Übergewicht Führt endlich eine Zuckersteuer für Softdrinks ein!

Kiste mit Limonaden und Softdrinks – nicht wenige Menschen fordern eine Zuckersteuer
Kühle Verlockung mit gesundheitlichen Folgen: Ein Viertel Liter Limo enthält durchschnittlich 6,5 Stücke Würfelzucker. Eine Zuckersteuer könnte die Verlockung bremsen
© Getty Images/iStockphoto
Mehr als 100 Länder erheben eine Zuckersteuer für Softdrinks. Die Gesundheit der Bevölkerung profitiert offenbar. In Deutschland begreifen das viele nicht.

Bis heute Nacht null Uhr können Sie abstimmen: "Sollten besonders zuckerhaltige Getränke (wie z.B. Softdrinks) Ihrer Meinung nach mit einer Zuckersteuer belegt werden?“ Bisher liegen in dieser Civey-Umfrage die Befürworter vorne. Es wäre aber naiv zu glauben, dass so ein Ergebnis der Lebensmittelindustrie hörige Politiker beeinflussen könnte, die seit vielen Jahren schon diese vielversprechendste aller gesundheitspolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahre blockieren.

Die Zuckersteuer spart 16 Milliarden Euro Gesundheitsausgaben

Vielversprechend warum? Weil so eine Pflichtabgabe den Staat nichts kostet, ihm aber zusätzliche Steuereinnahmen beschert. Gleichzeitig würden in den kommenden zwanzig Jahren bis zu 16 Milliarden Euro Gesundheitsausgaben eingespart, so das Ergebnis einer Studie der Technischen Universität München. Denn mit der Abgabe könnten Adipositas und damit verbundene Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vermieden werden. Ökonomisch gesehen also eine Win-win-Situation.

Gegner der Steuer argumentieren mit der "freiwilligen Selbstverpflichtung" der Lebensmittelwirtschaft. Die aber zeigt kaum Wirkung. In den ersten fünf Jahre nach dem Start der "Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie“ im Jahr 2018 sank der Zuckergehalt in Süßgetränken gerade mal um zwei Prozent, so das Ergebnis einer Analyse unter Beteiligung führender Institutionen der deutschen Ernährungswissenschaft.

Foodwatch-Untersuchung: Mehr als sechs Zuckerwürfel pro Glas

Wie wenig sich die Hersteller gesundheitliche Belange der Bevölkerung interessieren, führte vor wenigen Tagen die Verbraucherorganisation Foodwatch vor Augen. Laut ihrer Analyse enthielten 136 untersuchte Getränke wie Limonaden, Energydrinks und Fruchtsäfte im Schnitt 7,8 Prozent Zucker. Mehr als sechs Zuckerwürfel pro 250-Milliliter-Glas. Für die Untersuchung wurden in fünf großen Supermärkten alle Getränke eingekauft, deren Verpackung Kinder ansprechen soll, etwa durch Aufdrucke mit Tieren und Comicfiguren.

Süße Getränke gelten – mehr noch als Eis, Schokolade und andere Süßigkeiten – als eine Hauptursache dafür, dass gerade viele Kinder und Jugendliche in den vergangenen Jahrzehnten stark an Gewicht zugenommen haben. Anders nämlich als ein süßer Snack verursacht ein halber Liter Cola kein Sättigungsgefühl.

Die Zuckersteuer zeigt Erfolg in Großbritannien

Die Weltgesundheitsorganisation WHO fordert deshalb schon lange eine Zuckersteuer. Um den Konsum zu senken, könnte der Preis von zuckerhaltigen Süßgetränken demzufolge um 20 Prozent oder mehr erhöht werden. Das mag drakonisch oder bevormundend erscheinen, doch der Erfolg in anderen Ländern spricht für sich. In Großbritannien, wo die Zuckersteuer im Jahr 2016 eingeführt wurde, sank der Zuckerverzehr bei den Kindern um knapp zehn, bei Erwachsenen sogar um etwa 20 Prozent. Einer Überblicksstudie zufolge verminderte sich mit der Besteuerung von Zucker in 53 Ländern die durchschnittliche Gewichtszunahme. 

Doch man muss gar nicht ins Ausland blicken, um zu erkennen, welch durchschlagende Wirkung eine sogenannte "Lenkungsabgabe" haben kann: Im Jahr 2004 wurde in Deutschland die Alkopopsteuer auf alkoholhaltige Süßgetränke eingeführt, die für viele Jugendliche ein Einstieg in den verstärkten Alkoholkonsum waren. Das Aufkommen betrug 2005 rund zehn Millionen Euro, 15 Jahre später war es nur noch ein Zehntel. Die Getränke waren auf dem Markt einfach weniger gefragt.

Besonders schön: Mit dem Netto-Mehraufkommen aus der Alkopops-Steuer werden Maßnahmen zur Suchtprävention finanziert, es fließt nicht einfach nur in den großen Topf. Analog dazu könnten auch die Gelder aus einer Limo-Steuer für die Vorbeugung der Folgekrankheiten von Übergewicht verwendet werden. Rechtlich spräche nichts dagegen, so jedenfalls sieht das der Vorsitzende Richter des Bundesfinanzhofs Harald Jatzke in einem Interview, das er schon vor einigen Jahren führte.

Die wissenschaftlichen Argumente pro Limosteuer sind also stark, in bestimmten politischen Lagern aber fehlt die Einsicht. Die Ampel-Regierungspartei FDP verhinderte erfolgreich die Aufnahme der Zuckersteuer in den Koalitionsvertrag, und auch in der CDU/CSU hat eine solche Lenkungsabgabe nur wenige Freunde. Sei es aus purer Borniertheit, sei es wegen Nähe zur Lebensmittellobby.

Bleibt also für das Wahlvolk nur das Mittel, in einer Umfrage wie der oben genannten seine Meinung einmal kundzutun.

Korrekturanmerkung: In der ursprünglichen Fassung hieß es, dass mit der Besteuerung von Zucker in 53 Ländern der BMI sank. Tatsächlich aber sank die durchschnittliche Gewichtszunahme.