Der Kontrast könnte nicht größer sein: Auf der einen Website galoppieren Büffel über eine Wiese, dazu wird vollmundig erklärt, hier finde das „größte je erfolgte philanthropische Engagement für den Klimaschutz“ statt. So steht es auf der Homepage des Bezos Earth Fund von, der Name legt es nahe, Amazon-Gründer Jeff Bezos. Zehn Milliarden Dollar für den Klimaschutz also. Seine langjährige, inzwischen von ihm geschiedene Ehefrau MacKenzie Scott dagegen zieht auf ihrer Website „Yield Giving“ eine simple Tabelle auf fast schon schnödem beigefarbenem Grund vor, verschlagwortet nach Zweck und Geldmenge und Datum. Schulen, Behinderteneinrichtungen, Frauenrechtsorganisationen und Umwelt-NGOs: 17 Milliarden Dollar hat Scott in den vergangenen Jahren unter die Menschen gebracht. Dazu geäußert hat sie sich in wenigen Essays auf ihrer Website, mehr nicht. Wenig Wind, viel Wirkung, das scheint ihr Prinzip zu sein.
Scott, die Millionenbeträge per Klick verteilt, ist eine Ausnahme, aber sie steht für ein Phänomen, das mancher bereits als „Felanthropy“ bezeichnet, also eine Mischung aus „female“ für weiblich und „Philantropie“. Wie Scott, aber auch andere berühmte Frauen wie Melinda Gates und die BASF-Erbin Marlene Engelhorn derzeit recht öffentlichkeitswirksam mit Geld umgehen, könnte langfristig verändern, wie auch Menschen mit wesentlich kleinerem Geldbeutel spenden.
„Spenden ist hierzulande ein patriarchaler Vorgang.“
An sich ist es kein neues Phänomen, dass Frauen sich für karitative Zwecke einsetzen und Gelder vergeben, im Gegenteil. Gerade die Gattinnen berühmter Unternehmer kümmerten und kümmern sich oft noch um Charity-Themen, während ihr Mann die Geschäfte verwaltet. Aber die finale Entscheidung, wer wann wie viel Geld gespendet bekommt, lag lange bei den Männern. Eine, die das selbst miterlebt hat, trägt den Namen eines der berühmtesten Unternehmer der deutschen Geschichte, Robert Bosch. Ise Bosch sagt: „Spenden ist hierzulande ein patriarchaler Vorgang.“ Sie selbst engagiert sich seit Jahrzehnten für LBTQI-Anliegen und Genderthemen, etwa über die Organisation Dreilinden. Aber bis die heute 60-Jährige das getan hat, war es ein langer Weg.
Dafür, dass Frauen bisher seltener zu prominenten Großspenderinnen wurden, sieht Ise Bosch viele Gründe. „Beim Erben gab es große Ungerechtigkeiten“, sagt sie. Meist erbten die Söhne die Firma, die Frauen gar nichts oder Immobilien, die nicht so kontinuierlich Gewinne abwarfen wie die Unternehmen. Die Betreuung des Vermögens einer Familie liegt traditionell oft in professionellen Händen, sogenannten Family Offices, statt dass die einzelnen Erben darüber entscheiden. Zudem ist es schwer, sich aus familiären Strukturen zu lösen, in denen seit Jahrzehnten feststeht, wie man karitativ aktiv wird. Und so manche Frau möchte zwar Geld geben, aber lieber unerkannt bleiben, beobachtet Ise Bosch. Es wundert sie nicht. Früher, sagt Bosch, sei es einfacher gewesen, anonym zu bleiben. „Aber die sozialen Medien haben es schwieriger gemacht.“ Und insbesondere Frauen, die sich öffentlich positionieren, werden wesentlich schneller und lauter kritisiert als Männer.
Frauen werden als potenzielle Spenderinnen erkannt
Dennoch tut sich derzeit einiges in der Philanthropie, die längst eine eigene Branche mit Beraterinnen, Vermittlungsagenturen und Spendeneinwerbern ist. Dass Frauen als potenzielle Geldgeberinnen wichtiger werden, merke man daran, „dass Philanthropie-Beratungsfirmen stärker versuchen, sie als Kundinnen zu gewinnen“, sagt Karin Heisecke. Sie ist Politik- und Strategieberaterin mit dem Schwerpunkt Geschlechtergerechtigkeitsthemen. In dem Kontext beschäftigt sie sich unter anderem auch mit der Rolle der Philanthropie in diesem Feld.
Der Wandel bei den Geldgeberinnen liegt zum einen daran, dass Frauen beim Erben oft gleichberechtigter bedacht werden als früher. Zudem nimmt die Zahl der Frauen zu, die selbst durch Unternehmen reich geworden sind. „Es gibt zunehmend junge Frauen, die einen anderen Rückhalt haben, etwa in der Familie“, beobachtet Ise Bosch außerdem. Und vermögende Frauen tauschen sich stärker aus. Ise Bosch selbst hat viel Zeit in den USA verbracht. Als sie anfing, sich mit Philanthropie zu befassen, sprach sie dort viel mit Freundinnen darüber. Weil das für ihre Entwicklung so entscheidend war, hat sie in Deutschland unter anderem Pecunia mitbegründet, ein Erbinnennetzwerk. Sie glaubt an die Wirkung des praktischen Rats und stellt auf ihrer eigenen Website Dokumente zur Verfügung, wie man beispielsweise auf Spendenbitten antwortet oder kommuniziert, dass man Geld gibt, aber anonym bleiben möchte.
