„Guanidin“ – Versionsunterschied

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'''Guanidin''' ist eine [[Organische Chemie|organische]] [[Basen (Chemie)|Base]] (nicht zu verwechseln mit dem [[Nukleosid]] [[Guanosin]]). Guanidin kann man als [[Amidin]] der [[Carbamidsäure]] auffassen.
'''Guanidin''' ist eine [[Organische Chemie|organische]] [[Chemische Verbindung|Verbindung]] (nicht zu verwechseln mit [[Guanin]] oder [[Guanosin]]). Guanidin kann als [[Stickstoff]]analogon der Kohlensäure aufgefasst werden, wobei [[Carbamidsäure]] und [[Harnstoff]] als entsprechende Zwischenstufen angesehen werden können.<ref>{{cite journal | author = Edward C. Franklin | journal = Journal of the American Chemical Society | year = 1922 | volume = 44 | pages = 486-509 | doi = 10.1021/ja01424a007 | title = The Ammono Carbonic Acids }}</ref>

Guanidin wurde schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal synthetisiert,<ref name="Strecker">A. Strecker, ''Liebigs Ann. Chem.'' '''1861''', ''118'', 151.</ref> die Kristallstruktur konnte aber erst 2009 gelöst werden.<ref name = "Yamada">{{cite journal | author = T. Yamada, X. Liu, U. Englert, H. Yamane, R. Dronskowski | journal = Chem. Eur. J. | year = 2009 | volume = 15 | pages = 5651 | doi = 10.1002/chem.200900508 | title = Solid-State Structure of Free Base Guaninide Achieved at Last }}</ref> Es wurde vermutet,<ref name="Yamada" /> dass so viel Zeit vergehen musste, da Guanidin (im Gegensatz zur Kohlensäure) eine der stärksten organischen [[Basen (Chemie)|Basen]] ist<ref>{{cite journal | author = S. J. Angyal, W. K. Warburton | journal = Journal of the Chemical Society (Resumed) | year = 1951 | pages = 2492-2494 | doi = 10.1039/jr9510002492 | title = The basic strengths of methylated guanidines }}</ref> und an Luft spontan mit [[Luftfeuchtigkeit]] und [[Kohlenstoffdioxid]] zu [[Guanidiniumcarbonat]] reagiert.<ref name="Strecker" />

Guanidin wurde in verschiedenen [[Theoretische Chemie|quantenchemischen Rechnungen]] untersucht, vor allem in Bezug auf das Konzept der Y-Aromatizität.<ref>{{cite journal | author = R. Caminiti, A. Pieretti, L. Bencivenni, F. Ramondo, N. Sanna | journal = The Journal of Physical Chemistry | year = 1996 | volume = 100 | pages = 10928-10935 | doi = 10.1021/jp960311p | title = Amidine N−C(N)−N Skeleton:  Its Structure in Isolated and Hydrogen-Bonded Guanidines from ab Initio Calculations }}</ref> Des weiteren stellt Guanidin eine wichtige Substruktur in vielen biologischen Molekülen wie [[Guanin]] dar.<ref name="Yamada" />


== Geschichte ==
== Geschichte ==
Guanidin wurde erstmals 1861 durch [[Oxidation|oxidativen]] Abbau von [[Guanin]] synthetisiert.<ref name="Strecker">A. Strecker, ''Liebigs Ann. Chem.'' '''1861''', ''118'', 151.</ref> [[Röntgenabsorptionsspektroskopie|Röntgenographische]] [[Strukturaufklärung|Strukturdaten]] von [[Addukt]]en des Guanidins wurden 2007 erhalten,<ref name="Goebel">{{cite journal | author = M. Goebel, T.M. Klapoetke | journal = Chem. Commun. | year = 2007 | volume = 43 | pages = 3180-2 | doi = 10.1039/B705100J | title = First structural characterization of guanidine | issue = 30 }}</ref> doch gelang die vollständige Aufklärung der Guanidin-[[Kristallstruktur]] trotz der einfachen Molekülstruktur erst 148 Jahre nach der ersten Synthese.<ref name = "Yamada">{{cite journal | author = T. Yamada, X. Liu, U. Englert, H. Yamane, R. Dronskowski | journal = Chem. Eur. J. | year = 2009 | volume = 15 | pages = 5651 | doi = 10.1002/chem.200900508 | title = Solid-State Structure of Free Base Guaninide Achieved at Last }}</ref> Schließlich wurden 2013 die Lageparameter der Wasserstoffatome und ihre Auslenkungsparameter mittels Neutronenbeugung am Guanidin-Einkristall bestimmt.<ref name = "Sawinski">{{cite journal | author = P. K. Sawinski, M. Meven, U. Englert, R. Dronskowski | journal = Cryst. Growth Des. | year = 2013 | volume = 13 | pages = 1730-5 | doi = 10.1021/cg400054k | title = Single-Crystal Neutron Diffraction Study on Guanidine, CN<sub>3</sub>H<sub>5</sub> }}</ref>
Guanidin wurde erstmals 1861 durch [[Oxidation|oxidativen]] Abbau von [[Guanin]] synthetisiert.<ref name="Strecker" /> [[Röntgenabsorptionsspektroskopie|Röntgenographische]] [[Strukturaufklärung|Strukturdaten]] von [[Addukt]]en des Guanidins wurden 2007 erhalten,<ref name="Goebel">{{cite journal | author = M. Goebel, T.M. Klapoetke | journal = Chem. Commun. | year = 2007 | volume = 43 | pages = 3180-2 | doi = 10.1039/B705100J | title = First structural characterization of guanidine | issue = 30 }}</ref> doch gelang die vollständige Aufklärung der Guanidin-[[Kristallstruktur]] trotz der einfachen Molekülstruktur erst 148 Jahre nach der ersten Synthese.<ref name="Yamada" /> Schließlich wurden 2013 die Lageparameter der Wasserstoffatome und ihre Auslenkungsparameter mittels Neutronenbeugung am Guanidin-Einkristall bestimmt.<ref name = "Sawinski">{{cite journal | author = P. K. Sawinski, M. Meven, U. Englert, R. Dronskowski | journal = Cryst. Growth Des. | year = 2013 | volume = 13 | pages = 1730-5 | doi = 10.1021/cg400054k | title = Single-Crystal Neutron Diffraction Study on Guanidine, CN<sub>3</sub>H<sub>5</sub> }}</ref>


== Vorkommen ==
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== Chemische Eigenschaften ==
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[[Datei:Guanidiniumion.svg|thumb|left|150px|Struktur des Guanidiniumions]]
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Die konjugierte Säure von Guanidin wird als Guanidinium-[[Kation]] bezeichnet. Aufgrund der mesomeriestabilisierenden Wirkung der drei [[Aminogruppe]]n im Guanidinium-Kation [C(NH<sub>2</sub>)<sub>3</sub>]<sup>+</sup> (durch Aufnahme eines H<sup>+</sup>) gehört Guanidin zu den stärksten organischen [[Basen (Chemie)|Basen]], ähnlich stark wie ein [[Alkalihydroxid]]. Sein pK<sub>B</sub>-Wert beträgt 0,30.<ref>H. R. Christen, F. Vögtle: ''Organische Chemie - Von den Grundlagen zur Forschung''. 2. Auflage, S. 425, Otto Salle Verlag, Frankfurt a. Main 1996, ISBN 3-7935-5398-1.</ref> Es bildet mit [[Säuren]] Guanidinium-[[Salze]], z.&nbsp;B.
Die konjugierte Säure von Guanidin wird als Guanidinium-[[Kation]] bezeichnet. Aufgrund der mesomeriestabilisierenden Wirkung der drei [[Aminogruppe]]n im Guanidinium-Kation [C(NH<sub>2</sub>)<sub>3</sub>]<sup>+</sup> (durch Aufnahme eines H<sup>+</sup>) gehört Guanidin zu den stärksten organischen [[Basen (Chemie)|Basen]], ähnlich stark wie ein [[Alkalihydroxid]]. Sein pK<sub>B</sub>-Wert beträgt 0,30.<ref name="Christen">H. R. Christen, F. Vögtle: ''Organische Chemie - Von den Grundlagen zur Forschung''. 2. Auflage, S. 425, Otto Salle Verlag, Frankfurt a. Main 1996, ISBN 3-7935-5398-1.</ref> Es bildet mit [[Säuren]] Guanidinium-[[Salze]], z.&nbsp;B.
* [[Guanidiniumchlorid]]
* [[Guanidiniumchlorid]]
* [[Guanidiniumthiocyanat]]
* [[Guanidiniumthiocyanat]]

