„Jedermann“ in Salzburg :
Zugehöriger einer künftigen Zeit

Von Simon Strauß, Salzburg
Lesezeit: 5 Min.
Erst Mann, dann Mensch, dann ist das Leben schon vorüber: Edith Clever als Tod und Lars Eidinger als Jedermann bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele
Die Salzburger Festspiele eröffnen mit einem neuen Jedermann: Der Berliner Lars Eidinger gibt der ausgeweideten Paraderolle eine neue Wendung. Ein Besetzungscoup.

Dieser Jedermann stirbt zweimal: einmal als Mann und einmal als Mensch. In der ersten Hälfte führt er sein eigenes Abdanken vor – mit eifriger Nervosität ist er darauf bedacht, zu zeigen, wie unangenehm ihm sein Geschlecht ist, wie sehr er sich von all den üblichen männlichen Dominanzgebärden und Tonangeberhaltungen distanziert. Gleich zu Beginn steht er halb nackt vorn am Bühnenrand, auf seinen Schultern sitzt triumphierend die Buhlschaft und verdeckt sein Gesicht mit ihrem feuerroten Kleid. Bevor dieser Jedermann den ersten Satz sagt, ist er schon ein Besiegter, ein Verhöhnter, einer, dessen Zeit abgelaufen ist. Auf blauen Absatzschuhen trippelt er herum, um sich dem anderen Geschlecht anzudienen, um es verzweifelt glauben zu machen, dass sein muskulöser Körper nur eine optische Täuschung sei, ein Relikt aus vergangener Zeit, mit dem seine jetzige Weltanschauung nichts mehr zu tun habe. Dieser Jedermann versündigt sich nicht in erster Linie gegen die Armen, die er hartherzig von sich stößt, er versündigt sich, weil er ein (mittel)alter Adam ist und ohne jede Trigger-Warnung die Hauptrolle spielt.

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