Frauen spenden viel – aber nicht zwangsläufig für Frauen
Doch selbst wenn heute mehr Frauen prominenter Geld geben, ein Thema zieht sich durch: Für was Philanthropinnen spenden, unterscheidet sich wenig von dem, wofür Männer spenden. Und da sind Themen, die Frauen- und Genderfragen betreffen, unterrepräsentiert. Es gibt verschiedene Theorien, woran das liegt. „Sogenannte ‚Frauenthemen‘ finden gesamtgesellschaftlich weniger Beachtung als andere Themen. Diese Dynamik spiegelt sich in der Spendenlandschaft wider“, sagt Beraterin Heisecke. Es kommen aber noch weitere Aspekte hinzu. Zum Beispiel, ob das Ziel der Frauenförderung im Sinne des Erblassers gewesen wäre. Oft entscheidet der Entstehungsweg des Geldes darüber, welche Werte und Inhalte später gefördert werden. Geerbtes Geld wurde oft von Männern erwirtschaftet, vom Vater oder Urgroßvater. „Daran fühlen sich viele Frauen gebunden. Und da ist es nicht so leicht, sich parteilich zu zeigen und sich beispielsweise für Frauen- und Mädchenthemen einzusetzen“, sagt Bosch.
Hinzu kommt: Gerade bei Frauen geht es oft um Themen wie Gewaltprävention. „Andere Themen sind da oft kuschliger“, vermutet Beraterin Heisecke. Das leuchtet ein: Ein neues Schulgebäude in einem afrikanischen Staat ist einfacher zu bewerben als ein Frauenhaus in Kreuzberg oder ein eher abstrakt wirkendes Beratungsprojekt. Dadurch entsteht ein Problem, das viele beim Spenden unterrepräsentierte Bereiche haben: Wer keine großen Spenden einwirbt, hat nicht genug Geld, um Fundraising-Expertinnen zu beschäftigen.
Ise Bosch ärgert das alles oft sehr. „Ich wünsche mir, dass verstanden wird, dass Gewalt gegen Frauen kein Frauenthema ist, sondern ein Gesellschaftsthema“, sagt sie. Tatsächlich zeigen Studien, dass die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit auch dabei hilft, andere Ziele der Vereinten Nationen leichter zu erreichen – wie etwa eine bessere Gesundheit oder die Beseitigung von Armut.
Frauen sind schwerer zu überzeugen – aber geben länger
Umso wichtiger sind Initiativen wie sogenannte „Women’s Funds“, gezielte Frauenförderinstitutionen, wie es sie in den USA schon länger gibt. Und Menschen wie MacKenzie Scott, aber auch Melinda Gates. Denn sie wirken zum einen damit, dass sie spenden – aber auch damit, wie sie spenden. Scott hat ganze Essays darüber verfasst, warum sie es nicht „spenden“, sondern lieber „geben“ nennt. Tatsächlich ist der Begriff passender für das, was Großspenderinnen tun. Das sieht auch Ise Bosch im Austausch mit anderen Philanthropinnen: „Bei Frauen dauert es länger, sie zu überzeugen“, sagt sie. „Da wird weniger schnell eine große Spende auf den Tisch gehauen.“ Viele Männer, die spenden, gingen eben mit unternehmerischen Prinzipien an die Sache, Bosch nennt das den „von Männern getragenen Philanthrokapitalismus“. Wenn Frauen spenden, sei es – häufig, nicht immer natürlich – langfristig und ohne Zweckbindung, was für Organisationen wichtig ist. Oft werden Strukturen und Graswurzelarbeit unterstützt, statt einzelne, gut präsentierbare Projekte. Die Empfänger der Spenden von MacKenzie Scott zum Beispiel dürfen selbst entscheiden, ob sie öffentlich machen, dass sie bedacht wurden. Scott zitiert das Prinzip „Nothing about us without us“ in einem Essay als Handlungsgrundlage – keine Entscheidungen über uns, ohne dass wir mitreden.
Noch gibt es nicht viele Nachahmerinnen, aber immerhin mehr Aufmerksamkeit. Philanthropische Ausgaben zur Geschlechtergerechtigkeit haben sich zwischen 2017 und 2022 verdreifacht. Anfragen von anderen vermögenden Frauen, die überlegen, sich stärker zu engagieren, bekommt Ise Bosch regelmäßig. Die von ihr und acht anderen Philanthropinnen gegründete Frauenstiftung „Filia“, die 2001 mit 250 000 Euro begonnen hat, hat mittlerweile mehr als 16 Millionen Euro Stiftungsvermögen und unterstützt 340 Projekte. Langfristig, glaubt Beraterin Heisecke, werden solche Ansätze den Markt verändern. „Es braucht Menschen, die vorangehen.“