Wie ein Sparpaket bei Airbus verhindern soll, dass Kunden weglaufen

Der Flugzeugbauer Airbus bereitet sich erkennbar auf heftigen Gegenwind in seiner Flugzeugsparte vor. Nachdem vor Kurzem schon die Anleger darüber informiert wurden, dass es dieses Jahr nicht so gut läuft wie erwartet, werden nun die Mitarbeiter auf ein Sparprogramm eingestimmt. Mit Zahlen ist der Plan zwar nicht unterlegt, doch das „Lead“ genannte Programm soll offenbar stringent umgesetzt werden: „Alle zwei Wochen wird an den Airbus-CEO und CFO berichtet“, heißt es in der Mail, die der F.A.Z. vorliegt. Finanzvorstand und Konzernchef des Dax-Unternehmens mit Doppelsitz in Hamburg und Toulouse wollen also engmaschig über die Fortschritte informiert werden. „Wir werden jeden Stein umdrehen und alle unsere Kosten ohne Tabus genau unter die Lupe nehmen“, kündigt Christian Scherer, Chef der Flugzeugsparte, an: „Die Abweichung zwischen Stückkosten und Einnahmen pro Flugzeug, unsere – seien wir ehrlich – komplexe Struktur und unser immenses Projektportfolio müssen dringend geprüft und angepasst werden.“ Die Struktur als Politikum Das klingt zwar relativ abstrakt und vielleicht typisch für ein Optimierungsprogramm. Im Fall von Airbus ist die komplexe Struktur aber ein Politikum. Entstanden ist das Unternehmen aus der Absicht, den amerikanischen Herstellern Boeing und McDonnell Douglas im Bereich Passagierflugzeuge Paroli bieten zu können. Vor fast 60 Jahren kam es zu mehreren Fusionen von Flugzeugbauern innerhalb von Deutschland und Frankreich, bevor Ende 1970 Airbus als deutsch-französische Interessensgemeinschaft gegründet wurde. 1971 trat die spanische Casa bei, 1979 British Aerospace. Aus dieser noch relativ losen Allianz entstand im Jahr 2001 der heutige Airbus-Konzern. Airbus dient noch heute als Vorbild, wenn es darum geht, wie europäische Unternehmen gemeinsam den Vorsprung amerikanischer oder chinesischer Konkurrenten in bestimmten Branchen aufhalten können. Gleichwohl hat die Allianz auch erkennbar betriebswirtschaftliche Nachteile. Noch heute wird kein Airbus-Flugzeug an nur einem einzigen Ort gebaut. Noch immer werden riesige vormontierte Teile zwischen den Traditionsstandorten transportiert. Mit dem „Lead“-Programm soll nun explizit geklärt werden, wie Prozesse oder Strukturen „gemeinsam einfacher, leichter und schneller gestaltet werden können“. Damit will sich Airbus die Marktführerschaft sichern. Boeing steckt zwar wegen erheblicher Qualitätsprobleme in einer schweren Krise – sei aber deswegen gezwungen, „sich radikal zum Besseren zu verändern“. Scherer nennt den Namen des Verfolgers aus Amerika ebenso wenig wie den des chinesischen Herstellers Comac, der „als Neuzugang von einem immensen Binnenmarkt und staatlicher Unterstützung“ profitiere. Wieder andere werden versuchen, mit bahnbrechenden Technologien den Markt zu erobern, warnt der Airbus-Manager: „Sie alle haben das Ziel, uns unsere Position streitig zu machen.