„Improperien“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
MerlIwBot (Diskussion | Beiträge)
K Bot: Entferne: hu:Improperia (deleted)
KKeine Bearbeitungszusammenfassung
 
(47 dazwischenliegende Versionen von 30 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:Crucifixion_by_Theophanes_the_Cretan.jpg|thumb|Die Kreuzigung, Ikone im Kloster Stavronikita auf dem Berg Athos]]
[[Datei:Crucifixion by Theophanes the Cretan.jpg|mini|Die Kreuzigung, Ikone im Kloster Stavronikita auf dem Berg Athos]]
Die '''Improperien''' oder '''Heilandsklagen''' (von [[Lateinische Sprache|lat.]] ''probrum'': Vorwurf, Schelte) gehören seit dem frühen [[Mittelalter]] zur kirchlichen ''[[Feier vom Leiden und Sterben Christi]]'' am [[Karfreitag]]. Sie sind in der [[Liturgie]] der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] und [[Orthodoxe Kirche|orthodoxen]] fest verankert. Wo in evangelischen, zumeist [[Lutherische Kirche|lutherischen]], Kirchen ''Andachten zur Todesstunde Jesu'' gehalten werden, können sie vorkommen.<ref>Amt der VELKD (Hrsg.): ''Gottesdienstfeiern von Palmsonntag bis Ostern. Entwurf der Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden'', Band 2, Teilband 1; reihe gottesdienst 21; Hannover: Lutherisches Verlagshaus, 2008; ISBN 978-37859-0977-5; S.&nbsp;47</ref>
Die '''Improperien''' oder '''Heilandsklagen''' (von [[Lateinische Sprache|lat.]] ''improperium'': Vorwurf, Schelte) sind Gesänge in der [[Liturgie]] der [[Römisch-katholische Kirche|römisch-katholischen]] und [[Orthodoxe Kirche|orthodoxen]] Kirche. Sie gehören seit dem frühen [[Mittelalter]] zur ''[[Feier vom Leiden und Sterben Christi]]'' am [[Karfreitag]]. Wo in evangelischen, zumeist [[Lutherische Kirche|lutherischen]], Kirchen ''Andachten zur Todesstunde Jesu'' gehalten werden, können sie gesungen werden.<ref>Amt der VELKD (Hrsg.): ''Gottesdienstfeiern von Palmsonntag bis Ostern. Entwurf der Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden'', Band 2, Teilband 1; reihe gottesdienst 21; Hannover: Lutherisches Verlagshaus, 2008; ISBN 978-37859-0977-5; S.&nbsp;47</ref>


== Entstehung ==
== Entstehung ==
Die erste abendländische Quelle für die Improperien findet sich im [[Mozarabischer Ritus|mozarabischen]] ''Liber Ordinum'' aus dem 7. Jahrhundert. Die Inhalte stammen aus dem [[Altes Testament|Alten Testament]] und wurden Jesus in den Mund gelegt. Sie sind mit syrischen und griechischen Karfreitagsgesängen verwandt.
Die erste abendländische Quelle für die Improperien findet sich im [[Mozarabischer Ritus|mozarabischen]] ''Liber Ordinum'' aus dem 7.&nbsp;Jahrhundert. Die Inhalte stammen aus dem [[Altes Testament|Alten Testament]] und wurden Jesus in den Mund gelegt. Sie sind mit syrischen und griechischen Karfreitagsgesängen verwandt.


Ursprünglich wurde die [[Kreuzverehrung]] am Karfreitag still vollzogen, doch im fränkischen Raum während des 9. Jahrhunderts wurde das dreimalige [[Trishagion]] (Hagios ho Theos) mit den Improperien verbunden und vor der Verehrung des Kreuzes gesungen. Dort bildeten sie auch den liturgischen Rahmen für die folgenden [[Große Fürbitten|Großen Fürbitten]]. Diese wurden seit dem 8. Jahrhundert nach dem gleichen Schema vollzogen, nur die [[Karfreitagsfürbitte für die Juden]] wurde durch Weglassung des Kniefalls und des gemeinsamen [[Amen]]s unterschieden.
Ursprünglich wurde die [[Kreuzverehrung]] am Karfreitag still vollzogen, doch im fränkischen Raum während des 9.&nbsp;Jahrhunderts wurde das dreimalige [[Trisagion]] (Ἅγιος ὁ Θεός ''Hagios ho Theos'') mit den Improperien verbunden und vor der Verehrung des Kreuzes gesungen. Dort bildeten sie auch den liturgischen Rahmen für die folgenden [[Große Fürbitten|Großen Fürbitten]]. Diese wurden seit dem 8.&nbsp;Jahrhundert nach dem gleichen Schema vollzogen, nur die [[Karfreitagsfürbitte für die Juden]] wurde durch Weglassung des Kniefalls und des gemeinsamen [[Amen]]s unterschieden.


Die Bezeichnung Improperien findet sich erst im römischen [[Missale]] von 1474, da sie nicht zum ursprünglichen gregorianischen [[Graduale Romanum|Graduale]] gehören.
Die Bezeichnung Improperien findet sich erst im römischen [[Missale]] von 1474, da sie nicht zum ursprünglichen gregorianischen [[Graduale Romanum|Graduale]] gehören.
Zeile 12: Zeile 12:
Die Improperien sind in die '''großen''' und die '''kleinen Improperien''' eingeteilt, die während der Kreuzverehrung aneinander anschließen. Zu Beginn stimmt der [[Priester (Christentum)|Priester]], der [[Diakon]] oder der [[Kantor]] das ''Popule meus'' an, das ein [[Klagelied]] des [[Erlösung|Erlöser]]s an sein treuloses Volk darstellt.
Die Improperien sind in die '''großen''' und die '''kleinen Improperien''' eingeteilt, die während der Kreuzverehrung aneinander anschließen. Zu Beginn stimmt der [[Priester (Christentum)|Priester]], der [[Diakon]] oder der [[Kantor]] das ''Popule meus'' an, das ein [[Klagelied]] des [[Erlösung|Erlöser]]s an sein treuloses Volk darstellt.


