in this series
02 Stefan Georg
M arphatan Thakali
Untersuchungen zur Sprache des Dorfes
Marpha im Oberen Käü-Gandaki -Tal/Nepal
forthcoming
01 Karen Ebert
Athpare
03 Tsutomu Akamatsu
Japanese Phonetics.
Theory and Practice
Marphatan Thakali
Untersuchungen zur Sprache des Dorfes
M arpha im Oberen Käli-Uandaki -Tal/Nepal
Stefan Georg
LINCOM Studies in Asian Linguistics 02
1996
LINCOM EUROPA
München - Newcastle
Published by LINCOM EUROPA, München, Newcastle, 1996.
All correspondence concerning LJNCOM Studies in Asian Linguistics should be
addressed to:
LINCOM EUROPA, P.O. Box 1316,
Germany.
[email protected]
D-85703
Unterschleissheim/München,
Scientific A dvisory B oard o f LSASL:____________________________________________________
RANDY L. L aPOLLa University of Taipei - C haofen Sun University of California, Stanford CHUNGMIN LEE University of Seoul - Karen E bert University of Zürich - M asayosHI Shibatani
University of Kobe - SUN HoNGKAl University of Beijing - G. Dif FLOTH Comell University GEORGE VAN D rIEM University o f Leiden - ANDREI L. MALCHUKOV University of St. Petersburg
T asAKU T sunoda University of Tokyo Ja m e s A. MATISOFF University of California, Berkeley.
All rights reserved, including the rights of translation into any foreign language. No
part of this book may be reproduced in any way without the permission of the
publisher.
Printed in Germany
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Georg, Stefan:
Marphatan T hakali: [Untersuchungen zur Sprache des Dorfes
Marpha im Oberen Käli-Gandaki -Tal/Nepal] / Stefan Georg. München [i.e.] Unterschleissheim ; Newcastle : LINCOM
EUROPA, 1996
(LINCOM studies in Asian linguistics ; 02)
Zugl.; Bonn, Univ., Diss., 1995
ISBN 3-89586-098-0
NE: GT
British Library Cataloguing in Publication Data
A catalogue record for this book is availabie trom the British Library
Printed on chlorine-free paper
I
Inhaltsverzeichnis
I.
Einleitung
1
1.1.
Allgemeines zur Thakali -Sprache
4
1.1.1.
1.1.2.
1.1.3.
Verbreitung, Sprecher, Historisches
4
Forschungsgeschichte
Die sprachgenetische Einbettung des Thakali
9
10
1.2.
Zum Aufbau der Grammatik
14
1.2.1.
1.2.2.
ZurVerschriftung
15
Zu den Interlinearglossierungen und Übersetzungen
16
II.
Phonologie
19
II. 1.
Das segmentale Inventar
19
I I . l . 1.
Vokalismus
19
11*1.1.1.
I I . l . 1.2.
Phonembestand
Diphthongähnliche Sequenzen
28
I I . l . 1.3.
Minimalpaare
30
I I .l.2.
Konsonantismus
33
II. 1.2.1.
Phonembestand
33
I I.1.2.2.
Minimalpaare
44
II.2.
Phonotaktik
49
II.2.1.
Silbenstruktur
49
11*2.2.
Phonemverteilung
II.2.2.1.
Vokale
52
52
II.2.2.2.
Konsonanten
54
II.2.3.
Assimilatorische Prozesse
61
II.3.
Suprasegmentale Phänomene
61
II.3.1.
Das tonale System
61
II.4.
Das phonologische System in Lehnwörtern
71
III.
Morphologie
74
III. 1.
III.1.1.
Nomen
Numerus
74
74
III.1.2.
Kasus
78
III.1.2.1.
Absolut! v
79
III.1.2.2.
Genitiv
82
III.1.2.3.
Dativ
86
19
n u . 2 .4 .
Lukativ
90
III.1.2.5.
Ablativ/Ergativ/Instrumental
92
II
Komitativ
95
"Komparationskasus"
96
Nominale Wortbildung
96
Suffixale Ableitung
Nominalkomposition
Adjektiv
97
Pronomen
105
Personalpronomen
105
98
100
Demonstrativpronomen
107
Interrogativpronomen
108
Indefinitpronomen
113
Verbum
114
Finite Verbalformen
115
Affixlose Verbalwurzel
115
-ci
-pa
117
-ci m ul
-si m u1
-pa nm ‘-ci
-ci m u^ci
-si mu'-ci
118
120
Finite Verbalformen mit Modalpartikeln
122
Imperativ, Adhortativ und Prohibitiv
123
Interrogative Verbalformen
125
Nichtfinite Verbalformen
127
Das kopulative Konverb -si
127
Das konditionale Konverb -janse
129
Das Verbalnomen *pa
Der Infinitiv -la(A )
131
118
120
121
121
135
"Diathesen"
137
Das Verbum jer4 "gehen"
139
Honorifikative Verben
Kopulae
140
141
Adverbien und Postpositionen
144
Adverbien
144
III
III.5.1.3.
Modaladverbien
148
III.5.2.
Postpositionen
152
III.6.
Numeralia
156
III.6.1.
III.6.2.
Kardinalia
Ordinalia
156
159
III.6.3.
Distribuliva
160
III.7.
Partikeln
160
IV.
Syntax
163
IV. 1.
Die Nominalphrase
163
IV.1.1.
IV .1.1.1.
Modifikatoren
165
Spezifikatoren
165
IV. 1.1.2.
Quantifikatoren
Numeralia
167
IV.1.1.3.
IV. 1.1.4.
Universale Quantifikatoren
168
IV.1.1.5.
Graduelle Quantifikatoren
170
IV. 1.1.6.
"Pseudoparti tive"
172
IV .1,1.7.
Appositionen
172
IV .1.1.8.
Adjektive
173
IV .1.2.
Komparation
Die Struktur des einfachen Satzes
175
IV.2.
IV.3.
167
176
Die Ergativkonstruktion
185
IV. 4.
Adverbiaiia
196
IV.5.
Kopulasätze
201
IV.5.1.
201
IV.5.4.
mu1
imu3
a3 re 2
ta1- als Kopula
IV. 5.5.
IV.6.
Prädikative Partikeln
Koordination von Syntagmen und Sätzen
204
206
IV.7.
Relativsatz
208
IV.8.
Gliedsatz
211
IV.8.1.
Objektsatz
211
IV.8.2.
Adverbialsatz
217
IV.8.2.1.
Temporalsatz
218
IV.8.2.2.
Kausalsatz
220
IV.5.2.
IV.5.3.
202
203
203
IV
IV.8.2.5.
Konzessivsatz
221
IV.9.
Interrogativsatz
222
IV.9.1.
Entscheidungsfragen
222
IV.9.2.
Pronominalfragen
224
V.
Texte im Dialekt von Marpha
229
V .l.
Der Nordwind und die Sonne
229
V. 2.
Dasain
230
V .3.
Termi
V.4.
Der Yeti in Marpha
233
236
V.5.
Prithivin NarayanShah
238
V.6.
Unsere Vorfahren
241
V.7.
TiharParba
244
V.8.
Das Huhn, das goldene Eier legte
246
V.9.
Die kluge Ziege
250
V.10.
Der gierige Hund
254
V .ll.
Siddhartha Gautama
257
V.12.
Der dumme Fuchs
262
V.13.
Dorfadministration
267
V.14.
Familientreffen
271
V.15.
Hase und Schildkröte
273
V.16.
Tod und Verbrennung
277
V.17.
Ein Gespräch Uber urbane Themen
281
VI.
Glossar mit sprachvergleichenden Anmerkungen
284
VI. 1.
Vorbemerkungen zur Gestaltung des Glossars
284
VI.2.
Thakali - Deutsch
287
VI.3.
Deutsch-Thakali
371
VII.
Literaturverzeichnis
401
1
I.
Einleitung
Die vorliegende Arbeit, die im Sommer 1995 von der Philosophischen Fakultät der Universität
Bonn als Dissertation angenommen wurde, versucht,
einen Abriß der wichtigsten
sprachlichen Phänomene der Thakali-Sprache des Dorfes M arpha im DhaulagiriDistrikt/Nordwest-Nepal zu bieten. Das gesamte der Beschreibung zugrundeliegende Material
wurde während mehrerer Feldkampagnen vor Ort gesammelt und auf Tonband aufgezeichnet,
Die Datenerhebungen, die diese Arbeit ermöglichten, wurden in den Jahren 1992-94 im
Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Schwerpunktprogramms
"Staaten bildung und Siedlungsprozesse im tibetischen Himalaya" durch geführt. Das
Teilprojekt "Toponymie M ustangs” verfolgt dabei das Ziel, durch Erfassung und
vergleichende Analyse der Ortsnamen des von Tibetern bewohnten Baragaon und des oberen
Thak Khola die Frage zu klären, ob in dieser Region vorhistorische nichttibetische Ethnien
identifizierbar sind. Zunächst war es beabsichtigt, die bislang noch völlig undokumentierte
sog. "Seke"- (se-skad ) Sprache der Dörfer Tsuk, Tangbe und Tetang im Ausländem nur
schwer zugänglichen Königreich Nord-Mustang aufzuzeichnen, da lokale Traditionen eine
Schlüsselrolle dieser Sprachform für das Untersuchungsziel des Projektes erwarten ließen. In
den Herbstmonaten des Jahres 1992 konnte ein erster Kontakt mit Sprechern des Dialekts von
Tetang hergestellt werden, die vorübergehend in dem Verwaltungszentrum Jomsom lebten. Es
stellte sich schnell heraus, daß die dort gesprochene Sprache sich kaum mehr als in
Einzelheiten von der Thakali-Sprache der sich südlich anschließenden Region unterscheidet.
Hingegen werden die Bewohner der genannten Dörfer von den Thakali nicht als Angehörige
ihres Ethnos akzeptiert und lehnen es auch selbst ab, als Thakali bezeichnet zu werden. Auch
in kultureller Hinsicht scheinen sie ihrer tibetischen Umgebung stark angepaßt zu sein. Im
Dialekt von Tetang, den ich zusammen mit denen von Tsuk und Tangbe trotz der ethnischen
Problematik aus sprachlichen Gründen als Nord-Thakali bezeichnen möchte, konnte eine
größere Menge von Einzelsätzen, zusammen mit längeren Wörterlisten, erhoben werden,
deren Bearbeitung sich in Vorbereitung befindet.
Während der sich Anfang 1993 anschließenden Feldkampagne konnte der Kontakt zu den
Tetang-Informanten nicht fortgesetzt werden, auch war es nicht möglich, Nord-Mustang selbst
zu besuchen. Die bereits festgestellte Zugehörigkeit d e r 11Seke11-Dialekte zur Thakali-Sprache
ermöglichte es aber, die Untersuchungen auf andere Varianten dieser Sprache zu stützen. Die
Wahl fiel dabei auf das Dorf Marpha. Unter allen Varianten dieser Sprache weist die dort
gesprochene Form die größte Nahe zu denen des nördlichen Mustang auf, einige der den
2
Dialekten von Marpha und Tetang gemeinsamen Züge können dabei klar als gemeinsam
bewahrte Archaism en (wobei es sich hauptsächlich um erhaltene konsonantische
Anlautgruppen handelt) angesehen werden, die sich im Dialekt von Tukche und Jomsom nicht
mehr finden. Darüber hinaus werden auch die Bewohner Marphas von den "eigentlichen"
Thakali nicht als Angehörige dieses Ethnos akzeptiert, während sie sich selbst aber durchaus
als Thakali bezeichnen. Während der folgenden beiden Feldkampagnen, die 1993 und 1994
stattfanden, konnte in Marpha dann das Sprachmaterial erhoben werden, das die Grundlage
der vorliegenden Arbeit bildet.
Ihre Fertigstellung wäre ohne die Mithilfe zahlreicher Personen nicht möglich gewesen, denen
mein tief empfundener Dank gilt. Zunächst erwähne ich hier Prof. Dr. Michael Weiers, der
spontan bereit war, sie als Dissertation anzunehmen. Prof. Dr. Roland Bielmeier machte mich
auf die linguistische Situation im Käli-Gandaki-Tal aufmerksam, führte mich in die Region
ein und ermöglichte m ir die Mitarbeit im Projektschwerpunkt „Staatenbildung und
Siedlungsprozesse im tibetischen Himalaya“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft unter
seiner Leitung. Prof. Dr. H.R. Kämpfe danke ich für seine Hilfe in Computerdingen, aber
auch dafür, daß ich das Entstehen seiner Grammatik der tschuktschischen Sprache während
einer für mich entscheidenen Arbeitsphase miterleben konnte. Robert Oberheid M.A. half mir
in schwieriger Situation in ausgesprochen uneigennütziger Weise, wofür an dieser Stelle
besonders gedankt sei. Die persönliche Unterstützung durch meine Eltern ging über das Maß
hinaus, das man in wenigen Dankesworten würdigen kann.
Die zahlreichen Personen in Nepal, deren Hilfe in jeder Arbeitsphase unentbehrlich war, sind
unmöglich aufzuzählen. Genannt seien hier Vishnu Prasad Shreshtha und Sushil Shreshtha in
Patan/Lalitpur, Nirmal Gauchan, Lakshmi Gauchan und Norvin Sherchan in Jomsom, sowie
Angye Gurung in Dzarkot. Schließlich die Bewohner von Marpha, deren Sprache Gegenstand
dieser Arbeit wurde und für die mir die in der Linguistik übliche technisch-distanzierte
Bezeichnung „Informanten“ nicht geeignet erscheint. Allen voran ist hier Ganendra Lalchan
zu nennen. E r verbrachte ungezählte Stunden damit, mir meine Fragen zu beantworten und
stand mir neben seiner Tätigkeit als Lehrer und Assistent der local headmen des Dorfes wann
immer möglich zur Verfügung. Die auf den folgenden Seiten beschriebene Variante des
Thakali ist im wesentlichen seine Sprache. Jem Hirachan erwies sich als phonetisches
Naturtalent und konnte mich vor manchem Irrweg bewahren. Suvarna Hirachan und Nora
Hirachan danke ich für ideale Arbeitsbedingungen in ihrem Hause und dafür, daß sie ständig
Thakali mit mir (oft genug leider nur zu mir) sprachen. Bhakti Hirachan schließlich war mir in
organisatorischen Dingen eine unentbehrliche Hilfe.
3
Schließlich danke ich den regelmäßigen Teilnehmern des "Inoffiziellen Bonner
Linguistenarbeitskreises" für ihre stete Diskussions- und Kritikbereitschaft, aber auch dafür,
daß sprachwissenschaftliche Fragen nicht die einzig denkbaren Gesprächsthemen der
wöchentlichen Convivien sind. Erwähnt seien hier Dr. Johannes Helmbrecht M.A., Dr.
Graham Isaac, Ina Lucht M.A., Dr. Ursula Marmd, Peter Raulwing, Prof. Dr. Wolf gang
Schulze, Uwe Seefloth, Dieter Stern M.A., Melanie Suchy-Stankovic M.A. und Prof. Dr.
Nico Weber.
4
1.1.
Allgemeines zur Thakali-Sprache
1.1.1.
Verbreitung, Sprecher, Historisches
Das Dorf M arpha1 (thak, m iri3 ) liegt im oberen Tal des Käli-Gandaki (Thak-Khola),
Dhaulagiri-Distrikt/Nepal, etwa eine Stunde Fußmarsch südlich des Verwaltungszentrums
Jomsom und zwei Stunden nördlich von Tukche, dem Hauptort der Tamang Thakali. Die etwa
eintausend Einwohner dieses Ortes*2 bezeichnen sich selbst als Thakali, werden aber von den
sich südlich anschließenden Tamang Thakali (von Tukche bis Ghasa unter Einschluß der
nördlich von Marpha liegenden jungen Siedlung Jomsom3) nicht als diesem Ethnos zugehörig
anerkannt. Dennoch ist ihre Sprache, deren Bestand besonders in der Generation der unter
zwanzigjährigen von der Nationalsprache Nepali stark bedroht ist, unzweifelhaft als ein
eigenständiger Dialekt des Thakali anzusehen. Neben den thakali sprachigen Bewohnern
Marphas, die die soziale, administrativische und wirtschaftliche Elite des Dorfes bilden, lebt
auch eine beträchtliche Zahl von Angehörigen niedriger Hindukasten, wie etwa der der
Schmiede (nep. käm i) und Schneider (nep. damäf) ständig dort.
Südlich liegt Tukche, das aus hauptsächlich ökonomischen Gründen als "Hauptort" der
Thakali, die sich hier Tamang nennen, betrachtet wird. Hier haben die vier Clans ihre Heimat,
die Anspruch darauf erheben, als einzige die Bezeichnung Thakali (die indo-arischer
Herkunft ist und in Tukche nur verwendet wird, wenn man Nepali spricht) führen zu dürfen4.
*Der N am e Marpha ist aus der lokalen Bezeichnung manJ nepali siert (in ganz N epal existieren mehrere
Ortschaften gleichen Namens, so etwa im Jumla-Distiikt). D ie thakalische Bezeichnung kann als Lok. zu einem
Nom en *ma "unten" gedeutet werden. Hierfür spricht u.a., daß der Name keinen eigenen Lok. mit lokativischer
oder direktivis eher Funktion büdet (*mtbi3-n ): /rirfri* "Marpha, in Marpha, nach Marpha", vor allem aber die
Tatsache daß ca. zweihundert Höhenmeter oberhalb der heutigen Siedlung sich "Alt-Marpha" (thak. täman4 oder
a m 3}, befindet, das nach der einheimischen Tradition der frühere Wohnort der Marphatan war, heute jedoch
lediglich für Obstplantagen genutzt wird. D ie Bezeichnung Marphatan enthält das nur für Ethnika gebrauchte
Suffix -tan , das, an einen Ortsnamen angefugt, jeweüs die an diesem Ort heimische Menschengruppe bezeichnet
(vgl. VON DER HEIDE 1 9 8 8 ,4 ”Thintan, Syangtan, Chimtan (...) thak.: those who come from Thini, Syang and
Chimang "). In dieser Arbeit, die ausschließlich der Beschreibung des Thakali-Dialektes von Marpha gewidmet
ist, wird für diese Sprache der Kürze halber einfach von Thakali gesprochen. M üssen sprachliche Tatsachen
anderer Dialekte erwähnt werden, tritt die Bezeichnung des jeweiligen Ortes verdeutlichend hinzu.
2V gl. VON DER HEIDE 1988, 4: " (...) allowing one to set the appproximate mimber o f persans at 1000
Mawatans (= Marphatan, St.G.)". Die Gesamtzahl der Thakali-Sprecher gibt der Zensus von 1981 m it 5289 an.
Es ist nicht Mar, ob die Marphatan in dieser Zahl enthalten sind (S HRESTHA /SlNGH 1992, 156). Gegenüber
1961 (4134 Sprecher, vgl. BlSTA 1987,87) ist hier ein leichter Anstieg beobachtbar.
3 V gl. die Kartenskizze auf Seite 8.
4D ie vier Tamang-Thakali-Clans sind Gauchan, Tulachan , Sherchan und Bhattachan . D ie Nam en sind
Indisienmgen/Nepalisiemngen der ursprünglichen Namen (gleiche Reihenfolge) Cyogi , S algi , Dhimchan und
Bhwgi (hier nach VON DER HEIDE 1 9 8 8 ,5 1 f., die dort zitierte Etymologie des diesen Namen gemeinsamen
Elementes -gi von VlNDINO 1981, 208 [non vidi] vermag nicht zu überzeugen). D ie Tendenz, nepalesisch
5
Gern verw eisen die Tam ang-Thakali auf eine angebliche etym ologische (und
konsequenterweise auch genealogische) Verbindung mit der Hindu-Kaste der Thakuri 5. Die
südliche Grenze des Thakali-Sprachgebiets wird von dem Ort Ghasa gebildet. Während die
Dialekte zwischen Tukche und Ghasa (unter Einschluß der jungen Siedlung Jomsom im
Norden) als relativ einheitlich beschrieben werden, weisen die thakalisprachigen Dörfer
zwischen Tukche und Jomsom (Marpha, Syang, Thini) sowohl untereinander, als auch zum
Tamang-Thakali größere sprachliche Unterschiede auf6, ohne daß allerdings die gegenseitige
Verständlichkeit aller dieser Varianten (einschließlich der des nördlichen Mustang) jemals
gefährdet wäre. Südlich von Ghasa schließt sich im weiteren Verlauf des Käli-Gandaki-Tals
das Sprachgebiet des Magar an, die nördlichen Nachbarn der Thakalä sind Sprecher des
Mustang-Tibetischen (im Baragaon und in Nord-Mustang bis nach Lo-Mantang an der
Grenze zum Autonomen Gebiet Tibet der VR China).
Ähnlich wie bei den Tamang-Thakali ist auch das Ethnos der Marphatan in vier Clans
gegliedert, die der Hiraehan , Lalchan , Juharchan und Pannachan 7, die theoretisch als
exogame Gruppen89konstituiert sind. Hierbei bilden aber die beiden kleinsten Clans der
Juharchan und Pannachan eine eigene exogame Gruppe, was auf eine rezente Aufspaltung
schließen läßt?.
Das Wirtschaftsleben Marphas ist hauptsächlich vom Ackerbau (Gerste, Buchweizen, Weizen,
wenig Mais) geprägt. Seit einigen Jahrzehnten ist Obstbau (Aprikosen, Pfirsiche, Äpfel) in der
Region heimisch, besonders in Marpha werden mehrere Sorten von Obstschnäpsen hergestellt
und bereits m it einigem Erfolg verkauft, Viehzucht hat nur geringe Bedeutung, die
Handelsaktivitäten der Marphatan erreichen nicht das Ausmaß derjenigen der Tamang
indische Namen und hinduistische Bräuche anzunehmen, bzw. sich selbst in das H indu-K astensystem
einzuordnen, ist im Zusammenhang mit dem in den meisten Regionen Nepals zu beobachtenden Prozeß der
Assimilation nichtarischer Ethnien an die in Nepal dominante Hindu-Gesellschaft (sanskritizalion ) zu sehen. D ie
graduelle A ufgabe der Muttersprache zugunsten des Nepali ist ein unvermeidlicher Begleitumstand dieser
Tendenz.
5Über die lokale Tradition hinsichtlich der Herkunft der Thakali vgl. besonders GAUCHAN/V INDING 1977.
6HARI 196 9 , 2: "ln Ihe viUages between Jomosom andTukehe, different dialects arespoken, whitefront Tukche
down to Ghasa the language seems to be quite uniform, with only small local dfferences
7Die Thakali-Namcn sind (in gleicher Reihenfolge): Puta , Rhoten , Gumli Thowa und Gumli Cyungpa (VON
DER HEIDE 19 8 8 ,5 5 in dortiger Verschriftung).