“ Ergebnisse werden schon für dieses Jahr erwartet Schon für dieses Jahr erwartet man bei Airbus Ergebnisse aus dem Spar- und Optimierungsprogramm. Seit in der Corona-Pandemie die Nachfrage nach Flugzeugen schlagartig erlahmte und die Produktion auch bei Zulieferern gekürzt wurde, leidet Airbus unter Lieferkettenproblemen. Flugzeuge können nicht ausgeliefert werden, weil etwa Triebwerke oder andere Teile fehlen – was für Frustration bei anderen Zulieferern und erst recht bei den Kunden sorgt. Gleichzeitig dürften die Kosten je Flugzeug nicht schneller wachsen als die Einnahmen, mahnt Scherer in seiner Mail. Aktuell wichen die Kosten aber von der Planung ab. Dadurch würden Investitionen in die aktuellen Flugzeuge und die der nächsten Generation blockiert. „Deshalb ergreifen wir nun umfassende, beherzte Maßnahmen, bevor es zu spät ist“, heißt es in der Mail. Betroffen seien alle Funktionen, Regionen und Tochtergesellschaften. Personalabbau im großen Stil ist offenbar nicht vorgesehen, auch wenn Scherer explizit darauf verweist, dass ein großer Teil der Kosten auf das Personal entfalle und es Anpassungen und Obergrenzen geben werde. „Wir sehen keine Anzeichen, dass Arbeitsplätze bei Airbus in Gefahr sind“, erklärt Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. „Wir gehen davon aus, dass Airbus seine Lehren aus dem Personalabbau während der Corona-Pandemie gezogen hat“, fügt er hinzu. „Das heißt: Die geplante Fokussierung sollte zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfolgen – auch bei den Zulieferern. Wir brauchen die Menschen, die da sind. Sie müssen zielgerichtet eingesetzt werden, ohne die Zukunftsprojekte aus den Augen zu verlieren.“ Ende Juni hat Airbus die Prognose gekürzt Ende Juni hatte Airbus schon die Anleger gewarnt, dass die für 2024 angepeilten Ziele nicht eingehalten würden. Statt wie geplant 800 könnten wohl nur 770 Flugzeuge ausgeliefert werden, nach 735 Flugzeugen im vorigen Jahr. Damit wird Airbus nicht einmal ein Zehntel des aktuellen Auftragsbestands von knapp 8600 Verkehrsflugzeugen in diesem Jahr ausliefern. Und: Das operative Ergebnis werde mit 5,5 Milliarden Euro um ein bis eineinhalb Milliarden Euro niedriger liegen als bisher avisiert. Von zuvor knapp 149 Euro stürzte der Kurs der im Dax notierten Airbus-Aktie in den Tagen nach der Prognosesenkung auf Kurse unter 130 Euro. Bevor am 30. Juli nach Börsenschluss die Zahlen zum ersten Halbjahr im Detail vorgelegt werden, hat Airbus diese Woche die Analysten noch einmal mit einer kurzen Audiobotschaft angesprochen. Diese lege für ihn den Schluss nahe, dass die endgültigen Zahlen zum zweiten Quartal die ohnehin schon stark gesenkten Erwartungen noch unterbieten dürften, schrieb Analyst Philip Buller von der Privatbank Berenberg danach. Er rechnet daher mit Kursverlusten der Aktien des Flugzeugbauers, sieht das Kursziel bei 110 Euro und rät zum Verkauf der Papiere. Andere Analysten zeigen sich optimistischer, insbesondere aus Amerika kommen positive Stimmen. Chloe Lemarie, Analystin des Analysehauses Jefferies, erwartet, dass Airbus die zuletzt nach unten korrigierten Prognosen nicht noch einmal anpasst, und bleibt bei ihrer Kaufempfehlung mit Kursziel 155 Euro. Für Goldman Sachs kommt Analyst Victor Allard zwar zu einer vorsichtigeren Einschätzung für das Geschäft mit der kommerziellen Luftfahrt und senkt daher das Kursziel von 187 auf 166 Euro, empfiehlt die Aktie aber weiter zum Kauf. Das von dem „Lead“-Programm betroffene Flugzeuggeschäft machte zuletzt rund zwei Drittel des Konzern-umsatzes von 65,4 Milliarden Euro aus und stand für mehr als 80 Prozent des Ergebnisses (Ebit) von 5,8 Milliarden Euro.