Version vom 18. Juli 2013, 13:08 Uhr

Strukturformel
Struktur von Guanidin
Allgemeines
Name Guanidin
Andere Namen
  • Iminoharnstoff
  • Aminomethanamidin
  • Carbamidin
Summenformel CN3H5
Kurzbeschreibung

farblose, hygroskopische Kristalle [1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 113-00-8
Wikidata Q183309
Eigenschaften
Molare Masse 59,07 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

50 °C [1]

Löslichkeit

leicht löslich in Ethanol, in Wasser Protonierung zu leichtlöslichem Guanidinium[1]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Guanidin ist eine organische Verbindung (nicht zu verwechseln mit Guanin oder Guanosin). Guanidin kann als Stickstoffanalogon der Kohlensäure aufgefasst werden, wobei Carbamidsäure und Harnstoff als entsprechende Zwischenstufen angesehen werden können.[4]

Guanidin wurde schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal synthetisiert,[5] die Kristallstruktur konnte aber erst 2009 gelöst werden.[6] Es wurde vermutet,[6] dass so viel Zeit vergehen musste, da Guanidin (im Gegensatz zur Kohlensäure) eine der stärksten organischen Basen ist[7] und an Luft spontan mit Luftfeuchtigkeit und Kohlenstoffdioxid zu Guanidiniumcarbonat reagiert.[5]

Guanidin wurde in verschiedenen quantenchemischen Rechnungen untersucht, vor allem in Bezug auf das Konzept der Y-Aromatizität.[8] Des weiteren stellt Guanidin eine wichtige Substruktur in vielen biologischen Molekülen wie Guanin dar.[6]

Geschichte

Guanidin wurde erstmals 1861 durch oxidativen Abbau von Guanin synthetisiert.[5] Röntgenographische Strukturdaten von Addukten des Guanidins wurden 2007 erhalten,[9] doch gelang die vollständige Aufklärung der Guanidin-Kristallstruktur trotz der einfachen Molekülstruktur erst 148 Jahre nach der ersten Synthese.[6] Schließlich wurden 2013 die Lageparameter der Wasserstoffatome und ihre Auslenkungsparameter mittels Neutronenbeugung am Guanidin-Einkristall bestimmt.[10]

Vorkommen

Viele Naturstoffe sind Guanidinderivate, darunter so wichtige wie die proteinogene Aminosäure Arginin, das Kreatin und das Kreatinin. Die Guanidinderivate Arginin und Argininosuccinat spielen eine wichtige Rolle im Harnstoffzyklus und damit bei der Entgiftung des durch Stoffwechselprozesse gebildeten Ammoniaks.

Gewinnung und Darstellung

Strecker synthetisierte Guanidin aus Guanidinsulfat, das er durch oxidativen Abbau aus Guanin gewann. Dazu versetzte er das Salz der Schwefelsäure mit Barytwasser (einer Bariumhydroxid-Lösung) und verdunstete das Lösungsmittel im Vakuum. Aufgrund der hohen Hygroskopie des Guanidins konnte er die freie Base jedoch nicht untersuchen.[5]

Eine andere Synthesevorschrift nutzte eine Metathese-Reaktion, um Guanidin zu erhalten. Dafür wurde Kaliumhydroxid mit Guanidiniumperchlorat stöchiometrisch in Ethanol umgesetzt. Das entstandene Guanidiniumhydroxid wurde über Phosphorpentoxid im Vakuum getrocknet, um Wasser abzuspalten. Das so synthetisierte Guanidin ermöglichte, ein IR-Spektrum aufzunehmen.[11][12]

Um Guanidin zu kristallisieren, wurde Guanidiniumchlorid in THF gelöst und mit einer Natriummethanolatlösung ebenfalls in THF unter Luftausschluss versetzt. Zu der Lösung konnte langsam Acetonitril diffundieren. Dabei bildeten sich Einkristalle des Addukts von Guanidin und 3-Amino-5,6-dimethyl-1,2,4-triazin, letzteres durch eine Reaktion des Acetonitrils mit Guanidin in der Gegenwart des Alkoholats. So konnte Guanidin als Molekül zum ersten Mal röntgenographisch untersucht werden.[9]