Die großen Improperien bestehen aus drei jeweils von einem Vorsänger vorgetragenen Versen „Popule meus / Quia eduxi te / Quid ultra debui“, auf die jeweils die [[Responsorium|responsorische]] Antwort der [[Choralschola|Schola]] „Hagios ho Theos“ folgt. Die Verse des Vorsängers bestehen aus je zwei Teilen. Im ersten Teil werden eine oder mehrere Heilstaten Gottes an seinem Volk benannt (unter anderem die Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft, woran wiederum direkt in der [[Osternacht]] angeknüpft wird); dem wird jeweils eine Schandtat des Gottesvolkes während der [[Passion]] gegenübergestellt.
Die großen Improperien bestehen aus drei jeweils von einem Vorsänger vorgetragenen Versen „Popule meus / Quia eduxi te / Quid ultra debui“, auf die jeweils die [[Responsorium|responsorische]] Antwort der [[Choralschola|Schola]] „Hagios ho Theos“ folgt. Die Verse des Vorsängers bestehen aus je zwei Teilen. Im ersten Teil werden eine oder mehrere Heilstaten Gottes an seinem Volk benannt (unter anderem die Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft, woran wiederum direkt in der [[Osternacht]] angeknüpft wird); dem wird jeweils eine Schandtat des Gottesvolkes während der [[Passion Jesu|Passion]] gegenübergestellt.


Anschließend werden die '''kleinen Improperien''' gesungen, die aus neun von zwei Kantoren gesungenen antithetischen Versen bestehen, wechselnd mit „Ego“ und „Tu“ beginnend, und denen je ein „Popule meus“ der Schola folgt. Die sich daraus ergebende Anklage des Erlösers ist kürzer als in den großen Improperien. Durch die gleich langen Verse und den regelmäßigen Wechsel der Versanfänge von „Ego“ und „Tu“ sind die kleinen Improperien jedoch regelmäßiger gegliedert.
Anschließend werden die '''kleinen Improperien''' gesungen, die aus neun von zwei Kantoren gesungenen antithetischen Versen bestehen, wechselnd mit „Ego“ (Ich) und „Et tu“ (Doch du/Du aber) beginnend, und denen je ein „Popule meus“ der Schola folgt. Die sich daraus ergebende Anklage des Erlösers ist kürzer als in den großen Improperien. Durch die gleich langen Verse und den regelmäßigen Wechsel der Versanfänge von „Ego“ und „Tu“ sind die kleinen Improperien jedoch regelmäßiger gegliedert.


Im [[Gotteslob]] steht als Lied 206 eine im Jahr 1817 von Markus Fidelis Jäck übertragene Fassung der Improperien ("O du mein Volk, was tat ich Dir?"). Der Charakter des Wechselgesangs wird beibehalten, jedoch vereinfacht, indem nur noch zwischen [[Choralschola|Schola]] beziehungsweise und allen anderen Anwesenden unterschieden wird. Dagegen fällt die Einteilung in große und kleine Improperien weg; außerdem wird die textliche Reihenfolge teilweise verändert, und manche Passagen werden auch ganz weggelassen.
Im Gesangbuch ''[[Gotteslob]]'' (Österreich) steht als Lied 822 die im Jahr 1817 von Markus Fidelis Jäck übertragene Fassung der Improperien („O du mein Volk, was tat ich Dir?). Der Charakter des Wechselgesangs wird beibehalten, jedoch vereinfacht, indem nur noch zwischen [[Choralschola|Schola]] beziehungsweise und allen anderen Anwesenden unterschieden wird. Dagegen fällt die Einteilung in große und kleine Improperien weg; außerdem wird die textliche Reihenfolge teilweise verändert, und manche Passagen werden auch ganz weggelassen.


== Text ==
== Text ==
[[Datei:Improperia.ogg|miniatur|Die vollständigen Improperia ([[Gregorianischer Choral|gregorianisch]])]]
[[Datei:Improperia.ogg|miniatur|Die vollständigen Improperien ([[Gregorianischer Choral|gregorianisch]])]]


{| class="wikitable"
{| class="wikitable"
! Lateinischer Originaltext <br>
! Lateinischer Originaltext<br>nach dem [[Graduale Romanum]] 1973
! Deutsche Übersetzung<br>nach dem [[Schott (Messbuch)|Schott-Messbuch]]
nach dem [[Graduale Romanum]] 1973
! Gereimte Übertragung <br>[[Markus Fidelis Jäck]] 1817
! Deutsche Übersetzung <br>
nach dem [[Schott_(Messbuch)|Schott-Messbuch]]
! Gereimte Übertragung <br>
[[Markus Fidelis Jäck]] 1817
|- valign="top"
|- valign="top"
|
|
Zeile 35: Zeile 32:
Aut in quo contristavi te?
Aut in quo contristavi te?
Responde mihi.
Responde mihi.
</poem>

||
<poem>
I.
A: Mein Volk, was habe ich dir getan,
womit nur habe ich dich betrübt?
Antworte mir.
</poem>
||
<poem>
1.
O du mein Volk, was tat ich dir?
Betrübt ich dich?
Antworte mir!
</poem>
|-
|
<poem>
Quia eduxi te de terra Aegypti:
Quia eduxi te de terra Aegypti:
parasti crucem salvatori tuo.
parasti crucem salvatori tuo.
</poem>

||
<poem>
V: Aus der Knechtschaft Ägyptens habe ich dich herausgeführt.
Du aber bereitest das Kreuz deinem Erlöser.
</poem>
||
<poem>
Ägyptens Joch entriss ich dich,
du legst des Kreuzes Joch auf mich.
</poem>
|-
|
<poem>
Hagios o Theos –
Hagios o Theos –
Sanctus deus
Sanctus deus
Hagios Ischyros –
Hagios Ischyros –
Sanctus fortis
Sanctus fortis
Hagios Athanatos, eleison hymas. –
Hagios Athanatos, eleison hemas. –
Sanctus immortalis, miserere nobis.
Sanctus immortalis, miserere nobis.



Quia eduxi te per desertum
quadraginta annis,
et manna cibavi te,
et introduxi in terram
satis optimam:
parasti crucem salvatori tuo.

Hagios o Theos …

Quid ultra debui facere tibi,
et non feci?
Ego quidem plantavi te
vineam meam speciosissimam:
et tu facta es mihi nimis amara:
aceto namque sitim meam potasti:
et lancea perforasti latus
salvatori tuo.

