Panorama

Eine für alle Nicht ohne meine Handtasche!

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Männer und Kinder wissen, dass sie in den Handtaschen ihrer Frauen und Mütter nichts zu suchen haben.

Männer und Kinder wissen, dass sie in den Handtaschen ihrer Frauen und Mütter nichts zu suchen haben.

(Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur)

Auf dem Wunschzettel der Kolumnistin steht seit Jahren eine Kelly-Bag. Oder eine Birkin-Bag. Ihr Mann zeigt ihr leider regelmäßig einen Vogel. Die Svenja-Bag allerdings, die ist erschwinglich, kann sie sich auch selbst kaufen. Die erfährt momentan einen Hype, dank einer gewissen Ministerin Schulze.

Es gibt die Birkin-Bag. Es gibt die Kelly-Bag. Und jetzt gibt es auch die Svenja-Bag. Die ist nicht von Hermès, kostet nicht so viel wie ein Kleinwagen und dürfte dennoch ihren Weg gehen. Denn sie ist eine Tasche mit Inhalt. Also nicht nur physisch. In die Svenja-Bag geht mehr rein als Lippenstift, Handy und Proteinriegel (und die anderen 20 bis 30 Kleinigkeiten, die Frauen nach eigenen Aussagen immer so mit sich rumschleppen, Nähzeug, Pflaster, kleines Deo, Handykabel, Notizheft, Kuli, mattierenden Puder, Haarbürste, ichweißwovonichspreche*).

Doch kurz zusammengefasst - was ist geschehen, dass ein Mittelklasse-Modell von Handtasche so viel Aufmerksamkeit bekommt? Und noch eine Frage: Mussten Sie auch erstmal googeln, wer eigentlich Svenja Schulze ist? Aah, ja, genau, die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung! Und die ist nun in ihrer Eigenschaft nach Pakistan gereist, um sich dort über die Arbeitsbedingungen in Textilfabriken zu informieren.

Die Ministerin bei der Arbeit.

Die Ministerin bei der Arbeit.

(Foto: IMAGO/BMZ/photothek.de)

Streng geheim!

Das hat bestimmt super geklappt, man darf schließlich davon ausgehen, dass die Firmen, die die Ministerin besuchen wollte, sich auf den hohen Besuch aus Germany vorbereitet haben. Hätten wir das also schonmal geklärt, die Arbeitsbedingungen in Pakistan sind super und Frauen werden zuvorkommend und fair behandelt.

Aber! Als Schulze in der vergangenen Woche ihren Besuch im Palast von Premier Shehbaz Sharif antreten möchte, machen die Security-Männer Probleme wegen der Handtasche und verweigern ihr den Einlass. Sie können nicht wissen, dass es sich um eine Svenja-Bag handelt und dass die Ministerin in dem um die 500 Euro kostenden Accessoire der Marke Longchamp ihre kompletten Akten und einiges Persönliches bei sich hat (siehe oben*). Aber das mal ganz außen vor - welche Frau gäbe einem Fremden freiwillig ihre Handtasche, vor allem dann, wenn sie Unterlagen über Lieferkettengesetze und Flüchtlinge aus Afghanistan mitführt?

"Handbagging" vom Feinsten

Niemand hätte der Eisernen Lady je ihre Handtasche abgenommen!

Niemand hätte der Eisernen Lady je ihre Handtasche abgenommen!

(Foto: IMAGO/Bridgeman Images)

Kurze Zwischenfrage: Wäre ein Minister auch gebeten worden, seine Aktentasche abzugeben? Ein König? Eine Prinzessin? Nein, denn es ist ein Affront! Man bittet Präsidenten, Kanzler und MinisterInnen nicht um ihre persönlichen Gegenstände, man filzt sie nicht. Dachte man ernsthaft, mit der Schulze, da können wir das ja machen? Oder dachte die Security, die Frau Ministerin könnte unerlaubte Gegenstände mit sich führen? Oder Notizen, die nicht so gut ausfallen würden in Sachen Pakistan und Arbeitsschutz? Oder wussten sie einfach nicht, wer da vor Ihnen steht?

