Internationale Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Mittelalterarchäologie 2022
International Conference of the Austrian Society for Medieval Archaeology 2022
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS
DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
THE HISTORICAL ARCHAEOLOGY OF THE
19TH AND 20TH CENTURIES
In Kooperation mit der Oberösterreichischen Landes-Kultur GmbH
In cooperation with the Upper Austrian Landes-Kultur GmbH
13–17 September 2022
Linz, Oberösterreich (Upper Austria)
VORLÄUFIGE VERSION VOM 19. JULI 2022
DRAFT VERSION FROM JULY, 19TH 2022
ÖGM-TAGUNG 2022
Vor ca. 20 Jahren fanden in den nationalsozialistischen Terrororten Hartheim, Mauthausen und
Gusen erste Ausgrabungen statt. Dies war ein wichtiger Impuls zu weiteren archäologischen und
bauarchäologischen Untersuchungen, bei denen Befunde und Funde des 20. Jahrhunderts, und auch
des 19. Jahrhunderts analysiert werden. Die archäologischen Forschungen haben unter Einbezug aller
Überlieferungsstränge in einer holistischen Betrachtung vertiefte neue Erkenntnisse zur materiellen
Kultur und ihrer Kontexte des 19. und 20. Jahrhunderts ergeben, die auf der internationalen Tagung
der Österreichischen Gesellschaft für Mittelalterarchäologie 2022 in Linz diskutiert werden. Der
Oberösterreichischen Landes-Kultur GmbH sei für die erfolgreiche Kooperation in der Organisation der
Tagung herzlich gedankt. Die vielfältige Unterstützung, nicht zuletzt durch die großzügige Bereitstellung
der Räumlichkeiten im Francisco Carolinum in Linz, aber auch durch zahlreiche andere Zuwendungen
tragen ganz wesentlich zum Gelingen der Tagung bei. Herzlich möchten wir uns auch bei den
Sponsor*innen für die großzügigen finanziellen Förderungen bedanken. Dies gilt insbesondere für das
Vizerektorat für Forschung und die Philosophisch-Historische Fakultät der Universität Innsbruck, das
Bundesdenkmalamt und die Direktion Kultur und Gesellschaft des Amtes der Oberösterreichischen
Landesregierung, aber ebenso für die Forschungsgesellschaft Wiener Stadtarchäologie und die
Firma Rauchmehl (Anton Rauch GmbH & Co KG), Innsbruck. Weitere Institutionen wie das Institut
für Urgeschichte und Historische Archäologie der Universität Wien, das Institut für Archäologien der
Universität Innsbruck, die Stadtarchäologie Wien, die KZ-Gedenkstätte Mauthausen und der Lern- und
Gedenkort Schloss Hartheim haben auf vielfältige Weise bei der Vorbereitung und der Durchführung
der Tagung wertvolle Hilfestellungen geleistet. So gilt unser herzlicher Dank allen, die zum Gelingen
der Tagung beigetragen haben.
Das Tagungskomitee
The first excavations at the Nazi terror sites of Hartheim, Mauthausen and Gusen took place around
20 years ago. They proved to be an important impetus for the spread of archaeological and buildings
archaeological investigations in which features and finds from the 20th, and also the 19th centuries were
analysed. This archaeological research, which includes all available sources in a holistic approach,
has yielded new and detailed insights into material culture and its contexts in the 19th and 20th
centuries, which will be discussed at the international conference of the Austrian Society for Medieval
Archaeology in Linz in 2022. We would very much like to thank the Oberösterreichische Landes-Kultur
GmbH for making the conference possible. The manifold support, not least in the generous provision
of the conference premises in the Francisco Carolinum Linz, but also in the many other forms, has
significantly contributed to the success of the conference. We would also like to thank our sponsors
for their generous financial support. This applies in particular to the Vice Rectorate for Research and
the Philosophice-Historical Faculty of the University of Innsbruck, the Federal Monuments Authority
and the Culture and Society Directorate of the Upper Austrian Provincial Government, but also to the
Vienna City Archaeology Research Society and Rauchmehl (Anton Rauch GmbH & Co KG), Innsbruck.
Other institutions such as the Department of Prehistoric and Historical Archaeology at the University
of Vienna, the Department of Archaeologies at the University of Innsbruck, Vienna City Archaeology,
Mauthausen Memorial and Memorial Site Hartheim Castle have provided valuable assistance in the
preparation and realisation of the conference. Our heartfelt thanks go to all those who have contributed
to the success of our meeting.
The conference committee (Translation Paul Mitchell)
Tagungskomitee / Conference committee:
Heinz Gruber
Barbara Hausmair
Heike Krause
Natascha Mehler
Paul Mitchell
Christina Schmid
Martin Schmid
Harald Stadler
Claudia Theune
Iris Winkelbauer
© Titelseite v.l.n.r. / frontpage f.l.t.r.:Wien, Neutor, Stadtbefestigung (© Stadtarchäologie Wien)
Scherben des 19. - 20. Jh. (© Natascha Mehler); Mauthausen, Grabung Werkstattbaracken (© Martin Krenn
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
Tagungsort / Conference venue:
Francisco Carolinum Linz, Museumstraße 14, 4020 Linz
Vizerektorat für Forschung und die PhilosophischHistorische Fakultät der Universität Innsbruck
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ÖGM-TAGUNG 2022
Zur Tagung
Das 19. und 20. Jahrhundert ist die Zeit der Früh- und Hochindustrialisierung, deren Folgen
heute noch nachwirken. Es kam zu enormen gesellschaftlichen Veränderungen und zu einer
fortschreitenden Urbanisierung bzw. Bildung von Ballungsgebieten. Diese Entwicklungen gingen
Hand in Hand mit der Herausbildung großer sozialer Gegensätze, was wiederum zu Protest-,
Arbeiter*innen- und Frauen- oder auch Naturschutzbewegungen führte. Massenproduktion
und Massenkonsum im globalen Maßstab bewirkten den Ausbau und die Verdichtung lokaler,
regionaler und überregionaler Infrastruktur. Schnellere Verkehrsmittel und das aufkommende
Fernmeldewesen ermöglichten eine raschere bzw. intensivere Kommunikation über größere
Distanzen. Die Industrie, der Bauboom, die Ausbeutung von Rohstoffen verursachten aber auch
massive Umweltschädigungen und führten zu tiefgreifenden Landschaftsveränderungen. All diese
Prozesse haben die Lebensbedingungen in den beiden letzten Jahrhunderten bis in die Gegenwart
gravierend beeinflusst und werden noch eine ferne Zukunft mitbestimmen. Sie manifestieren sich
nicht zuletzt in materiellen Quellen, in archäologischen Kontexten, in der Landschaft.
Ebenso fällt in diese Zeit die Herausbildung von Nationalismus und Nationalstaaten. Imperialismus
und Kolonialismus verfestigten globale Ungleichheiten. Industrialisierte Kriege ebenso wie lokale
Konflikte und Proteste wurden ausgetragen. Millionen von Menschen kamen durch Gewalt und
Verfolgung zu Tode.
In Österreich seit rund 20 Jahren, in anderen europäischen Ländern schon etwas länger, ist es
zu einer beträchtlichen Zunahme von archäologischen Untersuchungen gekommen, die Befunde
und Funde des 19. und 20. Jahrhunderts analysieren. Die archäologische Forschung öffnet sich
für neue Fragestellungen. In Folge des „material turn“, nehmen Archäolog*innen zunehmend die
beiden letzten Jahrhunderte in den Blick und erforschen die materielle Kultur und ihre Kontexte.
Die Archäologie liefert nicht nur Informationen zur Baugenese oder chronologischen Aspekten
der Materialität. Sie gewährt zudem Einsicht in erst in jüngerer Zeit untergangene Industrien,
Handwerksbetriebe, aber auch in Gewaltkontexte, gesellschaftliche Ungleichheiten und betont
die ökologischen Dimensionen dieser Entwicklungen.
Wesentlich für Analysen im Sinne einer Historischen Archäologie und damit einer holistischen
Betrachtung ist der Einbezug aller zur Verfügung stehenden Überlieferungsstränge. Neben den
materiellen Quellen sind dies verschiedenste schriftliche Dokumente, mündliche Überlieferung und
(audio)visuelle Medien. So ist es möglich, die Stärken und Schwächen, das Aussagepotential und
die Perspektivierungen der verschiedenen Quellen analytisch zu nutzen und ein vielschichtiges
Bild der Vergangenheit zu entwerfen.
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
Introducing the conference
The 19th and 20th centuries are the epoch of industrialisation, the consequences of which are
still being felt today. They saw enormous social change including continual urbanisation and the
formation of metropolitan regions. These developments went hand in hand with the emergence
of great social contradictions, which in turn led to protest, workers’, women’s and environmental
movements. Mass production and mass consumption on a global scale resulted in the expansion
and densification of local, regional and supra-regional infrastructure. Improved transport systems
and the emergence of telecommunications enabled more rapid and more intensive communication
over greater distances. Industry, the construction boom and the exploitation of raw materials
caused massive environmental damage and led to profound changes in the landscape. All of
these processes have had a grave impact on living conditions over the past two centuries right up
to the present and will continue to shape the distant future. They manifest themselves in material
sources, in archaeological contexts and in the landscape.
The development of nationalism and nation states also took place in this period. Imperialism and
colonialism reinforced global inequalities. Industrialised wars and also local conflicts and protests
broke out. Millions of people died from violence and persecution.
For around 20 years in Austria, and in some other European countries for somewhat longer, there
has been a considerable increase in archaeological investigations which analyse features and
finds from the 19th and 20th centuries. Archaeological research is tackling new issues. In the
course of the “material turn”, archaeologists are increasingly examining the last two centuries and
researching material culture and its settings. Archaeology does not only provide information about
construction or chronological aspects of materiality. It also provides insight into industries and
artisan businesses that became defunct only in the recent past, as well as into social inequalities
and contexts of violence, and emphasizes the ecological aspects of these developments.
It is crucial that analyses from a historical archaeological standpoint and thus a holistic view
include all available sources. In addition to the material sources, these include a wide variety of
written documents, oral history and (audio)visual media. In this way it is possible to exploit the
strengths and weaknesses, the diverse information and the perspectivation of the various sources
analytically and create a multi-layered picture of the past.
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ÖGM-TAGUNG 2022
NOTIZEN / NOTES
Notizen / Notes
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
TAGUNGSPROGRAMM
CONFERENCE PROGRAMME
Dienstag / Tuesday, 13.9.2022
08.30
Öffnung des Tagungsbüros
Conference office opens
10.00
Opening of the conference and words of welcome
Eröffnung der Tagung und Begrüßung
10.15
Ulrich Müller
Archaeology of modernity as an archaeology of the anthropocene (Keynote)
Archäologie der Moderne als seine Archäologie des Anthropozäns (Keynote)
Session 1: Archäologie des 19.u.20. Jahrhunderts - generelle Aspekte und
Dimensionen
Archaeology of the 19th and 20th centuries - general themes and views
Moderation: Claudia Theune
11.00
Heike Krause
Archäologie des 19. Jahrhunderts in Wien – ein Überblick
The archaeology of the 19th century in Vienna – an overview
11.30
Fritz Jürgens
The archaeology of modernity - more than steelworks and Nazi camps
Archäologie der Moderne – Mehr als Stahlhütten und NS-Lager
12.00
Andreas Wunschel
Das 19./20. Jahrhundert in Westfalen-Lippe aus bodendenkmalpflegerischer Sicht
– Erforschung, Schutz, Ausgrabung, Vermittlung
The 19th and 20th centuries in Westfalen-Lippe in terms of their archaeological
monuments - research, protection, excavation, communication
12.30
Mittagspause / Lunch break
14.00
Paul Mitchell
Die archäologische Bauforschung von Gebäuden des 19. und 20. Jahrhunderts
Buildings archaeology of the 19th and 20th centuries
14.30
Elisabeth Waldhart
Should we get rid of it? On dealing with an assemblage of the 1980s from the ruin
of Trautson Castle, Gem. Matrei i. Tirol
Kommt das weg? Zum Umgang mit einem Fundkomplex der 1980er Jahre von der
Burgruine Trautson, Gem. Matrei in Tirol
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PROGRAMM / PROGRAMME
Claudia Theune (ÖGM)
NN (OÖ/Linz/ÖOLK)
Bernhard Hebert (BDA)
ÖGM-TAGUNG 2022
15.00
Pause mit Posterpräsentationen / Break with poster presentations
PROGRAMM / PROGRAMME
Session 2: Ländlicher Raum und rurale Lebensweisen
The countryside and rural ways of life
Moderation: Christiana Schmid
16.00
Anna Stagno / Marco Milanese
The archaeology of the contemporary past and rural archaeology: debates around
19th and 21st c. and current state of Italian post-medieval archaeology
Die Archäologie der jüngsten Vergangenheit und die Archäologie des ländlichen
Raums: Debatten über das 19. und 21. Jahrhundert und der aktuelle Stand der
italienischen Archäologie der Neuzeit
16.30
Giulia Bizzarri
Between material traces and documentary sources: studies on the redefinition of
rural spaces in late 19th century Eastern Liguria
Zwischen materiellen Spuren und dokumentarischen Quellen: Studien zur
Neudefinition ländlicher Räume in Ostligurien am Ende des 19. Jahrhunderts
17.00
Alessandro Panettaya
The other side of industrialization. Mountain production in the last two centuries
Die andere Seite der Industrialisierung. Produktionsformen im Gebirge in den
letzten zwei Jahrhunderten
17.30
Zsófia Nadai / Balázs Halmos
Industrial in vernacular - The turmoil of the 20th century in traditional peasant
houses in Hungary
Industrie im ruralen Umfeld - Die Umbrüche des 20. Jahrhunderts in traditionellen
Bauernhäusern in Ungarn
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Mittwoch / Wednesday, 14.09.2022
Session 3: Industrialisierung und Industriekultur
Industrialisation and industrial culture
Moderation: Natascha Mehler
8.30
Heinz Gruber
Budweis – Linz – Gmunden: Archäologie auf der Trasse der Pferdeeisenbahn
(1827–1872)
Budweis – Linz – Gmunden: Archaeology on the route of the horse-drawn railway
(1827–1872)
9.00
Niall Brady
Maritime archaeology and industrial heritage, the Victorian Age and the 20th
century: some emerging insights from seven years archaeology at Dublin Port
Maritime Archäologie und Industriekultur, das viktorianische Zeitalter und das 20.
Jahrhundert: einige neue Erkenntnisse aus sieben Jahren Archäologie im Dubliner
Hafen
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
Pause mit Posterpräsentationen / Break with poster presentations
10.30
Gerd Riedel / Ruth Sandner
Bodendenkmalpflege und Industriekultur am Beispiel der „Kgl. Bayer. Geschützund Geschoßgießerei“ Ingolstadt
Archaeological monuments and industrial culture. The “Royal Bavarian Artillery and
Projectile Foundry” in Ingolstadt
11.00
Manfred Böhme
Alles der Kohle wegen. Materialisierte Arbeits- und Lebensumwelten in Fabriken der
Braunkohlenverwertung bei Zeitz-Weißenfels im 19./20. Jahrhundert
For the ske of coal. Materialised working and living environments in lignite processing
factories near Zeitz-Weißenfels in the 19th and 20th centuries
11.30
Bianca Zerobin
Zillertal Garnet. Studies on the cultural heritage of the East Alpine gem industry as
reflected in interdisciplinary research
Zillertaler Granat - Studien zum kulturellen Erbe des ostalpinen Edelsteingewerbes
im Spiegel interdisziplinärer Forschung
12.00
Gabriele Scharrer-Liska / Immo Trinks / Matthias Kucera
A time capsule in Pulkau, Lower Austria. Investigations into a stove maker‘s workshop
from around 1900
Eine Zeitkapsel in Pulkau, Niederösterreich. Untersuchungen zu einer Hafnerei aus
der Zeit um 1900
12.30
Mittagspause / Lunch break
Session 4: Kolonialismus
Colonialism
Moderation: Paul Mitchell
14.00
James Flexner
Catholics and protestants in the South Seas: The archaeology of christianisation in
Oceania
Katholik*innen und Protestant*innen in der Südsee: Die Archäologie der
Christianisierung in Ozeanien
14.30
Natascha Mehler / Attila Dézsi
The colony of Nueva Germania in Paraguay
Die Kolonie Nueva Germania in Paraguay
15.00
Pause / Break
9
PROGRAMM / PROGRAMME
9.30
ÖGM-TAGUNG 2022
PROGRAMM / PROGRAMME
Session 5: Jüdische materielle Kultur
Jewish material culture
Moderation: Heike Krause
15.30
Ute Scholz
Archäologische Dokumentation einer Synagoge des 19. Jahrhunderts in Groß
Enzersdorf, NÖ
Archaeological documentation of a 19th-century synagogue in Groß-Enzersdorf,
Lower Austria
16.00
Judith Benedix
Archäologische Begleitung der Restaurierungsarbeiten am Jüdischen Friedhof in
Wien-Währing
Archaeological accompaniment of the restoration work at the Jewish cemetery in
Vienna Währing
16.30
Christoph Lind / Ronald Risy
Recherchiert, ergraben, befundet – Der alte jüdische Friedhof in St. Pölten
Researched, located, recorded – The old Jewish cemetery in St. Pölten
Festvortrag (Moderation: Barbara Hausmair)
18.30
Pavel Vařeka
The archaeology of communism
Die Archäologie des Kommunismus
Anschließend Empfang / Followed by reception
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Donnerstag / Thursday, 15.09.2022
Ganztagesexkursion Mauthausen, Gusen und Hartheim
All-day field trip to Mauthausen, Gusen and Hartheim
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Freitag / Friday, 16.09.2022
Session 6: Kriegslandschaften und Militäranlagen
Landscapes of war and military installations
Moderation: Harald Stadler
8.00
Michael Strobel
Schießstand – Laufgraben – Truppenübungsplatz. Militärhistorische Relikte eines
langen Jahrhunderts (19. und 20. Jh.) als Gegenstand der Denkmalerfassung im
Freistaat Sachsen
Shooting range – trench – military training area. Military historical relics of a long
century (19th and 20th centuries) and the listing of historical monuments in Saxony
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
8.30
Eva Steigberger / Johannes Pöll
Kriegslandschaft Karnischer Kamm: Prospektionen militärischer Bauten des
1. Weltkriegs in hochalpinem Gelände
War landscape Carnic Crest: Prospecting military buildings of the First World War in
high alpine terrain
9.00
Gabriele Gattiglia /Francesca Anichini / Catarina Di Pasquale
Archaeology of border: the WW2 Gothic Line
Archäologie an der Grenze: Die sog. Gotische Linie im 2. Weltkrieg
9.30
Pause / Break
10.00
Thomas Kersting
Materialität und Menschen. Was ist das Thema der NS-Lagerarchäologie?
Materiality and human beings. What is the subject of Nazi camp archaeology?
10.30
Thomas Hönigmann
Die Verortung von NS zeitlichen Lagern – eine Aufgabe der historischen Archäologie
The localisation of Nazi camps – a task for historical archaeology
11.00
Peter Hinterndorfer
Viewsheds, borders, accessibilities - the spatial structuring of national-socialist forced
camps illustrated by the example of the concentration camp Mauthausen-Gusen
Sichtfelder, Grenzen, Zugänge - die räumliche Strukturierung nationalsozialistischer
Zwangslager am Beispiel des Konzentrationslagers Mauthausen-Gusen
11.30
Barbara Pöll
Das NS-zeitliche ‚Großkraftwerk Ötztal‘ und der ‘Windkanal Baustelle‘ Inn
The NS-period ‚Ötztal power plant‘ and the construction site ‚Wind tunnel Inn‘
12.00
Lukas Kerbler / Andreas Krainz / Raphael Lampl
Das höchstgelegene neuzeitliche Bergwerk Europas im Lichte neuer archäologischer
Untersuchungen
The highest modern-period mine in Europe in the light of new archaeological
investigation
12.30
Tristan Blazek et al.