Hagios o Theos …

II.
Ego propter te flagellavi Aegyptum
cum primogenitis suis:
et tu me flagellatum tradidisti.
Popule meus …

Ego te eduxi de Aegypto,
demerso Pharaone in mare Rubrum:
et tu me tradidisti
principibus sacerdotum.
Popule meus …


Ego ante te aperui mare:
et tu aperuisti lancea latus meum.
Popule meus …


Ego ante te praeivi in columna nubis:
et tu me duxisti ad praetorium Pilati.
Popule meus …

Ego te pavi manna per desertum:
et tu me cecidisti
alapis et flagellis.
Popule meus …


Ego te potavi aqua salutis de petra:
et tu me potasti felle et aceto.
Popule meus …

Ego propter te Chananaeorum
reges percussi:
et tu percussisti arundine caput meum.
Popule meus …

Ego dedi tibi sceptrum regale:
et tu dedisti capiti meo
spineam coronam.
Popule meus …

Ego te exaltavi magna virtute:
et tu me suspendisti
in patibulo crucis.
Popule meus …
</poem>
</poem>
|
||
<poem>
<poem>
I.
A: Mein Volk, was habe ich dir getan,
womit nur habe ich dich betrübt?
Antworte mir.


V: Aus der Knechtschaft Ägyptens habe ich dich herausgeführt.
Du aber bereitest das Kreuz deinem Erlöser.

I. Hagios, ho Theos,
I. Hagios, ho Theos,
II. Sanctus Deus.
II. Sanctus Deus.
Zeile 135: Zeile 84:
II. Sanctus Immortalis, miserere nobis.
II. Sanctus Immortalis, miserere nobis.
III. Heiliger, starker, unsterblicher Gott, erbarme dich unser.
III. Heiliger, starker, unsterblicher Gott, erbarme dich unser.
</poem>

||
<poem>
Heiliger Gott!
Heiliger starker Gott!
Heiliger Unsterblicher,
erbarm dich unser!
</poem>
|-
|
<poem>
Quia eduxi te per desertum quadraginta annis,
et manna cibavi te,
et introduxi in terram satis optimam:
parasti crucem salvatori tuo.
</poem>
||
<poem>
V: Vierzig Jahre habe ich dich geleitet durch die Wüste.
V: Vierzig Jahre habe ich dich geleitet durch die Wüste.
Ich habe dich mit Manna gespeist
Ich habe dich mit Manna gespeist
und dich hineingeführt in das Land der Verheißung.
und dich hineingeführt in das Land der Verheißung.
Du aber bereitest das Kreuz deinem Erlöser.
Du aber bereitest das Kreuz deinem Erlöser.
</poem>

||

<poem>
2.
Ich führte dich durch vierzig Jahr
und reichte dir das Manna dar;
das Land des Segens gab ich dir,
und du gibst mir das Kreuz dafür.
</poem>
|-
|
Hagios o Theos …
||
Hagios, ho Theos, …
Hagios, ho Theos, …
||

Heiliger Gott! ...
|-
|
<poem>
Quid ultra debui facere tibi, et non feci?
Ego quidem plantavi te vineam meam speciosissimam:
et tu facta es mihi nimis amara:
aceto namque sitim meam potasti:
et lancea perforasti latus salvatori tuo.
</poem>
||
<poem>
V: Was hätte ich dir mehr tun sollen und tat es nicht?
V: Was hätte ich dir mehr tun sollen und tat es nicht?
Als meinen erlesenen Weinberg pflanzte ich dich,
Als meinen erlesenen Weinberg pflanzte ich dich,
Zeile 149: Zeile 138:
du hast mich in meinem Durst mit Essig getränkt
du hast mich in meinem Durst mit Essig getränkt
und mit der Lanze deinem Erlöser die Seite durchstoßen.
und mit der Lanze deinem Erlöser die Seite durchstoßen.
</poem>

||

<poem>

3.

Was hab ich nicht für dich getan?
Pflanzt dich als meinen Weinberg an,
und du gibst bittern Essig mir,
durchbohrst des Retters Herz dafür.
</poem>
|-
|
Hagios o Theos …
||
Hagios, ho Theos, …
Hagios, ho Theos, …
||
Heiliger Gott! …
|-
|
<poem>
II.
Ego propter te flagellavi Aegyptum
cum primogenitis suis:
et tu me flagellatum tradidisti.
Popule meus …
</poem>
||
<poem>
II.
II.
V: Deinetwegen habe ich Ägypten geschlagen
V: Deinetwegen habe ich Ägypten geschlagen
Zeile 160: Zeile 170:
du aber hast mich geschlagen und dem Tod überliefert.
du aber hast mich geschlagen und dem Tod überliefert.
Mein Volk, …
Mein Volk, …
</poem>

||
|-
|
<poem>
Ego te eduxi de Aegypto,
demerso Pharaone in mare Rubrum:
et tu me tradidisti principibus sacerdotum.
Popule meus …
</poem>
||
<poem>
V: Ich habe dich aus Ägypten herausgeführt
V: Ich habe dich aus Ägypten herausgeführt
und den Pharao versinken lassen im Roten Meer,
und den Pharao versinken lassen im Roten Meer,
du aber hast mich den Hohenpriestern überliefert.
du aber hast mich den Hohenpriestern überliefert.
Mein Volk …
Mein Volk …
</poem>

||
<poem>
4.
Ich führte dich durchs Rote Meer,
und du durchbohrst mich mit dem Speer.
Der Heiden Macht entriss ich dich,
du übergabst den Heiden mich.
Heiliger Gott! …
</poem>
|-
|
<poem>
Ego ante te aperui mare:
et tu aperuisti lancea latus meum.
Popule meus …
</poem>
||
<poem>
V: Ich habe vor dir einen Weg durch das Meer gebahnt,
V: Ich habe vor dir einen Weg durch das Meer gebahnt,
du aber hast mit der Lanze meine Seite geöffnet.
du aber hast mit der Lanze meine Seite geöffnet.
Mein Volk …
Mein Volk …
</poem>

||
|-
|
<poem>
Ego ante te praeivi in columna nubis:
et tu me duxisti ad praetorium Pilati.
Popule meus …
</poem>
||
<poem>
V: In einer Wolkensäule bin ich dir vorangezogen,
V: In einer Wolkensäule bin ich dir vorangezogen,
du aber hast mich vor den Richterstuhl des Pilatus geführt.
du aber hast mich vor den Richterstuhl des Pilatus geführt.
Mein Volk …
Mein Volk …
</poem>