8D ie Gesamtheit dieser Clans gilt als endogame Gruppe, mithin jede Eheschließung m it einem Partner von
außerhalb (auch etwa einem/r Tamang-Thakali) als intercaste-marriage , die theoretisch ausgeschlossen ist,
praktisch aber durchaus vorkommt.
9Von den Tamang Thakali wird den Marphatan oft vorgeworfen, neben zahlreichen Einzelheiten der
Lebensweise auch ihre Clanstmktur zu imitieren, um illegitimenveise als Thakali gelten zu können. Ein Indiz
dafür sei diese lediglich theoretische Aufspaltung des kleinsten Clans, sowie auch die Annahme nepalesischer
Clannamen, die bei den Tamang Thakali am Anfang dieses Jaiirhunderts begann, in Marpha hingegen erst seit
wenigen Jahrzehnten üblich ist (VON DER HEIDE 1 9 8 8 ,5 1 ,55f.).
6
Thakali, deren Geschäftstüchtigkeit und Wohlstand in Nepal sprichwörtlich sind. In den
letzten Jahrzehnten spielt der stetig anwachsende Hochgebirgstourismus (Thak Khola ist die
nach dem Everest-Gebiet/Ost-Nepal meistbereiste Region des nepalesischen Himalaya) eine
immer größere Rolle. Durch den Flugplatz in Jomsom ist hier für viele Reisende der
Ausgangs- und Endpunkt des äußerst beliebten Annapurna Circuit. Viele Bewohner Marphas
haben ihre an der Hauptstraße gelegenen Wohnhäuser zu Bhattis (Pensionen, Restaurants)
ausgebaut und leben in zunehmendem Maße von der Beherbergung und Bewirtung
ausländischer Touristen. Die noch vor wenigen Jahren große Zahl von Antiquitäten- bzw.
Souvenirläden, die von tibetischen Flüchtlingen aus der VR China und ihren in Nepal
aufgewachsenen Nachkommen betrieben wurden, war im Sommer 1994 verschwunden, da der
wirtschaftliche Erfolg der Tibeter offenbar zu ethnischen Spannungen geführt hatte.
Unter der jüngeren Generation der Bewohner des Thak Khola (wie auch anderer Regionen
Nepals) ist es nicht selten, einige Jahre als Gastarbeiter in Japan oder Südkorea zu verbringen,
um sich anschließend in Kathmandu oder Pokhara niederzulassen.
Unter diesen ökonomischen Bedingungen nimmt der Gebrauch der Muttersprache im täglichen
Leben stetig zugunsten des Nepali ab. Während in Tukche beobachtet werden konnte, daß
auch Kinder noch völlig geläufig Thakali sprechen, stellt die Beherrschung dieser Sprache in
Marpha bereits bei den unter Zwanzigjährigen die Ausnahme dar. Selbst mit Sprechern des
Tamang Thakali wird häufig Nepali gesprochen, bei allen die Dorfadministration betreffenden
Versammlungen dominiert ebenfalls schon die Staatssprache. Viele Marphatan, besonders
natürlich der jüngeren Generation, sprechen gut englisch und können hinsichtlich ihrer
Lebens planungen als "landfluchtorientiert" bezeichnet werden. Bei den Kindern der
wohlhabenderen Familien ist der Besuch weiterführender Schulen in Pokhara oder Kathmandu
und anschließendes Studium bzw. Berufsausbildung in Indien häufig.
Ansätze zur Schriftlichkeit der Thakali-Sprache gingen bislang ausschließlich von den
Tamang Thakali in Tukche und der Diaspora in Kathmandu aus. Hierbei sind zwei Phasen zu
unterscheiden: Zum einen existieren bei den vier Tamang-Thakali Clans Familienchroniken,
die sogenannten Rhab (tib. rabs "lineage, succession of families, race, family"), die, von
mythischen Anfängen ausgehend, die Geschichte der einzelnen Clans berichten. Exemplare
dieser Chroniken werden gewöhnlich unter Verschluß gehalten und alle zwölf Jahre zum
wichtigsten kultischen Ereignis der Thakali, dem Uta Phewa 10, rezitiert. Während die genaue
Entstehungs- bzw. Kodifizierungszeit dieser Chroniken nicht bekannt ist, steht fest, daß gegen
Ende des 19. Jahrhunderts die ursprünglich in tibetischer Schrift verfaßten Texte von Moni1
1®Vgl. hierzu ausführlich VlNDING 1992.
Räj Gauchan bearbeitet und in die Devanägaii-Schrift übertragen wurden u . Ein modernerer
Ansatz, die Thakali-Sprache auch als schriftliches Medium zu verwenden geht hauptsächlich
von in Kathmandu lebenden Tamang-Thakali aus. Zum Lha Phewa 1992 wurde dort ein
Faszikel einer wohl als Zeitschrift gedachten Publikation unter dem Titel
(Khänlo,
ein traditionelles Schmuckstück der Tamang-Thakali Braut) publiziert, der neben zahlreichen
Artikeln, persönlichen Reminiszenzen etc. in Nepali auch einige Gedichte in Thakali-Sprache
(Devanägaii-Schrift) enthält. Wohl aus den 80-er Jahren stammt ein kurzes Nepali-Thakali
Glossar, das ebenfalls in Kathmandu publiziert wurde*12. Soweit bekannt, werden alle diese
Bestrebungen von offizieller nepalesischer Seite nicht unterstützt, Schulunterricht in Thakali
findet nirgends statt, auch existiert kein Rundfunkprogramm o.ä. in dieser Sprache.
Die Thakali, besonders ihre von zahlreichen Fremdeinflüssen geprägte und sich einer simplen
Klassifizierung (etwa als buddhistisch, hinduistisch, schamanistisch o.ä.) entziehende
Religion, sind Gegenstand einer reichen anthropologischen und ethnologischen Literatur.
Einen vollständigen Überblick liefert VINDING 1985. Die wichtigsten neueren Darstellungen
sind VON DER HEIDE 1988 und RAI 1994.
IlZu diesen Texten vgl. die Beschreibung und inhaltliche Paraphrase bei GAUCHAN/VINDING 1977.
I2TULACAN O.J.
8
Die Abbildungen entstammen B.
1988,16v( unten).
SCHMIDT,
1992-93, 20-33 (oben) und
VO N DER HEIDE
9
1.1.2.
F o rsch u n g sg esch ich te
Die ersten wissenschaftlichen Nachrichten über die Thakali-Sprache stammen von Brian
Houghton HODGSON, einem der Begründer der Ethnographie und Sprachwissenschaft Nepals,
der 1857 eine kurze Wörterliste in der Sprache d e r" Thäk'sya ", zusammen m it dem genetisch
mutmaßlich isolierten Kusünda und den indo-arischen Sprachen Pdk'hya 13 und Thäru 1314
herausgab15. Es handelt sich dabei um kaum mehr als zweihundertundfünfzig Wörter, die in
einer noch sehr impressionistischen Verschriftung in onomasiologischer Anordnung geboten,
werden. Bei aller Unvollkommenheit der Sprachmaterialien aus dieser Z eit ist die
Individualität dieser Sprachform klar erkennbar und die Identifizierung von HODGSONs
Thäk'sya mit unserem Thakali zweifelsfrei möglich. Diese Liste ist mit derjenigen identisch,
die in das Kompilat von HUNTER16 Eingang gefunden hat. BEAMES 1867 blieb unzugänglich,
so daß nicht entschieden werden kann, ob die dort verzeichneten Thakali-Wörter1718auf eigenen
Erhebungen basieren oder ebenfalls von HODGSON stammen.
Auch die Daten des Linguistic Survey of!ndial% fußen ausschließlich auf diesem Material, das
"Our Information about the
Thaksyas and their language is very unsatisfactory. I am unable to decide whether the dialect
belongs to the pronominaüzed or to the non-pronominalized d ass \ In Band I/II des Survey ,
der das Comparative Vocabulary enthält19, findet Tkaksya/Thakali keine Berücksichtigung
KONOW ( apud GRIERSON p. 406) wie folgt charakterisiert:
mehr.
Thakali-Wörter finden sich auch in
SHAPER
1955 und 1966-74. Obwohl die Verschriftung
leicht abgeändert wurde, ist erkennbar, daß auch diese Materialien direkt von HODGSON
abhängig sind.
Erst mehr als hundert Jahre nach
Ho d g so n
setzt die Beschäftigung mit dem Thakali erneut
ein. Im Rahmen eines Forschungsprogramms des Summer Institute o f Linguistics (SIL) zur
Erstellung linguistischer Materialien für die meisten unbekannten Sprachen Nepals entstehen
die deskriptiven Arbeiten von
HARI20,
bestehend aus einem onomasiologisch orientierten
13= Pahari. Diese allgemeine Bezeichnung C'Berg-Spiache") dient heute als Benennung einer Untergruppe der
Indo-Arischen Sprachen, zu der auch das Nepali gehört. D ie durch die von HODGSON auf gezeichnete
Wörteriiste repräsentierte Sprache ist in moderner Tenninologie am ehesten als Kumaoni zu bezeichnen.
14Heute als Variante des Bhojpuri betrachtet, gesprochen im Terai.
15HODQSON 1857.
t6HUNTER 1868
17Vgl. GRIERSON 1908,406
18GR]ERSON 1 9 0 8 ,406f., der Band ist im wesentlichen von St. KONOW besorgt worden.
19GR]ERSON 1928
20HAR1 1969,1970 a.b, c, 1971 a,b
10
Glossar, einigen Texten, sowie Spezialstudien zur Phonologie und Tonologie des TukcheDialekts. Die Thakali-Lemmata in den vergleichenden Wörterlisten des SIL21 stammen
ebenfalls von HARI.
Sämtliche Untersuchungen des SIL befassen sich ausschließlich mit dem Dialekt derTamangThakali (bzw. der Variante von Tukche). Die einzige linguistische Arbeit, die ausdrücklich
auch M aterialien des Marpha-Dialekts berücksichtigt, ist der wichtige A ufsatz von
M ä ZAUDON
1978. Dort werden ca. 65 Wörter aus Marpha mitgeteilt und die phonetische
Basis des Tonsystems detailliert untersucht.
1.1.3. Die sprachgenetische Einbettung des Thakali
Der Linguistic Survey oflndia kann aufgrund der Spärlichkeit des seinerzeit verfügbaren
Materials lediglich feststellen, daß das Thakali zu den Tibeto-Birmaniscken Sprachen gehört,
eine genauere Subklassifizierung wird dort noch nicht versucht22. Bei SHAEER (1955, 196674) findet sich dann die Feststellung, daß das Thakali zusammen mit dem Gurung und
Tamang (letzteres dort nach dem Vorgang von GRIERSON und HODGSON noch als Murnti
bezeichnet) eine engere Untergruppe des Tibeto-Birmanischen bildet Hierbei ist bereits, bei
aller Unsicherheit, die durch den auch heute noch fragmentarischen Kenntnisstand der
Forschung hinsichtlich der zahlreichen tibeto-birm anischen E inzelsprachen der
Himalayaregion unvermeidlich ist, das Prinzip der solidarischen Neuerungen (im Gegensatz
zu gemeinsam bewahrten Archaismen) konsequent beachtet worden, so daß diese
Klassifikation SHAFERs bis heute keine wesentlichen Einschränkungen erfahren hat. Es kamen
lediglich einige Sprachen und Dialekte hinzu, die erst in den letzten Jahren verstärkt bekannt
zu werden beginnen. Zum einen muß hier die Sprache des Dorfes Manang (östlich von
Muktinäth auf der anderen Seite des Thorung-Passes) erwähnt werden, die seit MAZAUDON
1978 als sicheres Mitglied dieser Untergruppe gelten muß23.
Die Vermutung von
VINDING24,
daß die Sprachen der in Nord-Mustang liegenden Dörfer
Tangbe, Tetang, und Tsuk ebenfalls zu dieser Gruppe zu zählen sind, konnte während der
Feldaufenthalte des Verf. 1992-94 voll bestätigt werden. Die vorliegenden Materialien, deren
Bearbeitung in Vorbereitung ist, zeigen aber deutlich, daß es sich bei diesen Varianten 21HALE 1973
22GRIERSON 1 9 0 8 ,4 0 6 . ThSksya wird dort im Kapitel "Eastern Proaominalized Languages” behandelt, diese
Zuweisung wird im T ext aber zurilckgenommen.
^ N e b e n dem erwähnten Aufsatz sind die einzigen veröffentlichten Arbeiten zum Manang die Wörterlisten von
HOSHI 1984 und NAGANO 1984.
^ M itgeteilt bei MAZAUDON 1978,158 Fn.
11
ungeachtet der ethnischen Distanz der Sprecher - um Dialekte handelt, die dem Thakali
(hauptsächlich den Dialekten nördlich von Tukche) so ähnlich sind, daß sie besser als Dialekte
dieser Sprache zu klassifizieren sind (d.h. als "Nord-Thakali")25.
Schließlich sei noch die Beobachtung M i c h a i l o w s k y s erwähnt, der die Ansicht äußert, daß
das im Myagdi-Distrikt (südwestlich des Thak Khola) gesprochene Chantel möglicherweise
ebenfalls dieser Gruppe zuzuordnen sei26.
Eine Bibliographie der zu den Einzel sprachen dieser Gruppe, wie auch zur genetischen
Diskussion, vorhandenen Arbeiten findet sich bei NlSHl 1979.
Die vergleichende Bearbeitung dieser Sprachen steckt noch in ihren Anfängen, erste Ansätze
zur Rekonstruktion der Grundsprache finden sich v.a. bei
PfTTMAN/GLOVER
1970.
Die unmittelbare genetische Einbettung des Thakali kann also wie folgt skizziert werden:
Tamangische Sprachen27:
« V g l. VlNDJNG apud MAZAUDON ebda: " (...) that the dialects spoken in the villages ofTangbe, Tetang, and
Tshuk, north o f Tibetan-speaking Kagbeni, are close to, but differentfrom, all dialects o f Thakali
26Ebda.(Nachtrag: die Zuordnung des Chantel zur Tamangischen Gruppe kann jetzt als gesichert betrachtet
werden [pers. Hinw. v. Michael Noonan, Milwaukee]).
27Die Benennung dieses Unterzweiges schwankt in der Literatur stark. Sh a f e r sprach von dem "Garung
Brauch o f Bodish " , andere bevorzugen die die Einzelsprachen aufzählende Bezeichnung Gurung-TamangThakali (oder eine andere Reihenfolge). MAZAUDON 1978 spricht von der "Tamang Sub-Family
Dieser
Sprachgebrauch wird in dieser Arbeit übernommen, für eine Begründung vgl. das Glossar, s.v. tämah_
12
In diesem Schema sind mögliche Subgliederungen zwischen den beiden Knoten Proto-
Tamang und Thakali (d.h. evtl, nähere Verwandtschaft zwischen zwei oder mehreren der
tamangischen Einzelsprachen) nicht berücksichtigt. Sie aufzustellen ist die vordringlichste
Aufgabe der vergleichenden Erforschung dieses Zweiges, der unter den Tibeto-Birmanischen
Sprachen der Himalayaregion ungewöhnlich gut in seiner Individualität erkennbar ist. Ansätze
zur Diskussion linden sich im Glossar dieser Arbeit passim .
Die weitere Einordnung des Tamangischen Zweiges innerhalb der Tibeto-Birmanischen
Sprachfamilie ist problematischer. Einigkeit besteht im allgemeinen darüber, daß er als
Untergruppe der Bodischen2^ Sprachfamilie anzusehen ist, deren Untergliederung (unter
Außerachtlassung der zahlreichen unterhalb der terminalen Knoten aufzuführenden
Einzelsprachen) wie folgt dargestellt werden kann*29:
Bodisch
West-Himalayisch
TibctoKanauri
Ost-Himalayisch
Tamangisch
Newari (?)
Noch höhere Gruppierungen sind selbstverständlich entsprechend problematischer. Eine
weitgehend der communis opinio
entsprechende Einteilung findet sich ebenfalls bei
DELANCEY 1987,801:
^ N a c h b o d , dem einheimischen Namen Tibets.
29Hier nach D e La n c e y 1 9 8 7 ,8 0 2 mit Eindeutschung und leichter Veränderung der Terminologie. D ies ist nur
eine der zahlreichen in der Literatur diskutierten Einteilungen. Eine kritische Würdigung aller vorliegenden
K lassifikationsversuche würde den Rahmen dieser A rbeit bei w eitem sprengen. Zudem verändern neu
hinzukommen de sprachliche Daten laufend das B ild dieser Sprachfamilie(n). B ei dem jetzigen Stand der
Forschung ist jede SubklassiGkaüon lediglich als asylum igtiorantiae zu sehen.
13
Tibeto-Birmanisch
SvAAiQVU
Bari sch
Burmisch
Karen
Birmanisch
Naxi
(Maso)
Das Schema zeigt besonders die Schwierigkeiten, die das Verhältnis der Barischen und
Burmischen Sprachen zueinander bereitet. Insbesondere die Stellung des Kachin (Chingpaw)
im nördlichen Myanmar ist notorisch schwer zu bestimmen (ähnliches trifft übrigens auch für
das Newari innerhalb des Bodischen zu).
Der oberste Knoten in diesem Schema bildet zusammen mit dem Chinesischen (bzw. der
Sinitischen Sprachfamilie, wenn man die weitgehend kulturell motivierte Bezeichnung von
Sprachen , wie Kantonesisch, Hakka, Min etc. als Dialekte des Chinesischen auf gibt) die
Sino-Tibetische Sprachfamilie:
Sino-Tibetisch
Tibeto-Birmanisch
Noch bei
SHAFER
Sinitisch
1966-74 finden sich die Thai-Sprachen als Unterzweig einer Thai-
Chinesischen Gruppe dem Sino-Tibetischen subsumiert. Dies ist seither zugunsten einer
Interpretation aufgegeben worden, die die Ähnlichkeiten zwischen den Thai-Sprachen und
dem Sinitischen eher als Resultate jahrhundertealten Kontakts wertet.
Weiteren gelegentlich vorgetragenen Versuchen, die Sino-Tibetischcn Sprachen in noch
tiefere genetische Zusammenhänge zu stellen ("Dene-Kaukasisch" o.ä.), kann kaum
wissenschaftliche Seriosität zugebilligt werden.
14
Die Geschichte der Subklassifizierung der Tibeto-Birmanischen Sprachen ist in aller
A usführlichkeit bei H alb 1982 dokumentiert. Die beste Zusam m enfassung des
Forschungsstandes hinsichtlich der Sino-Tibetischen Sprachfamilie ist derzeit
DELANCEV
1987.
1.2.
Zum Aufbau der Grammatik
Die folgende Darstellung versucht, die wichtigsten sprachlichen Tatsachen des MarphaDialekts der Thakali-Sprache übersichtlich darzustellen. Dabei wurde nicht angestrebt, die
Daten einem durchstrukturierten grammatiktheoretischen Modell anzupassen. Die Behandlung
des Thakali ist insofern theorieneutral orientiert, um möglichst breite Benutzbarkeit zu
gewährleisten. Ebensowenig wurde eine künstliche Theorieabstinenz angestrebt. Ergebnisse
linguistischer Forschung, insbesondere fuhktional-typologischer Art wurden, wann immer das
sprachliche Material es sinnvoll erscheinen ließ, zur Verdeutlichung und Erklärung der
diversen Erscheinungen herangezogen. Ähnliches gilt in eingeschränktem Maße für
typologisches Vergleichsmaterial aus verwandten wie unverwandten Sprachen.
Der Aufbau folgt der allgemein üblichen Einteilung in Phonologie, Morphologie und Syntax,
ein eigenes Kapitel für diskurspragmatische Phänomene wurde aber ausgespart. Obwohl die
Darstellung, besonders im Zusammenhang mit der für das Thakali relevanten Spielart der
Ergativkonstruktion, zeigt, daß pragmatische Phänomene und Prozesse in dieser Sprache eine
wichtige Rolle spielen, muß einer systematischen Untersuchung dieses Subsystems eine
breitere Datenbasis - die vor allem auch nichtelizitierte polylogische Texte, d.h. spontanen
Diskurs, enthalten sollte - zugrundegelegt werden, als hier möglich war. Bevor dies geleistet
w erden kann, sollen gelegentlich in der Form von Vermutungen vor gebrachte
diskurspragmatische Beobachtungen, die sich innerhalb der Kapitel Morphologie und Syntax
finden, Ansätze für künftige Forschungen aufzeigen.
Es ist unter Linguisten oft schwierig, Konsens darüber zu erzielen, welche sprachlichen
Phänomene innerhalb der Morphologie und welche innerhalb der Syntax zu diskutieren sind.
Beide Subsysteme stehen in inniger Wechselbeziehung zueinander, morphologische
Markierungen haben syntaktische Konsequenzen und umgekehrt. Der in dieser Arbeit
eingeschlagene Weg beschreibt die Morphologie im Sinne eines form-to-function approach,
d.h. zu vorliegender Formvarianz wird möglichst vollständig das Funktionieren der einzelnen
Formen diskutiert. Umgekehrt geht die Syntax von Funktionen aus (Junction to-form
approach ) und versucht, ihnen jeweils die formale Repräsentation in der Zeichenkette
zuzuordnen. Eine strenge Abgrenzung beider Verfahren voneinander ist dabei kaum zu
15
erreichen. Durch diese Vorgehensweise werden einige Phänomene (wie etwa die Ergativität,
Relativsätze, das Problem der Wortart Adjektiv) an mehreren Stellen der Grammatik unter
verschiedenen Gesichtspunkten besprochen. Um das Maß der hierdurch verursachten
Redundanz der Darstellung zu begrenzen, wurde oft von Querverweisen Gebrauch gemacht.
Es wurde angestrebt, die einzelnen Phänomene jeweils durch mehrere Beispielsätze zu
illustrieren, einige Beispiele mußten daher im Laufe der Arbeit mehrfach zitiert werden.
Im Anschluß an die eigentliche Grammatik werden die im Felde aufgezeichneten
fortlaufenden Texte, denen die meisten Beispiele in Morphologie und Syntax entnommen
sind, im Zusammenhang aufgeführt.