Nazi shale oil and forced labour. Interpreting surface finds from a shale oil plant of
„Unternehmen Wüste“ (1944/45) in Baden-Württemberg
NS-Schieferöl und Zwangsarbeit: zur Aussagekraft von Lesefunden aus einem
Schieferölwerk des „Unternehmens Wüste“ (1944/45) in Baden-Württemberg
13.00
Mittagspause / Lunch break
14.30
Attila Dézsi / LouAnn Wurst
Lost in the dark: Coerced labor and capitalism
Verloren im Dunkeln: Zwangsarbeit und Kapitalismus
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PROGRAMM / PROGRAMME
Session 7: Staatlicher Terror, Ausbeutung und Widerstand
State terror, exploitation and resistance
Moderation: Barbara Hausmair
ÖGM-TAGUNG 2022
15.00
Lukas Holata
Archaeology of Gulag. From archaeological surveys in Siberia to the development of
an educational tool in virtual reality
Archäologie des Gulag. Von archäologischen Erkundungen in Sibirien zur Entwicklung
eines Bildungswerkzeugs in der virtuellen Realität
15.30
Constance Litschauer / Franz Gangelmayer
Ein Kellerversteck illegaler Druckschriften aus dem Jahr 1934
A basement hiding place for illegal pamphlets from 1934
16.00
Pause / Break
PROGRAMM / PROGRAMME
Session 8: Getötete Opfer und Erinnerungsdiskurse
Killed victims and memory discourses
Moderation. Claudia Theune
16.30
Georg Hoffmann / Slawomir Konik
Die Identifikation von Kriegsgefallenen. Über die Potentiale einer multidisziplinären
Zusammenarbeit
The identification of war dead. The possibilities of multidisciplinary cooperation
17.00
Cathrin Hähn / Uta Halle
Eine unvollständige Exhumierung – Ausgrabung eines ehemaligen Friedhofs
sowjetischer Zwangsarbeiter in Bremen
An incomplete exhumation – the excavation of a former cemetery of soviet forced
labourers in Bremen
17.30
Abschlussdiskussion und Verabschiedung
Final discussion and goodbyes
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Samstag / Saturday, 17.09.2022
Halbtagesexkursion: Voest Zeitgeschichte Museum und Ebelsberg
Half-day field trip to Voest Zeitgeschichte Museum and Ebelsberg
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
ABSTRACTS
Keynote
Archaeology of modernity as an archaeology of the anthropocene
Archäologie der Moderne als eine Archäologie des Anthropozäns
First: the paths to an archaeology of modernity (19th/20th century).
In a short overview the ways and „milestones“ to an archaeology of modernity in the Germanspeaking area as well as in international (Anglophone / Francophone regions) sighting will be
pointed out and general aspects and dimensions of the archaeology of modernity will be discussed.
The focus will not only be on the interconnection with the „other“ archaeologies, but also on
the interdependencies e.g. with the historical disciplines, the cultural and social sciences, or the
history of architecture and art, including the preservation of architectural and artistic monuments.
Furthermore, the concept of modernity as a foundation for the archaeology of the 19th and 20th
century has to be located in terms of conceptual history. An archaeology of modernity must critically
reflect on other concepts and thus try to combine theory and empiricism.
Second: Thematic fields of an archaeology of modernity.
Not only in German-speaking countries, the archaeology of modernity is often perceived as an
archaeology of wars and industrialization. However, the conference shows that these thematic fields
are recognized as interdependent and treated in a differentiated way. This includes landscape and
environmental archaeology as well as the cultural history of the industrial age and the inclusion
of rural and urban areas. In this context, the archaeology of modernity in particular must find its
place between praxeological approaches at the micro level and a reference to overarching, overall
social concepts. Beyond these topics, the ethical aspects of an archaeology of modernity in the
context of memory discourses will have to be addressed, as well as the question of whether and to
what extent an archaeology of modernity may/should be an intervening archaeology, for example,
when it comes to state terror, exploitation and resistance, or colonialism.
Third, the archaeology of modernity as an archaeology of the Anthropocene?
Based on the controversial discussion about the Anthropocene (or Technosphere), I would like to
discuss whether it makes sense to speak of an archaeology of the Anthropocene. Here, the aim will
be to highlight the topoi and narrative traditions between anthropologism and geo-ontology and to
discuss them against the background of a long (prehistoric) as well as short (modern) Anthropocene
concept. Can modern archaeology mediate between a natural science and a cultural science
conception of the Anthropocene? Does the subject, under certain circumstances, rather serve
a „vulgar scientific“ topos? Or does archaeology (of modernity), as a strongly transdisciplinary
subject, provide important impulses for new forms of cross-disciplinary cooperation between the
natural sciences, social sciences, humanities, and cultural studies?
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ABSTRACTS
Ulrich Müller
ÖGM-TAGUNG 2022
Session 1:
Archäologie des 19. und 20. Jahrhunderts - generelle Aspekte und Dimensionen
Archaeology of the 19th and 20th centuries - general themes and views
PAPERS
ABSTRACTS
Archäologie des 19. Jahrhunderts in Wien – ein Überblick
The archaeology of the 19th century in Vienna – an overview
Heike Krause
Wien erlebte im 19. Jahrhundert eine massive Industrialisierung und einen enormen
Bevölkerungszuwachs.EinBauboom war die Folge. Ab 1850 wurden Vorstädte und Vororte
eingemeindet. Dort, wo bis dahin Acker-und Weinbau betrieben wurde, entstanden Mietshausviertel
und Industriebetriebe. Die Infrastruktur musste ausgebaut werden. Eisenbahnstrecken, neue
Straßen samt Gasbeleuchtung, Wasserleitungen und ein verzweigtes Kanalnetz entstanden.
Bäche und Flüsse wurden reguliert, um Epidemien einzudämmen. Die Befestigungsanlagen
wurden zum Zweck der Stadterweiterung geschleift. Zahlreiche Ziegeleien lieferten eines der
wichtigsten Baumaterialien jener Zeit: den Ziegel. Wien erhielt eine grundlegende, das Stadtbild
prägende Veränderung, die Karl Kraus 1896/97 wie folgt kommentierte: „Wien wird jetzt zur
Großstadt demolirt“. Noch vor wenigen Jahrzehnten wurden bauliche Überrestedieser Zeit auf
Grabungen oft als „Störung“ eingestuft und nur unzureichend dokumentiert. Der Stellenwert
dieser Hinterlassenschaften hat sich mittlerweile geändert. Die Stadtarchäologie Wien führt
bei ihren Großprojekten umfassende archivalische Recherchen im Vorfelddurch. Verstreut in
Archiven, Museen und Bibliotheken verwahrte Schrift-und Bildquellenwerden ermittelt, die u.a.
der Interpretation, Datierung und Rekonstruktionvon Befunden dienen. Anhand von Beispielen
sollen Vorgangsweise und Ergebnisse vorgestellt sowie der Frage des Beitrags und des Werts
der Archäologie in der stadthistorischen Forschung nachgegangen werden.
The archaeology of modernity – more than steelworks and Nazi camps
Archäologie der Moderne – Mehr als Stahlhütten und NS-Lager
Fritz Jürgens
As numerous measures, conferences and publications of recent years have shown, the archaeology of modernity can now be considered a largely established discipline in the German-speaking world. Fortunately, the relics of the 19th and 20th centuries have also become part of the
repertoire of archaeological heritage management and are included in planning and construction
measures. However, if one looks at the objects examined, it is noticeable that they almost exclusively refer to National Socialism or industrialisation - they are almost predominantly different
types of camps and places of industrial production. The past two centuries have much more to
offer in the way of archaeological research. The Institute for Pre- and Protohistory at the CAU in
Kiel has been able to carry out numerous research projects in recent years that can be attributed to the archaeology of modernity. In addition to large-scale measures, such as the investigation of the „Alte Eisenbahn“ near Paderborn, a large number of smaller projects, some of them
in the context of BA and MA theses. These projects illustrate the entire spectrum of an archaeology of modernity. In terms of content, it ranges from relics of World War 2 ((aircraft) wrecks and
battle positions), which are less dealt with, to infrastructure (railway connections) and the rural
economy of the 19th and 20th centuries (beekeeping and farmhouse research).
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
Als Fachamt für Bodendenkmalpflege umfasst das Arbeitsgebiet der LWL-Archäologie für Westfalen
den östlichen Teildes deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Zum Betätigungsfeld
der„Archäologie der Moderne“ zählen in dieser Region hochindustrialisierte Ballungszonen,wie
das durch Kohle-und Stahlindustrie geprägte Ruhrgebiet. Die Dimensionen ehemaliger Stahlwerke
(Witten, „Steinhauser Hütte“) stellen die Archäologie vor neue Herausforderungen. Aber auch
eher ländlich geprägte, traditionsreiche Innovationszentren erlebten im Zuge der Industrialisierung
eine neue Blüte (Bad Driburg, Glasfabrik). Zu bewerkstelligen war dies nur auf Grundlage eines
schienengebundenen Verkehrsnetzwerks, dessen umfassender Ausbau aber mitunter auch
unvollendet blieb (Willebadessen, Tunnelbaustelle „Alte Eisenbahn“). Einen weiteren Fokus
der Bodendenkmalpflege stellen die Relikte des Zweiten Weltkriegs dar. Hierzu zählen u. a.
die Zeugnisse unmittelbarer Kampfhandlungen, Kriegsgefangenen-und Konzentrationslager,
Erschießungsplätze sowie gewaltige Sonderbauvorhaben für Untertageverlagerungen. Vermehrte
Aufmerksamkeit erlangen zudem die nachfolgenden Jahrzehnte des „Kalten Krieges“. Der
Beitrag soll anhand diverser Fallbeispiele zu Objekten des 19./20. Jahrhunderts Einblicke geben
in die gesetzlichen Rahmenbedingungen, Strukturen, Vorgehensweisen und Möglichkeiten, aber
auch Problematiken der Bodendenkmalpflege in Westfalen-Lippe und den daraus resultierenden
Erfahrungen und Zukunftsperspektiven.
Die archäologische Bauforschung von Gebäuden des 19. und 20. Jahrhunderts
Buildings archaeology of the 19th and 20th centuries
Paul Mitchell
Die archäologische Bauforschung von Gebäudendes 19. und 20. Jahrhunderts betrifft sowohl
die jüngeren Phasen von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Objekten als auch Architektur,
die erst seit 1800 entstanden ist. Es sind oftmals Bauten, wie beispielsweise Industrieund Infrastrukturobjekte, die erst in jüngerer Zeit als angemessene Untersuchungsobjekte
wahrgenommen werden und früher ohne bauhistorische Dokumentation zerstört wurden.Andere
Objekte, wie etwa jüdische Kultbauten oder NS-Objekte, sind mit historischer, politischer und
emotionaler Bedeutung aufgeladen, und werden öfter untersucht. Der Vortrag soll die Eigenart
der Bauforschung des 19. und 20. Jahrhunderts erörtern und fragen, was diese leisten kann,
welche Forschungsthemen sich ableitenund welche Lücken zu füllen sind.
Should we get rid of it? On dealing with an assemblage of the 1980s from the ruin of
Trautson Castle, Gem. Matrei i. Tirol
Kommt das weg? Zum Umgang mit einem Fundkomplex der 1980er Jahre von der Burgruine
Trautson, Gem. Matrei in Tirol
Elisabeth Waldhart
A deposit of objects from the second half of the 20th century, unearthed during an excavation
in the ruins of Trautson Castle (Bez. Innsbruck-Land, Tirol, Austria), raises questions about the
recent history(s) of this site. The finds were recovered from the uppermost layers of the castle,
which was largely destroyed during World War II and finally abandoned in the 1980s. Most of the
objects were household items, probably belonging to the last inhabitants, plastic packaging, and
remains of barbecue parties of the local youth. Other modern objects – including an abandoned
vehicle – were also recovered within the area. Due to their young age and their material, these
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ABSTRACTS
Das 19./20. Jahrhundert in Westfalen-Lippe aus bodendenkmalpflegerischer Sicht – Erforschung, Schutz, Ausgrabung, Vermittlung
The 19th and 20th centuries in Westfalen-Lippe in terms of their archaeological monuments research, protection, excavation, communication
Andreas Wunschel
ÖGM-TAGUNG 2022
small finds raise methodological questions concerning their handling as well as their significance.
Through these finds a network of relationships encompassing the site becomes visible. The
selection of recorded objects determines which parts of the castle’s history are documented. This
is associated to power relations and interpretive hegemony which are addressed in this paper, as
is the question of what connections researchers and residents have to the site. In this way, the
site can be seen as emergent – constantly being reshaped though these interactions. Through
this case study, the paper will provide a first insight into my dissertation project „#ichbindenkmal?
Nutzung, Rezeption und Inszenierung von archäologischen Bodenmerkmalen im 20. und 21.
Jahrhundert“.
POSTER
ABSTRACTS
Wiens Bahnhöfe – vielschichtiges Erbe
Vienna‘s train stations – a multi-layered heritage
Christoph Blesl / Richard Dieckmann
Die Entwicklung der Eisenbahnen findet ihren Ursprung im 16. und 17. Jahrhundert in den
Schienenbahnen aus Holzbohlen der englischen und deutschen Kohlereviere. Die rasante
Verbreitung der Eisenbahn ergab sich im Zusammenhang mit der Eisenindustrie. Ein Großteil der
heute in Österreich bestehenden Bahnlinien entstand im 19. Jahrhundert. Die Wiener Bahnhöfe
der „Frühzeit“ standen aufgrund der Topographie, militärstrategischer Überlegungen und hoher
Grundstückspreise als Kopfbahnhöfe am Stadtrand, so der Süd- und Ostbahnhof und der
Nordbahnhof. In der Gründerzeit wurden aufgrund vermehrten Personenverkehrs und industrieller
Entwicklung diese Bahnhöfe um- und ausgebaut und der Westbahnhof, der Franz-Josefs-Bahnhof
und der Nordwestbahnhof neu errichtet. Die neuen Gebäude wurden im Gegensatz zu den frühen
Bahnhofsbauten künstlerisch gestaltet. In einer intensiven Wechselwirkung mit der Entwicklung
des Bahnnetzes veränderte sich auch das Bild des direkten Umfeldes, ehemalige Stadtränder und
Vororte wurden urban. Mit den räumlichen und städtebaulichen Veränderungen gingen an den
Bahnhofsstandorten auch soziale und politische Änderungen einher. Mit den Bahnhöfen wurden
nicht nur wirtschaftlicher Fortschritt, Luxus und Reisen assoziiert, sondern besonders ab dem
20. Jahrhundert auch soziale Missstände, Krieg, Flucht und Deportation. Mit dem Wiederaufbau
in den Nachkriegsjahren kam auch das Ende der im Jahr 1945 mehr oder weniger zerstörten
Gründerzeitbahnhöfe. Sie wurden ab den 1950er bis in die 1980er Jahre je nach Anbindung
in das Eisenbahnnetz abgebrochen oder durch moderne Bahnhöfe ersetzt. Die Standorte der
Wiener Bahnhöfe werden seit der Jahrtausendwende in neue Verkehrs- und Städtebaukonzepte
integriert. In diesem Rahmen findet wieder eine intensive Befassung mit dem vielschichtigen
kulturellen Erbe Bahnhof statt, entweder auf Grundlage des Denkmalschutzes (als Denkmal und
archäologische Fundstelle) und Kulturgut in Umweltverträglichkeitsverfahren oder als dringend
notwendiges Thema zur Aufarbeitung der jüngeren Geschichte.
Application of archival aerial images in contemporary archaeology
Die Verwendung von Luftbildern in der zeitgeschichtlichen Archäologie
Pavel Hlavenka
Historical aerial photographs represent unique source of information regarding the recent past
which can be widely used within contemporary archaeology studies. In Czechoslovakia, first
aerial images were taken by the Czechoslovak Army in the late 1930s. Since then, we have
a continuous sequence of photographs that capture dramatic changes in the landscape and
settlements. Images from both the Second World War and Cold War captured sites that were
top secret at that time as concentration, interment and forced labour camps, military bases and
installations or Iron Curtain facilities which in many cases represent the only preserved complex
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
spatial information linked to the troubled past and dark heritage. The paper is divided into two
parts. The shorter theoretical part is focused on the history of aerial photography and the condition
of image´s archiving in the Czech Republic. The second part deals with methods of processing
of archival images, examples of both 2D and 3D visualization, analytical possibilities and limits of
different types of aerial photographs. Historical interpretation will use recent research results of
the Pilsen Department of Archaeology concerning selected examples of the WWII camps, post
war “Uranium gulag” camps and transformation of landscape in North-West Bohemian brown
coal-mining area.
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Session 2:
Ländlicher Raum und rurale Lebensweisen
The Countryside and rural ways of life
The Archaeology of the contemporary past and rural archaeology: debates around 19th
and 21st c. and current state of Italian post-medieval archaeology
Die Archäologie der jüngsten Vergangenheit und die Archäologie des ländlichen Raums: Debatten
über das 19. und 21. Jahrhundert und der aktuelle Stand der italienischen Archäologie der Neuzeit
Anna Stagno / Marco Milanese
The paper offers an overview of the development of Italian post-medieval archaeology, also
referring to papers and special issues published in the journal “Archeologia Postmedievale” which
since its foundation in 1997 (when the 20th c. was the present) has well reflected the debate
on the subject. The reason for the consideration of the last two centuries within this research
framework, ever since the first debates around post-medieval archaeology – with the international
conference on Italian PMA in Sassari (Sardegna) in 1994 – will be also discussed. The inclusion
of the “recent period” has allowed to explore complexity and diverse approaches through the
inclusion of different sources, remarking on the importance of a dialogue with sister disciplines,
as well as enhancing the interest in investigating processes and objects still not acknowledged by
historical and archaeological research. Two examples will be provided: - the archaeology of the
present, where the archaeological point of view works closely with sociology, anthropology, oral
history and ethnography
Between material traces and documentary sources: studies on the redefinition of rural
spaces in late 19th century Eastern Liguria
Zwischen materiellen Spuren und dokumentarischen Quellen: Studien zur Neudefinition ländlicher
Räume in Ostligurien am Ende des 19. Jahrhunderts
Guilia Bizzarri
This contribution will tackle how documentary sources and archaeological data can be intersected
when investigating late 19th century rural contexts, by focussing on upland settlements and
landscapes in Monte Fasce, Genoa (NW-Italy). The study will draw from archaeological and
historical-ecological surveys and building archaeological investigations of rural settlements, while
also considering 19th century documentary sources discussing the chosen sites. Monte Fasce
presents various abandoned settlements, terraced fields and chestnut tree groves, showing a
great diversity in how these hillsides were managed over time. Through the Modern Age, these
uplands were mostly common lands owned by different municipalities and parishes. During the
19th century, the pressure on local social groups and administrations to privatise common lands
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ABSTRACTS
PAPERS
ÖGM-TAGUNG 2022
grew. Meanwhile, disputes on access rights and property were being acted out onto the landscape
by local communities and individuals, as well as being discussed within local administrative
documentation. The current study sets out to investigate material traces of how spaces were used
and disputed within the areas addressed by these sources, while also identifying the interlocutors
(e.g., local inhabitants, local or national administrators, policy makers) within these documents,
their interests and aims, exploring the narratives and actions, through which different social actors
were modifying, defining, and negotiating these spaces.
ABSTRACTS
The other side of industrialization. Mountain production in the last two centuries
Die andere Seite der Industrialisierung. Produktionsformen im Gebirge in den letzten zwei
Jahrhunderten
Alessandro Panetta
Historiographical themes such as urbanisation or migration towards large urban centres or, on
the other hand, the abandonment of rural and mountain centres, have been consolidated in the
archaeology of recent centuries. However, there are also phenomena that we could define as
„hybrids“ of great interest. These include some peculiar forms of industry or micro/proto-industry
in the mountains, linked to primary production and the transformation of local environmental
resources. Widespread and localised production, as in the case of coal and ice, but also more
extensive, i.e. for the creation of hydroelectric energy, or on the contrary hyper-specialised, as
in the case of tinder (Fomes fomentarius, a fungal plant pathogen with different uses) testify to
the variety of these activities. Starting from case studies referred to the Ligurian Apennines (NW
Italy), and examining different typologies of sources (archaeological, documentary, naturalistic),
this paper aims to reflect on the specificities of these productions, with an historical-archaeological
perspective of contextual study of societies through the sources, both material and documentary,
that these same societies have produced. How the economic, productive and social aspect
intersects with themes such as viability, possession, rights of access to resources, relations
between social groups, seasonality and in general temporality and life cycles?
Industrial in vernacular - The turmoil of the 20th century in traditional peasant houses in
Hungary
Industrie im ruralen Umfeld - Die Umbrüche des 20. Jahrhunderts in traditionellen Bauernhäusern
in Ungarn
Zsófia Nadai / Balázs Halmos
The paper presents traditional vernacular houses that have been or are being renovated,
supported by the Vernacular Architecture Program financed earlier by the Prime Minister’s Office
of Hungary, and since 2019 by the László Teleki Foundation. The program provides the financial
background for renovation of vernacular houses under national or local heritage protection with a
multiple stage tendering system. The aim is the preservation of historical values while adapting to
the requirements of our time. During the process the Foundation provides mentors who revise and
help the candidate find the best heritage practice. Apart from this centralised advocacy part the
individual owners can request the support and have to find the right function and management,
so in the case of vernacular architecture management we can speak about a bottom-up heritage
care. In the framework of this program we have prepared the historical value assessment of
about 20 traditional peasant houses of different regions of Hungary. One important consideration
of this research was the evaluation of the additions and alterations made on the buildings during
the 20th century. Modernisation has always played an important role in the context of vernacular
architecture. Industrialisation, new building materials, mechanisation of agriculture, collectivisation
of the communist era as well as historical events such as deportation of German ethnicity after
World War 2 have all left their marks on both tangible and intangible heritage: on the structures
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
and machinery of traditional houses and on the village’s society. Though these interventions have
sometimes destroyed valuable traditional elements, they should be considered as the parts of the
organic development of these historical buildings that bear important values of an era.
POSTER
Diese historisch-archäologische Erholungssuche beginnt mit einer Wanderung im Wienerwald
und der überraschenden Einsicht, dass Müll kreative Wirkung auf Archäolog*innen haben kann.