||
|-
|
<poem>
Ego te pavi manna per desertum:
et tu me cecidisti alapis et flagellis.
Popule meus …
</poem>
||
<poem>
V: Ich habe dich in der Wüste mit Manna gespeist,
V: Ich habe dich in der Wüste mit Manna gespeist,
du aber hast mich ins Gesicht geschlagen
du aber hast mich ins Gesicht geschlagen
und mich gegeißelt.
und mich gegeißelt.
Mein Volk …
Mein Volk …
</poem>

||
<poem>
5.
Ich nährte in der Wüste dich,
und du, du lässt verschmachten mich;
gab dir den Lebensquell zum Trank,
und du gibst Galle mir zum Dank.
Heiliger Gott! …
</poem>
|-
|
<poem>
Ego te potavi aqua salutis de petra:
et tu me potasti felle et aceto.
Popule meus …
</poem>
||
<poem>
V: Ich habe dir Wasser aus dem Felsen zu trinken gegeben und dich gerettet,
V: Ich habe dir Wasser aus dem Felsen zu trinken gegeben und dich gerettet,
du aber hast mich getränkt mit Galle und Essig.
du aber hast mich getränkt mit Galle und Essig.
Mein Volk …
Mein Volk …
</poem>

||
V: Deinetwegen habe ich die Könige Kanaans geschlagen,
|-
du aber schlugst mir mit einem Rohr auf mein Haupt.
|
Mein Volk …
<poem>

Ego te exaltavi magna virtute:

et tu me suspendisti in patibulo crucis.
V: Ich habe dir ein Königszepter in die Hand gegeben,
Popule meus …
du aber hast mich gekrönt mit einer Krone von Dornen.
</poem>
Mein Volk …
||

<poem>
V: Ich habe dich erhöht und ausgestattet mit großer Kraft,
V: Ich habe dich erhöht und ausgestattet mit großer Kraft,
du aber erhöhtest mich am Holz des Kreuzes.
du aber erhöhtest mich am Holz des Kreuzes.
Mein Volk …
Mein Volk …
</poem>
</poem>
|
||
<poem>
<poem>
1.
7.
Ich gab dir Gnaden ohne Zahl;
O du mein Volk, was tat ich dir?
du schlägst mich an des Kreuzes Pfahl.
Betrübt ich dich? Antworte mir!
O du mein Volk, …
Ägyptens Joch entriss ich dich,
du legst des Kreuzes Joch auf mich.

Heiliger Gott!
Heiliger starker Gott!
Heiliger Unsterblicher,
erbarm dich unser!

2.
Ich führte dich durch vierzig Jahr
und reichte dir das Manna dar;
das Land des Segens gab ich dir,
und du gibst mir das Kreuz dafür.
Heiliger Gott! …

3.
Was hab ich nicht für dich getan?
Pflanzt dich als meinen Weinberg an,
und du gibst bittern Essig mir,
durchbohrst des Retters Herz dafür.
Heiliger Gott! …
Heiliger Gott! …
</poem>

|-
4.
|
Ich führte dich durchs Rote Meer,
<poem>
und du durchbohrst mich mit dem Speer.
Ego propter te Chananaeorum reges percussi:
Der Heiden Macht entriss ich dich,
et tu percussisti arundine caput meum.
du übergabst den Heiden mich.
Heiliger Gott!
Popule meus
</poem>

||
5.
<poem>
Ich nährte in der Wüste dich,
V: Deinetwegen habe ich die Könige Kanaans geschlagen,
und du, du lässt verschmachten mich;
du aber schlugst mir mit einem Rohr auf mein Haupt.
gab dir den Lebensquell zum Trank,
Mein Volk …
und du gibst Galle mir zum Dank.
</poem>
Heiliger Gott! …
||

<poem>
6.
6.
Ich schlug den Feind, gab dir sein Land;
Ich schlug den Feind, gab dir sein Land;
und grausam schlägt mich deine Hand.
und grausam schlägt mich deine Hand.
</poem>
|-
|
<poem>
Ego dedi tibi sceptrum regale:
et tu dedisti capiti meo spineam coronam.
Popule meus …
</poem>
||
<poem>
V: Ich habe dir ein Königszepter in die Hand gegeben,
du aber hast mich gekrönt mit einer Krone von Dornen.
Mein Volk …
</poem>
||
<poem>
6.
Das Königszepter gab ich dir,
Das Königszepter gab ich dir,
du gibst die Dornenkrone mir.
du gibst die Dornenkrone mir.
Heiliger Gott! …

7.
Ich gab dir Gnaden ohne Zahl;
du schlägst mich an des Kreuzes Pfahl.
O du mein Volk, was tat ich dir?
Betrübt ich dich? Antworte mir!
Heiliger Gott! …
Heiliger Gott! …
</poem>
</poem>
|}
|}

== Theologische Aussage ==
Die Botschaft dieser Klagen richtet sich nicht&nbsp;– wie man durch die angeführten rettenden Taten Gottes aus dem [[Altes Testament|Alten Testament]] annehmen könnte&nbsp;– an die [[Israeliten]], dem Volk des [[Bund (Bibel)|alten Bundes]], zu dem Gott zuerst gesprochen hat, sondern zunächst an die Christen. Genauso wie Israel sei auch die [[Kirche (theologisch)|Kirche]] oft von Gott abgefallen. Somit sei letztere selbst angesprochen, und jeder einzelne Christ müsse sich fragen: „Wo habe ich (haben wir) den Herrn verraten?“


== Orthodoxe Kirchen ==
== Orthodoxe Kirchen ==
Die [[Orthodoxe Kirche]]n feiern den Karfreitag nach dem [[Byzantinischer Ritus|Byzantinischen Ritus]], der ebenfalls Klagegesänge und das Trishagion enthält.
Die [[Orthodoxe Kirche]]n feiern den Karfreitag nach dem [[Byzantinischer Ritus|Byzantinischen Ritus]], der ebenfalls Klagegesänge und das [[Trisagion|Trishagion]] enthält.