Die Auswahl des Beispielmaterials hält sich an den Grundsatz, möglichst jedes grammatische
Phänomen in einem Diskurszusammenhang zu dokumentieren. Dies soll einerseits natürlich
der besseren Illustration der sprachlichen Tatsachen dienen, andererseits aber auch dem Leser
möglichst viel Material vorstellen, da zweifellos zahlreiche mögliche (oder gar zwingende)
Generalisierungen in dieser Arbeit unterblieben sind, wichtige linguistische Phänomene
unbesprochen blieben, bzw. der Aufmerksamkeit des Verf. entgangen sind etc. Auch bietet
nur eine reiche Materialbasis dem Benutzer die Möglichkeit, die hier vertretenen
Auffassungen kritisch zu werten und gegebenenfalls durch eine adäquatere Analyse zu
ersetzen. Die weitaus überwiegende Zahl der Beispiele besteht daher - auch bereits im
Morphologiekapitel - aus vollständigen Sätzen, die z.T. fortlaufenden Texten entstammen,
z.T. aber auch als isolierte Einzelsätze elizitiert werden mußten.
1,2.1. Zur Verschriftung
Die in der wissenschaftlichen Literatur zum Tukche-Dialekt des Thakali angewandte
Verschriftung konnte aus verschiedenen Gründen nicht beibehalten werden. Zum einen
machten die phonetischen Besonderheiten des Tonsystems im Marpha-Dialekt (vgl. 11.3.1.)
die Markierung des ungespannten Registers durch ein dem Vokal folgendes < -h
>
unbrauchbar, da hierdurch irreführende phonetische Assoziationen hervorgerufen werden
könnten. Die Möglichkeit, hierfür Akzentzeichen zu benutzen (etwa nach dem Vorbild des
chinesischen pinyin), hätte die Differenzierung der in Marpha zu beobachtenden beiden IsJQualitäten - die hier modo hungarico durch a und A wiedergegeben werden - erschwert (die
Verschriftungen des SIL - aa
bzw. ä - suggerieren jeweils einen nicht vorhandenen
Quantitätsunterschied). Des weiteren wurde der Grundsatz verfolgt, Phoneme jeweils durch
6in Zeichen (gegebenenfalls mit Diakritika) zu notieren, mithin auf Digraphen zu verachten,
wodurch die Alphabetisierung des Glossars bedeutend erleichtert wird.
16
Zum Vergleich dieser Verschriftungen seien hier die ersten Sätze aus Text V.12. in beiden
Versionen gegeben30:
ra1 k i4 nä3-ri c’i 1 ca ’-pa-ri ;e4-ci
'ra 'kih naah-ri 'chi ’ca-wa-ri 'jeh-ci.
ra1 öafi2-pa dam2 te!-pre je 4-ci_
'ra cyaang-ba cyam 'the-pre 'jeh-ci.
ra1 öaA2-pa-raü kju2 t‘c2-cit
'ra cyaang-ba-rang kyu the-ci.
tipici2 tjan2-se fe ‘-se kju2 mrad1-«
tipici tyaang-se 'the-se kyu 'mraang-ci.
1.2.2. Zu den Interlinearglossierungen und Übersetzungen
A lle Satzbeispiele dieser Arbeit sind morphemisch zergliedert notiert und mit
Interlinearglossierungen versehen, um größtmögliche Transparenz und Kontrollierbarkeit des
Materials zu gewährleisten.
Die dabei verwendeten Siglen für die jeweiligen Funktionen der grammatischen Morpheme
bzw. die Bedeutungsangaben der Lexeme sind so einheitlich wie möglich gestaltet worden. So
wird z.B. das Morphem -pa , dessen tatsächliche Funktionen natürlich zahlreicher sind,
konsequent als VN (= Verbalnomen) glossiert, da die meisten der auftretenden Verwendungen
auf diese Grundfunktion abbildbar sind, -se wurde immer als ABL/ERG glossiert, auch wenn
in einem konkreten Beispiel die Instrumentalisfunktion dieses Kasussuffixes vorliegt etc.
Lediglich in einigen Fällen wurden verschiedene Glossierungen vorgezogen, wenn die
einzelnen Funktionen zu stark voneinander abweichen bzw. offensichtlich Homonymie (und
nicht Polyfunktionalität) vorliegt (so etwa bei -lan : INF, DERIV und PRAET.INTERR). Die
deutsche Bedeutung lexikalischer Verben wird stets in der Infmitivform gegeben, wenngleich
das Pendant in der Basiszeile natürlich die Verbalwurzel ist. Morpheme werden durch < - >
voneinander getrennt. Besteht die Interlinearglossierung eines grammatischen Morphems aus
30In der oberen Z eile steht die hier verwandte Notation, jeweils darunter eine Verschriftung nach dem System
des SIL , w ie sie z.B . in HARI 1970a gebraucht wird. Dabei wurde mechanisch vorgegangen, also nicht etwa vom
Marpha-Dialekt abweichende Tukche-Formen eingesetzt, sondern konsequent nur die Verschriftung angepaßt.
mehr als einem Bestandteil (m.a.W. handelt es sich um ein portmanteau - Morphem), werden
die einzelnen Teile der Glosse durch < . > verbunden.
Da für jedes Beispiel eine solche Glossierung gegeben wurde, die eine wortwörtliche
Übersetzung erübrigt, kann die freie deutsche Übersetzung der Sätze zu Lasten der
eineindeutigen Abbildbarkeit auf den Thakali-Satz durch eine Reihe von Lizenzen geprägt
sein. Hier wurden gelegentlich Bestandteile ein gearbeitet, die dem ursprünglichen
Diskurszusammenhang (im fortlaufenden Text oder dem Verlauf des Elizitationsgesprächs)
angehören. Auch wurde versucht, ein durchaus idiomatisches Deutsch zu verwenden, vgl. z.B.
teptät3
saA1 mlaA2 la1
-si p'arki1
-si je4
-c i
Devadatta Mund schwarz machen-CV zuriickgehen-CV gehen-PRAET
Devadatta zog ein saures Gesicht und ging fort.
Ein extremes Beispiel einer wortwörtlichen Übersetzung wäre etwa: "Devadatta machte einen
schwarzen Mund und ging zurückgehend weg" o.ä.
Ähnlich erklärt sich auch die häufige Verwendung genusspezifischcr deutscher Pronomina (er,
sie, es), obwohl das Thakali keinerlei Genusdifferenzierung kennt. In solchen Fällen handelt
es sich jeweils um Anaphora aus dem Textzusammenhang, bzw. bei elizitierten Einzelsätzen
um die genaue Wiedergabe der vom Explorator stammenden Stimulus-Form.
Die in den Interlinearglossen auftretenden Abkürzungen sind wie folgt aufzulösen:
ABL
Ablativ
ADV
COMIT
Adverb
Komitativ
COMP
Komparationskasus
COND
CV
Konditional
DAT
Dativ
DER
Derivator, derivatives Morphem
Konverb
DTM
Datum (eine derivationeile Kategorie des Numerale)
DU
DUB
Dual
Dubitativ
ERG
Ergativ
HON
honorifikative Form
hört
Hortativ, Adhortativ
INF
Infinitiv
INTERJ
Interjektion
INTERR
interrogativ
IPV
Imperativ
IRR
Irrealis
KOP
Kopula
LOC
Lokativ
NEG
Negation, negativ
PART
Partikel
PDEM
Demonstrativpronomen
PL
Plural
PP
PRAED.PART
Personalpronomen; (1PL: 1. Person Plural etc.)
PRAET
PREFL
Präteritum
PROH
Prohibitiv
SG
SUBORD
Singular
VN
Verbalnomen
Prädikativ-Partikel
Reflexivpronomen
Subordinator
19
II.
Phonologie
11.1.
Das segmentale Inventar
II.
1.1. Vokalismus
11.1.1.1.
Phonembestand
Das Vokalsystem des Marpha-Dialekts besteht aus folgenden Phonemen:
vom
hinten
hoch
i
u
zentral
e
o
tief
ä
a
Zungenhöhe
II Zungcnposition
Eine Quantitätsopposition besteht nicht.
Alle Hinterzungenvokale weisen gleichzeitig das Merkmal [+ gerundet] auf.
Die Phoneme und ihre Realisierungen im einzelnen31:*1
31Zwischen /Schrägstrichen/ steht die phonemische Notation, die auch die Grundlage für die Verschriftung im
morphologischen und syntaktischen Teil dieseT Arbeit darstellt; in [eckigen Klammem] steht die phonetische
Transkription. Grundlage hierfür ist das phonetische Alphabet der International Phonetic Association in der
Form, di e auf der IP A -T a g u n g l9 8 9 in K iela ls Revised International Phonetic Alphabet angenommen wurde (cf.
LADEFODGED 1990). D ie Unterschiede zu dem "klassischen" IPA (vgl. IPA 1949) betreffen die folgenden
Zeichen:
[a] : breathy voiced vow el, d.h. Vokal mit gleichzeitiger kontinuantcr Aspiration und Senkung des Tons, im
alten IPA [g]
[t11] : aspirierter Konsonant, alt [th]
[ü] : palatalisierter Konsonant, alt [tj]
Die Zeichen für die Töne sind:
['i] : fallender Ton, phonemisch als Ton 1 notiert, in CHAO Yuen Rens tonaler Notationskonvention etwa [43]
(vgl. dazu II.3.1.)
[1] : steigender Ton, phonemisch als Ton 2 notiert, nach CHAO etwa [45]
[-J] : tief ebener Ton, phonemisch Ton 3 , nach Cl IAO etwa [33] bzw. [22]
[w]: extra hoch fallender Ton, phonemisch Ton 4, nach CHAO etwa [51]
[\] : (nur in nichtersten Silben relevant): globales Abfallen des Tons zum Wortende
[/] : (nur in nichtersten Silben relevant): globales Ansteigen des Tons zum Wortende
Rin Punkt [.] bezeichnet die Silbengrenze (dieses Zeichen wird nicht konsequent angewandt).
Es wurde grundsätzlich versucht, für jede phonetische Variante mehr als nur ein B eispiel anzuführen. D ie
Beleglage ließ dies nicht in allen Fallen zu.
20
N hoher, ungerundeter Vorderzungenvokal.
Die unmarkierte32 Artikulation ist [i].
[i]
/m in2/ [min-1] "Name"
/pin2-pa/ [pim-lbo-/] "geben (Verbaln.)"
Im Silbenauslaut wird der Vokal33 leicht gelängt:
li]
/ki4/ [kÜ-N] "eins"
/li1-!!/ [U-'tli-'s.] "hinter, nach"
Unter Ton 334 entsteht - bei allen Vokalen - eine Variante, die durch ungespannte Artikulation
und gleichzeitige Expiration ("breathy voice") charakterisiert is t:
[ia]
/tin3/ [djn-l] "Tag"
/pir3-pa/ [bir-iwD-y] "fliegen"
ö-]
/m i3/ [mi*-l] "Mann, Mensch"
/{i3/ [tH l "Haut, Fell"
32Unter der unmarkierten, oder auch prototypischen Artikulation wird hier idealisierend diejenige Lautung
verstanden, die in kontextfreier Position auftritt. "Kontextfrei" bedeutet hier, da Einzelphoneme in Isolation so
gut w ie n ie auftreten (einige w enige einphonem ige W urzeln ausgenommen): a) in m öglich st vielen
unterschiedlichen K ontexten auftretend und b) in solch en U m gebungen vorkomm end, die m öglich st
"affizienragsnentral" sind. Für Konsonanten ist eine solche Stellung die anlautende Position vor nichtpalatalem
Vokal und für Vokale die Stellung in erster Silbe nicht absolut anlautend unter einem der gespannten ("clear")
Töne 1 ,2 oder 4.
33D iese Regel gilt für alle phonemischen Vokale.
34Zum Tonsystem vgl. II.3.1.
21
Steht der Vokal im 3. Ton im absoluten Wortanlaut, geht ihm ein stimmhafter laryngaler
Spirant voran:
[fii-]
/mm3/ [fii*JmU’^j "ist (identifizierende Kopula)"
/im i3/ [fii'-J.mi*/*]
"id., Interrogativform"
/e/ mittlerer, ungerundeter Vorderzungenvokal.
Unmarkiert [e], Auslautlängung und Verhalten unter Ton 3 wie bei /i/ :
[e]
/ten4/
[tent] “ein wenig"
/’s ef-pa/ [sejlwo-\] "töten (Verbaln.)"
[e-I
/k t4/ [ke*N] "Arbeit"
/Je 7 [le-'l] "Feld"
[e]
/mento3/ [men-tdo-/] "Blume"
/ken3/ [gen-i] "Lotterie, Glücksspiel“
[*•]
/pe3/ [be*-l] "Ehefrau"
/le3/ [Ie--i] "Lohn“
[%■]
/e 3/ [fie-l] "Kot (menschl.)1
22
In der Stellung vor tautosyl labischem /r/ wird /e/stark geöffnet zu [e]:
[e]
/je r4/ [jeiN] "gehen"
fe]
/per3/ [Ijer-f] "Sommer"
[fiel
/erkä3/ [fier-l.kav’] "Zweig"
/erken3/ [fier-Lkeiv] "Regenbogen"
Vgl. dagegen vor heterosyllabischem /r / :
flel-rah/ [le-'f.ratjs] "Feld (Dat.)"
Eine nasalierte Variante tritt in einem einzigen Morphem /-peri/ "Basis der Komparation" auf:
[6]
/ha1-peil/ [qo*'iweqN], auch [qi>'lwe-\] "(größer, älter etc.) als ich"
Unmittelbar nach einem Vokal tritt eine Variante auf, die gegenüber der Standardartikulation
weiter geöffnet ist, ohne jedoch den Öffnungsgrad von [e] zu erreichen. Dieses Allophon ist
ausschließlich bei dem Affix des Genitivs /-e/ beobachtbar
[?•]
/hal-e/ [qü-'te-x] "ich (Gen.)"
/jä‘-e/ [ja*1e*x] "Hand, Arm (Gen.)"
Mel-ef [t^-Me-x] "er, sie, es (Gen.)"
fk i-e / [gj,i--ie-/] "du (Gen.)11
23
/p‘o!-e/ [pbo-Me-N,] "Ehemann (Gen.)'1
/w*-e/ [ru-'He-'v] "Horn (Gen.)"
W tiefer, ungerundeter Vorderzungenvokal.
Unmarkiert [a]. Auslautlängung wie bei /i/:
[a]
A‘äm2-cä/ [^am-ldza'/"] "sie (3. PI.)"
fltjäm4/ [kjairH] "Weg"
[a-3
/jä1/ [ja-'ij "Hand”
/kjä2/ [kja-'l] "Kopf"
[a]
/cänmä3/
[dzan-lma*/] "Geburt"
/cärä3/ [dzanra-z*] "Wurzel”
[a-]
/nä3/ [na-l] "Wald"
/p a3/ [ba-l] "Blatt"
Sporadisch tritt eine nasalierte Variante auf, die als freies Allophon zu werten ist (in dem
hochfrequenten Lexem /k ‘ajan V wirkt die Nasalierung regressiv über eine Silbengrenze
hinweg auf den Wurzel vokal):
[ä]
/k ‘äjan‘/ [khä-'ljäi}yj "wann"
24
/a/ tiefer, gerundeter Hinterzungenvokal:
Unmarkiert [d], Auslautlängung und Präaspiration wie bei /i/.
[d]
/nampar2/ [nDnrlljor/"] "Wind"
/camV [tsoml]
"Brücke”
[D-]
/Aa1/ [qo-i] "ich"
h a 1/ [ro-l] "Ziege"
[t?]
/tan3/
[dpn-l] "viel, sehr"
/palpu3/ [bpl-Jbu-/] "Kathmandu-Tal"
[t?*]
/ca3/ [dzp*-]] "Sohn"
/na3/ [qp--l] "Lamatrommel"
Vor dem häufigen Auslautkonsonanten35 /iV und im absoluten Anlaut fällt /a/ m it !H
zusammen, ist also nicht unterscheidbar. Es treten demnach z. B. nur
/-ran/ [raq] "DAT"
/apäl/ [a-lwa-s] "Vater"
35Zu den m öglichen Konsonanten iin absoluten Auslaut vgl. II.2.2.2.
25
auf, nicht jedoch *[rog] oder *[t»‘1wa-]. Der entsprechende Vokal wird in dieser Arbeit
mechanisch dem Phonem /a / zugewiesen36. Im absoluten Anlaut und/oder vor M/ treten
demnach noch folgende Allophone von / al auf:
[a]
/amc'i2/ [am-1tchi-/] "Arzt (tib. Lehnw.)"
/an2/ [arfl] "offen"
Ca-1
/ale1/ [a^le-s] "jüngerer Bruder"
/amä1/ [a-mna-s] "Mutter"
[fia]
/antd3/ [fian-fda*/1] "blind (nep. Lehnw.")
[fia*]
/ajin3/ [fia*-ljin/] "nein, ist nicht"
/'as3~e/ [fia-s-l.e--*] "Gans (Gen.)"
Nach dem palatalen /6 f tritt in geschlossener Silbe gelegentlich Zusammenfall mit /e / auf, so
häufig bei der enklitischen Partikel /dam2/ (die Zugehörigkeit des Vokals zum Phonem /a /ist
durch Lentoformen gesichert):
[e]
/cam2/ [tcenrl], lento [tgom-l] "emphatische Ptkl."
ln mindestens dinem univerbierten Kontext wird das ursprüngliche /a / dieser Partikel zu [o]
zentralisiert, im Allegrostil sogar vollständig assimiliert:
M -M
36ob in diesen Positionen auch (historisches) /a / verkommt, kann evil. der Vergleich mit den verwandten
Sprachen ergeben.
26
/jum 4 dam2/ [jumN^pms.] ~ |jum\dgum\] "alles"
/o/ mittlerer, gerundeter Hintenzungenvokal:
Unmarkiert [o]. Auslautlängung und Aspiration (nicht Präaspiration) wie bei /i/\
[o]
/c'oriV [tshorj'l] "Handel"
/kon2/ [kon-1] "Kleid"
[o]
/no2-pa/ [ijo-Iwd-/»] "kauen (Verbaln.)11
/plo4-pa/ [plo-'JwD-s] "reich sein (Verbaln.)"
[o]
/con3/ [dzoq-l] "jetzt"
/kjon3/
[gjoq-i] "schnell"
[o]
k o 3/ [ro--l] "Freund"
/to 3/ [[o-l] "Gemüse"
Im absoluten Anlaut tritt unabhängig vom Ton [w]-Prothese ein:
[qo] ~ [wo]
/ol1/ [qoH] - [woh] "rot"
/ontro1/ [qon'idro-N] ~ [won'tdro-^] "vorn, vor"
[qo] - [wo]
/onton3/ [qon-ldoQ/"] "tief1
27
/on3/ [qoQ-1] - [woq-l] "Spreu"
[qo-] - [wo-]
/opär3/ [qo'-lbary] ~ [wO'-lbaiv] "Geschenk"
Ähnlich wie /e / wird auch /o/ vor tautosyllabischem M stark geöffnet:
Co]
/sor2-ci/ [pord.dgi*/"] "entkommen, entfliehen (Prät.)"
fe]
/kjor3/
[gjor-l] "Bewässerungskanal"
Vgl. dagegen vor heterosyllabischem M :
/por3-o/ [pO'-l.rov'1] "tragen, bringen (Ipv.)"
/lo3-ri/ [lo-'lri-/"] "Jahr (Lok.)"
Inf hoher, gerundeter Hinterzungenvokal:
Unmarkiert [u]. Auslautlängung und Aspiration (nicht Präaspiration) wie bei /iA
/tu f-c i/ [thur-/ld^i'/] "berühren, anfassen (Prät.)"
/sun1/ [suifl] "Mund"
[u-]
/cu2/ [tsu'd] "dieser"
/cakü2/ [tsD-iku-y] "Messer"
[u]
/m m 3-pa/ [rum-tbü-/"] "lang sein (Verbaln.)"
28
/kam 3/ [gum-i] "Mitte, Zwischenraum"
[y]
Mu3/ [gu*-l] "sich setzen (hon.)"
Nach dem palatalen Kontinuanten ///wird hü stark nach vom verschoben:
[y] - M
/jum 4/ [jym\] ~ [jumN] "ganz, alle"
/jurapä2/ [jynrlba*/] - [jumiba*^] "Stein"
[y]
/jal3/ ljyl-l] “Dorf1
Im absoluten Anlaut tritt, ähnlich wie bei /o/, Prothese ein, jedoch regelmäßig schwächer als
dort:
[qu]
/uhkju2/ [qug'lkjuv*] "Fluß"
[iju-]
Ai2/ [qu-'l] "Höhle"
Regelmäßig vor dem Konditionalismorphem /-jansei tritt eine stark nasalierte Variante auf:
[«■]
/m u^janse/ [mü*'tjaqse-\] "wenn ist"
IL1.1.2.
Diphthongähnliche Sequenzen
In einigen Lexemen tritt die tautosyllabische Kombination Vokal + /j/ auf. Bezeugt sind die
Sequenzen:
29
/atf
[aj]
/cfaj3-si/ [ts^aj-lgi'/] "kämpfen (Konv.)"
/p'aj1/
[p^aj'l] "Eisen11
Ähnlich wie in der Stellung vor /n/ scheint auch vor /j/ die Opposition /a/ : fä/ aufgehoben
zu sein37. Auch hier wird deshalb mechanisch das Phonem /a/angesetzt
/ej/
[ej]
/sef-pa/ [sej'lwD-N] "töten (Verbaln.)"
/oj/
[oj]
/koj4/ [kojsl] "Lied11
/uj/
[uj] - [uj]
/p u f-si/ [puj'l^i-\] - [pufigi-N]1tragen (Konv.)"
/u j}-si/ [quj'Hihs] ~ [quj'lgi-s,] "stoßen (Konv.)"
/p iij^si/ [phuj'i?i-\] ~ [phuj'i|i-s.] "blasen (Konv.)"
Einer Interpretation dieser Lautfolgcn als monophonematische Diphthonge stehen folgende
Tatsachen im Wege (nach abnehmender Wichtigkeit geordnet):
a)
allen einfachen Vokalen können tautosyllabische Konsonanten folgen. Dies ist bei den
f\! - haltigen Lautfolgen nicht der Fall, d.h. /]/ ist in diesen Kombinationen stets als
silbenschließender Konsonant und nicht als Bestandteil des Silbennukleus aufzufassen,
37Füt eine eindeutige Aussage hierzu fehlt eine ausreichende Zahl von Beispielen.
30
b)
folgt der /j/ - haltigen Lautfolge ein Vokal, bildet /}/ den Anlaut der folgenden Silbe38:
/k'uju 2f
Pchu-/l.ju-/], nicht * [khuj'1.u*^] "Greisin"
/koj4-e/ [ko-'tje-s.], nicht ♦[koj'J.e-s] "Lied (Gen.)1'
c)
diese Lautverbindungen sind nicht sehr häufig, sie könnten daher bestenfalls als
marginale Phoneme des Thakali-Lautsystems angesehen werden.
