Tennis-Profi Angelique Kerber in Bad Homburg: Mehr als eine Grüß-Auguste

Sie ist wieder da. Ihr Konterfei prangt auf dem Großmonitor über dem Centre Court, schließlich ist sie das Gesicht des Turniers. Sie selbst huscht im Kurpark von hier nach dort, um stets auf der Höhe des Turniergeschehens zu bleiben und sich auf alles vorzubereiten, was in den kommenden Tagen ansteht. Angelique Kerber ist im Kurpark nicht nur dabei, sondern gleich wieder mittendrin. Sie ist auf der Tennisanlage nicht mehr nur als Turnierbotschafterin der Bad Homburg Open und Gelegenheitsspielerin wie im vergangenen Jahr unterwegs, als sie zum Abschiedsspiel für Andrea Petkovic spaßeshalber zum Schläger griff. Sondern die 36-Jährige ist auf dem Bad Homburger Rasenplätzen auch wieder eine ernsthafte Konkurrentin in einem Teilnehmerfeld, das nach der Aufwertung des Turniers zur 500er-Kategorie noch attraktiver daherkommt als in den ersten drei Auflagen. Sie freue sich darauf, vor heimischen Publikum zu spielen, sagte Angelique Kerber im Gespräch: „Dieses Emotionen sind unvergesslich und die habe ich letztes Jahr vermisst.“ Kerber: „Das Glück war nicht ganz auf meiner Seite“ Im vergangenen Jahr war Kerber zwar auch in den Kurpark gekommen und gefeiert worden. Allerdings hatte sie eine Pause vom Beruf eingelegt, nachdem sie im Februar 2023 Töchterchen Liana zur Welt gebracht hatte. Seit gut einem halben Jahr geht sie wieder ihrem Hauptberuf nach, hatte dabei mit Neustartschwierigkeiten zu kämpfen. Die Ergebnisse waren so lala, gelegentliche Ausreißer nach oben wie auf den kalifornischen Hartplätzen von Indian Wells folgten Rückschläge wie zuletzt bei den French Open, als Kerber in der ersten Runde gegen Kühle, Regenverzögerungen und ihre niederländische Gegnerin Arantxa Rus kämpfte und verlor. Nun hat sie die ungeliebten Sandplätze erst einmal hinter sich gelassen und darf wieder auf jenem Belag spielen, der ihr am meisten liegt. „Ich freue mich, wieder auf Rasen zu spielen“, sagte die Kielerin. Dass aller Anfang selbst auf dem geliebten Grün schwer ist, hat die dreimalige Grand-Slam-Turniersiegerin in der vergangenen Woche in Berlin erleben müssen. Sie verlor ihr Auftaktspiel gegen die 19 Jahre junge Tschechin Linda Noskova in drei Sätzen. „Das Glück war nicht ganz auf meiner Seite“, sagte die Deutsche im Rückblick. Jetzt gelte es, die letzten „zwei, drei Prozent“ im Training herauszuholen und „mutiger zu sein“ und so viele Matches wie möglich zu bekommen, bevor ich nach Wimbledon gehe“. Die Rasenplätze an der Londoner Church Road sind auch nach der Mutterschaftspause der Sehnsuchtsort für die Deutsche geblieben. Dort stand sie 2016 im Finale und gewann zwei Jahre später den Titel. Wie ihr aktuelles Leistungsvermögen einzuschätzen ist, mag Angelique Kerber nicht beurteilen. Sie fühle sich gut, auch körperlich, aber das sei in den vergangenen Monaten auch so gewesen, auch wenn es die Resultate nicht gezeigt hätten. Gleichwohl halten sie ihre frühere Profikollegin Andrea Petkovic und die belarussische Weltranglistendritte Aryna Sabalenka für eine Favoritin auf Rasen. Was angesichts von Kerbers Erfolgsquote wenig überrascht. Von ihren 116 Matches auf dem Untergrund hat sie 84 gewonnen. Mit der Gewinnquote von 72,4 Prozent liegt sie unter den aktiven Spielerinnen auf Platz drei. Drei Rasenturniere hat sie gewonnen, das letzte 2021 bei der Bad Homburger Premiere: „Die Leidenschaft für den Sport ist extrem hoch, deshalb bin ich auch zurückgekommen.“ An diesem Montagnachmittag kann Angelique Kerber ihre Leidenschaft auf dem Bad Homburger Centre Court ausleben. Dort bekommt sie es mit Diana Shnaider zu tun, die auf Position 49 der Weltrangliste eingestuft ist. Kerber kennt die Russin – eine Linkshänderin wie sie selbst – nur aus der Ferne. „Ich hoffe, dass ich mein Tennis abrufen und die Atmosphäre für mich nutzen kann.“ Angelique Kerber, in der Weltrangliste aktuell auf Platz 224 notiert und damit offiziell nur neuntbeste Deutsche, mutet sich einiges zu in diesen Tagen. Sie muss Familie, Beruf und Ehrenamt unter einen Hut bringen und dabei nichts vernachlässigen. Den Job als Turnierbotschafterin nimmt sie ernst, er sei ihr „eine Herzensangelegenheit“. Als eine Grüß-Auguste will Kerber, die alles mit höchster Disziplin erledigt, nicht wahrgenommen werden. „Für mich ist es wichtig, das Drumherum mitzubekommen. Ich bin eher enttäuscht, wenn ich nicht gefragt werde oder das eine oder andere nicht mitbekomme.“ Diese Gefahr besteht offenkundig nicht, ist Kerber doch im Kurpark die wichtigste Ansprechpartnerin für ihre Kolleginnen. Auch dieser direkte Draht zeichnet den Boutiquecharakter der Bad Homburg Open aus. „Ich habe von Spielerinnen Feedback bekommen, wie schön das Turnier ist.“ Am schönsten wäre es für die spielende Turnierbotschafterin indes, wenn am Ende alle zufrieden sind und sie den Pokal selbst in den Händen hielte.