Der Trend zur Diva :
Haben wir bald alle mehr Opern-Looks im Kleiderschrank?

Von Katharina Pfannkuch
Lesezeit: 6 Min.
Die wohl größte Diva aller Zeiten: Angelina Jolie als Maria Callas im Film „Maria“.
Lange Handschuhe und Stola sind in der Mode so präsent wie lange nicht. Das liegt auch am neuen Film über Maria Callas.
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Im Dezember sorgte Timothée Chalamet in New York für Auf­sehen. Der Schauspieler verkörpert in „A Complete Unknown“ Bob Dylan – und erinnerte bei der Premiere an einen Auftritt des Musikers vor über 20 Jahren: grau karierter Schal über schwarzer Lederjacke, darunter ein rot-blau kariertes Hemd, auf dem Kopf eine blaue Mütze. „Method Dressing“ nennt man es, wenn Schauspieler – und bisher vor allem Schauspielerinnen – in auf ihre aktuellen Filme abgestimmten Looks vor Fotografen und Fans treten, analog zur Schauspiellehre des „Method Acting“. Zendaya zeigte sich im Frühjahr vergangenen Jahres anlässlich von „Challengers“, einer Dreiecksgeschichte zwischen angehenden Tennisprofis, in Zopfpul­lovern und Tennisröcken; Blake Lively trug Blumenkleider, als sie im Sommer den Film „Nur noch ein einziges Mal“ bewarb, in dem sie eine Blumenhändlerin spielt. Die Referenzen sind unübersehbar, das Medienecho ist stets groß.

Subtiler macht es Angelina Jolie. Von Februar an ist sie in der Rolle der wohl größten Diva aller Zeiten im Kino zu sehen, in „Maria“ spielt sie die so umjubelte wie mystifizierte Maria Callas. Regisseur Pablo Larraín kennt sich aus mit Mode-Ikonen; von ihm stammen auch „Jackie“ mit Natalie Portman als Jackie Kennedy und „Spencer“ mit Kristen Stewart als Prinzessin Diana.

Callas gilt als Stil-Ikone

Im vergangenen Sommer feierte „Ma­ria“ Premiere bei den Filmfestspielen in Venedig. Jolie erschien in einem drapierten, langen Kleid in hellem Beige, einer Pelzstola im selben Farbton und mit offenen, blonden Haaren. Keine Hochsteckfrisur à la Callas, keine dunkel getönten Haare, keine Neuauflage eines berühmten Callas-Looks. Eine eindeutige Reminiszenz an die legendäre Sopranistin aber war an ihrer Stola zu entdecken; dort trug Jolie eine Brosche aus Callas’ persönlicher Schmucksammlung, eine „Rose Ouvrante“ von 1972 von Cartier, die auch im Film zu sehen ist.

Nur mit einer Brosche als Anspielung: Angelina Jolie in Venedig
Nur mit einer Brosche als Anspielung: Angelina Jolie in Venedigdpa

Diese Zurückhaltung ist bemerkenswert, denn die Verlockung, mindestens einen der weltbekannten Callas-Looks in Gänze auf dem roten Teppich wieder aufleben zu lassen, dürfte groß gewesen sein. Die 1977 verstorbene Diva gilt bis heute als Stil-Ikone, viele ihrer Outfits haben sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt, auch jenseits der Opernwelt. Genau diese veränderte und prägte die Sopranistin; von einer „Callas-Revolution“ ist in dem Buch „Fashion Designers and the Opera“ von Helena Matheopoulos die Rede.

Das Motto: „Viva la Diva“

Nicht nur die Art der Darstellung, auch die Optik der Darstellerinnen veränderten sich unter dem Einfluss der Callas, die in den frühen Fünfzigerjahren um über 30 Kilo erschlankte und auch abseits der Bühne stets in wohlkomponierten, von der italienischen Modeschöpferin Biki erdachten Outfits auftrat.