Es kann daher angenommen werden, daß den erwähnten Lautgruppen kein monophonematischer Status zukommt, mithin Diphthonge nicht zum phonologischen System des
Thakali gehören39.
11.1.1.3.
Minimalpaare
Der Phonembestand kann durch folgende Minimalpaare illustriert werden:
/a/ : iü
Ohr
nä3
Wald
gehen
pra1
Mehl
Fleisch
Sä1
Shah (PN)
ta2
Pferd
tä2
was
ta3-
zerreißen
to3
Gemüse
Aa3
Lamatrommel
Ao3-
braten
ra3-
klug sein
ro3-
helfen
la1-
machen
lo2-
warm sein
ca2
jener
cu2
dieser
ca3
Sohn
cu3-
kochen
k'a1-
kommen
kV -
stehlen
na3
4
pra -
38Zu den Prinzipien der Sytiabifizierung vgl. 11.2.1.
39In Fremdwörtern aus dem Nepali kommt die Kombination /au/ [au] vor, vgl. /äau2/ [cau-1] "Apfel" < nep.
"id.n. D ie Seltenheit dieser Lautfolge und ihre ausschließliche Beschränktheit auf Fremdwörter erlaubt
aber nicht den Ansatz von Diphthongen für das Thakal i-Lautsystem.
31
ra
Ziege
ru
Horn
k 1-
machen
le1
Feld
Sa1
Reisch
se1-
reden
pra3
hundert
pre3“
aufgeben
ta2
Pferd
te2
jener
-ra
DAT
-ri
LOC
ca3
Sohn
ci3-
beißen
ka3
Sattel
ki3
du
la1-
machen
li1-
kaufen
tragen
no4
Knoblauch
pä4
Bier, Chang
po4-
reifen
U2
was
io 7-
tanzen
p‘d2-
bezahlen
p‘o2
Bauch
jrf1
kk1
Hand, Arm
ju1
kk1-
Prädik. Part.
Hals
kjd2
Kopf
kju2
Wasser
tragen
nu4-
schlafen
gehen (INF)
je4-lan
lei
hl
tot
hl
stehlen
lei
jäMan
gehen (Prät.
Interr.)
pä3
Blatt
pe3
Ehefrau
rä2-
weben
re2-
aufstehen
ttl
Proh.-Part.
t'e1
er, sie, es
ma3
Schwiegersohn
mi3
Mensch
nä4-
tragen
ni4
zwei
pä3
Blatt
pi3-
sagen
pla4
Curry
pü4
vier
plo4-
reich sein
plu4
Same
N
Ai/
Il
32
fol
:
k‘01
kommen (Ipv.)
k‘u -
stehlen
no4
Knoblauch
nu4-
schlafen
to2-
dreschen
tu2
Vagina
lo1-
lesen, lernen
le1
Feld
^o2-
tanzen
se2
Reis (hon.)
to2-
dreschen
te2
Pron. Dem.
ko3
Dolch
ki3
du
plo4-
reich sein
pli4
vier
kon2-
anziehen
kin2-
nehmen
no4
Knoblauch
ni4
zwei
mu1
Himmel
me1
Pfeil
tu2
Vagina
te2
Pron. Dem.
ku2
neun
ke2
Lärm
tu4
sechs
te4
Hälfte
imu3
KOP
imi3
KOP (interr.)
mu1
KOP
mi1
Feuer
su2
nu4-
wer
si2
Sand
schlafen
ni4
zwei
ke4
le1
Arbeit
Feld
ki4
eins
H1-
kaufen
me
Schwanz
mi1
Feuer
pe3
Ehefrau
pi3-
sagen
Id
fol : in
lüf
:
Id
lul : N
Id
: /i/
33
If.1.2. Konsonantismus
II.1.2.1.
Phonembestand
Das Konsonantensystem enthält folgende Phoneme:
Verschluß
bilabial
alveolar
retroflex
P
t
t
asp. Verschluß
t
Affrikata
C
asp. Affrikata
c{
Spirans/Liquida
s
Nasal
m
palatal
velar
lateral
k
k‘
C
r
¥
1
n
Halbvokal
4
A
\___ 1___
Die Phoneme und ihre Realisierungen im einzelnen:
!p/ bilabialer, stimmloser, nichtaspirierter Verschlußlaut:
Unmarkierte Artikulation [p]:
[p]
/pä4/ [pa*N] "Hirsebier, Chang"
/prä7 [pra-V] "Mehl"
Im Anlaut von Silben mit Ton 3 tritt ein stark leniertes Allophon (Media Lenis) ein40:
[b]
/pale3/ [brn-lle*/"] "Bein, Fuß"
^Entsprechende Lexem e wurden von den Informanten häufig spontan unter Verwendung der DevanagariZeichen <Vf> oder < « > (entsprechend auch für die übrigen Artikulationsorte) verschriftet EUr die Sprecher
ist also der phonetisch stimm hafte Charakter hier relevant. D ie phonologische A nalyse ist dagegen nirgends zum
Ansatz stimmhafter Verschlußlautphoneme für das Thakali gezwungen.
34
/p ii3-pa/ [bjr-lwD-/] "fliegen"
Ein ähnlicher Lenierungsprozess ist nach stimmhaften Konsonanten automatisch. Im Falle
eines vorangehenden homorganen Nasals ist die Ausgabe ein stimmhaftes Allophon:
[bl
ilim 2-pa/ [yim'lbD*/"] "wohlschmeckend"
/nim 2-pa/ [nlim-lbti-/] "alt (von Sachen)"
Zwischen tiefen Vokalen41 geht die Lenierung bis zum bilabialen Approximanten:
[w]
/apdV [a-'iwa-x] "Vater"
/lal-pa/ Od^ wo-n] "machen (Verbaln.)"
Sie tritt nie ein in der Umgebung zentraler oder hoher Vokale:
/lopen2/ [lo-'lpen/11] "Lehrer", nicht *[lodwetv]
gelegentlich aber [lo-dben].
!p‘f bilabialer, stimmloser, aspirierter Verschlußlaut.
Unmarkiert [p^J.
tP*1]
fp’o p t1/ [p*Io*'ibe'\] "Verwandter"
/p‘ämar1/ [pha-slmDr\] "Nordwind"
41Für diese weitestgehende Lenierung von /p/ scheint die Qualität des folgenden Vokals relevanter zu sein, als
diejenige des vorangehenden. D ie Materiallage erlaubt hierüber noch keine endgültige Aussage. Erwähnt sei hier,
daß die extrem große Textfrequenz des Morphems /-pa/ "Verbalnomen" zusammen mit der Tatsache, daß die
Mehrheit der Verbalwurzeln auf Vokal auslautet dazu führt, daß [w] einer der häufigsten Laute des Marphatan
Thakali i s t Es ist jedoch überall als Allophon des Phonems /p/ zu verstehen.
35
Im Allegrostil wird /p7 in allen Stellungen häufig spirantisch (meist bilabial, aber auch
labiodental) artikuliert. Diese Aussprache wird besonders von jüngeren Sprechern präferiert,
weshalb zur Erklärung die analoge Erscheinung des Nepali wohl heranzuziehen ist:
m - m
/p‘0 1/ [$0 ^] ~ [fo-1] "Hirsch"
/p‘erah2/ [<f>e-'lrai]/"] - [fe^raq/] "auf, oben"
Iml bilabialer Nasal:
Unmarkiert und in allen beobachtbaren Stellungen42 [m]:
[m]
/m e4/ [me*N] "Kuh"
/amä1/ [a-lma-s] "Mutter"
/(/ alveolarer, stimmloser, nichtaspirierter Verschlußlaut:
Unmarkiert [t]. Lenierungserscheinungen weitgehend wie bei fp(, eine spirantische Variante
oder gar ein Approximant sind allerdings nicht möglich:
W
/ta2/ [ttM] "Pferd"
/tin4/ [tin-J] "Haus"
Ed]
/toto3/ [do--ldO'/| "bis"
/tanäna3/ [^pUna-nüv"] "viel, sehr"
42/m/ ist auch gegen die Palatalisierung, der viele Konsonanten vor fti erliegen, resistent: *[mjil] ist nicht
bezeugt.
36
Auch hier geht die Sonorisierung bei vorangehendem homorganen Nasal am weitesten:
Ed]
/mento3/ [men-ido-^] "Blume“
f t f alveolarer, stimmloser, aspirierter Verschlußaut:
Unmarkiert und in allen beobachtbaren Stellungen [th]:
[th]
AeV [the-'l] "er, sie.es"
/t‘o l-pa/ [tIN>'lwa*\] "groß"
fcf alveolare, stimmlose, nichtaspirierte Affrikata:
Unmarkiert [ts]. Lenierungserscheinungen wie bei M
[ts]
/ca1-/ [tso-'-l] "essen"
/ca2/ [tsu-'i] "dieser"
[dz]
/caj3-/ [dznj-l] "tun, machen (hon.)11
/cori3/[dzoq-l] "jetzt"
[dz]
/im in2-cä/ [mrin-ldza-/"] "Frauen"
/kon2-cäZ [kon-ldza-/"] "Kleider"
37
Vor vorderem Vokal (am deutlichsten vor /i/, aber auch vor /e /) tritt starke Palatalisierung ein.
Daß hier aber keine komplette Neutralisierung des phonemischen Kontrastes /c / : 161
stattfindet, beweisen Lentoformen43:
[tc]
/cimpa2/ [teim-ibD-^] "Leber" (lento [tsinUbm/] )
fcinf-ci/ [tcinldgi^] "ergreifen (Prät.)"
W?]
/cin3-ci! Edgm-Id?i-/] "beenden, zuende sein (Prät,)"
/ci3-ci/ [d$i<-ldzi</] "beißen (Prät.)"
161 alveolare, stimmlose, aspirierte Affrikata:
Unmarkiert [ts*1] , keine Lenierungserscheinungen44, Palatalisierung wie bei hh
[tsh]
/c‘a J-pa/ [tshi>'1wD>\] "heiß sein (Verbaln.)"
/c'opa1/ [tsho-dwD\] "Clan, Großfamilie"
[teh]
/c‘i 1/ [tchi-'l] "Gras"
/c'ikä2/ [tchi-1ka*/| "Gerste"
43Unter Lentoformen werden hier grosso modo alle besonders sorgfältig, in verdeutlichender A bsieht
gesprochenen Formen verstanden, z.B. beim rezitationsähnlichen Vortrag, bei Nachfragen des Explorators,
gelegenlich wird auch die spontane Verschriftung eines Informanten als Lentoform gewertet (so z.B. wenn einer
Aussprache [qH] die Verschriftung < f ö >
statt <fVl> zugeordnet wurde, o,ä,).
^Aspirierte Verschlußlaute sind weitestgehend auf den Silbenanlaut beschränkt und treten nicht zusammen mit
Ton 3 (oder 4) auf, vgl. dazu 11.2.2.2.
38
In! alveolarer Nasal:
Unmarkiert [n]. Vor /i/w ird /n/stets stark palatalisiert:
[n]
/nu4~pa/ [nu-\wn-\] "schlafen (Verbaln.)"
/n a*-pa/ [myiWD'S.] "krank sein (Verbaln.)“
[nl]
/nim u1/ [nii-'lmu^] "Ratte"
Immä1/ [nÜ*'ima-\] "Vogel"
Vor Verschlußlauten wird /n / regelmäßig zum homorganen Nasal:
[q]
/m rin k o lä 2/ [mriq-lkola*/"] "Mädchen", vgl. / tn rin 2f
"Frau"
[m]
/kin2-pa/ [Wim-ibD-/*] "nehmen (Verbaln.)", vgl. /kin2o /
"id. (Ipv,)"
M
/m o n te 3/ [munJ^e-/] "Mitternacht", vgl. /m u n 3/ "Nacht"
Isl alveolare, stimmlose Spirans:
Unmarkiert [s]. Palatalisierung wie bei /cf, Lenierung unter Ton 3.
M
/saV [sD’l] "Boden, Erde"
/som 2/ [sorrrt] "drei1
39
[e]
Jsil-pa/ fei-'iwD-y] "sterben (Verbaln.)"
/sipjä1/ [ci-1pja*\] "Hügel"
Die Lenierung unter Ton 3 tritt nur zusammen mit der Palatalisierung, d.h. nur vor /i/ auf:
[?3
/sitan3/ [gü-ldaq/] "zornig"
Vor /o/z.B. tritt keinerlei Lenierung ein. Eine Variante [z] oder [z] wird nie artikuliert:
/so3-pa/ [so*-Iwd>/*] "anfertigen, herstellen (Verbaln.)"
Itl retroflexer, stimmloser, nichtaspirierter Verschlußlaut.
Unmarkiert [(]. Lenierung wie bei /£/, keine Palatalisierung:
m
/tu l-si/ [|xHgi>\] "sitzen (Konv.)"
/tara1/
"Stern"
[<fl
/tinte3/ [djrUcJe-/] "Mittag"
/tuntu3/ [ctuqJtlu-^] "Tier”
lif apikaler, stimmhafter Vibrant.
Unmarkiert und in den meisten beobachtbaren Stellungen [r]:
W
/ru1/ [ru*sl] "Horn"
/tar2/ [tDrl] "weiß’
40
In der Stellung unmittelbar nach anlautendem fm f tritt eine deutlich schwächer artikulierte
Variante auf, die nur einmal angeschlagen wird (tap bzw .flap ) [r], bisweilen sogar retroflex
artikuliert wird [r]:
M ~ [r]
/mrin2/ [mrin'l] ~ [mpn-l] "Frau"
/ra r^ -c i/ [mrarj'ld?i-\] - [mt;ar|'ldgi-sI] "sehen (Prät.)"
/// apikaler, stimmloser Vibrant/Frikativ.
Dieses Phonem tritt sehr selten (und dann nur im Lexemanlaut) auf. Sein phonematischer
Status ist hingegen durch Minimalpaare gesichert. Die Artikulation schwankt stark:
M -rn - W 5
ffn 2/ [gu-4]
/faü2-si/
- [Ju -d ] ~ ljgu-4] " F a d e n "
~ [faqlji-y"] ~ [igarflgi*/’1] "anschwellen
(Konv.)"
/kl velarer, stimmloser, nichtaspirierter Verschlußlaut.
Unmarkiert Pc]. Lenierung und Palatalisierung wie bei /c / :
[kJ
/koj4/ [kojvl] "Lied"
/kan V[korii] "gekochter ReisH
In lediglich einem (häufig belegten) Lexem zeigt sich Sonorisierung von Ik/zwischen Vokalen
bis zu [g], bei einigen Sprechern sogar Spirantisierung bis zu [y]:
4^Diese Notation ist ein typographischer Behelf für den Laut des tschechischen <i>
41
[g] - [y]
/näka / [na-'lga*\] - [na-'iya-N] "Huhn"
[g]
/ko3-pa/ [go--lwo-/] "verstehen (Verbaln.)"
/kaA3/ [gpq-l] "Berg"
[^]
t.km3-ci/ [ f in-ld^i-/"] "nehmen (Prät.)"
/ki4/ [k^i-sl] "eins"
Lenierung und Palatalisierung gleichzeitig ist häufig:
[gj]
/ki3/ [gij -l] "du"
/kitan3 [g|i-ldaq/*] "Zeit, Zeitpunkt"
Ik'l velarer, stimmloser, aspirierter Verschlußlaut.
Unmarkiert [kh]. Sonorisierung ist bei Aspiraten nicht möglich, Palatalisierung tritt nicht auf:
[k1*]
/k'a‘-pa/ JV'd-'Iwd-n] "kommen (Verbaln.)"
/k'oki1/ [kho*'tgi-\] "Husten"
Ausschließlich nach der Negationspartikel /a3/tritt die homorgane Spirans als Allophon ein:
[x]
l a3 k'al-pa/ [a--IXD-'1WD'\] "kommt nicht"
1
42
jnl velarer Nasal.
Unmarkiert und in allen beobachtbaren Stellungen [q]:
M
/na4/ [qo-N] "fünf1
/mlaA2/ [mlaq-1] "schwarz"
Im Auslaut einiger grammatischer Morpheme (kaum im Auslaut wurzelhafter Lexeme) zeigt
sich eine bemerkenswerte Instabilität des Phonems /n/ , die dazu führt, daß viele Affixe in
zweifacher Form auftreten. Eine phonologische Umgebungsbedingung für diese Alternation
konnte nicht ermittelt werden, weshalb diese Schwankung auch in der phonologischen
Notation berücksichtigt wurde. So finden sich etwa
p'era2 neben p'eraA2 "auf, Uber (Postp.)"
-ra neben -ran
"DAT"
-la
neben -Jan "INF, PRAET.INTERR“
Im allgemeinen treten die Formen mit erhaltenem l-n I häufiger auf.
/<f/ palatale, stimmlose, nichtaspirierte Affrikata.
Unmarkiert ftc], Lenierung nicht beobachtbar, da entsprechende Kontexte im vorliegenden
Korpus nicht Vorkommen:
[te]
/&ä2-pa/ [tca*'lwD-/"] "suchen (Verbaln.)"
Ij / palataler, stimmhafter Approximant
J£S-
Unmarkiert und in allen beobachtbaren Stellungen [j]:
43
m
/ju*-pa/ Eju-*iWD>\] '‘herabkommen (Verbaln.)"
/ja 1-pa/ [ja*VwD*\] "gehen (Verbaln.)"
11/ lateraler, stimmhafter Kontinuant.
Unmarkiert [1]. Unterliegt gewöhnlich einer nur schwachen Palatalisierung vor /i/ und /e/, die
aber unter Ton 3 sehr stark ausgeprägt ist:
m
/lun2-si/ [lurj-tziv*] "verbrennen (Konv.)"
/la!-sj/ [lo-'izi*\] "machen (Konv.)"
m
/li3-pa/ [l{i--iWD-/] "schwer sein (Verbaln.)"
fliese/ [l>i-'lse>\] "hinter"
ffl lateraler, stimmloser Frikativ.
Unmarkiert und in allen beobachtbaren Stellungen ffl:
ffl
/la -c i/ [ki'vld^i'\] "weifen (Prät.)"
/ia V [iD-'t] "Gott, Götterbild"
44
II.
1.2.2. Minimalpaare46
k k‘
d
6
r
t
c
c‘ il
P
P‘
r f
1
i
jf
S
k
0
1
1
21
12 12 7
1
1
1
1
14 12 7
i
21
1
1
l
i
k‘
1
0
1
21 20 1
18
1
1
1
1
18 20 6
i
21
1
1
i
i
d
1
1
0
19 23 1
19 1
1
1
1
6
i
1
l
l
i
19 3
7
19
£
21 21
f
12 20 23 21 0
t
12 1
f
7
18 19 19
c
1
21
19 0
1
1
7
t
21 21
19 21 4
4
9
16 1
1
16
19 21 1
1
1
12
12 0
19 0
IQ
i
6
7
21
1
17 16
0
11 1
1
1
1
1
8
22
i
1
1
11 8
10
5
1
16 20 20 21
19 12 7
19 10 6
22 18 11
16 21 22 0
21
16
14 11
7
8
11
1
13
1
16 l
1
1
18
19 14
4
1
1
18 1
1
4
1
1
11 17 11 O
9
14 11 15 1
1
p
1
1
1
9
16 1
9
0
14 9
p’
14 18 6
14 1
14 0
m
12 20 3
3
20 8
10 16 13 11 9
j
7
6
6
7
20 7
6
1
1
7
20 7
11 5
21
21 S
8
r
1
/
21 21 7
1
1
1
1
19 1
i
1
1
1
1
I
f
1
1
1
19 1
1
s
1
1
1
4
22
1
1
k k‘ n £ f
t
11 1
1
18
20 20 8
20 0
11 14
11
6
20
18 20 20 O
8
8
1
0
l
1
1
10 21
10
11 1
16 18 11
1
10 0
i
1
1
1
1
1
1
11
1
1
0
1
1
1
1
1
1
19 11 6
1
10 1
l
0
1
21 13 1
1
14 14
1
21
1
l
1
0
t
f
1 i s s
10 1
6
14 0
15 15 7
15 1
14 7
21
1
1
1
16 1
1
l
14 1
1
19 18
6
l
11 l
c1
n
19
19 4
t' c c’ n p p* m j
(1)
p a f-
dünn sein
c'a1-
heiß sein
ra1
Ziege
^ D i e Z ahlen in d e n Feldern an den Kreu/.ungspuukten geben die N um m er desjenigen M inim alpaares (-tripeis
etc.) an. das d en jew eiligen K ontrast illustriert. Z.B. bedeutet "21" am K reuzungspunkt der K olum ne 6 und der
Z eile k , d aß d er phonem ische K ontrast sub "21" in der nachfolgenden M inim aloppositionenliste exem plifiziert
w ird, im gegebenen F alle d urch du2 "zehn" vs. ku2"neun". Ist ein Feld frei, bedeutet dies, daß im vorliegenden
K o rp u s k ein k lares M in im alp aar vorliegt, m eist sind d ie beteilig ten Phonem e allerdings artikula torisc h
hinlänglich verschieden, so daß ein e etw aige Zuordnung z u dinem Phonem nicht in Frage kom m en kann.
45
werden
Zahn
k ‘a na1
ca-
kommen
Nase
essen
ia 1
Fleisch
ka
Prädikativpartikel
ich
na1
Ja1ia -
machen
ta!-
verwunden
spucken
(2)
ta2
Pferd
üa2
Osten
(3)
dt?
Tee
mä3
Schwiegersohn
(4)
c‘am2
Körperhaar
cani2
sam2
auch
Herz
nam2
Regen
(5)
3
Sohn
klug sein
m
u l
jd1
Prohibitivprafix
Hand
* #j
sa
Name der ggw. nepal. Dynastie
nä1
Seite, Ufer
(7)
ti2
was
vä2-
weben
schauen
46
jä2
p ‘ä2-
Yak
U 2kä2
schneiden
bezahlen
Blut
(8)
maA2
taA2
ran2t‘an2
can2
Schneeleopard
Topf
schwellen
Geruch
Norden
(9)
pä3
nä3
mä3
6ä3
Blatt
Wald
Schwiegersohn
Tee
(10)
m e1
Schwanz
te l
le1
fe 1
äe1-
er, sie, es
Feld
Rippe
sich unterhalten
(11)
me2ie 2
ne2
c‘e2
re2le2
fragen
t'e2-
hören
Laus
und
Buch
aufstehen
Zunge
(12)
me4
te te
ke
Kuh
herausnehmen
Hälfte
Arbeit
47
(13)
■I
IW
f.l
CI
si1-
Feuer
Gras
sterben
(14)
pi2pf
m2
c*i2si2
ki2ni2
verlassen
Rinde
Auge
niesen
Sand
brechen
wir beide
(15)
y-
gehen
P^
na4-
Bier, Chang
tragen
(16)
pi■3ci3U3ti3
mi3
sagen
beißen
schwer sein
Haut
Mensch
(17)
cin3nin3-
beenden
fürchten
(18)
t'o1c‘o ’k ‘o1
p‘o !