Der Fund einer Müllhalde verrät den ehemaligen Standort eines Schutzhauses. Die Geschichte
dieser Müllhalde ist gleichzeitig die Erzählung dieses Schutzhauses und führt damit in weiterer
Folge zur Wiederentdeckung eines frühen Erholungsziels im stadtnahen Grüngebiet. Rezenter
und moderner Müll ist in diesem Kontext als eine materielle Quelle zu betrachten, die nicht
unbedacht als Abfall wiederentsorgt werden sollte. Vorzugsweise wird ein Schutzhaus dort
errichtet, wo eine überregionale, eventuell historisch gewachsene, Verbindung bestehen. Wenn
aber die Errichtung des Gebäudes nicht nur die Infrastruktur alter Wege widerspiegelt, sondern
auch die Erholungssuche im urbanen Bereich, welche Erkenntnisse kann die Archäologie daraus
ziehen? Es handelt sich bei dem wiederentdeckten Schutzhaus am Hermannskogel, dem
„Silberhuberhaus (Hermannskogelhaus)“ im suburbanen Weichbild der Großstadt Wien um die
Ausprägung einer besonderen Kulturform und damit letztendlich um ein Kulturdenkmal. Jedenfalls
steht es als Sinnbild der gesellschaftlichen Entwicklung einer Großstadt im Übergang vom 19.
zum 20. Jhdt. Es ist gleichfalls ein Spiegel der Ereignisse von Kriegen hin zu Brandkatastrophen,
die den Bestand gefährden, das Bild des Gebäudes verändern und letztendlich den Niedergang
des Hauses mitverursachen. In der Arbeit wird ein Leitfaden, die Beobachtung der Tradition der
Schutzhütten mit dem geographischen Hauptaugenmerk auf den Gebirgsstock der Alpen bis
hin zu den historischen Wurzeln sein. Die Definition eines Schutzhauses im rechtlichen Sinne
ist von grundlegender Bedeutung. Architektonisch mit Gaststätten des Mittelalters und der
Neuzeit vergleichbar, nimmt das Silberhuberhaus (Hermannskogelhaus) dennoch eine ganz
eigenständige Entwicklung. Dessen bauhistorische Evolution geht einher mit der Entwicklung des
Naturschutzes und der Sorge vor einer drohenden Verhüttelung der Natur. Trotz Einschränkungen
ursprünglich geplanter Untersuchungen der Müllhalde und des ehemaligen Gastgartens durch
das Bundesdenkmalamt ist eine genaue Rekonstruktion der entscheidenden Nutzungsperioden
anhand vorliegender Bilanzen, historischer Baupläne und alter Zeitungsartikel möglich. Eine
archäologische Grabung kann ein weiterer, spannender Schritt in der Erforschung dieses
Schutzhauses und der besonderen Erholungskultur, die das Gebäude und seine Errichtung für
einen urbanen Raum verkörpert, betrachtet werden.
Die Lebenslage von Flüchtlingsfamilien aus Semlin/Belgrad in den 1940er bis 1960er
Jahren in Schloss Hanfelden/Stmk. im Lichte von motivations- und bedürfnistheoretischen
Ansätzen in der Archäologie
The condition of life of refugee families from Semlin, Belgrade, in the 1940s to 1960s in Hanfelden
Castle, Styria, in the light of motivational and needs-based approaches in archaeology
Iris Winkelbauer
Menschliche Bedürfnisse stehen in Wechselbeziehung zueinander und interagieren.
Gemeinsamkeiten, Gegensätze und Kompromisse sind Charakteristika des Prozesses der
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ABSTRACTS
Auf historisch-archäologischer Erholungssuche. Das Silberhuberhaus am Hermanskogel
– ein verschwundenes Schutzhaus in Wien
On a historical-archaeological search for recreation. The Silberhuberhaus on the Hermanskogel
– a vanished mountain lodge
David Eschner
ÖGM-TAGUNG 2022
ABSTRACTS
Bedürfniserfüllung. Es handelt sich in allen Gesellschaften und durch alle historischen Zeitspannen
hinweg um dieselben Bedürfnisse, die laut Max-Neef einen sozio-universellen Charakter besitzen.
Die Art und Weise wie Bedürfnisse erfüllt werden, variiert bzw. verändert sich jedoch mit der Zeit
und innerhalb von Gemeinschaften. Nicht die fundamentalen, menschlichen Bedürfnisse sind
daher gesellschaftlich bestimmt, sondern die sogenannten Bedürfniserfüller. So haben auch
Flüchtlingsfamilien – überwiegend Donauschwaben aus Semlin/Belgrad –, die ab Ende des
zweiten Weltkrieges im Schloss Hanfelden untergebracht waren, Strategien entwickelt, um die
Erfüllung derselben fundamentalen menschlichen Bedürfnisse zu gewährleisten. Dies erfolgte
beispielsweise durch Adaptierung des baulichen Bestandes, oder durch die (Um-)Nutzung von
vorhandenen Ressourcen. Durch die Untersuchung der architektonischen Quellen, in Verbindung
mit materiellen Hinterlassenschaften (von der Zahnpastatube und Zahngebiss bis hin zu Strümpfen
und Schuhen) und Zeitzeugeninterviews können Rückschlüsse auf den Lebensstandard und
die Entwicklung der Akteure gezogen werden. Das Poster soll einen kurzen theoretischen
Hintergrund zur Bedürfnis- und Motivationstheorie liefern und erste Ergebnisse zur Lebenslage
der ehemaligen Flüchtlinge präsentieren. Damit wird ein aktuelles Thema in der internationalen
Diskussion um den Lebensstandard von Individuen und Gesellschaften aufgegriffen und aus
archäologisch-historischer Perspektive beleuchtet. Diese historische Perspektive schafft einen
Resonanzraum für Menschen in der Gegenwart, um aktuellen gesellschaftlichen Problemen
empathischer begegnen zu können.
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Session 3:
Industrialisierung und Industriekultur
Industrialisation and industrial culture
PAPERS
Budweis – Linz – Gmunden: Archäologie auf der Trasse der Pferdeeisenbahn (1827–1872)
Budweis – Linz – Gmünden: Archaeology on the route of the horse-drawn railway (1827–1872)
Heinz Gruber
Der aufwändige Transport des Hallstätter Salzes per Schiff vom oberösterreichischen
Salzkammergut bis nach Linz und weiter mit Wagen nach Böhmen verursachte seit jeher enorme
Kosten. So entstanden schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts Pläne, die Verkehrsverbindung
zwischen den großen schiffbaren Flüssen Donau und Moldau zuverbessern. Bereits 1807 wurde
Franz Josef Gerstner (1756–1832) mit den Planungen einer Pferdebahn nach englischem Vorbild
beauftragt. Die Bauarbeiten für dieses große und überregionale Infrastrukturvorhaben begannen
im Juli 1825. Nur zwei Jahre später konnte ein Teilstück dieser zweitältesten Eisenbahnlinie auf dem
europäischen Kontinent befahren werden. 1832 bestand eine Verbindung von Budweis (České
Budějovice) bis Linz und 1836 ging die Gesamtstrecke mit einer Länge von 196,7 km bis Gmunden
am Traunsee in Betrieb. Da nicht die ganze die Strecke für den Betrieb mit Dampflokomotiven
geeignet war, wurde ab 1857 eine neue Trassenführung zwischen Linz und der Landesgrenze bei
Summerau geplant, auf der die Bahnstrecke auch heute noch verläuft. Am 15. Dezember 1872
fuhr der letzte planmäßige Zug auf der alten Trasse der Pferdeeisenbahn. Heute sind nur mehr
Teilstücke der historischen Trasse und Einzelbauten als sichtbare (Gelände-)Denkmale erhalten.
Erst vor rund 20 Jahren wurden in Südböhmen die ersten archäologischen Untersuchungen
im Bereich der Eisenbahntrasse durchgeführt. Weitere Grabungen im oberösterreichischen
Mühlviertel zwischen 2010 und 2013 geben nicht nur Aufschlüsse über die Bauweise der Anlage,
sondern erbringen auch neue Kenntnisse zu Konstruktionsdetails. Die archäologischen Befunde
stellen eine wesentliche Ergänzung der überlieferten historischen Quellen dieses hochrangigen
und zukunftsweisenden Verkehrsprojektes des frühen 19. Jahrhunderts dar.
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
Maritime archaeology and gindustrial heritage, the Victorian Age and the 20th century:
some emerging insights from seven years archaeology at Dublin Port
Maritime Archäologie und Industriekultur, das viktorianische Zeitalter und das 20. Jahrhundert:
einige neue Erkenntnisse aus sieben Jahren Archäologie im Dubliner Hafen
Niall Brady
Bodendenkmalpflege und Industriekultur am Beispiel der „Kgl. Bayer. Geschütz- und
Geschoßgießerei“ Ingolstadt
Archaeological monuments and industrial culture. The “Royal Bavarian Artillery and Projectile
Foundry” in Ingolstadt
Gerd Riedel / Ruth Sandner
Zentren der Industrialisierung wie Augsburg, Nürnberg und München zogen Mitte des 19.
Jahrhunderts auch in Bayern viele Menschen vom Land in die Städte. In Ingolstadt, ehemals
Sitz der Landesuniversität und seit 1537 bayerische Hauptfestung, setzt die Industrialisierung
erst in den 1880er Jahren ein.Trotz dieser für Bayern städtebaulich und gesellschaftlich
prägenden Epoche blieben archäologische Untersuchungen an Industriestandorten des 19.
und 20. Jahrhunderts selten. Bis heute sind es v.a. die der Kgl. Bayr. Geschützgießerei und
Geschoßfabrik in Ingolstadt (1885-1919). Mit der staatlichen Rüstungsindustrie avanciertedie
Stadtnach Berlin-Spandau zum wichtigsten staatlichen Rüstungszentrum im Reich und erhielt
die Basis für die spätere zivile Entwicklung. Zwar liegen ein umfassender Zeitzeugenbericht
zur jüngeren Gießereigeschichte sowie sozial-und wirtschaftsgeschichtliche Bearbeitungen
zur Arbeiterschaft in den örtlichen Militärbetrieben vor. Allerdings findet diese bedeutende
Phase bayerischer Industriegeschichte kaum Niederschlag im Museumsgut und ist auch in den
lokalen Archivbeständen nur lückenhaft erfasst. Bei Gefährdung sind daher alle Quellen dieses
Zeitabschnitts zu dokumentieren bzw. zu sichern. Schon der Rückbau der Industrieanlagen in
den 1990-er Jahren wurde systematisch archäologisch begleitet. Die vollständige Überplanung
des Geländes führt seit 2011 zu umfangreichen archäologischen Untersuchungen.Der Vortrag
möchte einen Überblick über die Ergebnisse der bauvorgreifenden Untersuchungen auf dem sog.
Gießereigelände sowie die Archivalienlage zur Industriegeschichte geben. Da die Arbeiten nicht
abgeschlossen sind, versteht sich der Vortrag auch als Diskussionsgrundlage zu Fragestellungen
und multiperspektiven Auswertungsprojekten.
Alles der Kohle wegen. Materialisierte Arbeits- und Lebensumwelten in Fabriken der
Braunkohlenverwertung bei Zeitz-Weißenfels im 19./20. Jahrhundert
For the sake of coal. Materialised working and living environments in lignite processing factories
near Zeitz-Weißenfels in the 19th and 20th centuries
Manfred Böhme
Während in mittel- und frühneuzeitlichen Zusammenhängen Wohnen und Arbeit häufig den gleichen
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ABSTRACTS
The archaeology of Ports and Harbours continues to gain traction as a new and exciting area
of research. Driven by the need for Ports today to have a cultural heritage conscience and
responsibility while also delivering the infrastructure for continuous economic growth, these
maritime industrial landscapes are inevitably complex places where industry and community coexist at locations that were at one time marginal and ‘waste’ lands but are increasingly cores of
multi-faceted innovation, growth and identity. This paper looks specifically at Dublin Port in Ireland
and does so within the wider context of large ports in Europe. It draws on a body of archaeological
work completed and in progress, to reveal what many assumed was lost and perhaps of no
interest, and to demonstrate the important role that archaeology can play in helping to reveal, to
narrate and to inform the cultural heritage identity of a city and its port.
ÖGM-TAGUNG 2022
Raum betrafen, verlagert sich die Arbeit seit der Industrialisierung in die Fabriken. Mit diesem
Wechsel entzieht sich der Arbeitsplatz zunehmend der archäologischen Überlieferung. Durch
Umnutzung und Abbruch der Fabriken sind viele der Arbeitswelten verloren gegangen. Manche
Produktionszweige betrifft das umfänglich, wie die hier zu untersuchende Veredelungsindustrie
auf Braunkohlenbasis. Im mitteldeutschen Revier existierten um 1870 zwischen Teuchern und
Hohenmölsen etwa 20 Fabriken zur Extraktion von Teer, Mineralöl und Wachs. Bis auf zwei
stark veränderte Anlagen blieb keiner der Standorte erhalten; von den Schwelhäusern und Öfen
gar nichts. Wie kann trotzdem die Arbeitsumwelt in einer Schwelerei punktgenau rekonstruiert
werden? Dafür bieten sich Halden mit Produktionsabfall an. Solche Funde geleiten bis heute
nicht nur an den Arbeitsplatz, sondern auch in den Arbeitsalltag. Mit Kenntnis der technologisch
determinierten Arbeitsvorgänge entsteht ein Bild von spezifischen Arbeitsumwelten der
mitteldeutschen Braunkohlechemie in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.
ABSTRACTS
Zillertal Garnet. Studies on the cultural heritage of the East Alpine gem industry as reflected
in interdisciplinary research
Zillertaler Granat - Studien zum kulturellen Erbe des ostalpinen Edelsteingewerbes im Spiegel
interdisziplinärer Forschung
Bianca Zerobin
In the 19th century, red garnet was mined as a gemstone in the Zillertal Alps. The so called
almandine found its buyers among gemstone cutters especially in Bohemia. In Summer 2021 an
interdisciplinary research project including archaeology, history and mineralogy was launched.
Funded by the Austrian Academy of Sciences (ÖAW), this project is investigating the material
remains as well as social and economic aspects of the Zillertal garnet trade and its transregional
networking. For this purpose, three dissertation positions were established at the University of
Innsbruck in the subjects of archaeology, history and mineralogy. Also involved in the project
and research are the Tyrolean Provincial Archives, the Nature Park Zillertal Alps as well as
descendants of the garnet traders and a chronicler from the Zillertal (Citizen Scientists). The three
fields of focus from the respective disciplines are as follows: The mineralogical investigations
deal with the garnet deposits as well as with the provenance analysis of historical decorative
garnets. The historical work concentrates on the sifting and evaluation of handwritten documents
from the garnet traders‘ estates. The archaeological field research aims at documentation and
interpretation of the former infrastructure in the high mountains (mines and garnet workers‘ huts).
All in all the project focuses on documenting and preserving the cultural heritage of the almost
forgotten „small-scale industry in the Alps“ in all its facets .
A time capsule in Pulkau, Lower Austria. Investigations into a stove maker‘s workshop
from around 1900
Eine Zeitkapsel in Pulkau, Niederösterreich. Untersuchungen zu einer Hafnerei aus der Zeit um
1900
Gabriele Scharrer-Liska / Immo Trinks / Matthias Kucera
As early as in the year 2000, a stove maker‘s workshop dating to the last third of the 19th century
and the first third of the 20th century was discovered in Pulkau, Lower Austria, preserved quasi as
an unintentional time capsule. After initial archaeological investigations of the workshop building
regarding its construction in 2010, the documentation work was continued in 2021 after a change
of ownership had occurred. Now, the former residential building of the stove fitter family, which
had been preserved practically unchanged, was also accessible and open to investigation. Both
workshop and residential buildings were surveyed and documented using high-resolution laser
scanning. These data are supplemented by a photographic survey, which enables the creation
of photorealistic models based on the Image Based Modelling (IBM) technique. The workshop
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
building and the largely preserved inventory of equipment and tools of the pottery, as well as some
preserved products, provide an insight into a ceramic craft enterprise of a kind that is hardly to be
found anymore in Lower Austria since the Second World War. The examination of the residential
building and a look at the church records provide information on the socio-economic circumstances
and living conditions of the stove maker family, and also on their presumed political orientation in
the 1930s.
POSTER
Luftbildarchäologie kann in der Erforschung der Industrielandschaften einen wesentlichen Beitrag
leisten. Zwei wesentliche Faktoren spielt dabei eine Rolle: 1. Der hohe Dokumentationswert der
Luftbilder und 2. Ihre Eigenschaft als unverzichtbare Quellen zur Erforschung, Rekonstruktion
und Präsentation von Kulturlandschaften.
Anhand von bis zu 100 Jahre alten und aktuellen Luftbildern soll der Wandel inmitten des
Ruhrgebietes am Beispiel Essen aufgezeigt werden. Noch vor etwas mehr als einem halben
Jahrhundert bestimmten Fabrikschlote, dichte Rauchwolken und Smog das Bild vom Ruhrgebiet.
Heute wird das Ruhrgebiet nach dem Zechensterben dank seines Imagewechsels mit der Rolle
als Kulturhauptstadt Europas (2010) und Essen sogar mit dem Titel Grüne Hauptstadt Europas
(2017) verbunden. Orte, die noch vor wenigen Jahren Produktionsstätten der Schwerindustrie
waren, wie die gigantische Friedrich-Krupp-Gussstahlfabrik oder die zahlreichen Zechen und
Kokereien, wurden zu Orten modernen Wohnens und Lebens oder grünen Oasen transformiert.
Wie kaum ein anderes Medium zeigen aber Luftbilder den Wandel der Landschaft. Für Essen
gibt es Luftbilder seit 1910, systematische Befliegungen mit Senkrecht- und Schrägluftbildern
existieren seit 1926. Das umfangreiche Luftbildmaterial in Archiven ermöglicht eine multitemporale
Luftbildauswertung und es ist z.B. dank der digitalen Technik einfacher geworden, aus Luftbildern
auch 3D-Modelle zu erzeugen.
Historische und aktuelle Luftbilder zeigen eindeutig wie groß der Quellenverlust für zukünftige
archäologische Forschungen für eine Archäologie der Moderne ist und wie dringend den
Forderungen der Denkmalschutzgesetze nachgekommen werden muss.
Der Schiffsfund von Altenwörth – ein singuläres Beispiel der vorindustriellen
Binnenschifffahrt
The ship find from Altenwörth – a unique example of pre-industrial inland shipping
Andreas Krainz
Im Zuge eines Kraftwerkbaus wurde 1975 das Schiff von Altenwörth entdeckt. Dabei handelt es sich
um ein hölzernes Handelsschiff in damals üblicher Bautradition, voll beladen mit Schmiedewaren
aller Art, die ein umfassendes Spektrum der Kleineisenindustrie des beginnenden 19. Jahrhunderts
bildete und zum Teil wohl für Empfänger in Ungarn bestimmt war. Neue Forschungen am Schiff
datieren den Bau des Schiffs in 1808 und den Untergang in das darauf folgende Jahr. Die Ladung,
die von Maultrommeln über Blechbündel, Bandstähle und Werkzeuge aller Art vor allem für die
Holzbearbeitung bis zu Säbelklingen reicht, besteht ausschließlich aus holzkohlegewonnenem
Eisen und Stahl ohne Einsatz fossiler Energieträger. Die Datierung sowie Untersuchungen zur
Lage des Wracks im um die Wende zum 19. Jahrhundert bei Altenwörth neu geschaffenen
Donaubett und dem dort einmündenden Zufluß werfen neue Fragen auf: Warum ist das Wrack
trotz hohem materiellem Wert der Ladung, der Ufernähe des Untergangsorts und trotz der damals
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ABSTRACTS
100 Jahre Luftbild in Essen und im Ruhrgebiet – Wandel einer Industrielandschaft
One hundred years of aerial photography in Essen and the Ruhr area – the transformation of an
industrial landscape
Detlef Hopp / Baoquan Song
ÖGM-TAGUNG 2022
üblichen Bergepflicht am Ort des Untergangs verblieben? Die Ergebnisse verweisen auf einen
Ereigniszusammenhang mit der Besetzung der Lobau bei Wien durch Napoleons Armee, die ein
Durchkommen des Schiffes auf dem Weg nach Ungarn unmöglich gemacht hätte. Viel spricht
deshalb dafür, dass das Schiff auf dem Weg nach Ungarn vorsätzlich auf Grund gesetzt wurde,
um es zu verbergen und nicht in die Hände Napoleons fallen zu lassen.
