Politik

US-Reise mit Hindernissen Selenskyj hat Trump getroffen - immerhin

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos | Feedback senden
Womöglich bekommt es die Ukraine bald mit einem US-Präsidenten Trump zu tun.

Womöglich bekommt es die Ukraine bald mit einem US-Präsidenten Trump zu tun.

(Foto: dpa)

Die Reise Selenskyjs in die USA verläuft holprig. Eine Begegnung mit Trump droht zu scheitern, nachdem es einige Misstöne zwischen Kiew und dem Lager der Republikaner gab. Zuletzt findet das Treffen doch statt - und Trump wiederholt zumindest die aus ukrainischer Sicht schlimmsten Ansichten nicht mehr.

Es sind gemischte Gefühle, mit denen der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach seiner US-Reise in die Heimat zurückkehrt. Lange galt es als gesetzt, dass Selenskyj in den USA sowohl den amtierenden Präsidenten Joe Biden als auch die beiden Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump treffen würde. Im Verlauf der Reise stand der Besuch im New Yorker Trump Tower am Freitag dann doch auf der Kippe. Die Beziehungen zwischen Kiew und dem Lager des Ex-US-Präsidenten drohten katastrophal zu zerbrechen.

Mike Johnson, der republikanische und Trump-nahe Sprecher des Repräsentantenhauses, hatte alle Treffen mit der ukrainischen Delegation abgesagt. In einem Brief an den ukrainischen Präsidenten forderte er, die Kiewer Botschafterin in Washington, Oksana Markarowa, sofort zu entlassen. Markarowa hatte einen Besuch Selenskyjs bei einer Rüstungsfabrik im Swing State Pennsylvania organisiert, bei dem der demokratische Gouverneur Josh Shapiro, jedoch kein Republikaner, anwesend war. Dies sei eine Einmischung in den US-Wahlkampf, hieß es im Trump-Lager.

Auch das Interview Selenskyjs mit dem "New Yorker" stieß dort sauer auf. In diesem bezeichnete der ukrainische Präsident einige Ansichten des republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance als "zu radikal" - Vance hatte vorgeschlagen, die Ukraine müsse einige Gebiete an Russland abtreten, um den Krieg zu beenden. Zudem zweifelte Selenskyj an, dass Trump den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden könnte, wie dieser behauptet hatte.

Trump spricht nun von "gerechtem Frieden" zu gegebener Zeit

Ob der Besuch Selenskyjs in Pennsylvania aus Kiewer Perspektive ein Fehler war, lässt sich durchaus diskutieren. Die Ukraine hat sich im US-Wahlkampf stets möglichst neutral gezeigt. Nun musste Kiew prominente Vermittler wie den britischen Ex-Premierminister Boris Johnson einsetzen, um das persönliche Treffen Selenskyjs mit Trump noch zu retten. Andererseits besuchte Selenskyj vor einigen Monaten das republikanische Utah - ohne dass ein Demokrat mit im Rappenlicht stand. Dies löste damals jedoch keinen Skandal aus.

Auffallend war, dass Selenskyjs Einladung an das Trump-Team, vom Ex-Präsidenten in den sozialen Medien selbst verbreitet, nicht von Markarowa, sondern von ihrem Stellvertreter verschickt wurde. Ex-Finanzministerin Markarowa hat zwar den Ruf einer sehr erfolgreichen Botschafterin, und der Brief von Mike Johnson wird in der Ukraine als Affront betrachtet. Zugleich liegt Markarowa mit dem republikanischen Teil der ukrainischen Diaspora in den USA im Clinch. Dass sie zum Jahresende ihren Posten räumen muss, ist jetzt durchaus wahrscheinlich.

Mit den Ergebnissen des Treffens mit Trump ist die ukrainische Präsidialverwaltung der Kiewer Politik-Journalistin Julija Sabelina zufolge indessen zufrieden. Neben der Tatsache, dass das Gespräch überhaupt stattfinden konnte, ist aus ukrainischer Sicht wichtig, dass Trump seine Behauptung, den Krieg innerhalb von 24 Stunden einstellen zu wollen, nicht wiederholte. Stattdessen sprach er von einem "gerechten Frieden" zu gegebener Zeit. Auch Selenskyj hielt sich zurück und betonte den kleinsten gemeinsamen Nenner: dass es grundsätzlich notwendig sei, den Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Seine Einladung an Trump, die Ukraine zu besuchen, wirkte charmant. Ebenso wie seine Reaktion auf Trumps Aussage, er habe sowohl zu Selenskyj als auch zu Wladimir Putin ein gutes Verhältnis: "Ich hoffe, wir beide haben doch eine bessere Beziehung."

"Too little, too late" oder Unberechenbarkeit

"Letztlich ist Trump auf ein Treffen mit Selenskyj eingegangen, weil man dieses Thema nicht ignorieren kann", sagt Oleksandr Krajew, Nordamerika-Experte bei Ukrajinska Prisma, einer ukrainischen NGO, die sich mit Außenpolitik beschäftigt. Der Politologe Wolodymyr Fessenko, der dem ukrainischen Präsidentschaftsteam nahe steht, betont, dass die US-Reise Selenskyjs gerade noch gut zu Ende gegangen ist. Die Tatsache, dass das Treffen mit Trump überhaupt stattgefunden hat, sei ein positives Zeichen. Seine größte Sorge bleibt jedoch, dass Trumps Umfeld "massiv" Stimmung gegen die Ukraine macht. "Diesen Blödsinn über eine de facto nicht mehr existierende Ukraine, die von Kindern und alten Menschen verteidigt werden müsse, weil es keine Soldaten mehr gebe, wie er neulich auf einer Wahlveranstaltung erzählte - den muss ihm doch jemand vorgesagt haben", meint Fessenko.

Trump wird auch nach dem Treffen mit Selenskyj vertreten, dass es einen "Deal" zwischen der Ukraine und Russland geben müsse. Klar ist: Sollte er zum US-Präsidenten gewählt werden, wird Washington sicher den Kontakt zu Moskau suchen. Welchen "Deal" es aber tatsächlich geben kann, wenn Russland bei den aktuell extremen Vorbedingungen bleibt, ist unklar. So fordert Moskau unter anderem die radikale Verkleinerung der ukrainischen Streitkräfte, damit Kiew sich im Falle einer neuen Aggression nicht mehr verteidigen kann. Trotz aller Treffen und Gespräche der vergangenen Tage: Die einzige passable Option für die Ukraine ist bei dieser US-Wahl Kamala Harris.

Perfekt ist auch sie nicht. Die genaue Linie von Harris in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bleibt unklar. Doch es ist davon auszugehen, dass sie grundsätzlich mit der Politik von Joe Biden weitermachen wird. Diese hat es der Ukraine immerhin erlaubt, diesen Krieg nun schon mehr als 900 Tage zu überleben. Ex-Außenminister Pawlo Klimkin fasste es neulich treffend zusammen: "Es geht um die Wahl zwischen der unzureichenden und nicht folgerichtigen Unterstützung, nach dem Motto 'too little, too late' und der völligen Unberechenbarkeit im Falle eines Wahlsiegs von Trump."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen