Unfair beurteilt? : Zverev im Harry-Kane-Dilemma
Alexander Zverev bat sofort um Entschuldigung. „Erst einmal: Sorry“, rief er den Fans in der Halle von Paris-Bercy zu, als er nach seinem Sieg beim Mastersturnier auf dem Platz interviewt wurde. Im Finale hatte er am Sonntagnachmittag nahezu perfektes Tennis gespielt, in nur etwas mehr als einer Stunde 6:2, 6:2 gewonnen. Und er hatte damit eben alle enttäuscht, die sich ein spannenderes, ein längeres Match gewünscht hatten – und vor allem einen Triumph ihres französischen Landsmanns Ugo Humbert.
Und trotzdem: Wenn nach seinen finalen Auftritten bei den ATP-Finals in der kommenden Woche in Turin Bilanz gezogen wird, wird sein Tennis-Jahr nicht als voller Erfolg verbucht werden. Das liegt daran, dass Zverev auch 2024 nicht der ersehnte erste Sieg bei einem der vier Grand-Slam-Turniere gelungen ist. Am nächsten dran war er in Paris, wo ihm im Finale ein Satzgewinn zum Sieg fehlte. In Australien schaffte er es zu Beginn des Jahres immerhin ins Halbfinale.
Zverev steckt gewissermaßen im Harry-Kane-Dilemma. Niemand sollte bestreiten, dass der englische Stürmer des FC Bayern einer der besten Fußballspieler seiner Generation ist. Trotzdem haftet ihm der Makel an, mit seinen Mannschaften noch nie einen Titel gewonnen zu haben. Auch bei Zverev sollte eigentlich niemand bezweifeln, dass er einer der besten Tennisspieler seiner Generation ist. Der fehlende Grand-Slam-Titel aber verhindert, dass viele Fans und Experten das auch so anerkennen.
Gerecht ist das nicht. Es gab etliche schlechtere Spieler als Zverev, die schon Grand-Slam-Turniere gewonnen haben. Er hat schließlich auch das Pech, in eine Zeit geboren zu sein, in der erst Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic die Grand-Slam-Siege unter sich ausmachten und nun mit Jannik Sinner und Carlos Alcaraz zwei neue Ausnahmespieler die größten Titel des Jahres unter sich aufteilten. Trösten wird Zverev das aber kaum, das kann nur ein Grand-Slam-Titel. So ist das eben im Tennis. Sorry.