Ausgehend von der [[Antijudaismus|antijudaistischen]] [[Gottesmord]]-Theorie, bezeichnen einige dieser Klagegesänge die Juden als „Schwarm der Gottesmörder“, „frevelhaftes“, „gottloses und verbrecherisches“, „mit Mord beflecktes“, „neidisches, mörderisches und rachedurstiges Volk“, „verderbliche Bande von Gotteshassern“, „Synagoge von übel handelnden Gottesmördern“, „arrogantes Israel“ und „(zähne-)knirschendes, allerbösartigstes Hebräergeschlecht“. Dem werden die Wohltaten Christi an seinem Volk gegenübergestellt. Ein [[Schuldbekenntnis]] der christlichen Gemeinde, die sich für Jesu Leiden und Sterben mitverantwortlich erklärt, wird vom Priester allenfalls ergänzt, ist jedoch kein Bestandteil der vorgegebenen Liturgie.
Ausgehend von der [[Antijudaismus|antijudaistischen]] [[Gottesmord]]-Theorie bezeichnen einige dieser Klagegesänge die Juden als „Schwarm der Gottesmörder“, „frevelhaftes“, „gottloses und verbrecherisches“, „mit Mord beflecktes“, „neidisches, mörderisches und rachedurstiges Volk“, „verderbliche Bande von Gotteshassern“, „Synagoge von übel handelnden Gottesmördern“, „arrogantes Israel“ und „(zähne)knirschendes, allerbösartigstes Hebräergeschlecht“. Dem werden die Wohltaten Christi an seinem Volk gegenübergestellt. Ein [[Schuldbekenntnis]] der christlichen Gemeinde, die sich für Jesu Leiden und Sterben mitverantwortlich erklärt, wird vom Priester allenfalls ergänzt, ist jedoch kein Bestandteil der vorgegebenen Liturgie.


Seit 1977 kam es zu fünf offiziellen Beratungen von Vertretern der orthodoxen Kirche und des [[Judentum]]s, bei denen letztere um Revision der antijüdischen Gesänge in der Karwochenliturgie baten. Seit Mai 1995 befürwortet [[Bartholomäus I.]]&nbsp;– als [[Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel]] geistliches Oberhaupt der Orthodoxen Kirche ohne Jurisdiktionsprimat&nbsp;–, die antijüdischen Passagen aus der Karwochenliturgie zu streichen. Einzelne [[Synode]]n könnten die Liturgie ändern, verzichten jedoch aus Achtung vor der Tradition darauf, bis ein großes [[Konzil]] aller Orthodoxen darüber entschieden hat. Viele orthodoxe Traditionalisten Osteuropas lehnen eine solche [[Liturgiereform]] grundsätzlich ab, während westliche Orthodoxe aufgrund stärkerer Kontakte mit Juden offener dafür sind. Sie lassen die antijüdischen Beschimpfungen weg oder deuten sie um: So klagt der französische Katechismus ''Dieu vivant'' die christlichen Verbrechen an Juden an und betont den ungekündigten Israelbund Gottes. Auch Christen seien stets gefährdet, durch Verrat an ihren Nächsten wie [[Judas Ischariot|Judas]] Verräter und Mörder Christi zu werden.<ref>[http://www-theol.uni-graz.at/cms/dokumente/10009667/676d6262/Antijudaismus_in_der_christlichen_Liturgie.pdf Basilius J. Groen: ''Antijudaismus in der christlichen Liturgie und Versuche seiner Überwindung'']</ref>
Seit 1977 kam es zu fünf offiziellen Beratungen von Vertretern der orthodoxen Kirche und des [[Judentum]]s, bei denen letztere um Revision der antijüdischen Gesänge in der Karwochenliturgie baten. Seit Mai 1995 befürwortet [[Bartholomäus I.]]&nbsp;– als [[Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel]] geistliches Oberhaupt der Orthodoxen Kirche ohne Jurisdiktionsprimat&nbsp;–, die antijüdischen Passagen aus der Karwochenliturgie zu streichen. Einzelne [[Heiliger Synod|Synode]]n könnten die Liturgie ändern, verzichten jedoch aus Achtung vor der Tradition darauf, bis ein großes [[Konzil]] aller Orthodoxen darüber entschieden hat. Viele orthodoxe Traditionalisten Osteuropas lehnen eine solche [[Liturgiereform]] grundsätzlich ab, während westliche Orthodoxe aufgrund stärkerer Kontakte mit Juden offener dafür sind. Sie lassen die antijüdischen Beschimpfungen weg oder deuten sie um: So klagt der französische Katechismus ''Dieu vivant'' die christlichen Verbrechen an Juden an und betont den ungekündigten Israelbund Gottes. Auch Christen seien stets gefährdet, durch Verrat an ihren Nächsten wie [[Judas Ischariot|Judas]] Verräter und Mörder Christi zu werden.<ref>[https://static.uni-graz.at/fileadmin/kath-institute/Liturgiewissenschaft/Antijudaismus_in_der_christlichen_Liturgie_WS2008.pdf Basilius J. Groen: ''Antijudaismus in der christlichen Liturgie und Versuche seiner Überwindung'']</ref>


== Vertonungen ==
== Vertonungen ==
Neben den einstimmigen [[Gregorianischer Choral|gregorianischen]] Improperien und dem von [[Federico Mompou]] (für Baritonsolo, 1964) stammen mehrstimmige Vertonungen von [[Tomás Luis de Victoria]], [[Giovanni Pierluigi da Palestrina]], [[Orlando di Lasso]], [[Giovanni Battista Casali]], [[Pompeo Cannicciari]], [[Giovanni Giorgi (Musiker)|Giovanni Giorgi]], [[Giovanni Bernardo Zucchinetti]], [[Oreste Ravanello]], [[Karel Goeyvaerts]], [[Franz Xaver Witt]] und [[Krzysztof Penderecki]] (als [[Passacaglia]] in seiner [[Lukas-Passion (Penderecki)|Lukas-Passion]]). Ferner gibt es eine orchestrale Fassung von [[Petr Eben]].
Neben den einstimmigen [[Gregorianischer Choral|gregorianischen]] Improperien und dem von [[Federico Mompou]] (für Baritonsolo, 1964) stammen mehrstimmige Vertonungen von [[Tomás Luis de Victoria]], [[Giovanni Pierluigi da Palestrina]], [[Orlando di Lasso]], [[Giovanni Battista Casali (Komponist)|Giovanni Battista Casali]], [[Pompeo Cannicciari]], [[Giovanni Giorgi (Musiker)|Giovanni Giorgi]], [[Giovanni Bernardo Zucchinetti]], [[Oreste Ravanello]], [[Karel Goeyvaerts]], [[Franz Xaver Witt]], [[Lajos Bárdos]], [[John Derek Sanders|John Sanders]], [[Thomas Gabriel]] (''Popule meus'') und [[Krzysztof Penderecki]] (als [[Passacaglia]] in seiner [[Lukas-Passion (Penderecki)|Lukas-Passion]]). Ferner gibt es eine orchestrale Fassung von [[Petr Eben]].