TO1lo1-
groß sein
fett sein
kommen (Ipv.)
Hirsch
klingeln
lesen
(19)
p‘02
Bauch
48
to2
dreschen
t‘o 2
Speichel
101-
tanzen
n o 2-
kauen
do2
Fingerring
warm sein
102(20)
m u‘
sein
tu 1-
sitzen
m1
kfü1-
Hom
P 1-
herabkommen
stehlen
(21 )
cu2
SU
2
dieser
wer
da2
zehn
tu 2
Vagina
k b 2-
waschen
ka
neun
fu 2
Faden
tu 2
Mist
( 22)
tun2-
schließen
lu n 2-
verbrennen
t'uri2-
trinken
c u n 2-
verkaufen
(23)
A o3-
braten
to 3
Gemüse
49
II.2.
II.2.1.
Phonotaktik
Silbenstruktur
Jede Silbe des M arpha-D ialektes w eist eine der folgenden S trukturen auf47:
V
/a=ön1/ "älterer Bruder"
Ai2/ "Höhle"
/kju4- e / "Schaf (Gen.)"
/m u= a/ "Kopula (Intenr.)"
VC
/ol1/ "rot"
Ain-kju2/ "Fluß"
/on=tro1/ "vor, vom”
/an2/ "offen"
CV
/ko=M2/ "Kind"
4 > i= W / "Gesäß"
/se /= a '/ "töten (Prät.)"
fi‘un2—pa=lan/ "trinkbar, Getränk"
47In den nachfolgenden Beispielen zeigt < -> die Silbengrenze an, nicht etwa die Morphemgrenze, die in dieser
Arbeit durchgehend mit <-> markiert wird.
50
cvc
/öan2=pa/ "klein sein (Verbaln.“
/nam=par2/ "Wind"
/k \i2= lm / "waschen (Prät.-InteiT.)"
/ca!=pa=/ari-cfl/ "Speise (Plur.)"
ccv
/prä*=cä/
"Berg (Plur.)"
/kja4=pte/
/da=pü2/
"Ziege (Komit.)"
"vierzehn"
/a3=mle2=ci/ "vergessen (Prät-Negat.)"
ccvc
/m/ari1/
"schwarz"
/a3=mranl=ci/
"sehen (Prät.-Negat.)"
/amn=ko=M2/
"Mädchen"
/kjäm4-cä /
"Weg (Plur)"
Die Determinierung der Silbengrenze geschieht nach folgenden Prinzipien:
a)
aus dem Fehlen von Diphthongen folgt, daß zwei im Diskurs aufeinanderfolgende
Vokale verschiedenen Silben angehören. Der (künstliche) Satz ria]-e u2 a3 imu3 "Es ist nicht
meine Höhle" besteht mithin aus sechs Silben:
/na ‘=e=ü2=a3=i3-m u /
51
Das unmittelbare Aufeinanderfolgen von Vokalen ist im Thakali aber der Ausnahmefall. Es
begegnet natürlich an der Wortgrenze, ansonsten tritt es gelegentlich m it dem
Interrogativsuffix -a und sehr häufig mit dem Genitivaffix -e auf. In den meisten Fällen
hingegen stehen ein oder mehrere Konsonanten zwischen den einzelnen Vokalen.
b)
eine Lautfolge VCV innerhalb eines Wortes48 wird automatisch in die Silbenfolge
V=CV aufgelöst:
/surfJ-e/ -» /$u =äei "Mund (Gen.)"
/kon2-e/ —» iko2=nei "Kleid (Gen.)"
Phonetische Indizien für diesen Prozeß sind folgende Gegebenheiten:
a)
die Vokalphoneme /e / und io/ zeigen vor h i nur dann die stark geöffneten
Varianten [e] bzw. [o], wenn dem h i kein weiterer Vokal (innerhalb der
Wortgrenzen) folgt, d.h. in tautosyllabischer Stellung49,
ß)
alle Vokalphoneme zei gen in si lbenauslautender Stellung eine leicht gelängte
Variante50, die auch dann auftritt, wenn die Wurzelsilbe (etwa bei Antritt des
Genitiv-Affixes /-e i ) erst durch Resyllabifizierung offen wird.
Beide Phänomene können durch folgende Beispiele illustriert werden:
ijer4/ [jeM] "gehen" vs. /p‘erafi3/ [phe-i.rai]/] "oben, auf"
H ot2/ [corl] "entkommen" vs, ijo4-roi [jo^.ro.\] "gehen (Ipv.)"
c)
bei einer Lautfolge VCCV liegt die Silbengrenze in der Regel zwischen beiden
Konsonanten (VC=CV). Indizien hierfür sind einerseits das Ausbleiben der in offener Silbe zu
erwartenden Längung des ersten Vokals, andererseits die Tatsache, daß Doppelkonsonanz im
^ D -h . innerhalb eines Lexems, oder einer Verbindung aus Lexem + Suffix; zur Begründung des Konzepts
"phonologisches Wort" vgl. 113.1.
49Vgl. oben I I .l.1.1.
50V gl.obenII.L L L
52
absoluten (d.h. Wort-) Auslaut niemals vorkommt. In den meisten Fällen liegt zwischen
beiden Konsonanten auch die eindeutig bestimmbare Morphemgrenze:
/ram3-pa/ [rum-l.bD-^] "lang"
/m rm ’-si/ [mrarfi.^i-s] "sehen (Konv.)’1
/mrin2s e / [mrin'l.sev*] "Frau (Eig.)"
Fälle, in denen die Silbengrenze vor der Konsonantengruppe anzusetzen ist (V=CCV),
entstehen durch den A ntritt des Komitativsuffixes -pre . In dieser Position w ird
wurzelauslautender Vokal gelängt:
/su2-pre/ [su*/l.pre-/'] "wer (Komit.)"
Ma^pre/ [i}D-'t.pre‘\ ] "ich (Komit.)11
Dieses Verhalten wird einerseits dadurch begünstigt, daß die Konsonantenfolge /pr/ auch im
absoluten Anlaut möglich ist, gibt aber andererseits einen Hinweis auf die relativ rezente
Grammatikalisierung des Komitativaffixes51.
Nach konsonantisch auslautenden Wurzeln entsteht durch den Antritt dieses Suffixes eine
Gruppe von drei Konsonanten52, die in analoger Weise syllabifiziert wird (VC=CCV):
/mrin2-pre/ [mrin-i-pre-/] "Frau (Komit.)"
11.2,2.
Phonemverteilung
11.2.2.1.
Vokale
Die Vokalphoneme des Thakali unterliegen nur geringfügigen Kookkurrenzbeschränkungen
hinsichtlich ihrer konsonantischen Umgebung. In der Stellung vor /ri/und im absoluten Anlaut
51V gl. das Auftreten einer reduplizierten Variante mit Eigenton prepre1 in adverbialer Funktion "zusammen",
vgl. in. 1.3.2.
52Filr vereinzelte weitere Fälle von Breifachkonaonanz bei Nichtlehnwörtem vgl. II.2.2.2.
53
ist die Opposition zwischen /a / und W neutralisiert53, ansonsten treten alle Vokale vor oder
nach den meisten phonemischen Konsonanten auf. Hierfür gilt lediglich die Einschränkung,
daß ein Teil der Konsonanten im autochthonen Wortschatz auf den Silbenanlaut beschränkt
ist, mithin die Position unmittelbar davor von keinem Vokalphonem eingenommen werden
kann54.
Alle Vokale außer /& können im absoluten Anlaut, im Inlaut, sowie im absoluten Auslaut
lexikalischer Morpheme erscheinen.
/a /
A nlaut
Inlaut
Auslaut
aca1 "älterer Bruder"
Caca3 "Junges“
"Vater"
nakju1 "Hund"
nampar2 "Wind"
na1
—
näpran1 "Fliego"
nälila1 "morgen"
koM2 "Kind»
nä3 "Wald"
apdJ
m
"ich"
/e /
erkä3 "Regenbogen"
erkin3 "Zweig"
mento3 "Blume"
ceme4 “Stüde"
mlc3 “Penis"
ke "Arbeit"
/i/
imu3 "Kop."
mm3 "Hindu"
min2 "Name"
piktin1 "Gesäß"
ki3 "du"
pH4 "vier"
foi ol' "rot"
ontro1 "vor, vom"
n o k a r 1 "Kat2ß"
c‘okote1 "sehr"
p‘01
W3
iüi unkju2 "Fluß"
uni1 "früher"
puki2
(fuku2
CU2
nu4
"Schlange"
"Öl, Fett"
"Ehemann"
“Freund"
"dieser"
“K noblauch1
Selektionsbeschränkungen hinsichtlich in aufeinanderfolgen Silben eines Lexems zulässiger
Vokale, die etwa der für das nahe verwandte Tamang beschriebenen "Vokalharmonie"
entsprächen55, lassen sich für den hier untersuchten Dialekt nicht feststellen56.
53Vgl. o b e n ll.I .I .l.
^ D e n n o c h finden sich einige B eispiele im ans dem Nepali entlehnten Teil des Lexikons.
55Vgl. MAZAUDON 1973, U Sf. Das phonologische System des Taraang verlangt, daß in nichtkom ponierten,
nichtentlehnten L exem en " ... ä l'ex ce p tio n des combinaisons avec a , les voyelles appartenant (sic) h deux
syllabes successives doivent etre soit de meine degrd d'aperture, soit sßpardes par plus d 'u n dcgr€ d'aperture."
54
II.2.2.2.
Konsonanten
Die konsonantischen Phoneme des Thakali weisen im Unterschied zu den Vokalen deutlich
eingeschränktere Verteilungen auf.
Im absoluten Anlaut lexikalischer Morpheme können alle Konsonanten erscheinen, die Zahl
der möglichen Phoneme nimmt dann zum Lexemende hin ab:
fk/
Ausl.:
kan1 "gekochter Reis"
naku2
"Knochen
nur LW, e.g. rnalak1 "Welt"<nep.
Anl.:
k ti1
Anl.:
Inl.:
/k V
"Suppe, Curry"
Inl.:
Ausl.:
nur LW, e.g. purkan1 "Verbrennungsplatz" < Must.-Tib.
Anl.:
no3-pa
taranä2
tüA4
"braten (Verbaln.)"
öaA2-pa
k a ä i1
"klein sein (Verbaln.)"
/«/
Inl.:
Ausl.:
Anl.:
Inl.:
Ausl.:
"Fisch"
"Baum“
"wie"
—
/( /
Anl.:
to3
"Gemüse"
Inl.:
tuntüJ
"Tier"
Ausl.:
nur LW, e.g. c'urot1 "Zigarette" < nep.
(ibid. 119). D.h. Kombinationen w ie e-e, e-o, u i, e-a
sind möglich, während z.B. e-i, o-u, i-e, u-o nicht
Vorkommen können.
^ E s soll aber nicht ausgeschlossen werden, daß künftige Forschungen diesen Befund relativieren können. D ie
wichtigste Voraussetzung für solche Untersuchungen besteht in der A ufstellung tragfähiger Kriterien zur
Identifizierung von Lehnwörtern aus den tibeto-birmanis chen Kontaktsprachen des Thakali (vgl. zu diesem
Problem auch WHDERT 1987,267-271).
55
Anl.:
tin4
"Haus"
Inl.:
toto3
"bis"
Ausl.:
nur LW, e.g. p im a t1 "(freie) Zeit" < nep.
Anl.:
tun2-pa
Inl:
—
Ausl.:
—
"trinken (Verbaln.)"
"Wurzel"
Anl.:
cärä3
Inl.:
cucu2 "lSpitze"
Ausl.:
nur LW, e.g. pjäc! "Zwiebel" < nep.
Anl.:
cIa1-pa
Inl.:
nur LW, e.g. a lc i1 "faul, träge" < nep.
"heiß sein (Verbaln.)"
Ausl.: —
Anl.:
no4
"Knoblauch"
Inl.:
tini2
"heute"
Ausl.:
m nn2
"Frau"
AnL:
pale3
"Fuß, Bein"
InL:
Ausl.:
p'ope1
"Familie“
Anl.:
Inl.:
Ausl.:
nur LW, e.g. käp2 "Tasse" < engl
( *1
paj
'Eisen'
56
im /
Anl.:
InL:
Ausl.:
/y
Anl.:
InL:
Ausl.:
4
me
p‘ämari
som2
■4
jer
sipß1
sej1
"Kuh"
"Nordwind"
"drei"
"gehen"
"Hügel"
"töten"
Irl
"Ziege"
Anl.:
"siegen"
Ausl.:
k ‘arä2mar4
Anl.:
ft2
"Schweiß"
InL:
...
Ausl.:
—
Anl.:
ü 3-pa
tila2
ol1
"schwer sein (Verbaln.)
Anl.:
4a1
"Götterbild"
InL:
...
Ausl.:
—
AnL:
da1
InL:
__57
InL:
"Gold”
ffi
ni
InL:
Ausl.:
"gestern"
"rot"
/.v
/§/
"Fleisch"
57f in e a B eleg fü r inlautendes /£ / stellt d ie m odale Partikel iui§e "vielleicht” dar.
57
Ausl.:
Aid.:
Inh:
Ausl.:
sa1
ose3
nis2
"Erde, Boden"
"so"
"sieben (7)’158
Aus dieser Aufstellung ergeben sich folgende Generalisierungen:
a)
aspirierte Konsonanten sind im autochthonen Wortmaterial auf den absoluten Anlaut
beschränkt. Dies gilt auch für /£/ , sowie die seltenen Phoneme /#/
und fr/, was
möglicherweise einen Hinweis auf deren diachrone Entstehung ( < *lh bzw. *rfj) gibt.
b)
im absoluten Auslaut ererbter Wörter kommen nur die stimmhaften Kontinuanten /n/,
/n /, /m /, /j/, ftf und flf vor. Auslautendes /s/ tritt in einem hocharchaischen Lexem auf.
Zusätzlich zu den einfachen Konsonanten können im absoluten A nlaut auch einige
Konsonantengruppen erscheinen (C ] C2),
Erster Bestandteil einer solchen Gruppe (Ci) kann dabei nur einer der folgenden Konsonanten
sein:
C] = {/kZ, /&/, /p/, !p% /m /, ft/, i.h f, /!/}
An zweiter Stelle (C2) kommen nur die stimmhaften nichtnasalen Kontinuanten vor:
C2 = {/]/, /!/, M
Nur mit den Labialen fp f und /m l sind alle Elemente von C2 kompatibel, nach /pV sind nur
/j/ und fr f , nach /kl, /c‘/ , ft/, /,af und fl/ schließlich ist nur /j/ möglich.*170
58D ieses Lexem ist der einzige Fall von auslautendem Ist , der im zugrundeliegenden Korpus (im Bereich des
nichtentlehnten Wortschatzes) gefunden werden konnte. Es handelt sich dabei wohl um einen Archaismus - vgl.
etw a Kinnauri StiS "seven" (SHARMA 1988, 119) oder Kachin sa'nit "seven" (HERTZ 1935, 116), die alle
lautgesetzlich auf Ptoto-Tibeto-Biimaiiisch *s-nis zurückgehen (BENEDICT 1972,16) - , der aufgrund drohender
Quasi- Homonymie m itn i4 "zwei" dem lautgesetzlichen Ausfall von A s/ entgangen ist. Vgl. MAZAUDON 1973,
170 über Taniang nis2 "id.": "On ne s'£(onnerapas d'une stmctuie exceptionnelle dans unnom de nombre".
58
w
/pjuA2/
"Junge"
/pjaA1/ "klug sein"
/pl/
/pli4/
"vier"
/plu4/
"Samen"
/pr/
/pran3/
"Gatter, Hürde"
Jpi^f "Mehl, Tsampa"
/mj/
/mjaA2/ "müssen (Modalverb)"
/ml/
/mla3/
"ungekochter Reis1'
/mle3/ "Penis"
/m r/
h m i2/
"Unkraut"
/tnrin2/ "Frau"
W
/p]ä2-pa/ "fegen (V erbaln.)"
/p‘r /
/p'ranpa1/ "Kranz"
59
i.kjt
/kjaf-pa/ "schwimmen (Verbaln.)1
/kjoA3/
"schnell"
W
/tjan2/ "hinten"
/nj/
/nju3/
"Milch"
/njan4/
"wir"
/lj/
l-i
O
/ljaAz~pa/ "spielen (Verbaln,)"
/c‘j /
/c‘jar2-pa/ "scharf sein (Verbaln.)”
Im Inlaut treten Konsonantengruppen nur an der Morphemgrenze auf. Die zwischen Lexemen
und Suffixen auftretenden Cluster setzen sich aus den im absoluten Auslaut zulässigen und
den im M orphem anlaut auftretenden Konsonanten zusammen. Zu bedeutsam en
morphonologischen Prozessen kommt es dabei nicht59.
Sieht man vom entlehnten Wortmaterial ab, sind Konsonantengruppen, die innerhalb
lexikalischer Morpheme auftreten, nicht sehr häufig und geben zumeist Hinweise auf nicht
mehr produktive morphologische Prozesse, bzw. obsolete Lexeme, die nur in Komposita
fortexistieren. Einige Beispiele60:
59Für die lediglich auf der subphonemischen Ebene relevanten partiellen Assimilationserscheinungen vgl. n.1.2.
60Weitere finden sich im Glossar passim .
60
unkju2
"Fluß" enthält zweifellos kju2 Wasser, das
Element un- ist hingegen nicht isoliert
nachweisbar61.
näpTaü1
"Fliege" ist im Rahmen der tamangischen Sprachen nicht analysierbar
(vgl. Gurung na'bbru "Ameise"), BEYER6263referiert den Ansatz eines
tibeto-birmanischen *rwak "Ameise", dem verschiedene
Einzelsprachen eine Art Klassenpräfix (für Tiere oder Insekten)
vorangestellt hätten. Nimmt man zunächst an, daß *nä- Inamöglicherweise ein solches nanimal-preftx" darstellt0 , könnte sich
daraus auch eine Erklärung für andere schwer deutbare
Tierbezeichnungen ergeben, z.B. für
nakjü1
"Hund" (Gurung nagi , Taniang nakhi1 ), vgl. andere tibetobirmanische Bezeichnungen für den Hund, wie Tibetisch khyi, Kanauri
ku i , Chepangktw, Kachin gwi u-a.64.
Ebenfalls in diesen Zusammenhang gehört eine Gruppe von Adverben, die ein nicht mehr
produktives Suffix65 *-ro mit lokaler bzw. direktiver Funktion zu enthalten scheinen, vgl.
ontro1
"vom, vor, erster"
k ‘ontro2
"nach oben"
kjono2
"nach unten"
Die in den beiden ersten Beispielen auftretende dreifache Konsonanz ist in nichtentlehnten
Wörtern nur an Morphem grenzen möglich, das dritte Lexem erweist das / t / als nicht zum
61Morpheme dieser Art werden von Matisoff als morphcms bezeichnet, vgl. MATISOFF 1973,60: "By this term
w e mean ’orphan morphs' that only occur io one or two compoiwds, and to which it is usually im possible to
assign any meaning disträct from that of the compound as a whole".
62t9 9 2 ,10.
63Und sieht man von imverkennbaren lautlichen Schwierigkeiten ab, die allerdings bei näherer Erforschung der
Lautgescbichte der tumangischen Sprachen sich durchaus als uberwindbar erweisen könnten.
^ B e n e d ic t 1972 ,4 4 , dem diese Beispiele entnommen sind, setzt für die Grundsprache *kwiy an.
65Zu nicht (mehr) isoliert vorkommenden Wurzeln.
61
Suffix gehörig, wegen der generell ausgeschlossenen Doppelkonsonanz im Auslaut kann es
auch nicht zur Wurzel gehören. Es kann daher angenommen werden, daß beim
Auf einandertreffen von /n/ und /r/ ein Dental als Übergangs- (oder Sproß-) Konsonant
automatisch erscheint:
M
+
frf
> /n tr/66
Im absoluten Auslaut sind keinerlei Konsonantengruppen zulässig.
11.2,3. Assimilatorische Prozesse
Neben den in II. 1. behandelten Assimiliationen, die nur gelegentlich die phonemische Ebene
berühren, ist vor allem ein bei einem einzigen Verbum zu beobachtender Fall regressiver
Fernassimilation von Wurzel- und Suffixvokalismus zu erwähnen. Die hochfrequente
Verbal Wurzel jer4 "gehen" nimmt in den meisten ihrer affigierten Formen den Vokalismus
des Suffixes an. Das Paradigma wird unter III.4.4. näher besprochen.
II.3.
Suprasegmentale Phänomene
II.3.1. Das tonale System
Die Grundzüge des Systems der tonalen Oppositionen im Dialekt von Marpha lassen sich wie
folgt zusammenfassen:
eine tontragende Einheit kann einen von vier phonologischen
Tönen aufweisen,
die artikuiatorische Basis der einzelnen Tönerne macht
Gebrauch von zwei Parametern, dem Stimmregister einerseits, der
Tonhöhenkontur andererseits,
^ D iese r Prozeß ist in zahlreichen Sprachen bezeugt, vgl. etwa griechisch &viqp, <kv8poq, oder neuhochdeutsch
minder aus mittelhochdeutsch minner (V. KIENIJj 1960,98). Grundsätzlich dazu vgl. BRUGMANN 1922,230:
"Zwischen N asal und Konsonanz kann sich ein Verschlusslaut einstellen, w enn die Schliessu ng der
Gaumenklappe so vorausgenommen wird, dass der Nasenraum vor der Lösung des Mundverschlusses abgesperrt
wird" mit zahlreichen Beispielen aus indogermanischen Sprachen.
62
die Domäne der tonalen Opposition ist nicht wie in
zahlreichen anderen Tonsprachen die Silbe, sondern das
(phonologische) Wort.
Zur besseren Illustration der Eigenheiten des Tonsystems im Dialekt von Marpha ist es
hilfreich, zunächst dasjenige des Thakali-Dialektes von Tukche zu betrachten, das, von
phonetischen Details abgesehen, im wesentlichen dem gemein- (und wohl auch ur-)
tamangischen System entspricht67.
