 416 219. (PDF; 400 kB) abgerufen 4. März 2016.
  3. Louis Kruh, Cipher Deavours: The commercial Enigma – Beginnings of machine cryptography. (PDF; 800 kB) In: Cryptologia, Rose-Hulman Institute of Technology, Taylor & Francis, Philadelphia PA 26.2002,1 (Januar), S. 1. ISSN 0161-1194; abgerufen 4. März 2016
  4. Louis Kruh, Cipher Deavours: The commercial Enigma – Beginnings of machine cryptography. (PDF; 800 kB) In: Cryptologia, Rose-Hulman Institute of Technology, Taylor & Francis, Philadelphia PA 26.2002,1 (Januar), S. 4. ISSN 0161-1194; abgerufen 4. März 2016
  5. Louis Kruh, Cipher Deavours: The commercial Enigma – Beginnings of machine cryptography. (PDF; 800 kB) In: Cryptologia, Rose-Hulman Institute of Technology, Taylor & Francis, Philadelphia PA 26.2002,1 (Januar), S. 5. ISSN 0161-1194; abgerufen 4. März 2016
  6. Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse. Methoden und Maximen der Kryptologie. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2000, S. 140.
  7. Claus Taaks: Scherbius and the Enigma – Political, Economic and Military Conditions. HistoCrypt 2023 Proceedings, S. 170–179 (englisch).