Diese Auftritte hallen bis heute nach: Designer wie Valentino, Dolce & Gabbana und Burberry ließen sich schon von ihr inspirieren, zuletzt widmeten Erdem unter dem bezeichnenden Titel „Viva la Diva“ und Rianna + Nina mit „Opera“ ihre jeweiligen Winterkollektionen 2024/25 der Sopranistin.

Mode in der Oper: Haute-Couture-Schau von Chanel im Juni in der Opéra Garnier in Paris
Mode in der Oper: Haute-Couture-Schau von Chanel im Juni in der Opéra Garnier in Parisdpa

Helena Matheopoulos’ Buch über Mo­de und Oper erschien 2011. Damals entwarfen besonders viele Modedesigner Kostüme für die Opernbühne, etwa Christian Lacroix für die Berliner Staatsoper, Miuccia Prada für die New Yorker Metropolitan Opera und Tom Ford für das Opernfestival von Santa Fe. Die Autorin stellt diese Faszination seitens der Designer in Kontrast zum ganz und gar nicht auf Etikette und Klassik bedachten rockigen Stil, der damals die Mode dominierte.

Passend auch für einen Besuch der Mailänder Scala

Anderthalb Jahrzehnte später gilt die Optik wohlhabender Eliten in der Mode längst wieder als nachahmenswert; Stilrichtungen mit Namen wie Quiet Luxury und Old Money spielen mit Insignien von Wohlstand und Kultiviertheit. Sie kommen mit klassischer Eleganz und bewusstem Understatement daher, aber spätestens beim Opernbesuch, der seit jeher dem Kunstgenuss und der Pflege gesellschaftlicher Kontakte dient, dem Sehen und Gesehenwerden, darf es auch mal opulenter sein. Und so bahnten sich in den vergangenen Jahren immer mehr Elemente, die auch für einen Besuch der Mailänder Scala oder der Pariser Opéra Garnier passend wären, ihren Weg auf rote Teppiche und Laufstege.

Die Uhr trägt sie über dem Handschuh: Nicole Kidman bei einer Gala in Los Angeles
Die Uhr trägt sie über dem Handschuh: Nicole Kidman bei einer Gala in Los AngelesEPA

Lana Del Rey trug 2018 bei der Met Gala ein Opernglas als Accessoire zu ihrer Gucci-Robe. Céline Dion zeigte sich 2019 in einem Opernmantel von Marc Jacobs in New York. Im Frühjahr 2024 kombinierte Rita Ora transparente Opernhandschuhe zum Bustier, im September zeigte sich auch Callas-Darstellerin Jolie mit langen Handschuhen bei einer Filmpremiere. Im Oktober folgte Nicole Kidman bei einer Veranstaltung in Los Angeles; über ihren Opernhandschuhen trug sie eine Uhr. Popstar Dua Lipa entschied sich im selben Monat anlässlich eines Auftritts in der Londoner Royal Albert Hall für lange, rote Handschuhe zur ebenfalls roten Robe und einem langen, transparenten Schal, der jeder Operndiva stehen und deren kostbare Stimmbänder schonen würde. Eine modernere Variante des Opernlooks präsentierte K-Pop-Star Jennie Kim, als sie im März mit nur einem und auch noch fingerlosen Opernhandschuh bei der Chanel-Schau in der Opéra Garnier erschien.

Der Schauplatz der aktuellen WinterCouture-Kollektion von Chanel war Programm: Zur Einladung in der Pariser Oper wurde ein Opernglas verschickt, die Models defilierten in Opernmänteln und glitzernden Roben durch das Palais. Auf der Kopenhagener Modewoche zeigten mehrere Labels für diesen Winter lange Handschuhe; so auch Miu Miu in Paris. In London zeigte Richard Quinn eine Kollektion voller Roben, Opernmäntel und langer Handschuhe für den Sommer 2025, zur Eröffnung seiner Schau spielte das English Chamber Orchestra. Und Dolce & Gabbana vertraut schon seit den Neunzigerjahren auf die Macht der Musik und lässt zur Eröffnung seiner großen Schauen stets Pietro Mascagnis „Cavalleria Rusticana“ er­tönen.