== Literatur ==
== Literatur ==
=== Katholische Liturgie ===
'''Katholische Liturgie'''
* ''Missale Romanum'' ex decreto Sacrosancti Oecomenici Concilii Vaticani II instauratum auctoritate Pauli PP. VI promulgatum; Editio typica altera; Rom 1975; S. 259-216.
* ''Missale Romanum'' ex decreto Sacrosancti Oecomenici Concilii Vaticani II instauratum auctoritate Pauli PP. VI promulgatum; Editio typica altera; Rom 1975; S. 259–216.
* ''Die Feier der Heiligen Messe. Messbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebiets. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch''; herausgegeben im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und der Bischöfe von Luxemburg, Bozen-Brixen und Lüttich. Kleinausgabe, Einsiedeln u.&nbsp;a., 1975; S.&nbsp;[56]–[58].
* ''Die Feier der Heiligen Messe. Messbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebiets. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch''; herausgegeben im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und der Bischöfe von Luxemburg, Bozen-Brixen und Lüttich. Kleinausgabe, Einsiedeln u.&nbsp;a., 1975; S.&nbsp;[56]–[58].
* ''Graduale Romanum''; Tournai: Desclée, 1974; S. 176–181
* ''Graduale Romanum''; Tournai: Desclée, 1974; S. 176–181
* ''Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch''; Stuttgart: Katholische Bibelanstalt, 1975; S. 268–269
* ''Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch''; Stuttgart: Katholische Bibelanstalt, 1975; S. 268–269


=== Evangelische Liturgie ===
'''Evangelische Liturgie'''
* ''Cantionale für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern''; 5. Auflage des Musikalischen Anhangs zur Agende, Band 1; Ansbach 1941; S. 161–172.
* ''Cantionale für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern''; 5. Auflage des Musikalischen Anhangs zur Agende, Band 1; Ansbach 1941; S. 161–172.
* ''Kleines Kantionale zum Gebrauch in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Band 1''; München 1968; S. 40–43.
* ''Kleines Kantionale zum Gebrauch in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Band 1''; München 1968; S. 40–43.
* ''Gottesdienstfeiern von Palmsonntag bis Ostern. Entwurf der Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden'', Band 2, Teilband 1; Hannover: Lutherisches Verlagshaus, 2008; ISBN 978-3-7859-0977-5; S. 134–137
* ''Passion und Ostern. Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden, Band II, Teilband 1''; Hannover 2011; S. 77–80.240-247


== Weblinks ==
== Weblinks ==
* [http://www.erzabtei-beuron.de/schott/fastenzeit/karwoche/karfreitag/Kreuzverehrung.htm Text der Improperien]
* [http://www.erzabtei-beuron.de/schott/fastenzeit/karwoche/karfreitag/Kreuzverehrung.htm Text der Improperien]
* [http://www.evangelische-liturgie.de/EL_Wochen/6.Jahrgang%28VI%29/02-03-29-KarFr%28VI%29d.html Textfassung bei Reinhard Brandhorst] nach: H. Hickmann u.a.: ''Handbook of the Christian Year''; Nashville, 1986; S. 187&thinsp;f.
* [http://www.evangelische-liturgie.de/EL_Wochen/6.Jahrgang%28VI%29/02-03-29-KarFr%28VI%29d.html Textfassung bei Reinhard Brandhorst] nach: H. Hickmann u.&nbsp;a.: ''Handbook of the Christian Year''; Nashville 1986, S.&nbsp;187&thinsp;f.
* [[Wilhelm Molitor]]: ''Die deutschen Improperien für die Andachten am heiligen Grabe.'' Kleeberger, Speyer 1876 ([https://books.google.de/books?id=GuCe--87CaoC&printsec=frontcover Digitalisat] bei Google Books)


== Einzelbelege ==
== Einzelbelege ==
Zeile 287: Zeile 354:


[[Kategorie:Liturgischer Gesang]]
[[Kategorie:Liturgischer Gesang]]
[[Kategorie:Gregorianik]]
[[Kategorie:Gregorianischer Choral]]
[[Kategorie:Fastenzeit]]
[[Kategorie:Passion]]
[[Kategorie:Karwoche]]

[[en:Improperia]]
[[fr:Impropères]]
[[nl:Beklag Gods]]
[[pl:Improperia]]
[[sv:Improperierna]]

Aktuelle Version vom 19. April 2024, 13:41 Uhr

Die Kreuzigung, Ikone im Kloster Stavronikita auf dem Berg Athos

Die Improperien oder Heilandsklagen (von lat. improperium: Vorwurf, Schelte) sind Gesänge in der Liturgie der römisch-katholischen und orthodoxen Kirche. Sie gehören seit dem frühen Mittelalter zur Feier vom Leiden und Sterben Christi am Karfreitag. Wo in evangelischen, zumeist lutherischen, Kirchen Andachten zur Todesstunde Jesu gehalten werden, können sie gesungen werden.[1]

Die erste abendländische Quelle für die Improperien findet sich im mozarabischen Liber Ordinum aus dem 7. Jahrhundert. Die Inhalte stammen aus dem Alten Testament und wurden Jesus in den Mund gelegt. Sie sind mit syrischen und griechischen Karfreitagsgesängen verwandt.

Ursprünglich wurde die Kreuzverehrung am Karfreitag still vollzogen, doch im fränkischen Raum während des 9. Jahrhunderts wurde das dreimalige Trisagion (Ἅγιος ὁ Θεός Hagios ho Theos) mit den Improperien verbunden und vor der Verehrung des Kreuzes gesungen. Dort bildeten sie auch den liturgischen Rahmen für die folgenden Großen Fürbitten. Diese wurden seit dem 8. Jahrhundert nach dem gleichen Schema vollzogen, nur die Karfreitagsfürbitte für die Juden wurde durch Weglassung des Kniefalls und des gemeinsamen Amens unterschieden.

Die Bezeichnung Improperien findet sich erst im römischen Missale von 1474, da sie nicht zum ursprünglichen gregorianischen Graduale gehören.

