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Paul Kußmaul (2007): Verstehen und Übersetzen. Ein Lehr- und Arbeitsbuch

2009, Lebende Sprachen

REZENSIONEN stand ein wichtiger Aspekt, und Studierende sollten früh lernen, wie man professionell seine Übersetzung begründen kann. Die Kapitel schließen jeweils mit Aufgaben ab, mit deren Hilfe die Studierenden ihr durch die Lektüre erlangtes Wissen erproben können. Die Lösungsvorschläge des Autors für die Aufgaben am Ende des Buchs dienen der Kontrolle des Erlernten. Der Begriff „Verstehen“ und seine Diskussion spielen in Kußmauls Erörterungen, wie der Titel des Buchs ja impliziert, eine wichtige Rolle. So heißt es in der Einleitung: Der Begriff ‚Verstehen‘ […] hat eine dynamische Komponente. Bei Verstehen laufen Prozesse in unserem Kopf ab, und bei Prozessen im menschlichen Gehirn kann man nicht mit Sicherheit sagen, wie das Ergebnis sein wird.[…] Die Alltagserfahrung zeigt, dass verschiedene Menschen ein und dieselbe Äußerung unterschiedlich verstehen, und Übersetzungen verschiedener Übersetzer zeigen, dass ein und derselbe Text unterschiedlich übersetzt und damit wohl auch unterschiedlich verstanden wurde. Paul Kußmaul (2007): Verstehen und Übersetzen. Ein Lehr- und Arbeitsbuch. Narr Studienbücher. Tübingen: gnv, ISBN 978-3-8233-6350-7, € 19,90 (D), Sfr 33,80, 217 Seiten. Das hier zu besprechende Buch sollte ursprünglich eine Weiterführung der Strategie der Übersetzung von Hans Hönig und Paul Kußmaul (1982; 32003) sein, doch es wurde ein anderes Buch daraus, ein Buch über Verstehen und Semantik, das Paul Kußmaul nach dem viel zu frühen Tod von Hans Hönig allein verfaßt hat. Das Buch versteht sich als Lehr- und Arbeitsbuch und wird diesem Anspruch vollkommen gerecht. In einer leicht verständlichen und klaren Sprache und mit einprägsamen, mitunter witzigen Beispielen, werden angehenden Übersetzern und Dolmetschern in logisch aufeinander folgenden Kapiteln die Herausforderungen ihres künftigen Berufs nahe gebracht und Strategien an die Hand gegeben, wie man diesen begegnen kann. Die Ausführungen zeugen von großer Fachkenntnis und Belesenheit, die der Leserschaft zugute kommt. Die Erklärungen werden immer wieder anhand von Bildern und Zeichnungen veranschaulicht. Zunächst werden gängige Übersetzungstheorien und ihre Entstehung skizziert, wobei der Autor dezidiert, aber behutsam seine eigene Meinung über bestimmte übersetzungswissenschaftliche Richtungen verdeutlicht. Immer wieder macht er auf die Verzahnung zwischen Theorie und Praxis aufmerksam und begründet sie. Zudem werden Themen wie Genauigkeit von Übersetzungen sowie Methoden für die Recherche und Textanalyse erläutert, die Beobachtung von Übersetzungsprozessen wird erörtert und die Kreativität des Übersetzens / der Übersetzer beleuchtet. Außerdem wird im Rahmen der Ausführungen über die „Übersetzung als professionelles Problemlösen“ (S. 161ff.) dem professionellen Argumentieren ein eigenes Kapitel gewidmet. Dies ist für den BerufsLebende Sprachen Nr. 2/2009 Auf der Grundlage dieser Feststellung geht er, wie zuvor schon gesagt, auf verschiedene Übersetzungstheorien und auch -strategien ein und betont, dass sich ein Übersetzer, während er übersetzt, in einer von einem normalen Leser und Rezipienten unterschiedlichen Situation befindet. So erklärt er: „Sein Verstehen eines Textes kann nie so unverbindlich bleiben, wie dies bei einem normalen Leser möglich ist. […] Ein Übersetzer muss Farbe bekennen und sein Verständnis schwarz auf weiß in der Zielsprache festhalten“ (S. 33). Sein Hinweis, dass die Bedeutungen, die sich in Wörterbüchern finden, potenzielle Bedeutungen seien, ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig. Auch spricht Kußmaul (S. 63) mit Wilss (2005:662) davon, es gehe beim Übersetzen um „Entscheidung unter Unsicherheit“ und gibt dem Leser Methoden an die Hand, wie solch typische translatorische Problemstellungen angegangen werden können. Im Kapitel über die Beobachtung von Übersetzungsprozessen (S. 91ff.) beschreibt Kußmaul deren Methoden und technische Möglichkeiten und gibt in detaillierter Form die Dialogprotokolle wieder, die er selbst im Lauf seiner Lehrtätigkeit erstellt hat. Sie stellen wertvolle Anhaltspunkte im Hinblick darauf dar, was in einem Übersetzer während des Übersetzungsvorgangs vor sich gehen kann. Die Dialogprotokolle und ihre Interpretation sind sehr ausführlich, hätten aber auch kürzer ausfallen können ohne an Informationswert einzubüßen. Wie es um die Kreativität des Übersetzers und der Übersetzung steht, wird in Kapitel 6 näher beleuchtet. Kußmaul führt aus, man könne von einer kreativen Übersetzung sagen, sie sei sowohl funktionsadäquat als auch eine Modifikation des AT. Hierbei wird die ursprüngliche Funktion des AT als auch für den ZT als gegeben angenommen (vgl. S. 122). Die kreative Übersetzung, so Kußmaul, sei ein bewußt eingesetztes Mittel, das bei genauerem Hinsehen gar nicht so mystisch ist, wie es oft beschrieben wird. Kurzum: Den Studierenden des Fachs ein möglichst breites Wissen bezüglich verschiedener Translationsstrategien und -theorien nahe zu bringen und vor allem auch praktische Lösungsansätze sowohl bei der Erstellung einer Übersetzung als auch bei seiner Begründung zu vermitteln, ist Kußmaul sehr gut gelungen. Das Buch ist jedem angehenden Übersetzer, aber auch allen Lehrenden des Fachs daher sehr zu empfehlen. Ruth Katharina Kopp DOI Nummer/les.2009.023 Brought to you by | University of Michigan Authenticated Download Date | 6/12/15 7:55 PM 95