Bahnsanierung gegen Lärm :
Wie Künstliche Intelligenz Züge leiser machen soll

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Lärm Tag und Nacht: Ein Güterzug fährt an Wohnhäusern in Lorchhausen am Rhein vorbei.
Bürgerinitiativen im Rheintal hoffen auf die Künstliche Intelligenz und fordern ein Tempolimit für Züge. Im Gegenzug könnten Anwohner Bahnanlagen pflegen.

Die Bürgerinitiative im Mittelrheintal gegen Umweltschäden durch die Bahn (BI) setzt Hoffnungen in die Künstliche Intelligenz (KI), um den Bahnlärm zu dämpfen. Der Schienengüterverkehr könne durch KI und den Bau einer neuen Schienentrasse effizienter werden: „Waren können schneller, präziser und pünktlicher transportiert werden“, lautet die Erwartung des BI-Vorsitzenden Willi Pusch.

Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl und der zögerlichen Haltung der Bundesregierung zum Bau einer Alternativtrasse für den Schienenverkehr außerhalb des Rheintals wirbt Pusch für Kandidaten, die „gut für unser Land und unsere Region Rheintal sind und die sich für den Bau einer Neubautrasse sowie modernen Lärmschutz einsetzen“.

Pusch sieht beim Lärmschutz entlang von Bestandsstrecken im Schienennetz in vielen Gemeinden große Lücken. Die Folge seien gesundheitliche Gefahren für die Anwohner und Nachteile beim Tourismus. Zudem sei das Rheintal „flächendeckend weit von den Grenzwerten nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz“ entfernt, wie sie für Neubaustrecken gelten.

Wegen der maroden Infrastruktur sei auf den Schienenpersonenverkehr kein Verlass mehr. Es sei „zu einem Glückspiel geworden“, ob ein Zug pünktlich komme, sich verspäte oder ganz ausfalle.

„Offensichtliche Sicherheits- und Modernisierungsdefizite“

Pusch sieht die Bundesregierung sowie die Bahn in der Pflicht, die Digitalisierung und Automatisierung der Schieneninfrastruktur voranzutreiben. Investitionen in die Modernisierung der Schieneninfrastruktur und die Brücken seien unverzichtbar.

Pusch fordert die Aufhebung des Bestandsschutzes für die rechts- und die linksrheinische Bahnstrecke. Die gegenwärtige Praxis widerspreche angesichts „offensichtlicher Sicherheits- und Modernisierungsdefizite“ dem geltenden Recht und gefährde langfristig die Lebensqualität und Sicherheit der gesamten Region.

Die Bahnstrecken und ihre alten, teils mehr als 160 Jahre alten Brücken genügen nach Ansicht der Bürgerinitiative nicht mehr den heutigen Anforderungen. Sie seien für eine Achslast von vier Tonnen genehmigt worden, doch liege die heutige Belastung bei 22,5 Tonnen pro Achse.

Ein gegenseitiges Geschäft

Der Verzicht auf eine umfassende Modernisierung der Strecken folge einer „Kostenvermeidungsstrategie“. Die bisher geplanten „bis zu 130 Millionen Euro“ für die freiwillige Lärmsanierung stünden in keinem Verhältnis zu den notwendigen Investitionen. Ein Umbau der Strecken oder die Realisierung eines Rheintal-Tunnelsystems von Sankt Augustin bei Bonn bis Mainz-Bischofsheim sei „womöglich unumgänglich.“

Unterdessen fordert der Verein Bürgernetzwerk Pro Rheintal die Gründung kommunaler Beiräte entlang der Strecke. Denkbar sei zudem ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: Die Anwohner könnten sich zur Kooperation bei der Pflege von Bahnanlagen und Bahnhöfen bereit erklären, wenn die Bahn sich ihrerseits verpflichte, „Langsamfahrstellen“ in den besonders vom Bahnlärm betroffenen Kommunen einzurichten.

Für den Vorsitzenden Frank Gross hätte ein solches Übereinkommen den Charme, dass die Bahn nicht unter Zugzwang geriete, bundesweit solche Langsamfahrstellen einzurichten. Das solle vielmehr nur dort der Fall sein, wo die Belastung besonders hoch und die Bereitschaft von Bürgern und ihrer Kommune vorhanden sei, Gegenleistungen zu erbringen.

„Kooperative Zusammenarbeit“ für vorrangigen Bau

Kommunen, in denen sich die Bürger aktiv an der Pflege von Bahnanlagen beteiligten, könnten beispielsweise Vorrang beim Bau von Lärmschutzwänden oder der Modernisierung von Bahnhöfen erhalten. Die Bahn könnte Geld bereitstellen, um die Infrastrukturpflege durch Bürger und Kommunen zu unterstützen.

Denkbar seien langfristig angelegte Partnerschaften zwischen der Bahn, Kommunen und Bürgern, um einvernehmliche Lösungen zu finden. Die Bahn könnte sich verpflichten, regelmäßige Informationsveranstaltungen abzuhalten oder Dialogforen einzurichten. Am Ende gehe es um mehr „kooperative Zusammenarbeit“, deren Inhal­te noch im Detail diskutiert und aus­gearbeitet werden müssten.

Dass im Dialog einiges erreicht werden kann, sieht Gross durch das Beispiel Assmannshausen bestätigt. Dort hatte es zahlreiche Beschwerden der Anwohner gegeben. Inzwischen seien im Gespräch mit der Bahn Verbesserungen erreicht worden.

Forderung nach Tempo-50-Limit

Der marode Zustand des alten Bahnhofs und der Personenunterführung sollen demnach im zweiten Halbjahr 2026 im Rahmen der Generalsanierung der rechten Rheinstrecke verbessert werden. Dazu gehöre der Bau neuer Bahnsteige mit einer Länge von 180 Metern und einer Höhe von 55 Zentimetern, die denkmalgerechte Sanierung der Bahnsteigdächer, neue Treppen in der Personenunterführung und die Ertüchtigung des Zugangs vom ehemaligen Empfangsgebäude.

Pro Rheintal hat die Einrichtung eines Beirats vorgeschlagen, der zweimal im Jahr zusammenkommt, um die Anliegen der Bürger zu besprechen. Das könne ein Beispiel für die anderen Rhein- und Rheingauorte sein.

Pro Rheintal hält zudem an der Forderung nach einem Tempo-50-Limit für die Bahn innerorts fest. Die Initiative beruft sich auf ein Gutachten, das die rheinland-pfälzische Landesregierung er­stellen ließ und die Forderung mit dem EU-Recht für vereinbar hält. Die Gutachter hätten seinerzeit festgehalten, dass der „verfassungsrechtlich normierte Schutz der Gesundheit gegenüber Rechten der Betreiber und Eisenbahnverkehrsunternehmen vorrangig“ sei.

Laut Gross hat die Bahn viele Möglichkeiten, um schneller, pünktlicher und sicherer zu fahren. Er verweist unter anderem auf technische Lösungen wie automatische Kupplungen. Ein Tempolimit koste die Bahn bei einer Durchfahrt durch das Mittelrheintal nur zwölf Minuten Fahrtzeit.