Die Improperien sind in die großen und die kleinen Improperien eingeteilt, die während der Kreuzverehrung aneinander anschließen. Zu Beginn stimmt der Priester, der Diakon oder der Kantor das Popule meus an, das ein Klagelied des Erlösers an sein treuloses Volk darstellt.

Die großen Improperien bestehen aus drei jeweils von einem Vorsänger vorgetragenen Versen „Popule meus / Quia eduxi te / Quid ultra debui“, auf die jeweils die responsorische Antwort der Schola „Hagios ho Theos“ folgt. Die Verse des Vorsängers bestehen aus je zwei Teilen. Im ersten Teil werden eine oder mehrere Heilstaten Gottes an seinem Volk benannt (unter anderem die Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft, woran wiederum direkt in der Osternacht angeknüpft wird); dem wird jeweils eine Schandtat des Gottesvolkes während der Passion gegenübergestellt.

Anschließend werden die kleinen Improperien gesungen, die aus neun von zwei Kantoren gesungenen antithetischen Versen bestehen, wechselnd mit „Ego“ (Ich) und „Et tu“ (Doch du/Du aber) beginnend, und denen je ein „Popule meus“ der Schola folgt. Die sich daraus ergebende Anklage des Erlösers ist kürzer als in den großen Improperien. Durch die gleich langen Verse und den regelmäßigen Wechsel der Versanfänge von „Ego“ und „Tu“ sind die kleinen Improperien jedoch regelmäßiger gegliedert.

Im Gesangbuch Gotteslob (Österreich) steht als Lied 822 die im Jahr 1817 von Markus Fidelis Jäck übertragene Fassung der Improperien („O du mein Volk, was tat ich Dir?“). Der Charakter des Wechselgesangs wird beibehalten, jedoch vereinfacht, indem nur noch zwischen Schola beziehungsweise und allen anderen Anwesenden unterschieden wird. Dagegen fällt die Einteilung in große und kleine Improperien weg; außerdem wird die textliche Reihenfolge teilweise verändert, und manche Passagen werden auch ganz weggelassen.

Die vollständigen Improperien (gregorianisch)
Lateinischer Originaltext
nach dem Graduale Romanum 1973
Deutsche Übersetzung
nach dem Schott-Messbuch
Gereimte Übertragung
Markus Fidelis Jäck 1817

I.
Popule meus, quid feci tibi?
Aut in quo contristavi te?
Responde mihi.

I.
A: Mein Volk, was habe ich dir getan,
womit nur habe ich dich betrübt?
Antworte mir.

1.
O du mein Volk, was tat ich dir?
Betrübt ich dich?
Antworte mir!

Quia eduxi te de terra Aegypti:
parasti crucem salvatori tuo.

V: Aus der Knechtschaft Ägyptens habe ich dich herausgeführt.
Du aber bereitest das Kreuz deinem Erlöser.

Ägyptens Joch entriss ich dich,
du legst des Kreuzes Joch auf mich.

Hagios o Theos –
Sanctus deus
Hagios Ischyros –
Sanctus fortis
Hagios Athanatos, eleison hemas. –
Sanctus immortalis, miserere nobis.

I. Hagios, ho Theos,
II. Sanctus Deus.
III. Heiliger Gott.
I. Hagios Ischyros.
II. Sanctus Fortis.
III. Heiliger, starker Gott.
I. Hagios Athanatos, eleison hemas.
II. Sanctus Immortalis, miserere nobis.
III. Heiliger, starker, unsterblicher Gott, erbarme dich unser.

Heiliger Gott!
Heiliger starker Gott!
Heiliger Unsterblicher,
erbarm dich unser!

Quia eduxi te per desertum quadraginta annis,
et manna cibavi te,
et introduxi in terram satis optimam:
parasti crucem salvatori tuo.

V: Vierzig Jahre habe ich dich geleitet durch die Wüste.
Ich habe dich mit Manna gespeist
und dich hineingeführt in das Land der Verheißung.
Du aber bereitest das Kreuz deinem Erlöser.

2.
Ich führte dich durch vierzig Jahr
und reichte dir das Manna dar;
das Land des Segens gab ich dir,
und du gibst mir das Kreuz dafür.

Hagios o Theos …

Hagios, ho Theos, …

Heiliger Gott! ...

Quid ultra debui facere tibi, et non feci?
Ego quidem plantavi te vineam meam speciosissimam:
et tu facta es mihi nimis amara:
aceto namque sitim meam potasti:
et lancea perforasti latus salvatori tuo.

V: Was hätte ich dir mehr tun sollen und tat es nicht?
Als meinen erlesenen Weinberg pflanzte ich dich,
du aber brachtest mir bittere Trauben,
du hast mich in meinem Durst mit Essig getränkt
und mit der Lanze deinem Erlöser die Seite durchstoßen.

3.
Was hab ich nicht für dich getan?
Pflanzt dich als meinen Weinberg an,
und du gibst bittern Essig mir,
durchbohrst des Retters Herz dafür.

Hagios o Theos …

Hagios, ho Theos, …

Heiliger Gott! …

II.
Ego propter te flagellavi Aegyptum
cum primogenitis suis:
et tu me flagellatum tradidisti.
Popule meus …

II.
V: Deinetwegen habe ich Ägypten geschlagen
und seine Erstgeburt,
du aber hast mich geschlagen und dem Tod überliefert.
Mein Volk, …

Ego te eduxi de Aegypto,
demerso Pharaone in mare Rubrum:
et tu me tradidisti principibus sacerdotum.
Popule meus …

V: Ich habe dich aus Ägypten herausgeführt
und den Pharao versinken lassen im Roten Meer,
du aber hast mich den Hohenpriestern überliefert.
Mein Volk …

4.
Ich führte dich durchs Rote Meer,
und du durchbohrst mich mit dem Speer.
Der Heiden Macht entriss ich dich,
du übergabst den Heiden mich.
Heiliger Gott! …

Ego ante te aperui mare:
et tu aperuisti lancea latus meum.
Popule meus …

V: Ich habe vor dir einen Weg durch das Meer gebahnt,
du aber hast mit der Lanze meine Seite geöffnet.
Mein Volk …

Ego ante te praeivi in columna nubis:
et tu me duxisti ad praetorium Pilati.
Popule meus …

V: In einer Wolkensäule bin ich dir vorangezogen,
du aber hast mich vor den Richterstuhl des Pilatus geführt.
Mein Volk …

Ego te pavi manna per desertum:
et tu me cecidisti alapis et flagellis.
Popule meus …