ABSTRACTS
Archäologische Hinweise auf den Bergbau des 19. und 20. Jahrhunderts innerhalb des
Bernstein-Rechnitzer-Fensters, Burgenland
Archaeological traces of 19th and 20th century mining in the Bernstein-Rechnitz Window,
Burgenland
Manuela Thurner
Innerhalb des sogenannten „Bernstein-Rechnitzer-Fensters“ wurde im Mittelalter und der frühen
Neuzeit umfangreicher Kuperbergbau, ab dem 19. Jahrhundert intensiver Antimonbergbau
betrieben. Die ältesten archäologischen Hinweise belegen den Abbau und die Nutzung der Erze
seit der späten Bronzezeit. Im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert wurde Kupferkies im Raum
Bernstein abgebaut und in der Ried Schmelz verarbeitet. Zwischen 1860 und 1875 betrieb
die Adelsfamilie Strachwitz eine „Kupferhütte“ in Deutsch Gerisdorf in welcher Kupferkies aus
Redlschlag und Glashütten bei Schlaining verhüttet wurde. Die Öfen wurden mit Braunkohle aus
dem Nachbarort Bubendorf betrieben. Ab dem 19. Jahrhundert wurde Antimon abgebaut und zu
Antimon-Crudum oder anderen Produkten verarbeitet. Antimon fand vor allem für Letternmetall in
Druckereien Verwendung. Zahlreiche Menschen aus der Umgebung, Männer, Frauen und Kinder,
fanden Arbeit im Antimonwerk. Erst in den 1980er Jahren wurden Teile des Bergbaues eingestellt
bis er 1990 endgültig geschlossen wurde. Von den Bergbauen des 19. und 20. Jahrhunderts sind
Abrechnungen und Karten bekannt – jedoch sind die Bergwerke heute kaum noch als solche zu
erkennen (rund 2/3 des Bernstein-Rechnitzer-Fensters sind bewaldet) oder bereits vollkomen
in Vergessenheit geraten. Mit dem Einzug des Airborne Laser Scannings (kurz ALS) in die
Archäologie war es erstmals möglich große, bewaldete Gebiete zerstörungsfrei zu prospektieren
und kaum sichtbare Strukturen im Gelände zu erfassen. Zusätzlich wurden einzelne Schlacken
und Erzfragmente näher untersucht um mehr über die Arbeitsweise der Hüttenleute der damaligen
Zeit zu erfahren.
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Session 4:
Kolonialismus
Colonialism
PAPERS
Catholics and protestants in the South Seas: The archaeology of christianisation in Oceania
Katholik*innen und Protestant*innen in der Südsee: Die Archäologie der Christianisierung in
Ozeanien
James Flexner
The 19th century began a major period of global proselytization carried out by Christian
missionaries of various denominations, sects, and orders. One of the main objectives was to
convert and indeed “civilise” the world’s indigenous populations, including in the remote islands
of the South Pacific. Archaeology has offered unique insights into the materialities of conversion.
Transformations in religious ideology were often explicitly linked to changes in material conditions
surrounding labour, domestic life, and worship. In the Pacific, archaeological research has
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
focused primarily on Anglophone, Protestant mission work in the main colonial settler societies of
New Zealand and Australia. More recent research has expanded into the islands of Melanesia,
Micronesia, and Polynesia. There are both similarities and differences among the landscapes
of conversion in these regions, which reflect religious as well as cultural and linguistic diversity
among missionaries and converts alike. This presentation will cover recent and current projects
in three different archipelagos: the Scottish Presbyterian missions in the southern New Hebrides
(now Vanuatu); a Roman Catholic mission inside of the Hawaiian leprosarium in Molokai; and the
Catholic mission to the islands of Mangareva in French Polynesia. These examples represent
diverse responses to challenges faced by the missionaries, as well as the adaptability, resilience,
and resistance of Islander populations.
In 1886, Elisabeth Nietzsche and her husband Bernhard Förster founded the anti-semitic colony
Nueva Germania in the heart of Paraguay. Up to 140 settler families took part in the endeavor to
realize a utopian settlement in seclusion and wanted, out of social and political discontent, to leave
the German Reich forever. The government of war-ravaged Paraguay supported immigration from
Europe and provided cheap land. The utopian dream soon burst - the escape from industrialization
and poverty to a rural idyll with ‚Germanic‘ and vegetarian ideals faced harsh living conditions and
an unfavorable location. Bernhard Förster soon died, probably by suicide, and Nueva Germania
could no longer be financed. In our historical-archaeological research project, we examine push
and pull factors of this emigration, the use of resources such as yerba mate, as well as exploitation
and oppression (both of the settler families by Förster-Nietzsche, and of the indigenous Guaraní
population) and social inequality. We present results from the first field campaign in February
2022.
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Session 5:
Jüdische materielle Kultur
Jewish material culture
PAPERS
Archäologische Dokumentation einer Synagoge des 19. Jahrhunderts in Groß-Enzersdorf,
NÖ
Archaeological documentation of a 19th-century synagogue in Groß-Enzersdorf, Lower Austria
Ute Scholz
Bei einer durch ein Wohnbauprojekt notwendig gewordenen archäologischen Untersuchung
auf dem Gelände der in den 1960er Jahren abgerissenen Synagoge von Groß-Enzersdorf,
Niederösterreich, wurde 2019 / 2020 der gesamte Grundriss der Synagoge freigelegt. Da vom
Gebäude nur wenige fotografische Aufnahmen existieren und kein Bauplan überliefert ist, wurden
durch die Ausgrabung umfangreiche neue Erkenntnisse zum Aufbau des 1898 errichteten
Gebäudes gewonnen. So konnten die zentralen Räume und Nebenräume, der Eingangsbereich
und die Nebentrakte dokumentiert werden. Im Zentralraum wurden rituell bedeutsame
architektonische Bauelemente nachgewiesen. Aufschlüsse über die Innenausstattung ließen sich
aus dem Fundmaterial gewinnen. Dieses datiert in die Zeit der Nutzung der Synagoge, ferner
sind Umbauten des Gebäudes belegt. In die Zeit nach der gewaltsamen Übernahme durch die
25
ABSTRACTS
The colony of Nueva Germania in Paraguay
Die Kolonie Nueva Germania in Paraguay
Natascha Mehler / Attila Dézsi
ÖGM-TAGUNG 2022
Nationalsozialisten sind ebenfalls archäologische Befunde zu setzen, die u.a. die Devastierung
des Gebäudes betreffen. Weitere archäologische Befunde aus der Nachkriegszeit dokumentierten
den Verfall und den Abbruch des Gebäudes.
ABSTRACTS
Archäologische Begleitung der Restaurierungsarbeiten am Jüdischen Friedhof in WienWähring
Archaeological accompaniment of the restoration work at the Jewish cemetery in Vienna Währing
Judith Benedix
Der jüdische Friedhof in Währing wurde gegründet, nachdem Kaiser Joseph II. im Jahr 1783
verfügte, dass alle innerstädtischen Friedhöfe in Wien aufzulassen sind. Das betraf auch den
jüdischen Friedhof in der Seegasse, der seit dem 16. Jahrhundert den in Wien verstorbenen Juden
als Begräbnisplatz gedient hatte. Von 1784 bis 1879 war nun der Jüdische Friedhof Währing
der zentrale Bestattungsplatz der jüdischen Gemeinde. Auch nach der aktiven Belegungszeit
wurde das Areal durch die IKG Wien betreut; zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde ein Teil des
Areals parkähnlich umgestaltet. Nach massiven Zerstörungen in der NS-Zeit war der Friedhof
spätestens seit der Nachkriegszeit einem stetigen Verfall preisgegeben. In den nächsten Jahren
soll diesem Prozess entgegengewirkt werden. Im Rahmen der Erarbeitung eines Pflege- und
Sanierungskonzeptes waren archäologische Arbeiten auf zwei Testflächen notwendig. Dabei
wurden 170 Grabmonumente tachymetrisch, bildlich und verbal erfasst. Die deutschen und/
oder hebräischen Inschriften der Grabsteine wurden ebenfalls aufgenommen, soweit dies der
Erhaltungszustand zuließ. Es konnten auch weitere Strukturen des Friedhofes dokumentiert
werden, sowie zahlreiche Funde der Belegungs- und Nachnutzungszeit geborgen werden.
Ausgehend von den dokumentierten Funden und Befunden sollen zwei Themenkomplexe näher
beleuchtet werden:
- Die Emanzipation und Säkularisierung der jüdischen Gemeinde
- Der Umgang mit dem Areal nach der eigentlichen Belegungszeit: 19./ frühes 20. Jahrhundert,
NS-Zeit und Nachkriegszeit.
Recherchiert, ergraben, befundet – Der alte jüdische Friedhof in St. Pölten
Researched, located, recorded – The old Jewish cemetery in St. Pölten
Christoph Lind / Ronald Risy
Mitten in St. Pölten, nur einige hundert Meter südlich der Altstadt, liegt einer der ältesten jüdischen
Friedhöfe Niederösterreichs. Im Jahr 1859 noch auf freiem Feld angelegt, wurde er im Laufe der
Jahre von den Gebäuden der wachsenden Stadt umschlossen. 1906 fand die letzte Beerdigung –
von insgesamt 583 – auf dem Areal statt, da er aus städtebaulich-sanitären Gründen „stillgelegt“
werden musste. Dem jüdischen Religionsgesetz entsprechend blieb das Gelände die nächsten
32 Jahre lang unangetastet erhalten. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das „Dritte Reich“
aber wurde die Fläche von der Stadt St. Pölten „arisiert“, die Grabsteine abgetragen und
wiederverwendet sowie 1943 eine Kindergartenbaracke errichtet. Die Toten selbst blieben in ihren
Gräbern liegen, Exhumierungen fanden keine statt. Im Jahr 2010 begann – in Hinblick auf eine
Neugestaltung der Fläche auch als Gedenkort – die Erforschung der Geschichte des Friedhofs
und die Erfassung der Namen der dort beerdigten Menschen. Da keine Pläne vorhanden waren
und auch die genaue Lage der Gräber unbekannt war, wurden die historischen Recherchen mit
archäologischen Methoden kombiniert. Nach einer nichtinvasiven Bodenprospektion erfolgten
Grabungen seitens der St. Pöltner Stadtarchäologie. Die Referenten berichten in ihrem Vortrag
über Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Friedhofs und über die an diesem Ort höchst
fruchtbare Kooperation historischer und archäologischer Wissenschaft.
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26
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
Festvortrag
Pavel Vařeka
The archaeology of communism
Die Archäologie des Kommunismus
The communist era has left indelible material traces in all the countries of the former Soviet
bloc. Communist regimes intended to reshape man and society as a whole – their program,
which was embodied in a planned economy, sought to constantly change the appearance of all
cities and countryside. Creating common ownership of the means of production, social leveling,
atheization and the implementation of ideologically defined interests of the working people led by
the communist party have drastically affected urban areas, villages, cultural landscape and natural
environment in all countries with a communist past. Real or only potential opponents of communist
regimes found themselves crushed by the gears of a repressive system, the material remains of
the entire infrastructure of state-organized oppressions currently represent archaeological sites
that testify to the crimes of communism. As a part of industrial development, „class struggle“ or
ruthless national politics, communist countries faced vast population transfers. Especially during
the Stalinist Era, millions of people were expelled and resettled, the consequences of which are
still apparent in much of Eastern Europe today.
Archeology focusing on the communist period, especially in the Czech Republic, Poland and
Lithuania, has shown in recent years that its methods can provide historical narratives with a
detailed understanding of the original environment and spatial context and offer tangible evidence
represented by artefacts. It also opens up new questions related to the materiality of historical
events and processes. The social potential of such an archaeological investigation is highlighted
by the fact that the communist past still divides society in many countries, some crimes are
relativized or even denied, and material evidence of dark heritage is therefore gaining strong
argumentative importance in competing memories. This paper raises general questions concerning
the archaeological study of the communist past and its theoretical approaches and deals with
its possibilities and limitations, which result from the non-linguistic character of archaeological
evidence. Presented case studies include topics such as mass repression, forced displacement
and its impact on the current landscape and settlement, the archeology of atheism reflected in
systematic destruction of sacral buildings and symbols, agricultural collectivization and resistance
to the communist worldview in various forms.
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27
ABSTRACTS
which can be seen to this day. Sites of forced labor, internment, graves of executed victims and
ÖGM-TAGUNG 2022
Session 6:
Kriegslandschaften und Militäranlagen
Landscapes of war and military installations
PAPERS
ABSTRACTS
Schießstand – Laufgraben – Truppenübungsplatz. Militärhistorische Relikte eines langen
Jahrhunderts (19. und 20. Jh.) als Gegenstand der Denkmalerfassung im Freistaat Sachsen
Shooting range – trench – military training area. Military historical relics of a long century (19th and
20th centuries) and the listing of historical monuments in Saxony
Michael Strobel
Auch im sächsischen Boden ruhen zahlreiche dingliche Reste der Militär- und Kriegsgeschichte
eines „langen Jahrhunderts“ von der Reichsgründung 1870/71 bis zum Ende des Kalten Krieges
1989/1990. Der Bogen spannt sich von der militärischen Infrastruktur (Übungsplätze, Kasernen,
Stellungen) bis hin zu den Spuren der Kämpfe aus den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs,
die immer im Schatten der Schlacht um Berlin standen, aber nicht weniger heftig waren. Was
als Angriffskrieg seit Mitte der 1930 Jahre auf Truppenübungsplätzen und Kasernenhöfen
vorbereitet wurde, schlug vier Jahre später zunächst aus der Luft, dann kurz vor Kriegsende auch
am Boden mit voller Wucht auf das damalige Sachsen zurück. Bombentrichter erinnern an die
Schrecken der Luftangriffe, Feldstellungen an das Grauen der Kampfhandlungen in den letzten
Kriegswochen. So wenig Zweifel an der militär-, landes- und heimatgeschichtlichen Bedeutung
dieser Relikte bestehen, so „unbequem“ sind ihre schiere Größe und serielle Verbreitung, die eine
denkmalpflegerische Erfassung und Bewertung in den nächsten Jahr(zehnten) noch vor große
Herausforderung stellen werden. In dem Beitrag sollen der Forschungsstand kritisch gesichtet
und exemplarisch die Schwierigkeiten einer flächenhaften Denkmalinventarisierung insbesondere
im Hinblick auf Denkmalwürdigkeit und –eigenschaft problematisiert werden.
Kriegslandschaft Karnischer Kamm: Prospektionen militärischer Bauten des 1. Weltkriegs
in hochalpinem Gelände
War landscape Carnic Crest: Prospecting military buildings of the First World War in high alpine
terrain
Eva Steigberger / Johannes Pöll
Mit dem Kriegseintritt Italiens 1915 erwuchs der Donaumonarchie ein neuer militärischer Gegner
an seiner Südwestgrenze. Die Kriegsfront verlief im Westen in durchwegs hochalpinem Gebiet
vom Ortlermassiv, die tridentinischen Hochebenen, die Dolomiten bis zu den Karnischen Alpen. Auf
heute österreichischem Staatsgebiet betrifft dies einen ca. 80 km langen Frontabschnitt zwischen
Sillian in Osttirol und dem Kärntner Nassfeld. Im Laufe von zwei Jahren bis zur österreichischen
Offensive im Herbst 1917 errichteten die österreichische Truppen eine durchgehend besetzte,
stark befestigte Frontlinie. Sie umfasst Schützengräben, Beobachtungsposten, Artillerie-,
Maschinengewehr-, Scheinwerferstellungen, Feldtelegraphenleitungen, Materialseilbahnen,
Kommando-, Versorgungs-, Sanitätsbaracken, Kavernen, Nachschub- und Verbindungswege,
zahllose Mannschaftsunterkünfte und die unvermeidbaren Soldatenfriedhöfe. Zwischen 2014
und 2017 wurde im Rahmen des Gedenkens an 100 Jahre 1. Weltkrieg seitens der Osttiroler
Gemeinde Kartitsch und des Landes Tirol ein Projekt zur wissenschaftlichen Beschäftigung
mit den materiellen Hinterlassenschaften der Kriegszeit auf initiiert. Das Bundesdenkmalamt
prospektierte dabei in vier Sommerkampagnen mit zwei bis vier Zweierteams einen insgesamt 11
km langen Frontabschnitt. Dabei wurden knapp 900 bauliche Objekte katalogmäßig erfasst und
kategorisiert, mit GPS verortet und in einem Auswertungsschritt zu Zonen zusammengefasst, die
schließlich in eine Unterschutzstellung mündeten, die 2019 rechtskräftig wurde. Diese Basisarbeit
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
bildete die Grundlage für ein Grabungs- und Konservierungsprojekt an drei ausgewählten Punkten,
das zwischen 2018 und 2021 durchgeführt wurde. Am Kärntner Abschnitt wurde eine Region
ausgewählt, die sich in ihrer Dichte und vor allem unveränderten Ruinenlandschaft als besonders
gut erhalten präsentiert. In der Gemeinde Hermagor-Presseger See wurden nach Archivrecherche
eine Befliegung und zwei Begehungen 2018 – 2020 durchgeführt, bei der 30 Objektgruppen auf
15 km Frontlinie erfasst und anschließend unter Denkmalschutz gestellt werden konnten. Der
Vergleich beider Aufnahmeverfahren und der Definition von Denkmalschutzflächen im Gebirge
soll gemeinsam mit einer Präsentation der Befunde erläutert werden.
On the mountains of Versilia, northern Tuscany (Italy), the aftermath of WW2 events can still
be perceived both in landscape features and the memories of the inhabitants. Reminiscence
of the violent fights between Nazi-Fascist troops and partisans on the steep slopes, through
the woods, and rocky shelters can still be observed in the area around the fortification of the
Gothic line. Personal memories of the citizens are deeply entangled with the tangible traces of
those heinous days, while commemorative monuments are scattered in the landscape to recall
all the civilians murdered as retaliation. The project “Archaeology of Border” started in 2021 for
understanding the everyday life of all the actors that interacted along the Gothic Line border in
1944-45, adopting a holistic approach that merges archaeology and anthropology for investigating
tangible and intangible traces as a unique palimpsest. It rests upon the combined analysis of
archive documents, aerial photographs and cartography, field survey, excavations, spatial and
statistical analyses, anthropological fieldwork and ethnographic data collection, interviews,
ethnography of ritual moments and commemorations, and censuses of monuments, memorial
plaques, graves. We will present the project‘s first phase, i.e. the analysis of the war taskscape
through archaeological surveys that allowed to collect data on every evidence of its population
military, civil, social and economic life that we could locate on the Gothic Line.
POSTER
Between war and peace – Archaeology of Vršič as a First World War Hinterland and a
crossroad of freedom; captivity, cultures, nations and religions
Zwischen Krieg und Frieden - Archäologie von Vršič als Hinterland des Ersten Weltkriegs und als
Kreuzung von Freiheit, Gefangenschaft, Kulturen, Nationen und Religionen
Uroš Košir
The Vršič Pass in the Julian Alps on the route from Kranjska Gora to Trenta (Slovenia) was an
important hinterland of the First World War. The military road and cableway, as well as other
military infrastructure, were built by the Austro-Hungarian army and prisoners of war from the
Imperial Russian Army. This high mountain conflict landscape holds numerous traces of past
conflicts, mainly from the First World War, but also from the period between the two world wars
and Second World War. Remains of building platforms for warehouses, living quarters and
kitchens, latrines, cableway stations and military positions are scattered across the mountain pass
and the nearby valleys of the Sava and Soča rivers. The multidisciplinary approach of modern
conflict archaeology, combining the analysis of historical photographs and documents, LiDAR,
topography, geophysical survey, test trenching, archaeological excavations, and other research
techniques, brought to light numerous legacies of the multinational Austro-Hungarian army and
prisoners of war of the Imperial Russian, Italian and Serbian armies.
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ABSTRACTS
Archaeology of Border: the WW2 Gothic Line
Archäologie an der Grenze: Die sog. Gotische Linie im 2. Weltkrieg
Gabriele Gattiglia /Francesca Anichini / Catarina Di Pasquale
ÖGM-TAGUNG 2022
Session 7:
Staatlicher Terror, Ausbeutung und Widerstand
State terror, exploitation and resistance
PAPERS
ABSTRACTS
Materialität und Menschen. Was ist das Thema der NS-Lagerarchäologie?
Materiality and human beings. What is the subject of Nazi camp archaeology?
Thomas Kersting
In Brandenburg werden seit 25 Jahren NS-Lagerstandorte aller Art untersucht. Dabei erzielte
Ergebnisse einer mehrstufigen Auswertung werden vorgestellt. Spezifische materielle Reste
sind einerseits kennzeichnend für bestimmte Lagertypen: Vernichtungsanlagen und -vorgänge
für KZ, Erkennungsmarken für KGF-Lager und Materialreste, Datenspeicher, Ausweise
für Zwangsarbeitslager großer Werke und deren Produktions- und Verwaltungsbereiche.
Andererseits kennzeichnen spezifische materielle Reste Personengruppen, die rassistischer
Ideologie, militärischen Konventionen, Wirtschafts-Interessen und Politik-Vorgaben ausgesetzt
waren: sowjetische Kriegsgefangene und „Ostarbeiter“. Sie sind nicht Lagertyp-gebunden, und
werden im archäologischen Bestand deshalb sichtbar, weil ihre Anwesenheit spezifische bauliche
Eingriffe indiziert und typische Gegenstände mitbringt. Eine weitere anhand der Materialität
sichtbar werdende Personengruppe sind die displaced persons, oder Repatrianten: typische
NS-Lager-Gegenstände werden in nach der Befreiung angelegten Waldlagern der Roten Armee
gefunden und belegen die Anwesenheit ehemaliger Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter/innen.
