Chanel-Parfümeur Jacques Polge :
Auf dem Kaminsims

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Etwas schaffen, das über verschiedene Moden hinweg bestehen kann: Jacques Polge
Die meisten Cremes und Tiegel sind aus Plastik und gar nicht nett anzuschauen. Dazwischen thront: das Parfum. Chanel-„Nase“ Jacques Polge über Flakon-Design.
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Monsieur Polge, kann man den Flakon eines Parfums mit dem Rahmen eines Bildes vergleichen?

Nein, das würde ich so nicht sagen. Wenn ein Maler ein Bild malt, besteht das Problem des Rahmens gar nicht. In meinem Büro hier sitze ich gerade vor einem Bild – ohne Rahmen. So kann das Bild für sich existieren. Aber wenn wir Parfum kreieren, bin ich zwar verantwortlich dafür, was in der Flasche steckt. Aber die Flasche selbst, der Name und alles weitere ist ebenso wichtig und muss berücksichtigt werden. Alle Elemente der Kreation müssen zueinander passen. 

Wenn wir zurück ins letzte Jahrhundert schauen: Gabrielle Chanel hatte damals sehr hohe Ansprüche an das Parfum. Wie wurde sie diesen gerecht? 

Ein Parfum definierte sich damals noch anders, über extravagante Namen und Formen. Mit Chanel No. 5 wollte sie hingegen den eigentlichen Duft hervorheben. Deshalb nahm sie die einfachste Flasche. Die Grundidee dahinter war: nichts für die Flasche, alles für den Duft. In der Zwischenzeit wurde die Flasche von den besten Fotografen der Welt inszeniert. Also hat sich die Bedeutung des Flakons doch verändert. 

Inwiefern?

Der Flakon ist zum Rolls-Royce der Flaschen avanciert. 

Wie man sieht, ist der Flakon mit den Jahren immer kleiner geworden. Ein bisschen Dekoration ist auch hinzugekommen. Was hat sich überhaupt in der Welt der Düfte verändert? 

Man hat viel mehr Düfte. Jedes Jahr kommen neue hinzu. Das Problem ist, sich davon abzuheben und etwas zu schaffen, das gleichzeitig über verschiedene Moden hinweg bestehen kann. Das ist immer schwieriger geworden.

Beständig: Der Flakon von Chanel No. 5 im Laufe der Jahrzehnte.
Beständig: Der Flakon von Chanel No. 5 im Laufe der Jahrzehnte.Chanel
Wie arbeiten Sie mit Christopher Sheldrake, der zweiten „Nase“ von Chanel, zusammen?

Kritik ist sehr wichtig. Neben dem, was täglich anfällt, überlegen wir uns ständig neue Ideen. Manchmal sind wir uns einig, manchmal sind wir verschiedener Meinung. Im kreativen Prozess darf man sich nicht abschotten.

Wie wichtig ist denn der Flakon für den Erfolg eines Parfums?

Sehr wichtig, denn er ist ein Teil des Ganzen. Am Anfang weiß man gar nichts, nicht den Namen, nicht die Form der Flasche, nicht die Farbe. Der Duft wird auch für die Flasche geschaffen.

Und was unterscheidet gutes von schlechtem Flakon-Design?

In der Vergangenheit wurden ein paar wirklich schöne Flaschen entworfen, besonders in den zwanziger Jahren. Deshalb gibt es schließlich auch Sammler von Parfumflakons. Ich bin kein Sammler. Ich habe nur zwei Flaschen, die bei mir auf dem Kaminsims stehen. Die erste ist ein Fläschchen No. 5, das von Andy Warhol bemalt wurde. Die andere ist eine, die ich in den achtziger Jahren mal für Tiffany entworfen habe. Es war eine ganz kleine Serie, und im Flakon stecken Diamanten. Einer war für mich. Der Duft ist immer noch drin.

Und was machen Sie mit Ihren anderen Flaschen, wenn Sie den Duft aufgebraucht haben?

Die trete ich an Sammler ab.

No. 5 zum Schauen

Bis zum hundertsten Geburtstag sind es nicht einmal mehr zehn Jahre. In diesem Frühling wird das im Jahr 1921 von Gabrielle („Coco“) Chanel lancierte Parfum No. 5 mit einer eigenen Ausstellung, also gewissermaßen vorab, gefeiert. Da erfährt man zum Beispiel, dass in der Flasche mit ihren klaren Linien und kantigen Ecken nicht nur Rose, Jasmin und Orangenblüte stecken. Nein, das Parfum soll auch etwas über Chanels Leben verraten, über ihre Lieblings-Reiseziele Venedig und Russland, über ihre Freunde Jean Cocteau, Pablo Picasso und Igor Strawinski sowie über ihre Villa La Pausa an der französischen Riviera. Mehr davon in „No. 5 Culture Chanel“, zu sehen im Pariser Palais de Tokyo vom 5. Mai bis 5. Juni 2013.