Regisseur Ruggia vor Gericht : Sie war 12, er war 36 Jahre alt
Seit Anfang dieser Woche muss sich der französische Regisseur Christophe Ruggia wegen mutmaßlicher sexueller Nötigung Minderjähriger in Paris vor Gericht verantworten. Die 35 Jahre alte Schauspielerin Adèle Haenel wirft dem etwa 20 Jahre älteren Filmemacher vor, sie als Minderjährige wiederholt missbraucht zu haben. Der Regisseur weist die Vorwürfe zurück. Haenel hatte diese 2019 öffentlich gemacht und war damit zu einer Vorreiterin der MeToo-Bewegung in Frankreich geworden.
Wöchentliche Treffen mit einer 12-Jährigen
Am ersten Tag des Prozesses traten sowohl Haenel als auch Ruggia in den Zeugenstand. Die ehemalige Schauspielerin beschuldigte Ruggia, sie in den Jahren 2001 bis 2004 bei wöchentlichen Treffen, immer samstags, in seinem Haus unter Druck gesetzt, sexuell belästigt und wiederholt berührt zu haben. Nach einem Bericht der französischen Zeitung „Libération“ erinnerte sich Haenel vor Gericht an das „Mantra“ des Regisseurs, der ihr immer wieder gesagt habe, dass die anderen von der Beziehung zwischen einem Regisseur und seiner Schauspielerin nichts verstünden.
Ruggia seinerseits gab an, die einhundert Samstagnachmittage vereint durch die „Liebe zum Kino“ miteinander verbracht zu haben. Sie hätten Filme geschaut und auch „Videos auf Youtube“ (das es damals noch gar nicht gab). Haenel war damals zwischen 12 und 14, Ruggia zwischen 36 und 38 Jahre alt.
Haenels Vorwürfe – ein Racheakt?
Christophe Ruggia hatte Haenel für einen Film gecastet, als diese elf Jahre alt war. Der Film zeigt mehrere Sexszenen zwischen Haenel und einem Jungen. Die Schauspielerin hatte später erklärt, sie habe sich dabei „sehr unwohl“ gefühlt. Mehrere am Filmset Beteiligte hatten später ausgesagt, der Regisseur habe dem Mädchen bei den Dreharbeiten häufig die Hand auf den Oberschenkel gelegt und es aufgefordert, sich auf seinen Schoß zu setzen.
In den folgenden drei Jahren hatte Haenel den Filmemacher immer samstags besucht. Nach ihren Schilderungen hatte Ruggia sie dort in den Nacken geküsst und begrapscht. Ruggia hatte im Vorfeld des Prozesses bereits ausgesagt, Haenel habe ihn durch „Posen“ gereizt. Ihre Vorwürfe seien ein „Racheakt“, weil er ihr keine weiteren Rollen mehr gegeben habe.
Der Prozess in Paris ist auf zwei Tage angelegt. Im Fall einer Verurteilung muss der Filmemacher mit bis zu zehn Jahren Haft und einer Geldstrafe in Höhe von 150.000 Euro rechnen. Haenel hatte 2020 Aufsehen erregt, als der mit Missbrauchsvorwürfen konfrontierte Regisseur Roman Polanski einen Filmpreis erhielt und sie mit dem Ruf „Eine Schande!“ die Veranstaltung verließ. Die Schauspielerin war mit Filmen wie „Die unerschütterliche Liebe der Suzanne“ und „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ bekannt geworden. Sie wurde zwei Mal mit dem französischen Filmpreis César ausgezeichnet. In den vergangenen Jahren hat sie sich aus dem Filmgeschäft zurückgezogen.