Warum eine weitere Personengruppe im archäologischen Material in Brandenburg dagegen quasi
unsichtbar bleibt, nämlich die Juden, wird versucht zu beantworten.
Die Verortung von NS zeitlichen Lagern – eine Aufgabe der historischen Archäologie
The localisation of Nazi camps – a task for historical archaeology
Thomas Hönigmann
Während der Zeit der NS Herrschaft entstanden auf dem Gebiet des heutigen Österreichs
zahlreiche Lager um einzelne Personen und ganze Personengruppen zu internieren. Vor allem
dezentrale kleine und Kleinstlager wurden bis dato eigentlich nur von Lokalforscher*innen
gesucht und untersucht. Der Versuch einer Gesamterfassung wurde erst im letzten Jahrzehnt
begonnen. Im Zuge eines österreichweiten Projekts des Bundesdenkmalamtes zur Erfassung
von Lagerstandorten und Erhebung von noch bestehenden Überresten konnte der Verfasser, der
sich seit 2005 intensiv mit der Verortung von Lagern der Zeitspanne zwischen dem Ersten und
Zweiten Weltkrieg beschäftigt, sein Wissen um die verschiedenen Methoden zur Identifizierung
von Verdachtsflächen einbringen. Im Rahmen des Tagungsbeitrages soll anhand von zwei
Lagern und einer Verdachtsfläche entlang der Pragerstr. in Wien XXI aufgezeigt werden, wie die
Analyse von Schrift- und Bildquellen aus archäologischem Gesichtspunkt sowie archäologischen
Prospektionsmethoden herangezogen werden kann, um weitere Erkenntnissen zu generieren.
Es soll aufgezeigt werden wo die Grenzen sind. Weiters soll behandelt werden, wie diese Art
und Weise, sich den Lagerkomplexen anzunähern eine sinnvolle Ergänzung zu den bereits
bestehenden Informationen sein kann. Vorangestellt würde der Verfasser einen kurzen Einblick
in die Arbeit der Lagererfassung für das BDA Projekt geben. Dieser Einblick würde vor allem die
Obersteiermark betreffen, da diese Region einer der Forschungsschwerpunkte von ihm ist.
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
Viewsheds, borders, accessibilities - the spatial structuring of national-socialist forced
camps illustrated by the example of the concentration camp Mauthausen-Gusen
Sichtfelder, Grenzen, Zugänge - die räumliche Strukturierung nationalsozialistischer
Zwangslager am Beispiel des Konzentrationslagers Mauthausen-Gusen
Peter Hinterndorfer
Das NS-zeitliche ‘Großkraftwerk Ötztal‘ und der ‘Windkanal Baustelle Inn
The NS-period ‚large power plant Ötztal‘ and the wind tunnel construction site Inn
Barbara Pöll
Nach einer langen Planungsphase, die bis in die 1920er-Jahre zurückreicht, wurde im Jahr
1941 von der Westtiroler Kraftwerke AG mit dem Ausbau der „Ötztaler Wasserkräfte“ begonnen.
Mit zunehmender Verschlechterung der Kriegslage kam es zu massiven Einschränkungen
der Bauarbeiten an der Kraftwerksbaustelle und am angeschlossenen Windkanal der
Luftfahrforschungsanstalt München. Aufgrund des Arbeitskräftemangels setzte man von Beginn
an auf die Ausbeutung einer großen Zahl ausländischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener.
Am Ende des 2. WK blieben in den beiden Oberinntaler Gemeinden Haiming und Oetz neben den
halbfertigen Stollen und Unterwasserkanälen des Kraftwerkes sowie dem Torso des Windkanals
auch die Baustelleneinrichtungen und diverse Infrastruktureinrichtungen wie Materialseilbahnen
und Feldbahnen zurück. Daneben sind die Reste von drei Zwangsarbeiterlagern in der Nähe der
Großbaustelle zu finden. Einen Einblick in das NS-zeitliche Projekt konnte man 2017 gewinnen,
als im Rahmen der Errichtung einer neuen Produktionsstätte der Firma Handl Tyrol in Haiming
eine archäologische Ausgrabung im Bereich der Baustelleneinrichtung der bauführenden Firma
Innerebner & Mayer stattfand. Durch die wissenschaftliche Auswertung der Grabungsergebnisse
ist es unter Heranziehung weiterer Quellen gelungen, den Betonfundamenten der technischen
Anlagen ihre ursprüngliche Funktion zuzuweisen. Parallel dazu wurde eine großflächige
Prospektion durchgeführt, um sämtliche baulichen Hinterlassenschaften zu dokumentieren. Diese
Geländearbeiten wurden durch eine umfassende Recherche zu schriftlichen Quellen in Archiven
sowie Planmaterial, historischen Fotos und Luftbildern ergänzt. Für das Jahr 2022 ist eine
geophysikalische Prospektion sowie eine archäologische Ausgrabung im Zwangsarbeiterlager
Haiming Beinkorb geplant.
31
ABSTRACTS
One of the primary functions of Nazi forced camps was to intern specific groups of people within
an area surrounded by walls and fences and to isolate them from the outside world. These
camps were subdivided by further fences, walls, ditches, ramparts, doors, and gates, forming a
complex system of areas with different accessibilities, and serving different purposes. The spatial
differentiation included the separated accommodation of the various categories of internees under
hierarchically graded survival conditions as well as areas dedicated to administration, storage, or
workshops. Furthermore, infrastructure associated with the camp extended beyond the perimeter,
such as the sites of forced labour, buildings used for accommodation and entertainment of the
SS or railway connections and access roads. This complex spatial organisation, determining the
possibilities for movement and visual perception for individual groups of people in and around
the camp, will be illustrated using the example of the concentration camp Mauthausen. Mapping
and digitally reconstructing the camps infrastructure, the terrain and selected elements of the
surroundings form the basis of the detailed analysis of viewsheds, borders and accessibilities on
both an architectural micro level and a topographical macro level.
ÖGM-TAGUNG 2022
ABSTRACTS
Das höchstgelegene neuzeitliche Bergwerk Europas im Lichte neuer archäologischer
Untersuchungen
The highest modern-period mine in Europe in the light of new archaeological investigation
Lukas Kerbler / Andreas Krainz / Raphael Lampl
Unterhalb der Alpeiner Scharte (KG Vals, Bez. Innsbruck. Land, Tir.), auf rund 2.800 m ü. A.,
wurde 1941 mit Zwangsarbeitern, Soldaten und Bergleuten ein Bergbau auf rüstungswichtiges
Molybdänerz aufgefahren. Als am 11. November 1944 eine Lawine die Bergsiedlung beim
Mundloch zerstörte und 22 Todesopfer forderte, war noch kein Vollbetrieb erreicht. Ungeachtet der
Katastrophe wurde von Berlin die Fortsetzung der Arbeiten am Bergbau befohlen. Dafür wurden
Funktionsbereiche der Bergsiedlung in die Stollen und in das etwa 200 m tiefer gelegene Lager
2 verlegt, das bis dahin als Relaisstation für die Materialseilbahn sowie die Baumateriallagerung
und -aufbereitung gedient hatte. Mit der Aufgabe des Bergbaus zu Kriegsende setzte eine durch
die hochalpine Lage ungewöhnlich lange und bis heute andauernde Ghostphase ein, in der es
zu umfangreichen natürlichen und anthropogenen Verlagerungen kam, sodass kaum Strata
ausgebildet wurden. Für ein mehrjähriges Forschungsprojekt von G. Stadler (TU Wien/Inst. f.
Denkmalpflege/Abt. Industriearchäologie) untersuchten die Autoren mit archäol. Methoden
Rolle und Funktion des Geländeabschnitts Lager 2. Ein umfassender georeferenzierter
Survey, die räumliche Analyse mittels GIS sowie archäologisch freigelegte Ofenreste liefern ein
detailliertes Bild zur Nutzung der einzelnen Gebäudebereiche und eine Neubewertung der letzten
Verwendungsphase des Lager 2. Das Fundinventar, für das ein geeigneter Thesaurus entwickelt
werden musste, stellt einen eindrucksvollen Beleg der extremen Not dar, die die letzte Phase des
Bergwerks prägte.
Nazi shale oil and forced labour. Interpreting surface finds from a shale oil plant of
„Unternehmen Wüste“ (1944/45) in Baden-Württemberg
NS-Schieferöl und Zwangsarbeit: zur Aussagekraft von Lesefunden aus einem Schieferölwerk
des „Unternehmens Wüste“ (1944/45) in Baden-Württemberg
Tristan Blazek / Tamara Bühler / Ria Katharina Frey / Dominique Gabler / Chiara Sava
Raich / Charlott Biesenthal / Zdravka Foltin / Claus Gneiting / Marieluise Hahn / Barbara
Hausmair / Simone Korolnik / Michael Scholz / Tim Unland / Lukas Werther
In the summer of 1944, the Nazis launched the “Unternehmen Wüste” – a large-scale shale oil
program in Baden-Württemberg that aimed to sustain a stable fuel supply for the German war effort.
For thousands of prisoners the Nazis’ craving for oil lead to deportation, forced labour and death.
The spatial entanglement of the “Unternehmen Wüste’s” concentration camps, labour exploitation
and production facilities, and the impact of this Nazi industry on the local landscape have been
investigated recently through the analyses of historical aerial imagery. The shale oil factory
„Wüste 3“ near Engstlatt/Bisingen, whose construction was already halted at the end of January
1945, is currently the subject of detailed historical-archaeological research by the University of
Tübingen. Thanks to many years of voluntary field survey, an extensive inventory of finds from the
dismantled industrial site has been recovered. These finds now are systematically analyzed as
part of a research-led teaching project. A particular challenge is the chronological and functional
classification of specific objects due to the lack of stratigraphic contexts. For this purpose, the finds
were arranged into functional groups and studied in terms of their spatial distribution and intergroup correlations. A representative selection of objects was subjected to a detailed typological
analysis employing a variety of pictorial and written sources as well as contemporary witness
accounts. In addition to the quantitatively large find groups deriving from the factory infrastructure
(e.g. rail nails and machine screws), tools and personal objects of people working at the site have
a particularly informative potential for the reconstruction of the factory and the living and working
conditions. The paper presents the methodology of the find analysis and adds object-oriented
facets to the history of the “Wüste 3”-factory. It also aims to contribute to closing research gaps on
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
production facilities of the Nazi era and to discuss questions of preservation and didactic use of
the associated material remains.
The explosion in literature on dark heritage helps us remember the horrors of war and the evil
it represents. We agree that this work is important, but think that it is necessary to go further; to
question what gets lost in this dark discourse and situate these understandings within the larger
context of capitalism. By definition, capitalism functions by exploiting the labor power of others.
Throughout its (short) history, prisons and labor camps have excluded, locked away and exploited
human labor, actively reducing labor costs. At the same time, reliance on coerced labor excludes
others from productive activities, creating a reserve army of labor. In this paper, we argue that
examining dark heritage sites from the vantage point of labor allows us to link the coerced, forced
or slave labor of concentration and POW camps with prisons, poor houses, asylums, detention
centers, refugee camps, and maquiladoras. We present two archaeological cases, Camp Au
Train, a facility for German POWs in Michigan’s Upper Peninsula, and Camp Asbach in BadenWürttemberg in Germany, part of a network of camps that used massive amounts of coerced
labor in a former salt mine transformed into an underground factory. Our goal is to juxtapose the
coerced labor evident in these contexts with larger aspects of capitalist labor exploitation to shed
light on the fact that forced labor goes hand in hand with a reserve army of humans unnecessary
to capitalist production.
Archaeology of Gulag. From archaeological surveys in Siberia to the development of an
educational tool in virtual reality
Archäologie des Gulag. Von archäologischen Erkundungen in Sibirien zur Entwicklung eines
Bildungswerkzeugs in der virtuellen Realität
Lukas Holata
The paper will discuss the three primary phases of archaeological research on the Gulag; through
them, the multiple specificities that such research involves will be demonstrated. 1) The first part
will introduce the Gulag camps as unique archaeological sites. In the Siberian taiga, many relics
are still preserved in extraordinary quality – they consist of still-standing structures and buildings,
often with interior furnishings and many artefacts scattered around as de facto refuse. Together
with the remarkable remoteness of the sites, it determines the course of archaeological research.
2) The essential findings of the archaeological research will be summarised; they are grouped
under three thematic headings – a) the impact of the Gulag on the landscape and environment,
b) reconstruction of the gulag camps’ form and inner structure, c) aspects of everyday life based
on artefact and documents found in the camps. 3) The last part will outline the framework of
applied research. In the wake of a long-standing critique of the teaching of 20th-century history,
the outcomes of archaeological and historical research are being employed to develop an effective
educational tool in virtual reality. Modelling of selected everyday situations in the Gulag camp, in
authentic backdrops, will allow pupils and students to gain a unique experience and a strong
impression through which they will better understand the repressive apparatus and the nature of
totalitarian regimes.
33
ABSTRACTS
Lost in the dark: Coerced labor and capitalism
Verloren im Dunkeln: Zwangsarbeit und Kapitalismus
Attila Dézsi / LouAnn Wurst
ÖGM-TAGUNG 2022
Ein Kellerversteck illegaler Druckschriften aus dem Jahr 1934
A basement hiding place for illegal pamphlets from 1934
Constance Litschauer / Franz Gangelmayer
ABSTRACTS
Ein außergewöhnlicher Fund aus der Zeit des autoritären Ständestaates (1934–1938) in
Österreich konnte im Jahr 2021 im Keller eines denkmalgeschützten Wiener Innenstadthauses mit
mittelalterlichem Baubestand von der Stadtarchäologie Wien untersucht werden. In einer Grube
fanden sich hunderte Flug- und Tarnschriften, die sich auf drei verschiedene Ausgaben aus dem
Jahr 1934 beschränkten und in Kooperation mit der Wienbibliothek im Rathaus konserviert sowie
ausgewertet werden sollen. Neben der Flugschrift „Der Schutzbündler“ Nr. 6 vom Organ des
österreichischen Schutzbundes lagen Tarnschriften der Flugschriftenreihe des Schutzbundes vor.
Broschüre Nr. 4 – unauffällig als „Anleitungen zum Skifahren im Alpengelände“ getarnt – beinhaltet
den Text „Lenin: Über die Arbeiter- und Bauernräte, Heft Nr. 5 – dezent als „Konstruktion des
Flugzeuges“ betitelt – widmet sich „Lenin: Über die Diktatur des Proletariats“. Der Fund gibt einen
Einblick in die illegale Tätigkeit der Revolutionären Sozialisten und des Schutzbundes. Damit sind
neue Erkenntnisse zum Ablauf der Produktion und Distribution von Propagandamaterial sowie
zur Organisation der Gruppierungen möglich. Des Weiteren stellen sich Fragen zur damaligen
Raumfunktion sowie zur Zugangsmöglichkeit für das Verstecken der Schriften. Hier kam somit
verborgene Geschichte des Widerstands ab 1934 zum Vorschein, die kaum noch in Erinnerung
ist.
POSTER
Mosaikstein Fläche Lager Liebenau
Another piece of the jigsaw at Liebenau Camp
Dimitrios Boulasikis / Ortrun Kögler
Im Rahmen der Baufeldabklärung zu einem Wohnbauprojekt ergab sich 2021 die Gelegenheit,
die größte noch bestehende Freifläche im Nahebereich des Lagers Liebenau zu untersuchen.
Durch die Luftbildaufklärung und deren Auswertung waren Bombentrichter sowie Wege
und Hochspannungsleitungen bekannt. Aufgrund der Sensibilität wurden zunächst in
Rahmen eines Surveys systematische Begehungen auf dem rund 24.000 m² großen,
innerstädtischen Feld vorgenommen. Danach folgten Oberbodenabträge in Bereichen mit hoher
Gefährdungswahrscheinlichkeit durch Luftkampfmittel. Nach Klärung wurden die zuvor nach den
Luftbilder verorteten verfüllten Bombentrichter durch Grabungen untersucht.
Das vergessene Lager. Archäologische Untersuchungen im ehemaligen Waldlager
Gunskirchen
The forgotten camp – archaeological research at the former „forest camp“ Gunskirchen
Yvonne Burger
Das ehemalige Lager Gunskirchen, ein Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen,
existierte nur für kurze Zeit. Es diente als Auffanglager für Zwangsarbeiter*innen und KZHäftlinge, die in den letzten Kriegsmonaten über sogenannte Todesmärsche in dieses Lager
getrieben wurden. Darunter Männer, Frauen und Kinder, die Großteils Juden und Jüdinnen waren.
Zahlreiche überlebten das Lager nicht. Heute erinnert beinahe nichts mehr an dieses Lager und
es gibt noch keine ausreichende Forschung dazu. Wenige bauliche Überreste sind erhalten und
es existiert keine würdige Gedenkstätte. Was zurückgeblieben ist sind zahlreiche Gegenstände
der Inhaftierten. 2011 starteten die ersten archäologischen Untersuchungen und 2019 konnten
sie weitergeführt werden. Zahlreiche Funde wurden im Zuge von Surveys geborgen. Doch was
können diese Funde über die Menschen oder auch das Lager selbst aussagen? Dies soll anhand
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
archäologischer sowie weiterer Quellen aufgezeigt werden. Zudem soll diskutiert werden, welche
Erkenntnisse aber auch Herausforderungen sich mit der Bearbeitung des Fundmaterials ergeben,
wie konservatorische Belange und welche Grenzen dabei entstehen können. Über den Erhalt
des historischen Ortes und die unterschiedlichen Meinungen der Interessensvertreter*innen soll
ebenso diskutiert werden. Und nicht zuletzt: „Wie kann ein würdiges Erinnern und Vermitteln der
Geschichte des Ortes aussehen?“
A first analysis of the forced labor camp in Hauskirchen was based on two archaeological
excavations accompanying construction in 2014 and 2015. The finds from the excavations were
scientifically recorded and catogerized. The research and evaluation of other historical sources,
such as aerial photos, documents on the camp from the time it was in use, and reports from former
internees of the camp then took place. The history of the camp can be roughly sketched from
these sources. Between February 1943 and April 1945, the camp was used to house workers from
the surrounding petroleum industries. Both civilian workers and prisoners of war of various ages,
sexes, nations, and religions were interned in the camp. The infrastructure was designed for a
large camp, at different times several thousand people were accommodated in the camp.
Die sogenannten Zuckerdosen aus dem sowjetischen Speziallager Sachsenhausen als
Medium sinnstiftendender Tätigkeiten
The so-called sugar cans from the Soviet special camp Sachsenhausen as a medium of purposeful
actions
Sonja Mayer
Nach Ende des zweiten Weltkrieges (Sommer 1945 – 1950) wurden in der sowjetischen
Besatzungszone insgesamt zehn sogenannte Speziallager errichtet, darunter auch das ehemalige
Konzentrationslager Sachsenhausen. Diese Speziallager dienten nicht als Arbeitslager, sondern
unterbanden aufgrund zahlreicher Restriktionen die Handlungsfähigkeit der Gefangenen. Unter
den Funden befinden sich 686 sogenannten Zuckerdosen, welche im Zuge von archäologischen
Grabungen auf dem Gelände des Lagers gefunden wurden. Zwei Drittel von ihnen wiesen Ritzungen
beziehungsweise Gravuren auf. Zu den Motiven zählten mehrheitlich die Nennung von Namen und
Initialen, aber auch Zahlen und komplexe bildliche Darstellungen wie Landschaften oder Menschen.
Im Zuge dieser Arbeit wird die Beziehung zwischen den Zuckerdosen zu den, ihrer Wirkmächtigkeit
beraubten, gefangenen Menschen in den Fokus gesetzt und analysiert. Es wird sowohl von der
Ordnungs- beziehungsweise identitätsstiftenden Wirkung von Objekten ausgegangen, als auch
ihnen eine agency im Sinne der Wandelbarkeit der Dinge nach Stockhammer zugeschrieben.
Gleichzeitig wird die Auswirkung von Haft und Handlungsdeprivation auf Menschen deskribiert,
wobei deutlich wird, dass sinnstiftende Tätigkeiten notwendig sind, um das (geistige) Überleben
zu schützen. In diesem Zusammenhang wird auch der flow-Effekt nach Csikszentmihalyi sowie
die Funktion von Kreativität als Widerstand berücksichtigt. Schlussfolgernd wird in den Dosen
beziehungsweise ihren Verzierungen nicht nur das bloße Kennzeichnen von persönlichem
Eigentum gesehen, sondern auch die Nutzung einer sich bietenden Handlungsmöglichkeit. So
kann das Gravieren beziehungsweise das Hantieren mit dem Objekt als Tätigkeit bereits als das
eigentliche Ziel gewertet werden.