Mit einer ähnlichen Metathese-Reaktion konnte die reine, freie Base Guanidin synthetisiert werden. Dazu wurde Guanidiniumchlorid mit Natriumethanolat in Ethanol – unter Schutzgasatmosphäre – umgesetzt, wobei Natriumchlorid ausfiel (siehe Reaktionsgleichung). Die Lösung wurde gefiltert, das Lösungsmittel konnte langsam verdampfen. Beim Abkühlen fielen Einkristalle aus.[6]

Ein für die Neutronenbeugung ausreichend großer Einkristall wurde gezüchtet, indem eine Guanidin-Lösung in Ethanol etwa ein halbes Jahr auskristallisieren konnte.[10]

Es kann z. B. durch Schmelzen von Harnstoff oder Dicyandiamid mit Ammoniumnitrat hergestellt werden.

Chemische Eigenschaften

Struktur des Guanidiniumions

Die konjugierte Säure von Guanidin wird als Guanidinium-Kation bezeichnet. Aufgrund der mesomeriestabilisierenden Wirkung der drei Aminogruppen im Guanidinium-Kation [C(NH2)3]+ (durch Aufnahme eines H+) gehört Guanidin zu den stärksten organischen Basen, ähnlich stark wie ein Alkalihydroxid. Sein pKB-Wert beträgt 0,30.[13] Es bildet mit Säuren Guanidinium-Salze, z. B.

Derivate

  • Eine Reihe von Derivaten des Guanidins hat einen extrem süßen Geschmack, bis zur 200.000-fachen Süßkraft der Saccharose. Sie gehören damit zu den süßesten bisher bekannten Verbindungen.[14]

Einzelnachweise

  1. a b c Thieme Chemistry (Hrsg.): Römpp Online. Version 3.1. Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2007.
  2. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  3. Eintrag in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  4. Edward C. Franklin: The Ammono Carbonic Acids. In: Journal of the American Chemical Society. 44. Jahrgang, 1922, S. 486–509, doi:10.1021/ja01424a007.
  5. a b c d A. Strecker, Liebigs Ann. Chem. 1861, 118, 151.
  6. a b c d e T. Yamada, X. Liu, U. Englert, H. Yamane, R. Dronskowski: Solid-State Structure of Free Base Guaninide Achieved at Last. In: Chem. Eur. J. 15. Jahrgang, 2009, S. 5651, doi:10.1002/chem.200900508.
  7. S. J. Angyal, W. K. Warburton: The basic strengths of methylated guanidines. In: Journal of the Chemical Society (Resumed). 1951, S. 2492–2494, doi:10.1039/jr9510002492.
  8. R. Caminiti, A. Pieretti, L. Bencivenni, F. Ramondo, N. Sanna: Amidine N−C(N)−N Skeleton:  Its Structure in Isolated and Hydrogen-Bonded Guanidines from ab Initio Calculations. In: The Journal of Physical Chemistry. 100. Jahrgang, 1996, S. 10928–10935, doi:10.1021/jp960311p.
  9. a b M. Goebel, T.M. Klapoetke: First structural characterization of guanidine. In: Chem. Commun. 43. Jahrgang, Nr. 30, 2007, S. 3180-2, doi:10.1039/B705100J.
  10. a b P. K. Sawinski, M. Meven, U. Englert, R. Dronskowski: Single-Crystal Neutron Diffraction Study on Guanidine, CN3H5. In: Cryst. Growth Des. 13. Jahrgang, 2013, S. 1730-5, doi:10.1021/cg400054k.
  11. W. Marckwald, F. Struwe: Über einige Guanidoniumsalze. In: Ber. 55. Jahrgang, 1922, S. 457–463, doi:10.1002/cber.19220550221.
  12. W. Jeremy Jones: The infra-red spectrum and structure of guanidine. In: Trans. Faraday Soc. 55. Jahrgang, 1959, S. 524–531, doi:10.1039/TF9595500524.
  13. H. R. Christen, F. Vögtle: Organische Chemie - Von den Grundlagen zur Forschung. 2. Auflage, S. 425, Otto Salle Verlag, Frankfurt a. Main 1996, ISBN 3-7935-5398-1.
  14. H.-D. Belitz et al.: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. 5. Aufl., Springer, Berlin u. a. 2001. S. 433.