Hillary Clinton sagte einmal in "Harpers Bazzaar", sie himmle ihre pinkfarbene Ferragamo-Tasche geradezu an. "Es ist einfach der Wunsch, das zu organisieren und zusammenzuhalten, was uns im täglichen Leben wichtig ist." Diese pinke Tasche, eine Extravaganz der ehemaligen Außenministerin der Vereinigten Staaten, war vielleicht ein erstes Zeichen dafür, dass Frauen in der Politik definitiv angekommen waren. Vorarbeit hatte die erste britische Premierministerin geleistet: Margaret Thatcher stellte ihre "Asprey"-Tasche jedes Mal demonstrativ auf den Kabinettstisch und signalisierte: "Die Chefin ist da!". Diese Handtasche wurde fast zu einem gefürchteten Statement, der Begriff "Handbagging" fand dank der "Eisernen Lady" als Zeichen für die Durchsetzungsfähigkeit Eingang in die Geschichte.

Mutter Courage

Zurück zu Svenja Schulze: Ein Journalist filmte das Geschehen auf dem roten Teppich in Pakistan mit. Er wurde natürlich gebeten, das sein zu lassen, deswegen sind die Aufnahmen auch etwas wackelig und meist ohne Kopf, aber das macht nichts, denn immerhin ist zu sehen, wie Svenja Schulze gleich auf dem mittelhohen Absatz kehrtmachen und den Rückzug antreten wird. "Ich habe hier meine persönlichen Sachen drin", entgegnet sie dem Bericht von ZDF-Journalist Andreas Kynast zufolge noch und hebt ihre Tasche demonstrativ hoch. Doch die pakistanischen Sicherheitsleute bleiben bei ihrem Nein. Als sie der SPD-Politikerin deutlich machen, "Ministerin oder Tasche", legt Schulze den Rückwärtsgang ein und schreitet erhobenen Hauptes zurück zu ihrem Auto.

1:0 für Svenja

Kurzes Gebrabbel unter den Security-Leuten und dann die etwas holprige Bitte, doch zu bleiben: "Ma'am. Bitte entschuldigen Sie!" Im Handtaschen-Gate gibt Pakistan schließlich nach und lässt Svenja Schulze samt ihrer Longchamp hindurch.

Svenja Schulze und das suspekte Objekt beim pakistanischen Premierminister Shehbaz Sharif. Zu ihrer Linken der Deutsche Botschafter Alfred Grannas in Islamabad.

Svenja Schulze und das suspekte Objekt beim pakistanischen Premierminister Shehbaz Sharif. Zu ihrer Linken der Deutsche Botschafter Alfred Grannas in Islamabad.

(Foto: IMAGO/BMZ/photothek.de)

Drinnen soll dann alles angenehmer zugegangen sein: Das Treffen mit Sharif sei konstruktiv und fruchtbar gewesen, gibt Journalist Kynast nach Aussagen der deutschen Delegation zu Protokoll, der Regierungschef habe seine Deutschkenntnisse angewendet und sei ein warmherziger, aufmerksamer Gastgeber gewesen. Das ist schön. Zumindest eines ist gelungen: Nie wieder werden wir Svenja Schulze googeln müssen. Und nie wieder sollte eine Frau aufgefordert werden, ihre Handtasche abgeben zu müssen.

PS: Wussten Sie, dass Frauen durchschnittlich 76 Tage ihres Lebens damit verbringen, in ihren Taschen nach Dingen zu kramen? Klingt viel, ist aber nicht schlimm, denn man findet so vieles wieder. Männer werden es nie verstehen, aber Handtaschen sind ganz einfach die tragbare Form der Emanzipation, denn die Tasche stellt den mobilen Lebensraum einer Frau dar. Das ist sogar wissenschaftlich erwiesen (nachzulesen in einer Studie der Wirtschaftspsychologin Dr. Ute Rademacher): Je mehr Frauen Heim und Herd verließen, um sich ins Berufsleben zu stürzen, desto wichtiger wurde die Tasche als Transportvehikel. Aber auch als Notfallkoffer und Finanzzentrum. Und heutzutage, mit Handy, Akten und Laptop darin, ist sie nichts geringeres als eine Verbindungszentrale. Oder auch Kommandozentrale. Und welcher Mann ließe sich diese aus der Hand nehmen?

Quelle: ntv.de

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