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ABSTRACTS
The forced labor camp Hauskirchen (Lower Austria) in the context of the mineral oil industry
at the time of National Socialism
Das Zwangsarbeitslager Hauskirchen (Niederösterreich) im Zusammenhang mit der
Mineralölwirtschaft zur Zeit des Nationalsozialismus
Johanna Drefs
ÖGM-TAGUNG 2022
Zwangsarbeit in Tirol – die „Ostarbeiter“ aus STALAG 378
Forced labour in Tyrol – the ‚Ostarbeiter‘ from STALAG 378
Beatrix Nutz / Karsten Wink
ABSTRACTS
Im Zuge von Bauarbeiten im Areal nördlich des Innsbrucker Zeughauses fanden 2021 durch
die Firma Ardis GmbH archäologische Untersuchungen statt. Die Grabungen erbrachten
verschiedenste Befunde, wobei das markanteste Bodendenkmal der, das Areal querende Sillkanal
(auch „kleine Sill“ genannt) darstellte. Er verlief von Wilten durch Innsbruck Richtung Zeughaus, wo
er wieder in die Sill eingeleitet wurde. Der Kanal wurde nach dem 2. Weltkrieg mit Trümmerresten,
Schutt, Abfällen aus Metall, Glas, Keramik sowie verschiedensten Kriegsrelikten verfüllt. Die
menschenverachtende Politik des 3. Reiches zeigte sich dabei in den 12 Erkennungsmarken des
Kriegsgefangenen-Stammlagers (STALAG) 378. Die Prägung im Metall lautet jeweils KR GEF
M STALAG 378 gefolgt von der Gefangenennummer. Die Wehrmacht richtete das Stalag 378
am 26. Mai im Kölner Stadtteil Wahn, im Wehrkreis VI, ein. Im Juli 1942 wurde das Lager nach
Gorlovka (heute Horlivka, Ukraine) verlegt. Während des Krieges gab es einen gewaltigen Mangel
an Arbeitskräften. Immer mehr Tiroler mussten zur Wehrmacht einrücken. Aus diesen Gründen
wurden zwischen 20.000 und 30.000 ausländische Arbeitskräfte und Kriegsgefangene in den
Gau Tirol-Vorarlberg verschleppt. Bei den in Tirol eingesetzten ZwangsarbeiterInnen handelt es
sich um zivile Arbeitskräfte und Kriegsgefangene. Ab 1942 bilden die so genannten „Ostarbeiter“
aus den besetzten Gebieten der Sowjetunion die zahlenmäßig stärkste Gruppe. Sie werden im
ganzen Land eingesetzt.
„…As goods are permitted…“ - Deported from Vienna and murdered in Malyj Trostenez.
Objects from Vienna at the National Socialist extermination site
„...als Umzugsgut sind gestattet…“ Aus Wien deportiert und in Malyj Trostenez ermordet. Objekte
aus Wien in der nationalsozialistischen Vernichtungsstätte
Claudia Theune
Almost 10,000 people from Vienna were deported to Malyj Trostenez near Minsk (Belarus) in 1941
and 1942 and directly murdered there. The people destined for deportation received a leaflet from
the Jewish religious community in which it was listed quite precisely which things were to be taken
with them at all costs and which „useless burden [was] to be avoided“. During the construction
of the memorial at the extermination site, numerous finds were recovered, some of which can be
directly linked to people originating from Vienna. In the lecture, the objects listed in the leaflet will
be related to the finds. In a second part, the find assemblages of the extermination site will be
compared with other forced labor camps in which the prisoners (had to) live for a longer period
of time or tried to survive. It will be investigated to what extent a longer imprisonment also has an
effect on the spectrum of finds.
Das NS-Zwangsarbeitslager Waidmannsdorf in Klagenfurt
The Nazi forced labour camp Waidmannsdorf in Klagenfurt
Stefan Timmerer / Renate Jernej
Im Klagenfurter Stadtteil Waidmannsdorf befand sich in der NS-Zeit ein ausgedehntes
Zwangsarbeits- und Kriegsgefangenenlager, das nach dem Krieg für Displaced Persons
weiter benutzt wurde. Das Lager bestand aus drei Teillagern, die als Sammellager A, B und
C bezeichnet wurden. In der zeithistorischen Forschung war das Lager Waidmannsdorf zwar
bekannt, eine genaue Lokalisierung war aber nicht möglich. Durch die Auswertung von Luftbildern
aus den Jahren 1952–1953, die im kagis (Kärntner Geografisches Informationssystem) zur
Verfügung stehen, gelang die Identifizierung von Barackenstrukturen. Ein auf dem Gebiet des
Sammellagers A im Jahr 2019 begonnenes Bauvorhaben ließ eine Untersuchung des Areals als
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
dringend geboten erscheinen, um dieses Kapitel der Stadtgeschichte nicht spurlos verschwinden
zu lassen. Nach einer ersten Sondierung 2019 wurde 2020 eine archäologische Grabung auf
der rund 8000 m2 großen Brachfläche der Südhälfte des Areals durchgeführt. Unter dem mit
Bauschutt vermischtem Humus konnten Überreste verschiedener baulicher Strukturen der NSZeit und späterer Nutzung, zugehörige Wasserleitungen und Abwassersysteme, der ehemalige
Platzbereich und Teile der Schotterstraße, sowie zahlreiche Gruben (Entnahme- und Müllgruben,
aber auch Bombentrichter) verschiedener Größe freigelegt werden. Die Befunde entsprechen
Strukturen, welche am Luftbildmaterial von 1944 bzw. 1952 erkennbar sind.
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Session 8:
Getötete Opfer und Erinnerungsdiskurse
Dead victims and memory discourses
PAPERS
Kriege, Konflikt und Gewalt hinterlassen Spuren, die durch verschiedene Forschungsfelder aus
unterschiedlichen Blickwinkeln, selten jedoch in Synthese der Erkenntnisse betrachtet werden.
Der vorliegende Vortrag stellt zwei Case-Studies vor, die anhand der archäologischen und
historischen Betrachtung von Funden gefallener Soldaten aus dem 19. und 20. Jahrhundert
durchgeführt wurden. Dabei wird ein in der Zusammenarbeit erstelltes Arbeitsmodell, mit multiund transdisziplinärem Ansatz und dem Ziel personen- aber auch situtationsbezogener Analysen
kriegerischer Handlungen, vorgestellt und hinsichtlich seines Potenzials für die Forschung
entwickelt. Die erste Case-Study behandelt die Ergebnisse einer im Auftrag der ASFINAG
2017/18 durchgeführten Ausgrabung und thematisiert menschliche Funde aus dem Kontext der
napoleonischen Schlacht bei Deutsch-Wagram (1809). Überraschend aufgefundene persönliche
Gegenstände erbrachten die Möglichkeit interdisziplinärer Analysen die bis hin zur Identifikation
der gefallenen Soldaten reichen könnte. Die zweite Case-Study umfasst archäologische und
historische Betrachtungen von beim Palais Schwarzenberg gefundenen sterblichen Überresten
zweier in den Kämpfen um Wien im April 1945 gefallener Soldaten. Dabei werden die
umfassenden Umfeldanalysen skizziert und der Modellcharakter dieses Falles für den Aufbau
einer systematischen Aufnahme von archäologischen Überresten von Kriegsopfern in Form einer
wissenschaftlichen Datenbank präsentiert.
Eine unvollständige Exhumierung – Ausgrabung eines ehemaligen Friedhofs sowjetischer
Zwangsarbeiter in Bremen
An incomplete exhumation – the excavation of a former cemetery of soviet forced labourers in
Bremen
Cathrin Hähn / Uta Halle
Anfang des Jahres 2021 wurde durch Recherchen einer Bürgerinitiative gegen Bebauungspläne
auf einem Gelände der Hafenbahn der Standort eines bereits 1948 umgebetteten Friedhofs
sowjetischer Zwangsarbeiter wiederentdeckt. Es sollte mit Hilfe archäologischer Untersuchungen
geklärt werden, ob und in welchem Maße diese Exhumierung der Nachkriegszeit erfolgt war
und ob das Gelände somit für die Bebauung freigegeben sei. Die Arbeit der Landesarchäologie
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ABSTRACTS
Die Identifikation von Kriegsgefallenen. Über die Potentiale einer multidisziplinären
Zusammenarbeit
The identification of war dead. The possibilities of multidisciplinary cooperation
Georg Hoffmann / Slawomir Konik
ÖGM-TAGUNG 2022
konnte hier die tatsächliche Nutzung des Friedhofs inklusive der Bestattungspraktiken der Zeit
dokumentieren. Sie konnte aber auch nachweisen, wie unvollständig das Vorgehen bei der
Exhumierung 1948 erfolgte. Besonders die gravierenden Unterschiede in Qualität und Quantität
der schriftlichen Dokumentation einerseits zur Nutzung und andererseits zur Umbettung des
Friedhofs, in deren Zuge den Bestatteten ihre Identität genommen wurde, werfen ein Licht
auf Vorgänge wie Verarbeitung und Verdrängung, gesellschaftliche (Nicht-)Verantwortung für
Opfergruppen in der Zeit des allgemeinen Mangels der Nachkriegsjahre und des beginnenden
Kalten Krieges. Gerade die historische Archäologie kann hier mit der kritischen Bewertung der
Schriftquellen in verschiedenen Archiven, Luftbildern der Alliierten und ihrer Kombination mit
Grabungsergebnissen neue Einblicke in verschiedene Bestattungssituationen während der Zeit
des Unrechtsregimes der NS-Zeit bringen. Gleichzeitig ergeben sich aus dieser Ausgrabung neue
Forschungsfragen für die Abläufe von Exhumierungen aus dem Zwangsarbeitskontext.
POSTER
ABSTRACTS
Archäologie des Gedenkens: Erinnerung, Wandel, Vergessen. Gräber ermordeter
Zwangsarbeiter in Wusterhausen/Dosse
The archaeology of remembrance: Memory, change, forgotting. Graves of murdered forced
labourers in Wusterhausen/Dosse
Ulrike Kersting
Bei einer Stadtkerngrabung in Wusterhausen Anfang der 2000er Jahre kamen auf dem Marktplatz
neben vielen anderen Funden (Mittelalter, Slawenzeit) auch das Fundament des Kriegerdenkmals
zutage. Dabei fanden sich überraschend zwei intake Gräber von am Kriegsende in der Nähe
ermordeten Zwangsarbeitern. Sie hatten von der sowjet. Besatzungsmacht mitten in der Stadt
demonstrative „Ehrengräber“ erhalten, zur Umerziehung der Bevölkerung, deren Erinnerung
zu DDR-Zeiten im antifaschistischen Sinne gepflegt wurde. Nach der Wende wurde dann
das zugehörige Ehrenmal von Neonazis beschmiert, das daraufhin umgehend von der Stadt
abgebaut wurde (!). So war zwei jahrzehnte später die Erinnerung daran völlig verschwunden.
Erst die Archäologie holte das Geschehen und die Personen zurück ins öffentliche Gedächtnis.
Die dazugehörige Geschichts-Recherche durch das lokale Museum und die dreifache
Umbettungsgeschichte als Abfolge von Verbrechen, Gedenken, Verdrängen, Vergessen,
erneutem Gedenken wird nachgezeichnet.
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Vor ca. 20 Jahren fanden in den nationalsozialistischen Tatorten Hartheim, Mauthausen und Gusen die ersten Ausgrabungen statt. Im Zuge von Umbauarbeiten im Außenbereich von Schloss
Hartheim für den geplanten Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim wurden dort im Herbst 2001
umfangreiche Mengen von kremierten menschlichen Überresten und zahlreiche persönliche Gegenstände der in der NS-Euthanasieanstalt Ermordeten gefunden. Die Untersuchungen wurden
2002 fortgesetzt. Inzwischen folgten weitere archäologische sowie bauarchäologische Untersuchungen, die zahlreiche neue Erkenntnisse erbrachten.
Der Bau des Besucherzentrums in der Gedenkstätte Mauthausen erforderte 2002 archäologische
Ausgrabungen. Die Ausgrabungsstelle befand sich damals nicht direkt im Häftlingslager, sondern
außerhalb im Bereich der SS-Werkstätten. Neben den – heute noch sichtbaren – Werkstattfundamenten wurden auch dort zahlreiche Funde geborgen, die den Terror im Zwangslager bezeugen.
Ein Jahr später fanden erste Ausgrabungen in Gusen statt, dem Zwillingslager von Mauthausen. Auch hier war die Neuerrichtung eines Gedenkraumes für das ehemalige Konzentrationslager Gusen Anlass für die Grabungen, bei denen eine Gefangenenbaracke, die Lagerstraße und
die Krematoriumsbaracke angeschnitten wurde.Diese zentralen Orte des nationalsozialistischen
Terrors in Oberösterreich sind Ziel der Exkursionen; zudem besichtigen wir noch das ehemalige Kasernengelände Ebelsberg im Süden der Stadt Linz sowie das Zeitgeschichtemuseum der
VOESTALPINE AG in Linz.
Claudia Theune
Introduction
About 20 years ago, the first excavations took place at the National Socialist crime scenes
Hartheim, Mauthausen and Gusen. A large amount of cremated human remains and numerous
personal objects of those murdered in the Nazi euthanasia institution were found during renovation
work for the planned Memorial Site Hartheim Castle – Place for Learning and Remembrance
in the outdoor area of Hartheim Castle in autumn 2001. The investigations continued in 2002.
Further archaeological and buildings archaeological investigations followed and yielded many
new insights.
The construction of the visitor centre at the Mauthausen Memorial prompted archaeological
excavations in 2002. The excavation site was not located directly in the prisoners‘ camp, but
outside, in the SS workshop area. In addition to the foundations of the SS buildings – some of
which are still visible today – numerous finds were also recovered which testify to the terror in the
camp.
A year later, the first excavations took place at Gusen, Mauthausen’s twin camp. Here, too, the
excavations were prompted by the construction of a new memorial room – part of a prisoners’
barrack, a camp road and the crematorium building were unearthed.
These central sites of National Socialist terror in Upper Austria are the destination of the excursion.
In addition, we will also visit the former Ebelsberg barracks site in the south of the city of Linz and
the contemporary history museum of VOESTALPINE AG in Linz.
Claudia Theune (Tanslation Paul Mitchell)
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EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Einleitung
ÖGM-TAGUNG 2022
Donnerstag / Thursday, 15.09.2022
Ganztagesexkursion Mauthausen, Gusen und Hartheim
All-day field trip to Mauthausen, Gusen and Hartheim
??.00
Abfahrt / Departure (wird ergänzt/ will be completed)
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Archäologische Forschungen im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen
Das Konzentrationslager Mauthausen wurde wenige Monate nach dem sogenannten Anschluss
Österreichs an das nationalsozialistischen Deutsche Reich im Sommer 1938 eröffnet. Es liegt
etwas abseits des Ortes Mauthausen auf einer Anhöhe. Zentral ist der langgestreckte Appellplatz,
an dessen nordöstlichen Seite sich die Häftlingsbaracken befanden, während auf der Südwestseite die Wäscherei, die Häftlingsküche, das Arrestgebäude und das sogenannte Reviergebäude
(Spital) lagen, in dessen Kellergeschoss sich die Tötungseinrichtungen befanden. Das Häftlingslager (mit den sogenannten Lagern I und II) war an der südwestlichen Frontseite zur Donau hin
und an der südöstlichen und nordwestlichen Seite von burgartigen Mauern umgeben, im Nordosten befand sich ein elektrisch- geladener Stacheldrahtzaun. Das Lager war umgeben von
Werkstätten und administrativen Gebäuden der SS. 1941 wurde im Westen ein neuer Lagerteil
errichtet, das sogenannte Russenlager bzw. Sanitätslager. Die hohen Häftlingszahlen erforderten 1944 eine weitere Erweiterung, im Sommer 1944 wurde an der Südostseite das sogenannte
Lager III gebaut, im Herbst 1944 wurde noch zusätzlich ein Zeltlager errichtet. Wesentlicher Bestandteil des gesamten Komplexes ist der Steinbruch mit diversen Werkstätten und dem massiven Steinbrecher, dort wurden die Häftlinge zur Zwangsarbeit herangezogen. Mauthausen wurde
Mauthausen, Einfahrt zum Garagenhof / Entrace to the garage (© Danlor_01_CC3_0_Wikicommons).
40
Blick auf den Appellplatz in Richtung Lagertor; Foto der SS, 1942 / View on the roll call to the camp gate
(© BA/Bild 192-179, CC-BY-SA3.0).
bald nach der Befreiung im Mai 1945 zentraler Ort des Gedenkens in Österreich, die Gedenkstätte
wurde bereits im Frühjahr 1949 eröffnet.
Archäologisch gehört das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen zu den besterforschtesten
NS-Zwangslagern. Seit 2002 fanden in vielen Bereichen Ausgrabungen sowie bauarchäologische
Forschungen statt, so dass diese Daten und Ergebnisse neben den wort- und bildbasierten Quellen
eine wesentliche Grundlage zum Forschungsstand darstellen. Einerseits sind dies Forschungsgrabungen, andererseits wurden und werden zudem alle baulichen Aktivitäten archäologisch begleitet.
Wie erwähnt fanden die ersten Ausgrabungen vor 20 Jahren im Bereich der SS-Werkstattbaracken
statt. 2009 wurden im sogenannten Sanitätslager eine umfassende geophysikalische Prospektion
durchgeführt und der Kopf einer Baracke freigelegt sowie die Baustrukturen der Baracken dokumentiert. Noch heute sind im Gras die Betonreste der Fundamente zu sehen. Es konnte gezeigt
werden, dass die Baracken dreigeteilt waren, ein Ofenfundament zeigt Heizmöglichkeiten an. In
den Baracken selbst gab es keine Toiletten und Waschmöglichkeiten, die Häftlinge mussten eine
zentrale Sanitätsbaracke nutzen. Durch die Ausgrabungen im Bereich des Zeltlagers konnten die
katastrophalen Zustände bzgl. der Unterbringung der Häftlinge dokumentiert werden. Es ist aus
anderen Quellen bekannt, dass die Zelte keine festen Fußböden besaßen, sondern die Zeltplanen
praktisch nur ein Dach und seitlich Wände waren. Wichtig war der Befund von Drainagegräbchen.
Um in das Zelt eindringendes Wasser zu verhindern, haben die Häftlinge kleine Gräbchen an den
Längsseiten der Zelte ausgehoben. Zudem konnten größere Holzteile geborgen werden, die als
Trennungen angesehen werden können, vielleicht, um ein klein wenig Privatsphäre zu schaffen.
Dass die Zelte keinen festen Boden besaßen, belegen auch etliche persönliche Funde wie eine
Halskette, ein Spiegel oder Schuhe, die im Boden eingetreten waren.
Einen wesentlichen Teil der Forschungen nehmen bauarchäologische Untersuchungen ein. Inzwischen wurden alle noch vorhandenen Gebäude bauarchäologisch erforscht. So konnte beispielsweise für die Küche festgestellt werden, dass nach 1941 eine Erweiterung der sogenannten
Kesselhalle erfolgte. Aufgrund steigender Häftlingszahlen musste die Anzahl der Dampfdruckkoch
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EXKURSIONEN / EXCURSIONS
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
ÖGM-TAGUNG 2022
Plan des Konzentrationslagers Mauthausen 1945 / Blueprint of the concentration camp Mauthausen 1945
(© ZUK B. Hausmair).
kessel von 16 auf 23 erhöht werden, auch wenn dadurch längst noch nicht eine auch nur adäquate Ernährung der Häftlinge gewährleistet wurde. Auch die Kellerräume, wo Nahrungsmittel wie
Kartoffeln aufbewahrt wurden, wurden erweitert. Wichtig sind die Untersuchungen im Tötungsareal. Dieser Komplex besteht aus dem südöstlichen Teil des Untergeschosses des Arrestgebäudes
und dem Keller des sogenannten Reviergebäudes (Spital) und den dazwischenliegenden Kellerräumen. Seit 1940 wurden in Mauthausen Ermordete in Krematoriumsöfen verbrannt, wie der
Einbau eines ersten Ofens der Firma Kori belegt. In dem sogenannten Sonderbau, der 1941-42
errichtet wurde, wurde die Gaskammer, ein Galgen, eine Erschießungsstätte und ein zweiter Krematoriumsofen, ebenfalls der Firma Kori, eingebaut. Seit dem Frühjahr 1942 wurden Menschen
in der Gaskammer in Mauthausen ermordert. In einem kleinen Raum vor der Gaskammer konnte
durch zusätzliche geophysikalische Untersuchungen, das hinten den Fliesen befindliche Glaseinfüllrohr erkannt werden. 1944-45 wurde im Keller des Reviergebäudes ein dritter Krematoriumsofen (Doppelofen der Firma Topf) aufgestellt, der noch in den letzten Wochen vor der Befreiung
verwendet wurde. In dem Komplex befinden sich noch ein Auskleideraum und die Leichenhalle.
Der Zugang zu diesem Tötungskomplex erfolgte von der Rückseite der Gebäude und nicht vom
Appellplatz her, so dass die Tötungen vor den Menschen auf dem Appellplatz verborgen wurden.
Diese durchstrukturierte Raumabfolge zeigt deutlich den industriellen und prozesshaften Ablauf
der Tötungen.
