Politische Wettermetaphorik :
Komme Regen oder Sonne

Gina Thomas
Ein Kommentar von Gina Thomas
Lesezeit: 2 Min.
Ankunft in der Downing Street: Wahlsieger Keir Starmer mit seiner Frau Victoria
Der Wahlverlierer Rishi Sunak stand schon lange im Regen, sein Nachfolger Keir Starmer beschwört sonnige Zeiten. Aber die Frage nach der historischen Dimension der britischen Wahlen weckt klamme Gefühle.

Wäre die Wahl zugunsten der Konservativen ausgegangen, hätte Rishi Sunaks Aufruf zu Neuwahlen im strömenden Regen Ende Mai als Zeichen des unverdrossenen britischen Eichenherzens gedeutet werden können, das die einst über die Meere herrschende Marine in ihrem offiziellen Marsch aus dem Jahr 1759 der großen Siege in den Seeschlachten rühmt. Schon im Mai war die Symbolik des völlig durchnässten Premierministers augenfällig.

Jetzt hat er seine zerstrittene Partei mit der größten Niederlage in ihrer Geschichte vom Regen in die Traufe geführt. Der Wahlsieger Sir Keir Starmer konnte es sich nicht verkneifen, auf Tony Blairs Begrüßung einer neuen Morgendämmerung beim letzten Erdrutschsieg der Labour Party im Mai 1997 anzuspielen. Bezeichnend war auch, dass die Siegesfeier in der Tate Modern stattfand, der Kultureinrichtung, die wie keine andere den Geist von Blairs New Labour verkörpert.

Licht der Hoffnung?

Starmer sprach vom „Sonnenlicht der Hoffnung“. Der Morgen begann indes mit Regen, für den Abend wurden stärkere Schauer vorausgesagt. Wenn die Wetterlage am Freitag für etwas stand, so waren es eher die gedämpften Erwartungen, die sich mit diesem spektakulären Wahlsieg der Labour Party verbinden. Das spiegelt sich in der niedrigen Wahlbeteiligung selbst in Wahlkreisen, in denen Labour keineswegs des Sieges sicher sein konnte, ebenso wie in dem Stimmanteil der neuen Regierungspartei, der nur 1,6 Prozent höher liegt als bei der Niederlage von Jeremy Corbyn gegen Boris Johnson vor weniger als fünf Jahren.

Mit nur einem Drittel der Stimmen hat Labour mehr als sechzig Prozent der Parlamentssitze gewonnen. Weniger Wähler haben für Labour gestimmt als 2005. Damals errang Blairs Labour-Partei den geringsten Stimmanteil einer Einparteien-Mehrheitsregierung. Von der Hochstimmung, mit der New Labour 1997 an die Macht rauschte, ist heute nichts zu spüren. Damals, wie auch 1945, als der uncharismatische Clement Attlee den Premier Winston Churchill mit einem klaren ­Sozialprogramm ablöste, das Britannien grundlegend veränderte, war man von der Vision einer neuen Ära getragen.

Mit den historischen Dimensionen der jetzigen Wahl verbinden sich eher klamme Gefühle, zumal in Hinblick auf den Erfolg der extremen Rechten sowie der Gegner Israels. Aber das Wetter war Starmer gnädig, als er in seiner würdigen Ansprache an der Schwelle zur Downing Street gelobte, dafür zu kämpfen, dass die Nation ihre Identität wiedererlange. Mit seinem Appell, den Dienst an der Öffentlichkeit in den Vordergrund zu stellen, formulierte er altmodische britische Werte, auf die die Tories sich einst viel zugute hielten, bevor sie im innerparteilichen Zank versackten.