In diesem Dialekt sind, wie in allen Sprachen der tamangischen Gruppe, vier tonemische
Einheiten relevant686970:
Notation bei HARI (1969)65
Kontur7® Register
1 ----2
+
—
3
—h
4
'— h
+
clear (bzw. gespannt)
clear
breathy (bzw. ungespannt)
breathy
Beispiele sind etwa (in Klammem folgt die in dieser Arbeit verwandte Notation):
1
'na
"Nase"
(na1)
2
ku
"neun"
(ku2)
3
nah
"Mensch"
(nu3)
67D ie nachstehend referierten Gegebenheiten des Tukche-Dialekts sind hauptsächlich HARI 1969 und HARI
1971 entnommen. Dort unkorrekt verzeichnete Töne (dies betrifft Ton 1 und 2) sind nach MAZAUDON 1978
korrigiert. Hinzu treten eigene Erhebungen des V eif., die im OktoberiNovember 1992 in Jomsom mit Sprechern
des Tukche-Dialektes (der Clans Gauchan und Sherchan) vorgeuommen werden konnten. Für dieses Material ist
die Verschriftung von HARI beibehalten worden.
68D ie Numerierung der Tönerne folgt dem Vorgang von MAZAUDON 1978 und ist dieselbe, die in dieser Arbeit
Bestandteil der phonologischen Notation aller Thakali-Wörter ist. Es muß darauf hingewiesen werden, daß in
WEIDERTS umfassender Arbeit über die Tonsysteme der übeto-birmanischen Sprachen eine davon abweichende
Numerierung gebraucht wird (WEIDERT 1987, 260-312: Phonation and Tone in the Tamang/Gunmg/Thakali
Nucleus). Es entsprechen WElDHtTS units 1 und 2 MAZAUDONS 1 und 2, die Bezeichnungen für die Töne des
ungespannten Registers sind vertauscht, d,h. WEIDERT 3 = MAZAUDON (und diese Arbeit) 4, sow ie WEIDERT 4
= MAZAUDON 3,
69D ie vier Striche < — > vertreten hier die jeweilige tontragende Einheit.
70<+> bedeutet: nicht-ebene Kontur, <->: ebene Kontur.
63
4
'keh
"Arbeit"
(kc4)
Die Verwendung des Begriffes Register darf hier nicht mit derjenigen verwechselt werden,
die durch TRUBETZKOY oder Pk e in der Sprachwissenschaft üblich geworden ist. Vgl.
einerseits TRUBETZKOY 1939, 18lf., wo Tonhöhe, aber auch "Stimmlage" mit diesem
Terminus promisciie bezeichnet werden, andererseits P ike 1948,6:
"When a language has a small, restricted, number o f pitch contrasts between level
tönernes, these contrastive levels are comeniently called Registers. "7l.
Der hier verwandte Registerbegriff geht
a u f HENDERSON 72*zurück,
die die in Mon-Khmer-
Sprachen verbreitete Opposition zwischen einer
11'normal' or 1head' voice quality, usually accompanied by relatively high pitch "
und einer
"deep, rather breathy or 'sepulchraV voice, pronounced with lowering ofthe larynx 1,73
mit diesem Terminus belegt.
Das im Thakali (und den übrigen tamangischen Sprachen) anzutreffende System orientiert sich
zum einen an diesem Phonations-Gegensatz, zum anderen sind Tonverlaufskonturen relevant.
Die Artikulation des als breathy oder ungespannt bezeichneten Registers wird von H ari wie
folgt beschrieben74:
The tongue and lip position ofthe breathy vowels is the same asfor the clear vowels,
but the breathy vowels have a different voice quality. For the clear ones the Adam 's
apple remains raised whilefor the breathy ones the Adam's apple is lowered and the
7 * Für eine eingehende Kritik, besonders an der Tonologic TRUBETZKOY s, vgl. WEtDERT 1 9 8 1,142-152, wo
auch die Tonsystem e der tamangischen Sprachen diskutiert werden.
72HENDERSON 1952,151.
^ Ib id . 151 (zitiert nach WEIDERT 1981,148).
74Ha r i 1 9 6 9 ,2 2 . D ie als clear oder gespannt bezeichnete Phonation weist demgegenüber keine auffälligen
Besonderheiten auf. Sie entspricht grosso modo der Sprechern der meisten europäischen Sprachen vertrauten
"gewöhnlichen" Phonation.
64
throat expanded. This results in a larger resonance chamber in the back ofthe mouth
and the vowel gets a different voice quality. Al the same time the pitch ofthe breathy
vowel is lower ihan the pitch ofthe clear one in the same stress position. Itis a
considerable step down. The term breathy is keptfor traditional reasons and for the
lack o fa beiter term, but in Thakali it could be misleading, for it is only in overdistinct
speech that a breath is audible. In normal speech, it is the low pitch and the lax voice
quality which are prominent.. When aperson is pronouncing a breathy vowel, we can
observe externally the tightening of he muscles ofthe front pari ofthe neck and ifa
person has a protruding Adam 's apple, the lowering ofit is also visible. I!
Diese Beobachtungen können für den Marpha-Dialekt7S voll bestätigt werden. Zusätzlich zu
diesem Phonationsgegensatz zeichnen sich die einzelnen Tönerne aber auch durch eine
charakteristische Kontur, d.h. eine ihnen jeweils eigene Tonverlaufskurve aus. Die bislang
detailliertesten Untersuchungen zur phonetischen Realisierung der Tönerne in den
tamangischen Sprachen stammen von
M AZAUDON76,
die den Konturen besondere
Aufmerksamkeit widmet. Aus ihrer vergleichenden Tabelle77 seien der Tamang- Dialekt von
Risiangku, das Thakali von Tukche und das Gurung von Ghachok hier einander
gegenübergestellt:
Ton
Risiangku
Tukche
Ghachok
1 = clear
54
54
33
2 - clear
44
44/33
54
3 - breathy
33 /2 2
11
11
211
121
12
4
= breathy
75Allerdings m it dem Unterschied, daß in Marpha nur ein Tonern - Ton 3 - durch diese Phonation charakterisiert
is t
76MAZAUDON 1978, v g l. für das folgende bes. 165 ff. W ichtig ist hierbei, daß die Konturen jew eils an
etym ologisch einander entsprechenden Wörtern beobachtet wurden. Generell gilt, daß verwandte Wörter der
E inzelsprachen m eist auch derselben Tonklasse angehören, unabhängig von der phonetisch oft stark
abweichenden Realisierung der Töne. D ies gilt besonders auch im Hinbäck auf Wörter mit T on 4 im M aiphaDialekt
^ Ib id . 165. D ie dort gebrauchte Bezeichnung der Tonhöhen durch Ziffern geht auf CHAO Yuen-ren zurück
(CHAO 1930 non vidi), vgl. NORMAN 1988, 145-146: “In bis (CHAO's, St. G .) system , pitch is plotted on a
veitical scale which represents the normal voice ränge o f a Speaker; the scale is divided into flve points, on wbich
1 is the low est point and 5 the highest; 3 is mid pitch, 4 half-high, and 2 half-low. A tone can be described by
indicating its beginning and ending point; (...) examples (...:) [44] a level tone beginning at the half-high level
and continuing at the same pitch throughout (...) [35) a rising tone at the mid point of person's normal speaking
ränge and rising to its upper lim it..."
65
Diese Daten bestätigen die allgemein phonetische Beobachtung, daß das ungespannte
("breathy ") Register generell durch eine tiefere Tonhöhe gegenüber dem gespannten
ausgezeichnet ist.
Der Dialekt von Marpha weist hingegen gegenüber diesem symmetrischen System eine
einschneidende Perturbation auf. Alle Lexeme, die historisch dem vierten Ton angehören,
werden hier gespannt ("clear ") artikuliert, gleichzeitig verläuft ihre Kontur vom obersten
Rand des Artikulationsspektrums zum unteren Endpunkt (51), vgl.78:
Ton
1 = clear
Marpha
43
2
—clear
45
3
= breathy
33/22
4 = clear
51
Diese Konturen können graphisch wie folgt dargestellt werden:
In den phonetischen Notationen dieser Arbeit werden diese Töne durch die IPA-Zeichen für
einen fallenden (1: [1]), einen steigenden (2: [1]), einen tief ebenen (3: [-I]) und einen hoch
fallenden (4: [4]) Ton bezeichnet. Das ungespannte Register wird stets durch [o], [a] etc.
markiert, auch wenn die von H ari für den Tukche-Dialekt gemachte Einschränkung, daß
"only in overdistinct speech a breath is audible " auch für den Marpha-Dialekt gilt.
78MAZAUDON 1978.165.
66
Diese Abweichung des Tonsystems in Marpha von dem der meisten übrigen tamangischen
Sprachen79, die, soweit vorliegende Daten eine Aussage hierüber zulassen, den grundsätzlich
symmetrischen Charakter des Tonsystems beibehalten (in zwei Registern werden jeweils zwei
Konturen unterschieden), ist als einzelsprachliche Neuerung aufzufassen.
Dies erhellt vor allem aus der Tatsache, daß tonabhängige Kookkurenzbeschränkungen im
Marpha-Dialekt fortbestehen, obwohl die phonetische Basis dafür nicht mehr existiert. Eine
Silbe mit ungespannter Phonation (d.h. in Ton 3 oder 4) kann nicht mit einem aspirierten
Verschlußlaut anlauten, oder, umgekehrt, diese Konsonanten sind nur im Anlaut gespannter
Silben zugelassen80, zulässig sind demnach (in der Verschriftung des Tukche-Dialekts,
Maipha-Dialekt in Klammern) Silben wie:
’pho
(pW)
khu
(Jtb2)
Unmöglich sind:
*khuh (*kb3)
*'phoh (*p‘o4)
Eine mögliche Erklärung für diese Tatsache läge in der Annahme, daß das ungespannte
Register ( "breathy voice ") durch den Übergang einer ursprünglich dem silbenanlautenden
(vielleicht stimmhaften) Konsonanten eigenen Aspiration in den syllabischen Nukleus
entstanden wäre, d.h.:
*ChV > CVh (bzw. CV )
79MAZAUDON 1 9 7 8 ,1 6 5 erwähnt noch zwei andere Varianten, in denen das ursprünglich symmetrische Z w eiPkonationen-System in ähnlicher W eise gestört ist, zum einen den Tamang-Dialekt von Taglung, w o ebenfalls
Ton 4 zum gespannten hoch-fallenden (51) Ton wurde, zum anderen das Manangi von Ngawal (möglicherweise
auch andere Varianten, einschließlich der des Dorfes Manang selbst), das eine völlig andere Artikulationsbasis
der Töne ausgebildet hat.
80HARI1969,37: "Breathy vowels da not occur öfter the aspiratedstops, the aspiraledajfricate, the voicelessli,
it .... Here only clear vowels occur". MAZAUDON1973,132 (über das Tamang von Risiangku): "L'Opposition
d'aspiration ä l'iniliale est neutralisie aux tons bas 3 et 4. L'archiphonhne se rdalise comme m e occlusive non
aspirie, d'articulation relächie, souvent voisie mais non pas necessairement
67
i
Sowohl Stimmhaftigkeit, als auch Aspiration können generell in tonalen Sprachen, deren
|
Tonogenese in Grundzügen bekannt ist, häufig als Ausgangspunkt für die Entstehung tiefer
|
Töne ausgemacht werden81.
|
mit Ton 4 keine Aspiration im Anlaut dulden, obwohl Ton 4 gespannt artikuliert wird, d.h.
Auffällig ist nun vor allem, daß auch im Marpha-Dialekt Silben mit Ton 3, wie auch Silben
I
keinerlei akustische Spur einer "vokalischen Aspiration" aufweist. Dieser Befund führt zur
Annahme einer relativen Chronologie 82:
i
Stadium A (Proto-Himalayisch?, Proto-Tibeto-Birmanisch?):
j
i
i
und/oder stimmh, ^
Stadium B (Proto-Tamangisch, grosso modo - Proto-Thakali):
|
,
*#CStimml.-nichtasp.^ ungespannt {Ton3 und 4)
i
i
|
Stadium C (Marpha-Thakali, auchTaglung-Tamang):
'
^^^stim m l.-nichtasp.^ gespannt
i
(Ton 4)
Die Domäne der tonalen Oppositionen ist nicht die Silbe, sondern vielmehr eine größere
Einheit, die die lexikalische Wurzel unter Einschluß sämtlicher Suffixe umfaßt. Dies
j
I]
manifestiert sich vor allem darin, daß
a)
die artikulatorische Ausprägung des Registergegensatzes nur für die erste Silbe
eines Lexems/Wortes relevant ist, und
81Man denkt etwa an neuindoarische Sprachen, w ie z.B. das Panjabi oder das Gujaraü. Für letzteres wird sogar
ausdrücklich eine Registeropposition (breathy vs. clear ) erwähnt (auch als murmur bezeichnet), die historisch
m it ausgefallenem (allerdings postvokalischem) *h in Zusammenhang steht. Für diese D aten und weitere
Literatur vgl. MASICA 1991,118-121, vgl. auch GLOVER 1971.
82Dieses Szenario ist selbstverständlich grob vereinfachend. Nicht berücksichtigt sind weitere konditionierende
Faktoren, die zwischen Stadium A und B die Entstehung zweier angespannter Töne (3 und 4) determinieren. Die
Formel *#C13p ^ 0^ alimmh, bezeichnet daher bestenfalls einen partieÜen Input für Ton-4-SiIben in Stadium B.
D ie große Komplexität der Tonogenese in den tamangischen Sprachen soll hier keinesfalls verkannt werden, an
der Tatsache, daß Aspiration und ungespanntes Register historisch miteinander Zusammenhängen, ist aber m .R
nicht ernstlich zu zweifeln. Für Ansätze hierzu, die über unser simplifiziertes Schema w eit hinausgehen vgl.
MAZAUDON1 9 7 8 ,168ff„ WEIDERT 1987,272-274.
I
68
b)
die jedem Tonern eigene Tonverlaufskontur sich in mehrsilbigen Wörtern über
alle Silben verteilt.
Prinzip a) bedeutet, daß in einem mehrsilbigen Wort, das Ton 3 angehört, alle Silben (= alle
Vokale) mit Ausnahme der ersten gespannt artikuliert werden. Dies gilt sowohl für nichterste
Silben in mehrsilbigen Lexemen, als auch für alle suffigierten Elemente83:
/täsin3/
[da■-Lein/’] "Stock"
/caca3/
[dzp--!dzo*/"] "Sohn"
/ki3-pa/ [k>i--i.wD-/] "schön sein (Verbaln.)"
/mi3-cä/ [mi--!.dza*/"] "Mensch (Plur.)11
Da, wie bereits erwähnt, die gespannte Artikulation automatisch einen höheren Ton impliziert
als die ungespannte, steigt der Ton in mehrsilbigen Ton-3-Wörtem zum Wortende hin an,
wofür in der hier verwandten Notation das IPA-Zeichen j>] ("globalrise ") steht84.
Prinzip b) besagt, daß in mehrsilbigen Wörtern (sowohl mehrsilbigen Lexemen, als auch
suffigierten Ein- oder Mehrsilbem) der lexikalische Ton der Wurzel die prosodische Struktur
des gesamten mehrsilbigen Komplexes determiniert. Treten z.B. an eine einsilbige Wurzel im
Ton 1 ein oder mehrere Affixe an, so weist der gesamte Wurzel-Affix-Komplex eine fallende
Intonationskurve auf. Analoges gilt für die anderen Schieftöne 2 und 4 85;
83D ie Existenz von tonalen A ffixen, d.h. solchen, die einen E gen ton aufweisen, die ftlr den Tukche-Dialekt
postuliert wird (vgl. HARI 1969, 42-47), kann für den Marpha-Dialekt nicht bestätigt werden. W eitere
Untersuchungen m ögen diesen Befund allerdings relativieren.
^ D a die Kontur vo u T on 3 auf E n silb em eben ist, liegt hierin eine leichte M odifikation zu dem unten
behandelten Prinzip b).
®5In den phonetischen Notationen dieser Arbeit werden daher die Symbole für den Tonverlauf [1], [-1], [-1] und
[4] mechanisch nach der ersten Silbe geschrieben, für die weitere Tonkurve stehen dan n am Ende des Wortes [/■]
oder ['s,]. In den phonologisc.hen Notationen steht das Tonsymbol Z1,23,4/ nach dem Lexem, also na 1 , riaJ-rari ,
ca^pa-laä-cä, aber auch täsin3, k*uju2 etc. Dieser Kompromiß wird dadurch erforderlich, daß bislang noch nicht
alle zweisilbigen Lexeme eindeutig als komponiert erwiesen werden können, mit der M öglichkeit zweisilbiger
Wurzeln daher zumindest gerechnet werden muß.
69
/fta1/ "ich":
[rio.^l
Ma !-ran/ "ich (Dat.):
[f)D-vi.raq\]
/ca}-pa-lan-cä/ "Nahrungsmittel (Plur.)":
[tso-'1W D-laq.dza-\]
/iwin3/ "Frau":
[im ind]
/mrinkolä2/
"Mädchen":
[m riq 'l.k o .la -/]
/nu4/
"schlafen":
[nu-vi]
/nu4-janse/ "schlafen (Kondition.)":
[nu-vJ.jaq.se.\]
70
Aus dieser Beobachtung ergibt sich für dasThakali die Definition des phonologischen Wortes
als Bereich der Ausdehnung einer einem einzigen Ton zugehörigen Tonkurve86. Durch diese
Definition sind die beiden einzigen präfixähnlichen Elemente des Thakali87, d ie
Negationspartikel a 3 und die Prohibitivpartikel tW , als autonome Wörter (mindestens im
phonologischen Sinne) erwiesen.
Die Verteilung der einzelnen Vokalphoneme auf die vier Töne unterliegt im Marpha-Dialekt
keinen Beschränkungen88:
Ton 1
Ton 2
Ton 3
Ton 4
k i4
/V
fuf
c‘i J
min2
m i3
iu J
kW
M3
nu4-
/e /
tW
ne2
pe3
ke4
/o/
täf
/sJ
pW
to2
ro3
no 4
y
n a1
p ‘jW
nä3
sd4
ta2
ca 3
p ra 4-
:
a/e2
Geld
Minimalpaare, bzw. -gruppen:
1:2
a/e*
jüngerer
Bruder
1:3
. i
cm -
fangen
:
cin 3-
beenden
n i2
wir beide
:
n i4
zwei
m i2
Feuer
: m i3
k ju 2
Wasser
:
pd3
Blatt
: pä*-
1:4
2:3
Mensch
2:4
k ju 4
Schaf
3:4
bringen
86Vgl. für das Tamang MAZAUDON 1973,48: "C'est le Heu du developpement de la courbe melodique d'un ton
etd'unseul
87vgl. m .4.
88j.'ür
Wortbedeutungen sei in diesem Falle auf das Glossar verwiesen.
71
1:2:3
ca1-
essen
: ca2
dieser
:
ca3
Kind
me1
Schwanz
: me -
fragen
■
me
Kuh
pe
Geschichte
: pe3
Zins
: pe4
1:2:4
2:3:4
Dach
Minimalquadrupel sind kaum belegbar. Ein möglicher Kandidat ist:
1:2:3:4
na1 ich
:
na2 Osten
:
na3 Trommel
:
M 4 fünf
Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Bestimmung des Tons 2 bei dem Wort
für “Osten" evtl, korrigiert werden muß.
II.4. Das phonologische System in Lehnwörtern
Die wichtigste Sprache, mit der das Thakali in Kontakt steht, ist naturgemäß das Nepali, die
linguafranca und einzige Unterrichtssprache des Landes. In geringerem Maße bestehen auch
Sprachkontakte zu dem tibetischen Dialekt von Mustang und Baragaon {gLo-skad ).
Demgegenüber sind die sprachlichen Kontakte zu anderen Sprachen der Region marginaler
Natur (im Süden und Südosten grenzt das Thakali-Sprachgebiet an von Magar- und GurungSprechem bewohnte Gegenden, für die sprachliche Situation in Marpha hat dies aber keine
Bedeutung). Trotz weitgehend problemloser gegenseitiger Verständlichkeit der einzelnen
Thakali-Dialekte untereinander bedienen sich die Marphatan auch im Verkehr mit den
thakalisprachigen Bewohnern Jomsoms oder Tukche in der Regel des Nepali89.
Das Phonemsystem des Nepali enthält folgende Phoneme90:
89Dies mag mit der Tatsache Zusammenhängen, daß die Tukche- (oder Tarnang ) Thakali die Bewohner Marphas
nicht als Thakali anerkennen.
90Zitiert nach MAZAUDON1973,38, mit leichten Veränderungen. Bei der Angabe von Nepaii-Lexemen wird im
Glossar dieser Arbeit die offizielle Orthographie in Dev anägari-Schrift verwandt. Das Grapheminventar dieser
Schrift deckt sich nicht mit dem Phoneminventar der Sprache, Nepalesische Lehnwörter im Thakali wurden, so
weit dies möglich ist, der hier gebrauchten phonologischen Notation unterworfen. Dies fuhrt dazu, daß allgemein
bekannte indische Kulturwörter und Namen ein ungewohntes Aussehen erhalten, z.B. putttf3 < Buddha, tepWt3<
Devdatta, intu3< Hindu. Extreme Beispiele sind die englischen Lehnwörter pek3 'Tasche" < nep, byäg < engl.
b a g , oder kjdmpas2 < engl, campus.
72
Konsonanten:
stl. V ersch.
Stl.-asp. Vergeh.
slh. Vergeh.
sth.-asp. Versch.
Nasal
labial
dental
V
ph
b
bh
m
t
th
d
dh
n
s
Frikat
w
Sonant
r
retroflex
palatal
velar
f
c
ch
k
kh
j
jh
g
gh
n
ß
4
dh
laryngal
h
1
y
Vokale:
Die wichtigsten rekurrenten Lautersetzungsprozesse bei der Übernahme von Lehnwörtern aus
dem Nepali sind:
Lexeme, die im Nepali mit stimmhaften oder stimmhaft- aspirierten
Konsonanten
oder //i/ anlauten, werden in Ton 3 überführt. Die Aspiration des Konsonanten bzw.
ih! geht verloren:
/päcä’f 3/
"Markt" < nep. bajär
/pajsi3/
"Wasserbüffel" < nep. bhoisi
/tusmän3/
"Feind" < nep. dusrnan
/coli?/
"Tasche" < nep. jholä
/as3/
"Gans" < nep hamsa ffe l
Auslautende Verschlußlaute bleiben in der Regel erhalten, stellen also ein
deutliches Lehnwortsignal dar:
73
/mulük1/
"Welt" < nep. muluk
/asirpät1/
"Segen" < nep. ätiirbäd
/t'ik2^ 1
"richtig, O.K." < nep. thik feop
^ -kJ
Nepali Id/ wird meist als Irl repliziert:
/csr2/
"Fest" < nep. cäd
Für weitere Beispiele muß auf das Glossar verwiesen werden. Besonders die den Vokalismus
betreffenden Substitutionsprozesse und die Verteilung der entlehnten Wörter auf die Töne 1
oder 2 (Lehnwörter, die eindeutig Ton 4 erhalten, konnten bislang nicht'festgestellt werden)
bedürfen noch eingehender Untersuchung.91
91Dies ist der einzige Beleg für aspiriertes AV, das deswegen auch in der Darstellung des Phonemsystems
unberücksichtigt bleibt.