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Erwähnt werden soll noch ein weiteres Gebäude, in dem Frauen aus dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück (Brandenburg, Deutschland) zwangsprostituiert wurden. In der ersten Baracke nahe dem Eingangstor wurde in einer zweiten Bauphase (ab Frühjahr 1942) ein Lagerbordell
für sogenannte Funktionshäftlinge eingerichtet. In der nordwestlichen Hälfte wurden auf der einen
Seite zehn kleine Kabinen (Koberzimmer) mit einer Grundfläche von rund 4,5 qm² gebaut, in denen der Sexualakt durchgeführt wurde. Diese Räume konnten nicht verschlossen werden, in der
Tür ist immer noch ein Schlitz zu sehen, der stets eine Kontrolle ermöglichte. Auf der anderen
Flurseite waren Schlafräume für die Zwangsprostituierten, am Ende des Flurs sind Waschräume.
Verschiedene Farbfassungen mit Bordüren und Linienmuster zeigen, dass die Räume ausgeschmückt waren.
Sehr umfangreich sind die Funde, die einerseits durch Überlebende und Nachkommen in die
Gedenkstätte gelangt sind, die aber auch andererseits durch die Ausgrabungen geborgen werden konnten. Unter der Vielzahl der Funde seien vier Helme des Typs M16 genannt, die in den
SS-Werkstätten entdeckt wurden, und die zur Betriebszeit des Konzentrationslagers nicht mehr
verwendet wurden. Die Helme wurde modifiziert, es wurde eine Eisenspitze aufgelötet so dass
sie an Pickelhauben aus dem Ersten Weltkrieg erinnern. Die Helme wurden zusätzlich mit weißer
Farbe bemalt. Funktionshäftlinge bzw. die sogenannte Lagerpolizei mussten die Helme sowie
Scheinuniformen tragen, etwa wenn neue Häftlinge ankamen. Zu wichtigen weiteren Funden zählen von den Häftlingen selbstgemachtes Besteck und Geschirr oder auch Schuhe, die einerseits
die mangelhafte Versorgung der Häftlinge mit Lebensnotwendigem zeigt, die aber auch Überlebensstrategien der Häftlinge deutlich werden läßt. Selbstbehauptung kann auch durch zahlreiche
Ritzungen der eigenen Initialien oder Namen auf verschiedenen Gegenständen belegt werden.
Claudia Theune / Paul Mitchell
Funde mit Herstellermarken aus Mauthausen / Finds from Mauthausen with manufactors‘s brands (©
IUHA, J. Benedix, I. Greußing).
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EXKURSIONEN / EXCURSIONS
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
ÖGM-TAGUNG 2022
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Archaeological research in the
former Mauthausen concentration camp
The Mauthausen concentration camp
was opened in the summer of 1938
a few months after the so-called Anschluss of Austria to the National Socialist German Reich. It is located on
a hill outside the town of Mauthausen.
Its central feature is the elongated roll
call square, on the north-eastern side
of which were the prisoners‘ barracks,
while the laundry, the prisoners‘ kitMauthausen 2. April 1945 Luftbild /Aerial photo (©
chen, the cell block and the so-called
LuftbilddatenReviergebäude (hospital), in the basement of which was the killing area,
were located to the south-west. The
prisoners‘ camp (with the so-called
camps I and II) was surrounded by
castle-like walls on the south-western
front side facing the Danube and on
the south-eastern and north-western
sides; in the north-east there was an
electrified barbed wire fence. The
camp was surrounded by the workshops and administrative buildings of
the SS. In 1941, a new camp area was
built in the west, the so-called Russian or medical camp. The high number
Mauthusen, aktuelles Luftbild / Actual aerial photo
of
prisoners led to further expansion
(© DORIS/BEV).
in 1944. In the summer of that year,
the so-called Camp III was built on the
southeast side, and in autumn 1944
an additional tent camp was erected.
An essential part of the entire complex
is the quarry where the forced labour
of the prisoners was exploited and
which includes various workshop buildings and the massive stone crusher.
Mauthausen became a central place
of remembrance in Austria soon after
liberation, and the memorial site was
opened in spring 1949.
Archaeologically speaking, the former
Mauthausen Luftbild mit geophysikalisch prospektierten
Mauthausen concentration camp is
Flächen / Aerial photo with geophysically prospected sites
one of the best researched Nazi-camps
(© DORIS/BEV/ZAMG).
of its type; between 2002 and today,
excavations and also buildings archaeological research have taken place in many areas, so that
the data and results gathered, alongside the word- and image-based sources, form a substantial
research base. The excavations served research purposes but all building activities were and
are also accompanied archaeologically. As mentioned, the first excavations took place 20 years
ago in the area of the SS workshop barracks. In 2009, a comprehensive geophysical prospection
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was carried out in the so-called Russian camp where part of a barrack was also uncovered and
the structure of the barracks recorded. The concrete remains of the foundations can still be seen
in the grass today. It could be shown that the barracks were divided into three parts, with a stove
foundation indicating heating facilities. There were no toilets or washing facilities in the barracks
themselves, the prisoners had to use a central sanitary building.
Excavations in the area of the tent camp allowed the documentation of the catastrophic conditions
in which the prisoners were housed. It is known from other sources that the tents had no solid
floors, with the tent covers forming only a roof and side walls. The discovery of drainage trenches
was important. To prevent water from entering the tent, the prisoners dug these along the long
sides of the structures. Larger pieces of wood were also recovered, possibly partitions to create a
little privacy. The tents’ lack of a solid floor is shown by several personal finds such as a necklace,
a mirror and shoes, which had been trodden into the ground.
An essential part of the research at Mauthausen are the buildings archaeological investigations.
All the buildings that still exist have now been investigated archaeologically. In the kitchen building, for example, it could be shown that an extension of the so-called cauldron hall took place
after 1941. Due to the increasing numbers of prisoners, the number of pressure cookers had to
be increased from 16 to 23, although this did not guarantee even adequate food for the prisoners.
The cellar rooms, where foodstuffs such as potatoes were stored, were also expanded.
The investigations in the killing area are also important. This complex consists of the south-eastern part of the basement of the detention building and the basement of the so-called Reviergebäude (hospital) and further rooms in between. Bodies were cremated in crematorium ovens
at Mauthausen from 1940 onwards, as shown by the installation of a first oven made by the
Kori company. The gas chamber, a gallows, a mechanism for execution by pistol and a second
crematorium oven, also from the Kori company, were installed in the so-called Sonderbau (special
building), which was erected in 1941-42. From spring 1942 onwards, people were murdered in
the gas chamber at Mauthausen. In a small room before the gas chamber, additional geophysical
investigations identified the gas feed pipe behind the tiles. In 1944-45, a third crematorium oven
(a double oven made by the Topf company) was installed in the basement of the hospital building
and was still in use in the last weeks before the liberation. The complex also contains a room for
undressing and a mortuary. Access to this killing complex was from the rear of the buildings and
not from the roll call square, so that the killings were hidden from those in front of the buildings.
The exactly thought out sequence of rooms clearly shows the industrial and technical nature of
the killings.
Mention should also be made of another building where women from the Ravensbrück women‘s
concentration camp (Brandenburg, Germany) were forcibly prostituted. A brothel for so-called prisoner functionaries was installed in the barrack beside the entrance gate in a second construction
phase from spring 1942. Ten small cabins (Koberzimmer), where the sexual act was performed
and with a floor space of about 4,5 square metres were built on the northwest side side of a central aisle. These rooms could not be locked, slit openings survive in the doors, which allowed the
rooms to be spied on at all times. On the other side of the corridor were bedrooms for the forced
prostitutes, and at the end of the building is a washroom. Decoration systems including coloured
stripes and patterns of lines are also visible.
The finds donated to the Memorial by survivors and descendants on the one hand, and recovered
during the excavations on the other, are very numerous. Particularly interesting are four helmets
of the M16 type, which were no longer in general use when the concentration camp was in operation, but which were discovered in the SS workshop area. The helmets were modified by the
application of an iron tip so that they resembled Pickelhauben from the First World War. The helmets were also painted with white paint. Prisoner Functionaries and the so-called camp police had
to wear the helmets alongside mock uniforms, when new prisoners arrived, for example. Other
important finds include cutlery and crockery made by the prisoners themselves, as well as shoes,
which on the one hand show the inadequate supply of the prisoners with the necessities of life, but
on the other hand also reveal the prisoners‘ survival strategies. Prisoners’ individual self-assertion
can also be shown by numerous carved initials or names on objects of different types.
Claudia Theune / Paul Mitchell (Translation: Paul Mitchell)
45
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
ÖGM-TAGUNG 2022
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Das ehemalige Konzentrationslager Gusen
Seit Dezember 1939 wurde nur wenige Kilometer von Mauthausen entfernt das Konzentrationslager Gusen aufgebaut, seit April 1940 waren dort erste Häftlinge untergebracht. Auch in Gusen
befand sich ein Steinbruch, in dem die Häftlinge arbeiten mussten. Die Arbeitsbedingungen waren dort besonders hart, in Gusen starben mehr Menschen als im Stammlager Mauthausen. Seit
1943 wurden immer mehr Häftlinge zur Zwangsarbeit in der Rüstungsindustrie eingesetzt. So
verlagerten die Steyr-Daimler-Puch AG und die Messerschmitt GmbH Regensburg die ProduktionvonGewehren bzw. von Flugzeugteilen nach Gusen. Aufgrund von steigenden Luftangriffen
der Alliierten verlegte die SS die Rüstungsbetriebe unter Tage und die Häftlinge mussten große
Stollenanlagen in den Berg treiben. Dazu gehört auch das unter dem Decknamen „Bergkristall“
riesige Bauvorhaben. Die Produktion für das Messerschmitt Jagdflugzeugs Me262 wurde noch
im Herbst 1944 aufgenommen. Für die Unterbringung dieser Häftlinge wurde ab März 1944 das
Lager Gusen II gebaut.
Ein Gedenken an die Opfer der Konzentrationslager und Zwangsarbeit in Gusen setzte später als in Mauthausen ein. Viele Bereiche der beiden Lager wurden auch in den 1950er und
1960er Jahren durch Einfamilienhäuser im heutigen Ort überbaut, bzw. manche Gebäude wurden
und werden weiterhin als Wohnhäuser verwendet. Bei dem Krematorium befindet sich eine Gedenkstätte, kürzlich hat die Republik Österreich einige Grundstücke angekauft, so dass in Gusen
sukzessive erweitert werden wird. Beim Bau des Memorials bei dem Krematoriumsofen wurde
eine erste Ausgrabung durchgeführt, bei denen eine Gefangenenbaracke, die Lagerstraße und
die Krematoriumsbaracke dokumentiert wurde. Die Befunde der Krematoriumsbaracke legen mit
der hohen Anzahl von infrastrukturellen Einbauten (Abflüsse, Wasserleitungen) und der separiert
gedämmten Fußbodenplatte die Vermutung nahe, dass hier ein Kühlraum
und/oder ein Sezierraum situiert war.
Diese Vermutung wird durch ein Mauerfragment aus dem Bereich der Krematoriumsbaracke gestützt, auf dem
Reste einer Verfliesung mit kleinteiligen (10 x 10 cm) roten Fliesen zu erkennen sind.
Größere Flächen wurden im Bereich
des Appellplatzes und der Küchenbaracke, der Stützmauer und der Umzäunung geöffnet. Der Mittel- und Osttrakt
der Küchenbaracke konnte in mehreren Sondageschnitten untersucht
werden. Das Gebäude hat eine Länge
von rund 47 m und eine Breite von ca.
15 m und somit eine Grundfläche von
über 700 qm².Auf den Längsseiten
befanden sich vorkragende Sockel,
welche die Holzpfeiler des Tragewerks
aufnahmen. Das gesamte Gebäude
hatte 16 Großkamine, zwei zugehörige Sockel konnten freigelegt werden.
Die Wände des Gebäudes bestanden
aus Holzlatten. Erkannt werden konnte auch der Zugang für das Küchenpersonal. An manchen Stellen hat sich Blick in den Bergkristallstollen / View into the Bergkristallnoch der originale Estrich erhalten. Der tunnel (© Ziegenberg_CC4-0_wikicommons).
Küche war im Norden ein kellerartiger
46
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
Anbau angeschlossen. Südlich vor der Küchenbaracke lag der Appellplatz, dessen Unterbau aus
größeren Granitbruchsteinen besteht und mit kleinen Granitsteinen ausgezwickelt wurde. Nördlich und östlich kann noch heute eine massive Stützmauer erkannt werden, die zur Absicherung
des abschüssigen Geländes gebaut wurde. Die massive Mauer aus Buckelquadern weist eine
Erhaltungshöhe von bis zu 6 m auf und trennte das Lagerareal von den höher gelegenen Arbeitsbaracken. Zwischen der Küchenbaracke und der Stützmauer bzw. dem Lagerzaun bestand
noch ein zwingerartiger Bereich, der wohl als Patrouillengang diente. Weitere bauarchäologische
Untersuchungen finden derzeit in Gusen statt. Der Steinbrecher im Steinbruch und zwei erhaltene
SS-Kasernen - ein Büro-/Wachgebäude und ein Dusch-/Toilettengebäude - werden untersucht.
Claudia Theune / Paul Mitchell
The Gusen concentration camp was built only a few kilometres from Mauthausen from December
1939 onwards and the first prisoners were housed there in April 1940. There was a second quarry
in Gusen where the prisoners were forced to work. The working conditions there were particularly
harsh; more people died in Gusen than in the main camp at Mauthausen. From 1943 onwards,
more and more prisoners were used for forced labour in the armaments industry. Steyr-DaimlerPuch AG and Messerschmitt GmbH Regensburg relocated the production of rifles and aircraft
parts to Gusen. Due to increasing air raids by the Allies, the SS moved the armament factories
underground and the prisoners had to drive large tunnels into a nearby hill. This activity included
the huge construction project known by the code name „Bergkristall“. Production of the Messerschmitt Me262 fighter plane began in autumn 1944. The Gusen II camp was built from March
1944 onwards to house these prisoners.
Commemoration of the victims of the concentration camps and forced labour in Gusen began later
than in Mauthausen. Many areas of the two camps were also built over in the 1950s and 1960s by
single-family village houses, some camp buildings were and still are used as homes. A memorial
is located at the crematorium, and recently the Republic of Austria purchased more land so that
the Gusen Memorial will be successively expanded. A first excavation was carried out during the
extension of the memorial at the crematorium oven, revealing part of a prisoner barrack, a camp
road and the crematorium building. The finds from the crematorium area, with a high number of
infrastructural objects (drains, water pipes) and an insulated floor slab, suggest that a cold storage
and/or a dissection room was located there. This assumption is supported by a fragment of a wall,
on which remains of small (10 x 10 cm) red tiles can be seen.
Larger areas have been opened up around the roll call area and the kitchen building, the supporting wall and the camp fence. The middle and east wing of the kitchen were examined in several
trial trenches. The building has a length of about 47 m and a width of about 15 m and thus a floor
space of more than 700 square metres. On the long sides there were projecting plinths which
accommodated the wooden pillars of the supporting structure. The entire building had 16 large
chimneys from which two associated foundations were uncovered. The walls of the building consisted of wooden laths. The entrance for the kitchen staff was also identified and the original floor
surfaces have survived in some places. A cellar-like extension was attached to the kitchen in the
north. To the south, in front of the kitchen building, was the roll-call area, the substructure of which
consisted of large fragments of granite anchored by smaller stones.
A massive retaining wall of rusticated ashlar, built to secure the sloping terrain, survives to a height
of up to 6 m to the north and east. It separated the camp area from the higher working area. Between the kitchen barracks and the retaining wall and camp fence, there was also a cordoned off
area that probably served as a patrol corridor.
Further buildings archaeological research is presently taking place at Gusen. The stone crusher
in the quarry and two surviving SS barracks – an office/guard building and a shower/toilet block –
are being examined.
Claudia Theune / Paul Mitchell (Translation: Paul Mitchell)
47
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
The former Gusen concentration camp
ÖGM-TAGUNG 2022
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Lern und Gedenkort Hartheim
Schloss Hartheim wurde Anfang des 17. Jahrhunderts errichtet. Ende des 19. Jahrhunderts wurde dort eine sogenannte „Anstalt für Schwach- und Blödsinnige, Idioten und Cretinöse“ eingerichtet, in der bis zum März 1940 unter der Obhut der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von
Paul Menschen mit Behinderung gepflegt wurden. Nach dem sogenannten „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich wurde die Leitung der Anstalt der Fürsorgeabteilung der Gauselbstverwaltung übertragen. Im Frühjahr 1940 wurde das Schloss innerhalb weniger Wochen zu einer
NS-Euthanasieanstalt im Rahmen der später so genannten „Aktion T4“ umgebaut. Die Morde in
der Gaskammer mittels Kohlenmonoxid begannen im Mai 1940. Wie in den anderen T4-Mordeinrichtungen wurde auch in Hartheim ein Arzt, der Linzer Rudolf Lonauer, als Leiter eingesetzt. Zwischen 1940 und 1944 wurden im Schloss Hartheim rund 30.000 Menschen ermordet. Es handelte
sich dabei einerseits um Personen mit körperlicher und geistiger Behinderung sowie psychischen
Erkrankungen die in psychiatrischen Anstalten, Pflegeeinrichtungen oder Fürsorgeheimen untergebracht waren („Aktion T4“) . Andererseits wurden auch arbeitsunfähige Häftlinge aus den
KZ-Systemen Mauthausen-Gusen, Dachau und Ravensbrück („Aktion 14f13“, auch „Sonderbehandlung 14f13“), sowie zivile Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus Osteuropa und der
Sowjetunion nach Hartheim gebracht. Zur Jahreswende 1944/45 wurden Rückbauarbeiten im
Bereich der Tötungsanlagen durchgeführt. Nichts sollte mehr daran erinnern, wie dieser Ort in
den Jahren davor genutzt worden war.
Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkrieges diente das Schloss als Unterkunft für „Displaced
Persons“ und Flüchtlinge. 1948 wurden das Schloss und der dazu gehörende landwirtschaftliche
Betrieb dem OÖ. Landeswohltätigkeitsverein zurückgegeben. Die Betreuung von Menschen mit
Behinderung im Schloss wurde allerdings nicht neu aufgenommen. Nach dem großen Donauhochwasser von 1954 lebten bis ins Jahr 1999 bis zu 30 Mietparteien im Schloss.Zwischen 2000
und 2003 erfolgten Umbauarbeiten und der Aufbau des Lern- und Gedenkortes.
Schloss Hartheim / Hartheim Castle (© LierbalHumanist_CC_wikicommons).
48
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
Von besonderem Interesse sind zudem bauarchäologische Untersuchungen, bei denen die Standorte der Krematorien erkannt werden konnten. In Hartheim stand zunächst ein Ofen der Firma
Kori. Darüber hinaus gibt es Hinweise für die Überführung eines transportablen Kori-Ofens aus
Mauthausen nach Hartheim.
Claudia Theune / Simone Loistl
Hartheim Place of Learning and Remembrance
Hartheim Castle was built at the beginning of the 17th century. At the end of the 19th century, a
so-called „asylum for the feeble-minded and stupid, idiotic and cretinous“ was established there, in
which people with disabilities were cared for by the Daughters of Charity of Saint Vincent de Paul
until March 1940. After the so-called „Anschluss“ of Austria to the German Reich, the management of the institution was transferred to the welfare department of the regional administration.
In a few weeks in the spring of 1940, the castle was converted into a Nazi euthanasia institution
as part of what was later called „Aktion T4“. Murders in the gas chamber using carbon monoxide
began in May 1940. As in the other T4 murder facilities, a doctor, Rudolf Lonauer from Linz, was
appointed director at Hartheim Castle. Between 1940 and 1944, about 30,000 people were murdered there. People with physical and mental disabilities as well as mental illnesses who had been
housed in psychiatric institutions, nursing or welfare homes (the „Aktion T4“ target group), but also
prisoners from the concentration camp systems Mauthausen-Gusen, Dachau and Ravensbrück
who were unfit for work („Aktion 14f13“, also „Sonderbehandlung (special treatment) 14f13“), and
civilian forced labourers from Eastern Europe and the Soviet Union, on the other, were brought
to Hartheim. At the turn of the year 1944/45, the killing facilities were dismantled. No reminder of
how the place had been used in the previous years was to remain.
Immediately following the end of the Second World War, the castle served as accommodation for
„displaced persons“ and refugees. In 1948 the castle and the farm belonging to it were returned to
the Landeswohltätigkeitsverein (Upper Austrian Charity Association). However, the care of people with disabilities in the castle was not resumed. After the great Danube flood of 1954, up to 30
tenants lived in the castle until 1999. Between 2000 and 2003, renovation work was carried out
and the learning and memorial site was set up.
Cremated human remains and personal objects of the victims were found for the first time during
this construction work in 2001. Various pits in which human bone fragments were mixed with
personal objects or technical objects such as switches and telephone receivers were identified in
a trench. These finds survive from deconstruction work at the end of 1944. Two pits exclusively
contained objects that belonged to the murdered people, including spectacles, rosaries and other
religious pendants, and eating utensils. A layer consisting of cremation residues (slag, unburnt
coal and human ash) was recorded covering one of these pits, proving that the pit was dug while
the crematorium was in operation. The ash and slag were still hot and the heat melted a number
of objects, including glass. One of the pits was recovered en bloc and is now part of the exhibition.