Karl Lagerfeld sprach mal von einem „indirekten zyklischen Zusammenspiel“

Designer, die Kostüme für die Bühne kreieren und die Kunst zitieren, Elemente dieser Kunst, die ihren Weg in die Kleidung jenseits der Bühne finden – das erinnert an die innige, spätestens mit der Zusammenarbeit zwischen Coco Chanel und Sergei Djagilew 1913 eingeläutete Beziehung zwischen Mode und Ballett.

Auf eine ganz so lange Geschichte mag die Liebe zwischen Oper und Mode nicht zurückblicken, der gegenseitige Einfluss ist dennoch vorhanden: „In den frühen Zwanziger- und Dreißigerjahren waren die Kostüme von Sängerinnen wie Lotte Lehmann und Germaine Lubin sehr von der damals aktuellen Mode beeinflusst, es gab also ein indirektes, zyklisches Zusammenspiel“, so wird Karl Lagerfeld in Matheopoulos’ Buch zitiert. Lagerfeld selbst entwarf ab den frühen Achtzigerjahren für zahlreiche Opern-Inszenierungen.

Opernglas als Accessoire: Lana Del Rey beim Met Ball im Jahr 2018
Opernglas als Accessoire: Lana Del Rey beim Met Ball im Jahr 2018Picture Alliance

Bis heute tun es ihm viele gleich. 2019 entwarf Comme-des-Garçons-Grün­derin Rei Kawakubo Kostüme für eine „Orlando“-Inszenierung an der Wiener Staatsoper. Riccardo Tisci, im Jahr 2020 Kreativdirektor von Burberry, steuerte damals die Kostüme für Marina Abra­movićs Inszenierung von „7 Deaths of Maria Callas“ an der Bayerischen Staatsoper bei. Und Emily Adams Bode Aujla, Gründerin des amerikanischen Labels Bode, schuf im vergangenen Jahr die Kostüme für eine New Yorker Inszenierung von „Die Hochzeit des Figaro“.

Steht uns nun „Callas Core“ bevor?

Auch Maria Callas sang aus dem „Figaro“, in den frühen Sechzigerjahren, für eine Aufnahme. Eine überschwängliche Bewunderin von Mozarts Opern war sie aber nicht gerade, sie bevorzugte seine Klavierkonzerte. Tatsächlich mutet die Verbindung zwischen Callas und Mozart weniger stimmig an als etwa jene zwischen Callas und Puccini. Die Vorschau zum aktuellen Film ist dann auch mit „O mio babbino caro“ unterlegt. Zu sehen ist Jolie als Callas triumphierend auf der Bühne, umlagert von Journalisten sowie zurückgezogen und entrückt in ih­rem Zuhause. Dort werden ihre Kostüme und Kleider auch zur Kulisse, stehen für Epochen ihres Lebens. Insgesamt 50 sind im Film zu sehen.

Ob es nun an der immer weiter verbreiteten und fast schon erwarteten Praxis des „Method Dressing“ oder an den vielen Opern-Zitaten der Designer liegt: Die amerikanische „Vogue“ warf bereits die Frage auf, ob als nächster potentieller Trend „Callas Core“ bevorstehe, in der Tradition von Phänomenen wie „Barbie Core“ und „Tennis Core“.

Dass sich der elegante, glamouröse Look in der Alltagsmode durchsetzt, dürfte eher zu bezweifeln sein. Aber für einen Abend in der Oper die langen Handschuhe überstreifen und die Stola umlegen, das scheint nicht abwegig. Im Gegenteil: Wer Accessoires wie diese stilecht tragen möchte, kann das eigentlich nur noch dort tun. Sollte sich das in Ticketverkäufen niederschlagen, dürften auch Opernhäuser erfreut sein. Schöner können Hochkultur und Mode kaum verschmelzen.