74
III. M orphologie
Die morphologische Technik des Thakali kann als durchgängig agglutinierend beschrieben
werden, wenn auch sehr vereinzelte Fälle von morphonologischer Alternanz zu beobachten
sind92.
III. 1. Nomen
Lexeme, die gegenständliche, sichtbare, zeitstabile Gegenstände93 kodieren, bilden den Kern
der Wortklasse Notnen94. Morphologisch zeichnen sich Nomina im Thakali dadurch aus, daß
sie Numerus und Kasus bezeichnende Affixe annehmen95,
III.l.l.
Numerus
Die Numeruskategorie im Thakali unterscheidet Singular und Plural, Als Zeichen des Plurals
dient -c£ Ein eigenes Singularzeichen existiert nicht. Soll die Singularität besonders markiert
werden, wird dem Nomen fakultativ das Numerale ki4"eins" nachgestellt:
92V gl.in.4.4.
93Gegenstand Mer im Sinne von KAMLAH/LOKENZEN 1969, 42f. :"Wir verstehen unter 'Gegenstand' alles
'dasjenige', dem ein Prädifcator zugesprochen werden kann, oder worauf man durch Eigennamen oder deiktische
Handlungen (Kennzeichnungen) hinzeigen kann in einer für den Gesprächspartner verständlichen Weise".
94D ie hier angewandte M ethode der Aufstellung von Worlklassen folgt hauptsächlich GlVÖN 1 9 8 4 ,47ff. (bes.
55). Grundlage dieses Ansatzes ist eine Skala der Zeitstabilität, nach der typischerweise zeitstabile Entitäten
(GlVÖN: phenomenological clusters), w ie z.B . materiell m assive, sichtbare D inge, den einen, typischerweise
momentane, sich schnell verändernde, nur als Prozess wahrnehmbare Entitäten, w ie z.B. Vorgänge, Handlungen,
Ereignisse, den anderen Extrempunkt eines Konlimmms bilden:
NOM INA---------- ADJEKTIVE---------- VERBEN
sehrzeitsfabil
Übergangsbereich wenig zeitstabil
Je weiter links auf dieser Skala ein Gegenstand im konzeptionellen Raum angesiedelt ist, desto eher wird er
sprachlich als NOM EN kodiert und v ice versa. D ie Grenzen zw ischen den traditionellen Wortklassen sind
demnach unscharf und sprachspezifisch. D ie fiir die jew eils zu untersuchende Sprache aufzustellenden partes
orationis ergeben sich durch ein e Ergänzung dieser aprioristischen semantischen K lassifikation durch
morphologische Kriterien. D ies ist im Falle des Thakali besonders fiir die Wortklasse Adjektiv (s. HL2.) relevant.
Für die Mer zu besprechende Wortklasse NOMEN bedeutet dies, daß alle Lexeme, die sich morphologisch wie
prototypische Nomina verhalten, dieser Klasse zugeoidnet werden, auch wenn ihr semantischer Gehalt sich mehr
oder weniger stark von dem eines prototypischen Nomens unterscheidet (zu diesem Prinzip der metaphorischen
Extension vgl. GlVÖN 1984,98).
95Morphologisch markierte Nominalklassen bzw. Genera existieren nicht.
75
(1)
jul3 ki4 -ri
kty'u2 ki4 mu1 -ci
Dorf eins -LOC Alte
eins KOP -PRAET
In einem Dorf lebte eine Alte.
Der Suffixantritt erfolgt ohne morphonologische Besonderheiten:
Sg.
mi■3
mrin2
koM2
ra1
jul3
Pi.
m i3-cä
mrin2-cä
kotä2-cä
ra‘-cä
juf-cä
Menschen
Frauen
Kinder
Ziegen
Dörfer
Das Pluralaffix bezeichnet die Mehrzahl (MP96), vgl. Plural (3) vs. Singular (2):
(2)
ki3
-e
koM2 ke2 te2
-si mu‘w
PP.2SG-GEN Kind Laim hervorbringen-CV KOP
Dein Kind macht Lärm.
(3)
ki3
-e
kolä2-cä ke2 te2
-si mu [
PP.2SG-GEN Kind-PL Lärm hervorbringen-CV KOP
Deine Kinder machen Lärm.
Die Setzung des Pluralaffixes bei Nomina, die unzählbare Dinge bezeichnen, wird von den
meisten Sprechern abgelehnt, vgl. jedoch
(4)
Tmpxäl-cä con3 toto3 c'a* -pa mu\
Asche-PL jetzt bis
heiß-VNKOP
Die Asche ist noch heiß.
^ D i e Unterscheidung der inhaltlichen ("Anzahlen": Einzahl, Mehrzahl) Numeruskategorie von der formalen (
"Numeri": Singular, Plural) Kategorie folgt hier DOERFER 1963, 181f. Hieraus ergeben sich vier m ögliche
Kombinationen: ES, EP, MS und MP.
76
Häufig ist auch der (fakultative) Ausdruck der Mehrzahl durch die unmarkierte (Singular-)
Form (MS), und zwar
a) wenn die Semantik der Proposition/des Nomens oder der Diskurskontext eine Interpretation
als Mehrzahl begünstigt, z.B.:
(5)
n h n ä l-e
sipjä* ru m 3-pa m u \
Vogel-GEN Flügel lang -VN KOP
Die Flügel des Vogels sind lang.
{sip jä 1bezeichnet ein paariges Körperteil).
( 6)
te J
fall2 k “a 2
-si m u \
PP.3SG Topf waschen-CV KOP
Sie reinigt die Töpfe.
(Diskurskontext: mehrere Töpfe wurden bereits erwähnt).
(7)
cu2 -cä nakju}-e
sa1 imu3
PDEM-PL Hund -GEN Zahn KOP
Dies sind Hundezähne.
(Das satzeinleitende Demonstrativpronomen in der Funktion eines topic mark&rs nimmt die
Pluralität des Prädikators vorweg).
( 8)
ca2
t‘0 1 -pa -e
jä1 -se
tikä1
Kind klein-VN-PL Mensch groß-VN-GEN Hand-ABL/ERG Tika
cär2 kanä3 kold2 daö2-pa -cä mi3
PDEM Fest Zeit
kin2
nehmen
Während dieses Festes erhalten die kleinen Kinder die Tika aus der Hand der Erwachsenen.
77
(Kultureller Kontext: alle Eltern geben ihren Kindern die Tika; die Pluralität von koM2 dan
pa impliziert die Pluralität von mi3 tW-pa und
b) mitNumeralia und Quantifikatoren, z.B.:
(9)
täsin3 pH4 jumpä2 som2
Stock vier Stein
drei
vier Stöcke und drei Steine
( 10)
pjuAkoM2 ni4 mrinkolä2 ki4
Junge
zwei Mädchen eins
zwei Jungen und ein Mädchen
( 11)
kate4 mi3
k ‘a !
-Ja/i
wieviel Mensch kommen-PRAET.INTERR
Wieviele Leute sind gekommen ?
( 12)
njan4 -e
tanäna3 kon2 rmi*
PP. 1PL-GEN viel
Kleid KOP
Wir haben viele Kleider.
Die Verwendung des Pluralaffixes zusammen mit Quantifikatoren ist aber möglich, vgl,
(13)
man3 -se
tandha3 tara1~ca muJ -ci
Nacht-ABL/ERG viel
Stem-PL KOP-PRAET
In der Nacht waren viele Sterne da.
78
Eine (keinesfalls obligatorische) Bevorzugung des Pluralaffixes bei Nomina mit dem
semantischen Merkmal (+hum) zeigt folgendes Beispiel97:
(14)
som2*kolä2-cä ni* nakju1
drei
Kind-PL zwei Hund
drei Kinder und zwei Hunde
Die bezeugten inhaltlich7formalen Kombinationen sind daher:
E
M
s
X
X
p
_98
X
III.1.2.
Kasus
Die Thakali-Sprache kennt fünf Suffixe, die Kasusrelationen markieren; zusammen mit dem
morphologisch unbezeichneten Absolutiv ergeben sich sechs Kasus:
Absolutiv (ABS)
-0
Genitiv (GEN)
-e
Dativ (DAT)
Lokativ-Direktiv (LOC)
Ablativ-Ergativ-Instrumental (ABL/ERG)
-ri
-se
Komitativ (COMIT)
-pre
Hinzu kommt die kasusähnliche Form auf -peri, die man als "Komparationskasus11bezeichnen
kann100.
" Z u r redundanten V erw endung d er Pluralmarkiening bei Personalpronomina vgl. III.3.1.
" B e is p ie l (4) w ird als M P aufgefaßt, d a die Setzung des Pluralaffixes zum indest eine sem antische Intensivierung
des G egenstandes "Asche" m ark iert (es ist v o n einer großen M enge A sche d ie R ede; n ach A uskunft m einer
Inform anten is t au ch ein e Interpretation als "die A sche m ehrerer Feuerstellen" m öglich, kontextfrei aber nich t
zw ingend). E chte Fälle v o n E P w ären pluralia maiestatis o.ä., die nicht belegbar sind.
" V g l . III. 1.2.3.
100A uß erh alb des k o m parativen Syntagm as kom m t diese Form nicht vor, w eshalb sie in einem gew issen
G egensatz z u d e n übrigen K asusform en m it ihren jew eils breiteten Distributionen steht.
79
III.
1.2*1.
Absolutiv
Das Thakali, eine Sprache mit morphologischer Ergativkonstruktion101, verwendet den
Absolutiv zur Markierung des Agens102 eines intransitiven103 Verbums (15) und des Patiens
eines transitiven Verbums (16).
(15)
2
1
-4
JS
i
.
ca
ra
m na -n ja
-pa mu -a
PDEM Ziege zwei Wald-LOC gehen-VN KOP-PRAET
Diese Ziegen gingen oft in den Wald.
(16)
tkä2
k\iju2-se
näkä1 ki4 mraii !-si ein1
-ci
eines Tages Alte -ABL/ERG Huhn eins sehen-CV ergreifen-PRAET
Eines Tages sah die Alte ein Huhn und fing es.
Daneben kann der Absolutiv auch den Agens eines transitiven Verbums bezeichnen (d.h. die
explizite Ergativmarkierung unterbleibt. Dieses Phänomen ist von pragmatischen Faktoren
abhängig und wird unter IV.3. näher besprochen):
(17)
mrin2-cä kanä3
-ca ki3 -pa ki3
-pa kon2-cä kon2
-si io 2,
Frau -PL Schmuck-PL schön-VN schön-VN Kleid-PL anziehen-CV tanzen
Die Frauen tragen Schmuck und sehr schöne Kleider und tanzen.
Der Absolutiv ist auch die Form des Prädikatsnomens:
(18)
fi/ar3 parpa1 dam2 to 1 -pa parpa1 ka\
Tihar Parba PART groß-VN Fest PRAED.PART
Auch Tihar Parba ist ein großes Fest.
101 Zu den Einzelheiten der Ergativkonstruktion vgt. IV.3.
102Zur Definition der semantischen Rollen {“case-roles ") vgl. IV.2.
103 Zum Begriffspaar Iransitiv/intransitiv vgl. IV.3.
80
Modifiziert ein Nomen ein nachfolgendes Nomen (Apposition)104, steht es unabhängig vom
Kasus des Modifikatums im Absolutiv:
(19)
pompaJ suttotän3
König Suddhodana
König Suddhodana
(20)
pompa1 suttotän3
König
-e
Suddhodana-GEN
des Königs Suddhodana
In attributiven Syntagmen kann der Absolutiv den gewöhnlicheren Genitiv vertreten. Dies tritt
besonders dann ein, wenn der begriffliche Zusammenhang zwischen beiden Nomina
besonders eng ist105:
(21)
nä3 e
mi3
Wald GEN Mensch
Mensch des Waldes; Mensch, der im Wald lebt
vs.
(22)
nä3 mi3
Wald Mensch
Waldmensch, "Yeti"
104D ie b eid en G lieder einer A pposition haben denselben R eferenten, d.h. "der K önig" u n d "Suddhodana1
bezeichnen dieselbe Person.
10sH ierin Vnnn ein e V orstufe zu r N orainalkomposition gesehen werden.
81
Besonders bei Verwandtschaftsbezeichnungen kann das (auch hier gewöhnlich gesetzte)
Genitivmorphem fehlen, wenn im possessiven Syntagma der Modifikator (''Besitzer") durch
ein Personalpronomen ausgedrtickt wird:
(23)
njaä4
purkä3 -cä
PP. 1PL Vorfahr-PL
unsere Vorfahren
neben
(24)
njan4 -e
purkä3 -cä
PP. 1PL-GEN Vorfahr-PL
unsere Vorfahren
Vereinzelt steht der Absolutiv anstelle des gewöhnlicheren Lokativs der Bewegungsrichtung,
wenn die Ortsangabe ein Eigenname ist und die Semantik der Proposition keine Verwechslung
zuläßt:
(25)
p ‘o !
ne2 pe3
prepre1
comsom3 je4
-dm
Ehemann und Ehefrau zusammen Jomsom gehen-PRAET
Mann und Frau gingen zusammen nach Jomsom.
Hier läßt das Verbum jä 4- "gehen, hingehen" zusammen mit einer Ortsangabe nur die
Interpretation zu, daß comsom3 Ziel der Bewegung (nicht etwa Ursprungsort) ist. Häufiger ist
aber auch hier die Verwendung des Lokativs:
(26)
p'o1
ne2 pe3
prepre1 comsom3-ri je4 -ci
Ehemann und Ehefrau zusammen Jomsom -LOC gehen-PRAET
Mann und Frau gingen zusammen nach Jomsom.
82
Bei zwei Ortsangaben in einer Proposition werden beide hinsichtlich ihrer Rollen eindeutig
markiert;
(27)
p ‘0 1
ne2 pe3
prcpre1 comsom3-se
t'ini1 -ri je4 -ci
Hiemann und Ehefrau zusammen Jomsom -ABL/ERG Thini-LOC gehen-PRAET
Mann und Frau gingen zusammen von Jomsom nach Thini.
IIL1.2.2. Genitiv
Der Genitiv bezeichnet den Besitzer im possessiven Syntagma. Es existiert kein Unterschied
zwischen alienablem (28) und inalienabiera (29) Besitz:
(28)
Aa1
-e
apä1 ~e
nakju1 som2 si1
-ci
PP.1SG-GEN Vater-GEN Hund drei sterben-PRAET
Die drei Hunde meines Vaters sind eingegangen.
(29)
kolä2~cä -e
kjä2 -rari §e2 m u\
Kind-PL-GEN Kopf-DAT U u s KOP
Die Kinder haben Läuse auf den Köpfen.
In Ermangelung eines Verbums mit der Bedeutung habeo wird die Prädikation eines Besitzes
durch einen Kopulasatz mit dem Besitzer einer Sache im Genitiv ausgedrückt:
(30)
mrin2-e
dan2-pa sunJ mu[
Frau -GEN Jdein-VN Mund KOP
Die Frau hat einen kleinen Mund.
Ähnlich wie in vielen Sprachen wird auch das Verhältnis eines Ganzen zu seinen Teilen als
possessives Syntagma mit dem Genitiv konstruiert:
83
(31)
f üA4 -e
cärä3 cä n m 3-pa mu\
Baum-GEN Wurzel-PL lang -VN KOP
Die Wurzeln des Baumes sind lang.
Bezeichnet ein Nomen eine (transitive) Handlung, wird der Patiens dieses Aktionsnomens im
Genitiv kodiert (genitivus obiectivus ):
(32)
t‘a m2
-cä pW
-e
sikär1 Ijai)2 -la je4
-ci
PP.3PL-PL Hirsch-GEN Jagd spielen-INF gehen-PRAET
Sie sind Hirsche jagen gegangen.
(33)
tc 1
-se
t‘u f mi3 -e
pesiti3
la1
~d
PP.3SG-ABL/ERG haupt- Mensch-GEN Beleidigung machen-PRAET
Er beleidigte den Mukhya.
Dies gilt auch, wenn es sich um ein Verbalnomen handelt, von dem ein Patiens abhängt:
(34)
teptät3 -so
as3 -e
dam2 kin2
-pa la1
-ci,
Devadatta-ABL/ERG Gans-GEN PART nehmen-VN machen-PRAET
Devadatta wollte erneut die Gans nehmen.
Indefinitpronomina106 als Patiens eines transitiven (35, 36), bzw. Agens eines intransitiven
Verbums (37,38) stehen bei negiertem Prädikat im Genitiv107;
106 D.h. Interrogativpronomina in der Funktion von Indefinitpronomina vgl. IIL3.4.
107Dies ist der Situation im Finnischen vergleichbar, wo (neben anderen Verwendungen) der Partitiv (dessen
Funktion in vielen Sprachen vom Genitiv übernommen wird) einerseits den Patiens eines negierten transitiven
Verbums, andererseits den Agens eines verneinten intransitiven Verbums (wenn der A gens selbst im Skopus der
N egation liegt) kodiert, ohne daß diese Konstruktion auf Indefinitpronomina beschränkt bleibt (KARLSSON
1984,99f.):
Maa-ssa
ei ole
hallitus- ta.
Land-INESS Neg.-Vb. Regierung-PART
Im Lande gibt es keine Regierung.
84
(35)
t'e1
-se
td3 -e
pi3 -la a3 k*am2
PP.3SG-ABL/ERG was-GEN sagen-INF NEG können
Er kann nichts sagen.
(36)
n a1
-se
su2-e
a3 mraii ju \
PP. 1SG-ABL/ERG wer-GEN NEG sehen FRAED.PART
Ich habe niemanden gesehen.
(37)
su2-e
a3 k ‘a ‘
-ci
wer-GEN NEG kommen-PRAET
Niemand kam.
(38)
k\iju2-e
caca3 dam2 mi3 -cä su2-e
a3 re2.
Alte -GEN Kind PART Mensch-PL wer-GEN NEG KOP
Die Alte hatte weder Kinder, noch sonst irgendeinen Menschen.
In einigen Fällen markiert der Genitiv die Basis des Vergleichs im komparativen Syntagma108:
(39)
mdrp‘äl-e
pok'ara1 c'okote1 to 1 -pa mu*
Marpha-GEN Pokhara sehr
groß-VN KOP
Pokhara ist größer als Marpha.
Die Angabe des Materials, aus dem ein Gegenstand besteht, erfolgt im Genitiv:
En
osta
auto- a.
N eg.-V b.lSg kaufen Auto-PART.
Ich kaufe kein Auto.
D ieses Verfahren kodiert die im Partitiv stehenden Partizipanten als (- diskret bzw. - konkret) und steht im
Einklang m it der Transitivitätshypothese von HOPPER und THOMPSON (HOPPER/THOMPSON 1 9 8 0 ,2 5 1 ,2 6 2 ),
w o der Partitiv als Agenskodiernng allerdings nicht erwähnt wird. Vgl. hierzu bes. die Diskussion unter IV .3.
^ G e w ö h n lic h wird hierfür der "Komparationskasus" auf -pen verwendet, vgl. m . 1.2.7.
85
(40)
cu2
täsin3 päs3 -e
so3 -ci
PDEM Stock Bambus-GEN machen-PRAET
Dieser Stock ist aus Bambus.
(41)
näkä^se
mar4-e
p ‘um2 pun2 -pa mu1 -ciw
Huhn-ABL/ERG Gold-GEN Ei
setzen-VN KOP-PRAET
Das Huhn legte goldene Eier.
Ist ein Verbalnomen auf -pa Modifikator in einem attributiven Syntagma, nimmt es häufig
(so in 42), aber nicht in allen Fällen (vgl. 43) das Genitivaffix an:
(42)
fe J
jd*
-pa -e
pärsä3-ri
si1
-ci
PP.3 SG gehen-VN-GEN Jahr -LOC sterben-PRAET
Er starb im vergangenen Jahr.
(43)
njan4 -e
rastä1
so3
-pa mi3 -e
min2 pitipin1 närdn1 Sd1
PP. 1PL-GEN Königreich gründen-VN Mensch-GEN Name Prithivin Narayan Shah
ka\
PRAED.PART
Der Name des Gründers unseres Königreiches ist Prithivin Narayan Shah.
Schließlich ist der Genitiv der Kasus, der generell vor Postpositionen steht, e.g.:
(44)
fe 1
tin4 -e
li1
-se
tu 1 -si mu[
PP.3 SG Haus-GEN hinter-ABL/ERG sitzen-CV KOP
Er sitzt hinter dem Haus.
86
IIU .2 .3 .
Dativ
Der Dativ wird durch das Suffix -ral -raii gekennzeichnet. Eine funktionale Differenzierung
oder eine durch erkennbare phonologische Umgebungsbedingungen1® determinierte
Verteilung beider Varianten ist nicht zu erkennen*1101. Das (freie) Allomorph mit
dem
silbenschließenden Nasal tritt allerdings deutlich frequenter auf.
Der Dativ bezeichnet den Rezipienten bei Verben des Gebens oder des Übermitteins von
Informationen:
(45)
ki3
-raii Aa1
a3 pin2
PP.2SG-DAT PP. 1SG NEG geben
Ich gebe sie dir nicht
(46)
(cl
-se
Aa1
-ran pe2
pi3 -ci,
PP.3SG-ABL/ERG PP.1SG-DAT Geschichte sagen-PRAET
Sie erzählte mir eine Geschichte.
Durch metaphorische Extension dieser Funktion dient der Dativ auch zur Markierung der
durch eine Handlung begünstigten Person:
(47)
M3
su2-ran kan1 cu3 -si mu1 -a
PP.2SG wer-DAT Reis kochen-CV KOP-INTERR
Für wen kochst du?
Bei Verben, die eine Empfindung ausdrücken, wird die Rolle des Empfindenden durch den
Dativ markiert111:
1® H ier wäre vor allem an externe Sandhiprozesse zu denken.