V: Ich habe dich in der Wüste mit Manna gespeist,
du aber hast mich ins Gesicht geschlagen
und mich gegeißelt.
Mein Volk …

5.
Ich nährte in der Wüste dich,
und du, du lässt verschmachten mich;
gab dir den Lebensquell zum Trank,
und du gibst Galle mir zum Dank.
Heiliger Gott! …

Ego te potavi aqua salutis de petra:
et tu me potasti felle et aceto.
Popule meus …

V: Ich habe dir Wasser aus dem Felsen zu trinken gegeben und dich gerettet,
du aber hast mich getränkt mit Galle und Essig.
Mein Volk …

Ego te exaltavi magna virtute:
et tu me suspendisti in patibulo crucis.
Popule meus …

V: Ich habe dich erhöht und ausgestattet mit großer Kraft,
du aber erhöhtest mich am Holz des Kreuzes.
Mein Volk …

7.
Ich gab dir Gnaden ohne Zahl;
du schlägst mich an des Kreuzes Pfahl.
O du mein Volk, …
Heiliger Gott! …

Ego propter te Chananaeorum reges percussi:
et tu percussisti arundine caput meum.
Popule meus …

V: Deinetwegen habe ich die Könige Kanaans geschlagen,
du aber schlugst mir mit einem Rohr auf mein Haupt.
Mein Volk …

6.
Ich schlug den Feind, gab dir sein Land;
und grausam schlägt mich deine Hand.

Ego dedi tibi sceptrum regale:
et tu dedisti capiti meo spineam coronam.
Popule meus …

V: Ich habe dir ein Königszepter in die Hand gegeben,
du aber hast mich gekrönt mit einer Krone von Dornen.
Mein Volk …

6.
Das Königszepter gab ich dir,
du gibst die Dornenkrone mir.
Heiliger Gott! …

Orthodoxe Kirchen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Orthodoxe Kirchen feiern den Karfreitag nach dem Byzantinischen Ritus, der ebenfalls Klagegesänge und das Trishagion enthält.

Ausgehend von der antijudaistischen Gottesmord-Theorie bezeichnen einige dieser Klagegesänge die Juden als „Schwarm der Gottesmörder“, „frevelhaftes“, „gottloses und verbrecherisches“, „mit Mord beflecktes“, „neidisches, mörderisches und rachedurstiges Volk“, „verderbliche Bande von Gotteshassern“, „Synagoge von übel handelnden Gottesmördern“, „arrogantes Israel“ und „(zähne)knirschendes, allerbösartigstes Hebräergeschlecht“. Dem werden die Wohltaten Christi an seinem Volk gegenübergestellt. Ein Schuldbekenntnis der christlichen Gemeinde, die sich für Jesu Leiden und Sterben mitverantwortlich erklärt, wird vom Priester allenfalls ergänzt, ist jedoch kein Bestandteil der vorgegebenen Liturgie.

Seit 1977 kam es zu fünf offiziellen Beratungen von Vertretern der orthodoxen Kirche und des Judentums, bei denen letztere um Revision der antijüdischen Gesänge in der Karwochenliturgie baten. Seit Mai 1995 befürwortet Bartholomäus I. – als Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel geistliches Oberhaupt der Orthodoxen Kirche ohne Jurisdiktionsprimat –, die antijüdischen Passagen aus der Karwochenliturgie zu streichen. Einzelne Synoden könnten die Liturgie ändern, verzichten jedoch aus Achtung vor der Tradition darauf, bis ein großes Konzil aller Orthodoxen darüber entschieden hat. Viele orthodoxe Traditionalisten Osteuropas lehnen eine solche Liturgiereform grundsätzlich ab, während westliche Orthodoxe aufgrund stärkerer Kontakte mit Juden offener dafür sind. Sie lassen die antijüdischen Beschimpfungen weg oder deuten sie um: So klagt der französische Katechismus Dieu vivant die christlichen Verbrechen an Juden an und betont den ungekündigten Israelbund Gottes. Auch Christen seien stets gefährdet, durch Verrat an ihren Nächsten wie Judas Verräter und Mörder Christi zu werden.[2]

Neben den einstimmigen gregorianischen Improperien und dem von Federico Mompou (für Baritonsolo, 1964) stammen mehrstimmige Vertonungen von Tomás Luis de Victoria, Giovanni Pierluigi da Palestrina, Orlando di Lasso, Giovanni Battista Casali, Pompeo Cannicciari, Giovanni Giorgi, Giovanni Bernardo Zucchinetti, Oreste Ravanello, Karel Goeyvaerts, Franz Xaver Witt, Lajos Bárdos, John Sanders, Thomas Gabriel (Popule meus) und Krzysztof Penderecki (als Passacaglia in seiner Lukas-Passion). Ferner gibt es eine orchestrale Fassung von Petr Eben.

Katholische Liturgie

  • Missale Romanum ex decreto Sacrosancti Oecomenici Concilii Vaticani II instauratum auctoritate Pauli PP. VI promulgatum; Editio typica altera; Rom 1975; S. 259–216.
  • Die Feier der Heiligen Messe. Messbuch für die Bistümer des deutschen Sprachgebiets. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch; herausgegeben im Auftrag der Bischofskonferenzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz und der Bischöfe von Luxemburg, Bozen-Brixen und Lüttich. Kleinausgabe, Einsiedeln u. a., 1975; S. [56]–[58].
  • Graduale Romanum; Tournai: Desclée, 1974; S. 176–181
  • Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch; Stuttgart: Katholische Bibelanstalt, 1975; S. 268–269

Evangelische Liturgie

  • Cantionale für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern; 5. Auflage des Musikalischen Anhangs zur Agende, Band 1; Ansbach 1941; S. 161–172.
  • Kleines Kantionale zum Gebrauch in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Band 1; München 1968; S. 40–43.
  • Passion und Ostern. Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden, Band II, Teilband 1; Hannover 2011; S. 77–80.240-247
  1. Amt der VELKD (Hrsg.): Gottesdienstfeiern von Palmsonntag bis Ostern. Entwurf der Agende für evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden, Band 2, Teilband 1; reihe gottesdienst 21; Hannover: Lutherisches Verlagshaus, 2008; ISBN 978-37859-0977-5; S. 47
  2. Basilius J. Groen: Antijudaismus in der christlichen Liturgie und Versuche seiner Überwindung