The buildings archaeological investigations that revealed the locations of the crematoria are of
49
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Bei diesen Bauarbeiten wurden 2001 erstmals Leichenbrandreste und persönliche Gegenstände
der Opfer gefunden. In einer Künette konnten verschiedene Gruben erkannt werden, in denen
menschliche Knochenfragmente vermischt mit persönlichen Gegenständen oder auch technische
Geräte wie Schalter und Telefonhörer deponiert wurden. Diese Funde zeigen die Rückbauarbeiten seit Ende 1944 an. Zwei Gruben enthielten ausschließlich Objekte, die den ermordeten Menschen gehörten, seien es Brillen, Rosenkränze und andere religiöse Anhänger, Essgeschirr…….
Über einer diese Gruben konnte eine sie bedeckende Erdschicht dokumentiert werden, die aus
Krematoriumsasche (Schlacke, unverbrannte Kohle und menschliche Asche) besteht. Damit kann
belegt werden, dass die Grube noch während des Betriebs des Krematoriums angelegt wurde.
Die Asche und Schlacke wurde noch im heißen Zustand aufgebracht, durch die Hitze schmolzen
etliche dort befindliche Gegenstände wie Glas an. Eine der Gruben wurde en bloc geborgen und
befindet sich heute in der Ausstellung.
+267,29
E
TT
NE
KÜ
5349520
+267,01
MAUER
+267,38
MAUER
+267,43
+266,30
ZIEGELGRUBE
GRUBE E
+266,42
+266,57
+266,15
GRUBE D
+267,13
+268,05
+266,75
FLÄCHE 1
+266,00
+266,05
+265,69
GRUBE F
GRUBE C
+267,45
FLÄCHE 6
+266,82
+265,77
GRUBE B
GRUBE A
+266,99
+267,46
+267,43
GRUBE I
+266,10
+266,11
+266,73
GRUBE G
+265,77
5349500
+267,44
GRUBE 1
+267,37
+265,47
+266,68 +267,55
GRUBE 2
+265,49
SCHNITT 1
SCHLOSS
HARTHEIM
+267,50
FLÄCHE 3
FLÄCHE 7
+267,32
GRUBE H
+266,72
+267,30
+267,03
+267,42
FLÄCHE 4
FLÄCHE 2
FLÄCHE 5
+268,14
+267,16
KÜNETTE
50
Schloss Hartheim, Plan mit Grabungsschnitten / Hartheim Castle, map with excavation sections (©
ARCHEONOVA, Wolfgang Klimesch).
LEGENDE:
Mauerwerk/Fundament
Leitungskünette
Knochengruben
Gruben mit Habseligkeiten
Ziegelgrube
Flächige Aufschüttungen
Grabungsschnitte
+267,43
KÜNETTE
+267,30
FUNDAMENT
+267,74
5349480
Archäologische
Untersuchungen
Schloss Hartheim
NS-zeitliche Befunde
5349460
N
5
0
Meter
15
10
KG/Nr.
45012
OG
Alkoven
VB
Eferding
Blattnummer
Grabungskampagne
2001/2002
2
Neubearbeitung
Juli 2022
Lagebezug
G-K M31
Gst. Nr.:
Übersichtsplan
25
20
Höhenbezug
450
Projektleitung:
OÖ-Landesmuseum
Dr. Christine Schwanzar
über Adria
Grabungsleitung:
W. Klimesch
Anmerkungen:
Originalplanaufnahme:
Amt der OÖ Landesregierung
GeoL-B, GZ. AC-42/01
August 2002
Erich Aufreiter, Ing. Christian Bauer
57945
57965
57985
58005
58025
58045
Planbearbeitung:
W. Klimesch
ÖGM-TAGUNG 2022
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
particular interest. In Hartheim, there was initially an oven from the Kori company. In addition,
there is evidence for the transfer of a portable Kori oven from Mauthausen to Hartheim.
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Claudia Theune / Simone Loistl (Translation. paul Mitchell)
Hartheim, Grube mit persönlichen Funden / Hartheim, pit with personal finds (©
ARCHEONOVA, Wolfgang Klimesch).
51
ÖGM-TAGUNG 2022
Samstag / Saturday, 17.09.2022
Halbtagesexkursion: Voest Zeitgeschichtemuseum, Ebelsberg
half-day field trip to Voest Zeitgeschichtemuseum and Ebelsberg
??.00
Abfahrt / departure (wird ergänzen, will be completed)
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Voest Zeitgeschichtemuseum
Im „Zeitgeschichte MUSEUM“ erinnert die voestalpine an die NS-Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter der Reichswerke Hermann Göring in Linz. Niemals zuvor arbeiteten mehr
Ausländer in Oberösterreich als während der NS-Zeit: zwangsverpflichtete zivile Ausländer,
KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene. 1943 kam jeder dritte Beschäftige im Gau Oberdonau, wie
Oberösterreich damals hieß, aus dem Ausland – doppelt so viele wie im Rest des Deutschen
Reiches. In Linz wurde ab 1938 ein Eisen- und Stahlwerk errichtet, das ab 1941 sukzessive in
Betrieb ging. Das Werk war nicht nur ein überdimensionierter NS-Prestigebau, sondern auch ein
wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen Rüstungsindustrie. Beim Aufbau und Betrieb
der Reichswerke Hermann Göring in Linz wurden zigtausende ausländische Zwangsarbeiterinnen
und Zwangsarbeiter eingesetzt: Männer und Frauen, Jugendliche und Kinder aus mehr als
dreißig Nationen. Diesen Menschen ist dieses Museum gewidmet. Sie und ihre oft sehr prekären
Lebens- und Arbeitsbedingungen stehen dabei im Mittelpunkt. Die Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeiter haben damals gegen ihren Willen und unter unmenschlichen Bedingungen
das Fundament geschaffen für einen heute weltweit agierenden Konzern. Die vier aufeinander
aufbauenden Bereiche des Zeitgeschichte MUSEUMs gewähren umfassende Einblicke in das
menschenverachtende System der NS-Zwangsarbeit am Standort Linz. Mittels Audiodokumenten
erhalten die Opfer des Systems der NS-Zwangsarbeit eine Stimme, begleitet von umfangreichen
Erläuterungen, Bildmaterial und multimedialen Stationen. Basis dafür sind 38.000 NS-Lohnakten
und Personalbögen der Linzer Betriebe der Reichswerke Hermann Göring aus den Jahren 19381945.
Der Bereich I: Nationalsozialismus und Linz
Während der Zeit des Nationalsozialismus veränderte sich der Charakter der Stadt Linz
nachhaltig. Bereits 1938 wurde Linz zu einer der fünf „Führerstädte“ ernannt. Neben kulturellen
Prachtbauten, Verwaltungsgebäuden und Wohnsiedlungen für zehntausende Menschen sollte in
St.Peter-Zizlau ein Eisen- und Stahlwerk entstehen. Mit dem Spatenstich am 13.Mai 1938 begann
der Bau des Standortes Linz der „Reichswerke Hermann Göring AG Berlin“. Sowohl der Aufbau
der Hütte Linz, der Rüstungsbetriebe der „Eisenwerke Oberdonau“, der Stahlbau GmbH sowie
der Wohnbauten für die Bevölkerung von St.Peter-Zizlau und für inländische Beschäftigte war nur
durch den Einsatz zehntausender Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter möglich. Nach dem
Einstieg in die Thematik und dem einführenden Film zeigt dieser Bereich Originaldokumente und
Exponate aus der Zeit des Aufbaus der Hermann Göring Werke in Linz. Wie kam es überhaupt
zur Entstehung des größten NS-Industrieprojekts? Standortfragen sowie die Systematik der NSZwangsarbeit stehen im Fokus des ersten Bereichs.
Der Bereich II: Zwangsarbeit und ihre Erscheinungsbilder
Der zweite Bereich beschäftigt sich mit den Phasen der Rekrutierung der ausländischen
Arbeitskräfte, den verschiedenen Facetten und der Instrumente von Willkür und Unterdrückung,
sowie der Reglementierung des Arbeitseinsatzes. Wesentliche Kennzeichen der Zwangsarbeit im
Nationalsozialismus waren Strafe, Diskriminierung und Schädigung. Auch der Tod der
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurde in Kauf genommen. Mit dem Einsatz der
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter entstand ein menschenverachtendes System, das
ausländische Arbeitskräfte in hierarchische, teils nach rassischen Kriterien festgelegte, Gruppen
52
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
Blick in die Ausstellung / View into the exhibition (© voestalpine Stahlwelt GmbH)
Der Bereich III: Das menschliche Schicksal
Dieser Bereich ist den menschlichen Gruppen der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter
gewidmet. Das Schicksal der Zwangsarbeiterinnen und ihrer Kinder, der am stärksten
vertretenen Nationalitäten, der Kriegsgefangenen, der Polen und Ostarbeiter, der KZ-Häftlinge
und der Jugendlichen ist zentrales Thema dieses Bereichs. Gesprochene Erinnerungen und
Personalunterlagen veranschaulichen einmal mehr das System der NS-Zwangsarbeit am Standort
Linz. Aufgrund der spezifischen Form von Willkür und Unterdrückung, die jeder dieser Gruppe
widerfuhr, ist ihnen jeweils ein eigener Museumsteil zugeordnet.
Der Bereich IV: Zerstörung und Wiederaufbau
Die Zeit von den ersten Luftangriffen auf Österreich bis hin zur Befreiung von Linz durch die USArmee und dem beginnenden Wiederaufbau war für die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter
von dauerhafter Bedrohung und Ungewissheit gekennzeichnet. Nicht nur die immer härter
werdenden Arbeitsbedingungen sondern vor allem die Gefahr, die von den alliierten Luftangriffen
ausging, bestimmten deren Alltag. Mit der Befreiung am 5. Mai 1945 fand das Leid zehntausender
Menschen jedoch kein Ende. Als „displaced persons“ warteten Tausende auf den Rücktransport in
ihre Heimatländer. Dort angekommen, wurden viele von ihnen als Kollaborateure mit dem Feind
abgestempelt und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Eine späte Anerkennung erhielten
einige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter durch die Dokumentation und Veröffentlichung
ihrer Erinnerungen und Leidensgeschichten.
https://www.voestalpine.com/zeitgeschichte/Museum/
53
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
einteilte. Je nach Stellenwert innerhalb dieser Rangliste gestaltete sich auch die Rekrutierung
der Arbeitskräfte, die Unterbringung, Entlohnung und Verpflegung unterschiedlich. Repressionen
und willkürliche Bestrafungen standen vor allem für die schlechter gestellten Gruppen an der
Tagesordnung, mit der Erhöhung der Arbeitszeiten und des Leistungsdruckes im Verlauf des
Krieges ging man schließlich auch rigoros gegen jene Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter
vor, die sich ursprünglich freiwillig für den Einsatz im Deutschen Reich gemeldet hatten.
ÖGM-TAGUNG 2022
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Voest Zeitgeschichtemuseum
It is the sincere desire of voestalpine that the historical museum covering the time period between
1938 and 1945 will adequately remember the forced laborers under the NS regime and Reichswerke
Hermann Göring in Linz. Never before had more foreigners worked in Upper Austria than during
the NS regime: forced laborers citizens from foreign countries, concentration camp prisoners and
prisoners of war. One third of the people employed in 1943 in the Gau of Oberdonau (= Upper
Danube, the name of Upper Austria at the time) came from a foreign country. This number was
twice as high as in the rest of the German Reich. Beginning in 1938, an iron and steel works was
erected in Linz. It successively went into operation beginning in 1941. The works was not only
an over-dimensional prestige object of the NS regime, but it was also an essential contribution
to the national-socialistic arms industry. Tens of thousands of foreign forced laborers were used
in Linz to build and operate Reichswerke Hermann Göring. Men and women, young people and
children came from more than thirty different nations. The museum is dedicated to these people,
whose extremely precarious living and working conditions are in focus. Against their will and under
inhuman conditions, these forced laborers created the foundation of an internationally successful
group of companies. The four different areas of the museum provide comprehensive insights into
the inhuman system of forced labor under the NS regime at the Linz location. The victims of the
national-socialist regime‘s forced labor are given a voice by means of audio documentation that
is accompanied by a comprehensive series of explanations, visual materials and multi-media
stations. 38,000 personnel files and salary slips from the Linz operations of Reichswerke Hermann
Göring in the years from 1938 to 1945 form the basis of the museum.
Area I: National Socialism and Linz
The character of the city of Linz changed sustainably during the time of National Socialism. As
early as 1938, Linz was named one of the five cities of the Führer. An iron and steel works was
planned to be built in St. Peter-Zizlau next to cultural buildings of prestige, administration buildings
and residential housing areas for tens of thousands of people. Groundbreaking was held on 13
May 1938 and marked the beginning of construction at the Linz location of Reichswerke Hermann
Göring AG Berlin. Construction of the metallurgical plant in Linz, arms operations of the Upper
Danube Iron Works, Stahlbau GmbH and the residential buildings for the population of St. PeterZizlau and local employee, person employees would never have been possible without the forced
laborers. Following an introduction of the topics and the introductory video, this area displays
original documents and artifacts from the time of construction of Hermann Göring Werke in Linz.
How did the largest industrial project of National Socialism come to be? Location and forced labor
issues under the NS regime are the focus of the first area.
Area II: Forced labor and its many faces
The second area focuses on phases of recruiting of foreign man-power, the various facets and
instruments of despotism and suppression and the regimentation of work forces. Essential
characteristics of forced labor inNational Socialism were punishment, discrimination and injury
Even the death of the forced laborers was acceptable. The inhuman system of forced labor under
the NS regime categorized foreign workers into hierarchical groups that were often based on racist
motives. The recruiting, housing, salaries and meals of the forced laborers depended on their
position in a strictly defined hierarchical ranking system. Repression and arbitrary punishment
were held in store, especially for the more unfortunate groups. Their working hours were increased
and they were pressured into higher levels of performance. As the war progressed, those forced
laborers who had volunteered for service in the German Reich were treated even more rigorously.
Area III: Human Fate
This area is dedicated to the different categories of the men and women who were forced to labor.
The fate of the forced workers, prisoners of war, concentration camp prisoners, their children and
54
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
youth is the central theme of this exhibit. The most prominently represented nationalities were
Poles and people from other Eastern European countries. Spoken remembrances and personnel
documents show the system of forced labor under the NS regime at the Linz location of the
Hermann Göring works. Because of the specific form of arbitrary punishment and repression
imposed upon each of these groups, a topic category has been assigned to each of them in this
area.
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Area IV: Destruction and reconstruction
The time from the first air raids in Austria until the liberation of Linz by the US army and ensuing
reconstruction was a time of uncertainty and constant threat for the forced laborers. Not only did
the working conditions become more harsh, but the danger of the air raids flown by the allies
was much more of a threat. Liberation on 5 May 1945 did not put an end to the suffering of tens
of thousands of people who waited as displaced persons for return transportation to their native
lands. After they arrived home, many of them were labeled as collaborators with the enemy and
pushed to fringes of society. Many forced laborers were not recognized as such until much later
when documentation about their recollections and stories of suffering was published.
https://www.voestalpine.com/zeitgeschichte/en/Museum/
Blick in die Ausstellung / View into the exhibition (© voestalpine Stahlwelt GmbH).
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ÖGM-TAGUNG 2022
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
Das Kasernengelände Ebelsberg
Seit dem Frühjahr letzten Jahres steht das Gelände der ehem. Kaserne Ebelsberg im Focus
der archäologischen Forschungen. Soll doch hier ein neuer Stadtteil entstehen. Die NS-zeitliche
Planung der Kaserne sah im Einfahrtsbereich repräsentative, monumentale Torbauten vor, die
allerdings bedingt durch das Kriegsgeschehen baulich nicht mehr ausgeführt werden konnten.
Auf den zeitgenössischen Luftbildern sind die riesigen, offenen Baugruben zu erkennen, welche
zwischen 1945 und 1953 zugeschüttet wurden. Da genau hier eine großflächige Tiefgarage
errichtet werden soll, fanden bereits 2021 bauvorbereitende, archäologische Grabungen statt.
Aus dem Aushub konnten dabei sowohl kriegs-, als auch besatzungszeitliche Artefakte geborgen
werden. Das Spektrum reicht von Militaria, über KFZ-Teile (im Bereich der Kaserne unterhielt die
US-Army eine entsprechende Werkstätte), über Abbruchmaterialien der im Umfeld befindlichen
Holzbaracken, bis zu zahlreichen Kleinfunden. In 4 m Tiefe kamen massive Betonfundamente des
geplanten Torbaus ans Tageslicht. Neben Befunden und Funden im zeitgeschichtlichen Kontext
wurde im Kasernengelände noch ein römischer Brunnen, der mit keramischen Fehlbränden verfüllt
war, freigelegt. Weitere Zufallsfunde sind zu erwarten, da das in unmittelbarer Nähe gelegene
Mündungsgebiet der Traun als siedlungshistorisch bedeutsamer Raum angesehen werden muss:
Neben einem neolithischen Grab (Altfund) kam es 2021 im näheren Umfeld zur Entdeckung eines
frühbronzezeitlichen Spangenbarrendepots.
Wolfgang Klimesch
Ebelsberg, NS-Zeitliche Baugrube mit Fundamenten eines Tiefkellers / Ebelsberg, Nazi-period excavation
pit with foundations of a sub-cellar (© ARCHEONOVA, Wolfgang Klimesch).
The Ebelsberg barracks
The area of the former Ebelsberg barracks has been the focus of archaeological research since
the spring of 2021. A new urban district is to be built there. The Nazi planning of the barracks
envisaged representative, monumental arches as part of the entrance area, which, however,
could no longer be built due to the war. Contemporary aerial photographs show the huge open
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
EXKURSIONEN / EXCURSIONS
could no longer be built due to the war. Contemporary aerial photographs show the huge open
excavation pits, which were filled in between 1945 and 1953. Archaeological excavations in
advance of construction began in 2021 as a large underground car park is to be built on exactly
that spot. Artefacts from both the war and post-war occupation periods were recovered from the
excavations. The spectrum ranges from militaria to vehicle parts (the US Army had a workshop
in the area of the barracks), to demolition materials from the wooden barracks in the vicinity,
and numerous small finds. Massive concrete foundations of the planned entrance building came
to light at a depth of 4 m. In addition to features and finds from the 20th century, a Roman well
filled with ceramic wasters was uncovered in the barracks area. Further chance finds are to be
expected, as the Traun estuary in the immediate vicinity is a significant area in terms of settlement
history: A Neolithic grave is known, and an Early Bronze Age ingot depot was discovered in the
immediate vicinity in 2021.
Wolfgang Klimesch (Translation: Paul Mitchell)
Ebelsberg, geborgenes Fundmaterial, u.a. Holzvergaser / Ebelsberg, recovered finds, including woodgasifier (© ARCHEONOVA, Wolfgang Klimesch).
Literatur / Bibliography
Gottfried Artner / Christa Farka / Nikolau Hofer / Martin Krenn, Archäologische Untersuchungen im
ehemaligen Konzentrationslager von Mauthausen. In: Bundesministerium für Inneres (ed.): Das
Gedächtnis von Mauthausen. Wien 2004, S. 26–29.
Wolfgang Klimesch und Markus Rachbauer, Veritatem dies aperit – Vernichtet – vergraben – vergessen.
Archäologische Spurensuche in Schloss Hartheim. In: Brigitte Kepplinger, Gerhart Marckhgott, Hartmut
Reese (Hg.), Tötungsanstalt Hartheim, Linz 2008, S. 499-522.
Paul Mitchell, Bauarchäologie im Lagerkomplex Mauthausen-Gusen, Oberösterreich. In: Mitteilungen der
Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit 28, 2015, 181-186.
Claudia Theune, (Un)sichtbarkeiten. Aufgedeckte Spuren und Relikte. Archäologie im ehemaligen
Konzentrationslager Mauthausen. In: Daniela Allmeier / Inge Manka / Peter Mörtenböck / Rudolf Scheuvens
(Hg.), Erinnerungsorte in Bewegung. Zur Neugestaltung des Gedenkens an Orten nationalsozialistischer
Verbrechen (Transcript Verlag Bielefeld 2016) 199-218.
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ÖGM-TAGUNG 2022
TEILNEHMENDE / PARTICIPANTS
TEILNEHMENDE / PARTICIPANTS
wird ergänzt
to be added
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TEILNEHMENDE / PARTICIPANTS
DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
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ÖGM-TAGUNG 2022
NOTIZEN / NOTES
Notizen / Notes
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
NOTIZEN / NOTES
Notizen / Notes
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ÖGM-TAGUNG 2022
NOTIZEN / NOTES
Notizen / Notes
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DAS 19. UND 20. JAHRHUNDERT IM FOKUS DER HISTORISCHEN ARCHÄOLOGIE
NOTIZEN / NOTES
Notizen / Notes
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ÖGM-TAGUNG 2022
NOTIZEN / NOTES
Notizen / Notes
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Layout und Gestaltung:
Peter Hinterndorfer