110 Vgl. oben unter II. 1.2.1. zur Instabilität von morphemauslautendem -n .
111Dies gilt nur für emotionale bzw. (w ie in 48) mit starken Emotionen verbundene Empfindungen, nicht jedoch
für allgemeine SinneseindrUcke, w ie etwa in den meisten iberokaukasischen Sprachen.
87
(48)
t'e1
~e
k i2
-pa jä 1 -se
t'e1
-ra
na1
-si mu[
PP. 3 SG’GEN brechen-VN Hand-ABL/ERG PP.3SG-DAT schmerzen-CV KOP
Sein gebrochener Arm tut ihm weh.
Häufig hat der Dativ direktive oder lokative Funktion. In dieser Verwendung konkurriert er
mit dem Lokativ, wobei die Präferenz des Dativs sich hauptsächlich nach folgenden Kriterien
richtet:
a)
das räumliche Ziel einer Handlung oder einer Bewegung wird nicht erreicht bzw. ist
für die kommunikative Situation nicht relevant112:
(49)
t'e1
cucu2 -ra
je4
-si mu[
PP.3SG Gipfel-DAT gehen-CV KOP
Er klettert auf den Berg.
(49) ist in einem Diskurskontext typisch, in dem etwa die Frage "Was macht er?"
vorangegangen ist. Auf die Frage "Wohin geht er?" wird der Lokativ vorgezogen. Der
Vorgang des Klettems steht im Vordergrund, nicht etwa das Ziel.
b)
bei dem Ort einer Lokalisation bzw. dem Ziel einer Bewegung handelt es sich um
Flächen (50-52) oder um die Oberfläche bzw. Oberseite (53,54) eines Objekts:
(50)
da*
-e
aöu1
lel -ra ke4 la1
-si nm*
PP. 1SG-GEN älterer Bruder Feld-DAT Arbeit machen-CV KOP
Mein älterer Bruder arbeitet auf dem Feld.
(51)
ca2 kitan3-se
kolä2-cä Je1 -ran a3 je4 ju \
PDEM Zeit -ABL/ERG Kind-PL Feld-DAT NEG gehen PRAED.PART
Seit jener Zeit gehen die Kinder nicht mehr mit aufs Feld.
112Dies ist die eigentlich direktive Verwendung.
88
(52)
kjdm4-ran si2 -cä m u\
Weg -DAT Sand-PL KOP
Auf dem Weg liegt Sand.
(53) 113
t*eJ
-e
jäl -ra kä2 nm\
PP.3SG-GEN Hand-DAT Blut KOP
An seinem Arm ist Blut.
(54)
panre1 nakju1 cain-e p “eraA2-se
te ;
-e
du3
kju2 -ran
Pangre Hund Brücke oben -ABL/ERG PP.3SG-GEN Körper Wasser-DAT
/n ra n J-ci
sehen -PRAET
Der Hund Pangre sah von der Brücke aus seinen Körper im Wasser.
(Das Spiegelbild befindet sich auf der Oberfläche des Wassers).
Zur temporalen Lokalisation wird neben dem Lokativ auch der Dativ verwendet
(55)
t'e1
jd4 -pa -e
pärsä3-ra si1 -ci
PP.3SG gehen-VN-GEN Jahr -DAT sterben-PRAET
Er starb im letzten Jahr.
In einigen Fällen dient der Dativ auch zur Markierung des Patiens eines transitiven Verbums,
Dies ist besonders häufig bei belebtem Patiens der Fall114:
113 Gemeint ist etw a das Blut eines geschlachteten Tieres o.ä. Im Kontrast hierzu wird bei der Lokalisierung einer
Wunde, die nicht lediglich auf der Oberfläche des Körpers befindlich ist, der Lokativ verwendet: f e - e ja - r i
k;(u3 jna1. "Er hat eine Wunde am ("im") Arm.
114D ies ist keinesfalls obligatorisch, da entsprechende Sätze von den Informanten stets auch ohne die
Pariensmadri emng durch den Dativ akzeptiert wurden.
89
(56)
ad3 -ri
por3
-si nd3 mi3
-se
kolä2 dan2 -pa -cd-ran ca*1 -si
Wald-LOC bringen-CV Wald Mensch-ABUERG Kind klein-VN-PL-DAT essen-CV
tu 1 -pa mu1 -ci.
sitzen-VN KOP-PRAET
Der Waldmensch brachte die kleinen Kinder in den Wald und fraß sie auf.
Soll der Patiens defokussiert werden, steht er häufig vor dem Agens (in OSV-Stellung) und
erhält dann Dativmarkierung:
(57)
ca2
kjan3-rafi tc 1
-se
ca1 -pa picdr3 la1
-ci.
PDEM Brot -DAT PP.3SG-ABL/ERG essen-VN Gedanke machen-PRAET
Er wollte dieses Brot fressen.
(58)
as3 -ran me1 ta1
-si mu1 -ci
Gans-DAT Pfeil treffen-CV KOP-PRAET
Die Gans hatte ein Pfeil getroffen.
Der Patiens einer faktitiven Verbalkonstruktion steht ebenfalls im Dativ:
(59)
te 1
-se
nepäl2-ran t‘o l -pa so3
-ci.
PP. 3 S G-ABL/ERG Nepal-DAT groß-VN machen-PRAET
Br machte Nepal groß.
Schließlich dient der Dativ zur Markierung obligatorischer Konstituenten einer Reihe von
Verben115, wie z.B. to1- "benötigen" (60), ro3 la1- "helfen" (62), jah1- in der Bedeutung
"gebären116" (62), pi3- in der Bedeutung "nennen117" (63) etc.:
l l s Emige dieser phraseologischen Dativ Verwendungen können o.a. funktionalen Kontexten subsumiert werden.
1^Grundbedeutung "finden", vgl. das Glossar s.v.
117Grundbedeutung "sagen". Daneben kommt aber auch die Konstruktion ohne DAT vor: m e4~c parpa1 lacmi
pucä3 dam2 p i3. "Das Kuhfest heißt auch Laksmi Puja".
90
(60)
ki3
-ra
dä3 so3
-pa -ri
k ‘ol2 -pa kju2
to[
PP.2SG-DAT Tee machen-VN-LOC kochen-VN Wasser brauchen
Zum Teemachen brauchst du kochendes Wasser.
(61) ca3 -se
apä1 -ra
tin4 so3
-pa -ri
ro3 lal
-si m u\
Sohn-ABL/ERG Vater-DAT Haus machen-VN-LOC Hilfe machen-CV KOP
Der Sohn hilft seinem Vater, ein Haus zu bauen.
(62)
na1
-e
amä1 -se
na1
-ran jan1 -ci
PP. 1SG-GEN Mutter-ABL/ERG PP. 1SG-DAT finden-PRAET
Meine Mutter hat mich geboren.
(63)
ca2
cäf*-ran pice3 täsmi3 dam2 pi3m
PDEM Fest-DAT Vijaya Dasmi PART sagen
Dieses Fest nennt man auch Vijaya Dasmi.
III.1.2.4.
Lokativ
Der Lokativ markiert Orts- und Zeitbestimmungen, sowie Richtungsangaben (Direktiv):
(64)
ju l3 k i4 -ri
k'uju2 k i4 m ul -ci_
Dorf eins-LOC Alte
eins KOP-PRAET
In einem Dorf lebte eine Alte.
. (65)
cu2
cär2 kdtik1 majna^ri
ta\
PDEM Fest Kattik Monat-LOC werden
Dieses Fest findet im Monat Kattik statt.
1
91
(66)
ki3
ne2 na1
comsom3-ri
pra4 -si je4
-si m u\
PP.2SG und PP.1SG Jomsom -LOC gehen-CV gehen-CV KOP
Du und ich, wir gehen zu Fuß nach Jomsom.
Auch abstrakte bzw. immaterielle Gegenstände können im Lokativ stehen118:
(67)
■1
na
-e
. „3
picar
-n•
2
•3
•1
cu
mi
si
mise _
PP. 1SG-GEN Gedanke-LOC PDEM Mensch sterben IRR
Ich denke, dieser Mensch wird sterben.
Das Verbalnomen -pa im Lokativ dient zur Bildung von Finalsätzen119:
(68)
120
kju2
tufi2 -pa -ri
je4
-d
Wasser trinken-VN-LOC gehen-PRAET
Er ist gegangen, um Wasser zu trinken.
(69)
k i3
pari3 -pa -ri ca1 -Ja mjan2
PP.2SG wachsen-VN-LOC essen-INF müssen
Du mußt essen, um zu wachsen.
1
|
(
|
_______________ ______
118 Auch hier liegt metaphorische Extension vor, vgl. III. 1.
119Vgl. IV.8.2.3.
120 Vgl, hiermit den inhaltlich ähnlichen Satz: kju2 riiiiV/a je*-ci "Er ist Wasser trinken gegangen". Hier wird
durch den Anschluß des Gliedsatzes mit dem Subordinator ("Infinitiv'1) -la die Perfektivität bzw. Telizität des
Satzes auf die eingebettete Proposition ausgedehnt. In (68) ist lediglich die Proposition "er ist gegangen"
perfektiY/telisch kodiert,
92
III.
1.2.5.
Ablativ/Ergativ/Instruinental
Die Kasusform auf -se vereint eine Reihe von Funktionen auf sich, von denen die als Ergativ
die frequenteste ist. Welche von diesen Funktionen die ursprüngliche bzw. primäre ist, aus der
die anderen ableitbar wären, läßt sich aus synchronem Material allein nicht entscheiden121.
Das ABL/ERG-Affix markiert den Ursprungsort einer Bewegung oder Handlung:
(70)
t‘eJ
taA2 -se
si2 -cä te4
-si m u\
PP.3SG Topf-ABL/ERG Sand-PL herausnehmen-CV KOP
Er nimmt Sand aus dem Eimer.
(71)
ki3
comsom3-se
ju \
PP.2SG Jomsom -ABL/ERG herabkommen
Du wirst von Jomsom kommen.
(72)
cum/V-se
kV
-si tämaii4
pi3 -pa ljä*-ri tu 1
-ci
mu[
Jumla -ABL/ERG kommen-CV Alt-Marpha sagen-VN Ort-LOC wohnen-PRAET KOP
Nachdem sie von Jumla gekommen waren, wohnten sie in Alt-Marpha.
Die Markierung eines Gegenstandes, entlang dessen sich eine Bewegung vollzieht, erfolgt
durch ABL/ERG:
121 D ie Form -se wird in den morphologischen Interlinearglossen grundsätzlich m it ABL/ERG glossiert. Der
Grund hierfür liegt - neben dem Streben nach Vereinheitlichung - zunächst darin, daß die Ablativfunktion als
spatiale Relation die konkreteste (d.h. leicht visualisierbare, von pragmatischen Faktoren unabhängige) Funktion
dieses A ffixes ist. Hiermit soll nicht notwendigerweise impliziert sein, daß diese Funktion gegenüber den
anderen primSr sein muß.
1
93
(73)122
njaä4 -cä kjäm4-se
pra4 -si mu
PP. 1PL-PL Weg -ABL/ERG gehen-CV KOP
Wir gehen auf dem Weg.
In Analogie zur räumlichen Verwendung dient ABL/ERG auch zur Markierung des Beginns
eines Vorgangs in der Zeit (74), sowie eines Zeitraums, während dessen ein Vorgang
geschieht (75):
(74)
ca2 k(tnä3-se
nepäl2 fo 1 -pa rästä1
ta1
-ci
PDEMZeit -ABL/ERG Nepal groß-VN Königreich werden-PRAET
Seit jener Zeit wurde Nepal zu einem großen Königreich.
(75)
m i3
-cä mun3-se
m4
-si m u\
Mensch-PL Nacht-ABL/ERG schlafen-CV KOP
Me Menschen schlafen nachts.
Eine der Techniken zur Bildung von Kausal- und Konditionalsätzen (vgl. IV.8.2.2., IV.8.2.4.)
benutzt zur Angabe des Grundes (76) bzw. der Bedingung (77) das Verbalnomen auf -pa im
Ablativ 1
2123:
(76)
a3
ca1 -pa -se
Schaf-ABL/ERG NEG essen-VN-ABL/ERG sterben-PRAET
Weil das Schaf nicht fraß, ist es eingegangen.
122D ie Verwendung von A B L in (73) bietet durchaus mehrere Interpretationsmöglichkeiten. Zum einen kann die
vorliegende Funktion von -se als autonome Kausrelation (im Sinne von ross. npodojibHbtü n adex, vgl. etwa
ewenkisch birä-li "den Fluß entlang" [KONSTANT1NOVA 1 968,736]) gesehen werden. Eine Deutung aus der
Instrumentalisfunktion scheint ebenso möglich: Der W eg wird als Instrument, vermittels dessen der Vorgang des
Gehens m öglich wird, kodiert, vgl. Sanskrit yathäyäta-märgena mskränlah "er ging auf dem W ege (INST) fort,
den er gekommen war (THUMB /HAUSCHILD 1959,23). Für die Verwendung eines Ablativs in dieser Funktion
vgl. auch das Süd-Tabassaranische: U7.u harar'nn -yuäunza "ich ging den Wald entlang (A B L )1' vs. u z u haraPan
’u d u ö “unza "ich eine aus dem Wald heraus (ABL)11(MAGOMETOV 1965.139).
123 Hierin ist zweifellos eine metaphorische Extension der temporalen Ablativfunklion nach dem Prinzip post hoc
ergo propter hoc zu sehen.
94
(77)
iju 4 -se
a3
ca1 -pa -se
si\
Schaf-ABL/ERG NEG essen-VN-ABL/ERG sterben
Wenn das Schaf nicht frißt, wird es eingehen.
Die instrumentale Funktion dieses Affixes liegt vor in:
(78)
kolä2-se
caku2 -se
jä l
t‘ä2
-ci
Kind-ABL/ERG Messer-ABL/ERG Hand schneiden-PRAET
Das Kind schnitt sich mit dem Messen
Das Komparationssyntagma bedient sich des "Koroparationskasus" (vgl. III. 1.2.7.) oder des
Genitivs (vgl. III. 1.2.2.) zur Markierung der Basis des Vergleichs in Konstruktionen des Typs
"X ist größer als Y". Ist die Vergleichsbasis ein Nutnerale ("mehr als NUM"), findet ABL
Verwendung:
(79)
njan4 -e
jul3 -ri niöwa2-se
tanana3 tin4 mu[
PP. 1PL-GEN Dorf-LOC 25
-ABL/ERG viel
Haus KOP
In unserem Dorf sind mehr als fünfundzwanzig Häuser.
Schließlich gehört ABL zum Valenzrahmen einiger Verben, wie z.B. nin3- “sich fürchten“,
u.a.:
(80)
fia1
ütä3 -e
jä1 -se
nin3 -ci
PP. 1SG Geier-GEN Hand-ABL/ERG fiirchten-PRAET
Ich fürchtete mich vor den Klauen des Geiers.
Die häufigste Funktion von ABL ist jedoch, wie oben angedeutet, diejenige zur Markierung
des Agens eines transitiven Verbums (Ergativ ). Da die Ergativkonstruktion, und damit die
Verwendung oder Nichtverwendung von -se im Thakali von zahlreichen, besonders
pragmatischen, Faktoren abhängt, muß die Besprechung dem Syntaxkapitel (bes. IV.3.)
Vorbehalten bleiben. An dieser Stelle mag ein Beispiel genügen:
95
(81)
riaJ
-se
riaJ
-e
samJ-pa icon2 k*u2
-ci
PP. 1SG-ABL/ERG PP. 1SG-GEN neu -VN Kleid waschen-PRAET
Ich habe meine neuen Kleider gewaschen.
111.1.2.$.
Komitativ
Der Komitativ bezeichnet einen typischerweise humanen Paitizipanten, der neben dem Agens
an einer Handlung oder Bewegung beteiligt ist:
(82)
tapa3
-cä -pw
ju l3 -e
mi3 -cä dam2 j e /
Hauspriester-PL-COMIT Dorf-GEN Mensch-PL PART gehen
Mit den Hauspriestem gehen die Dorfbewohner.
(83)
te 1
fe 1
-e
ro3 -cä -pw
k ‘a1
-ci.
PP.3SG PP.3SG-GEN Freund-PL-COMIT kommen-PRAET
& kam mit seinen Freunden.
Der Komitativ bezeichnet auch den Besitzer in possessiven Kopulasätzen, wenn der Besitz
belebt (84), oder ein abstrakter, immaterieller Gegenstand ist (85):
(84)
124
te l
-pre
t‘o l -pa nakju‘-cä m u\
PP.3SG-COMIT groß-VN Hund -PLKOP
Er hat große Hunde.
124Daß es sich bei dem in diesem Beispielsatz kodierten Sachverhalt nicht etwa um eine räumliche Allokulion
("bei ihm s i n d s o n d e r n um ein wirkliches Besitzverhältnis handelt, wird aus dem Befragungskontext klar, in
dem sich die anaphorische Aufnahme von nakju^cä mit dem Genitiv des Personalpronomens anschloß: t*eJ-e
nakju’-cä ... Dennoch kann davon ausgegangen werden, daß es sich hierbei nm eine metaphorische Extension
eines Ausdrucks des Juxtapositionsverhältnisses auf Kontexte m it possessiver Semantik handelt (vgl, russ, y
mkhh tierrtb). D ie sem antische Einschränkung für diese Konstruktion läßt sich verm utlich als "nichtprototypischer Besitz" fassen, wenn man zugrandelegt, daß "piototypisch besitzbare" Gegenstände [+ konkret]
und [-human bzw. belebt] sind.
96
(85)
tc1
-prc
pbrsat1 mu\
PP.3SG-COMIT Freizeit KOP
Er hat Zeit.
III. 1.2.7.
"Komparationskasus"
Die hier als "Komparationskasus" bezeichnete Bildung auf -peri125 ist auf das komparative
Syntagma beschränkt und markiert die Basis des Vergleichs135136:
(86)
t'uj2 m i3
-pen
miden3 to 1 -pa ta\
haupt- Mensch-COMP Micen groß-VN werden
K e Mioens sind mächtiger, als die Mukhyas.
(87)
cu2
tin4 jum 4-pefl
to 1 -pa tin4 ka[
PDEM Haus alle -COMP groß-VN Haus PRAED.PART
Dies ist das größte Haus.
III.1.3.
Nominale Wortbildung
Die morphologischen Mittel zur nominalen Ableitung sind im Thakali schwach entwickelt.
Lediglich din Suffix kann als produktiv aufgefaßt werden. Daneben bestehen Ansätze zur
Nominalkomposition.
135D ie phonologische Notation dieses A ffixes ist nicht unproblematisch. Seine phonetische Gestalt ist immer
[w ö], Da der Ansatz eines Phonems Iwl im phonologischen System des Thakali nirgendwo erforderlich ist, ist die
Notation des Anlautes m it /p/ geboten. Der Vokal stellt aber das im vorliegenden Korpus einzige (aber durch
häufiges Vorkommen sichere) Auftreten einer nasalierten Variante von fei dar. Hin diese Nasalierung (w ie im
Falle von nasaliertem /a/)verursachender Kontext ist nicht auszumachen. D ie vorliegende Verschriftung m it
auslautendem <n> stellt demnach einen Kompromiß dar, der es verm eiden so ll, aufgrund eines einzigen
Morphems ein eigenes (noch dazu systemfremdes) Phonem anzusetzen. Es ist nicht ganz klar, ob das vorliegende
Morphem zu nep. -*T^1 "id." (das im verwandten Gurung in dieser Form verwendet wird, vgl. GLOVER 1977,
14b) in Beziehung zu setzen is t ln diesem Falle würde die Nasalierung ihre Erklärung in silbenschließendem Ivl
finden. Das Auftreten der Variante [w] statt zu erwartendem [b) nach vorangehendem Iml läßt möglicherweise
eine Notation als <pen> (statt <-pen>), d.h. als Partikel und nicht als Kasussaffix, ratsam erscheinen.
126 In dieser Funktion konkurriert der Genitiv mit -pen.
97
III.1.3.1.
Suffixale Ableitung
-lan127 ist das einzige produktive Suffix zur Nominalderivation. Seine Funktion besteht darin,
aus einem Verbalnomen ein sinnverwandtes Nomen abzuleiten. Das abgeleitete Nomen kann
dabei sowohl Agens/Subjekt (88), als auch Patiens (89) des zugrundeliegenden Verbums sein:
(88)
m u1- "KOP, sein, sein-VN"
+ -lan —> m u‘-lan "das, was ist, bzw. sich irgendwo befindet"
(89)
cu3- "kochen (tr.)
+ -pa —» cu3-pa "kochen-VN"
+ -lan
cu3-pa-lan "gekocht"
e.g.:
(90)
te 1
ca3
-pa -laA to 3
ca1 -si m u\
PP.3SG kochen-VN-DER Gemüse essen-CV KOP
Er ißt gekochtes Gemüse.
Das Verhältnis zwischen der Bedeutung des zugrundeliegenden Verbums und der des
abgeleiteten Nomens kann auch weitergefaßt sein, so z.B. die Möglichkeit ausdrücken128:
(91)
caJ- "essen"
+ -pa —> ca!-pa "essen-VN"
+ -laii -> ca]-pa-lan "Speise, was man essen kann"
127D er auslautende Nasal ist bei diesem Suffix durchgehend stabil.
128D iese Funktion ist der des Verbaladjektivs auf - tos im Griechischen nicht unähnlich; vgl. a t a i i s "stehend"
zu
"stehen", ttettt^s "gekocht" zu 'sikatjm "kochen" und etwa Äjjia^iT<Ss "Fahrweg" zu &ju.a£a
"Lastwagen" und
"gehen", d.h. "wo ein Wagen fahren kann" (vgl. HIRT 1912,354).
98
e.g.:
(92)
ca2 tin3-ri sipä2 -raA lim2 -pa Um2 -pa ca1 -pa -Jaii - ca' pin2,
PDEM Tag-LOC Shiva-DAT lecker-VN lecker-VN essen-VN-DER PL geben
An dem Tag gibt man Shiva sehr leckere Speisen.
Das Suffix -Jan kann auch auch an Personalpronomina angefügt werden. Die Bedeutung des
abgeleiteten Nomens ist dann exozentrisch: "das, was mir, dir etc. gehört"129130:
(93)
cu2 n a1
-Jan ka1
te2
fe 1
-Jan ka\
PDEM PP. 1SG-DER PRAED.PART PDEM PP.3SG-DER PRAED.PART
Dieser gehört mir, jener gehört ihm.
111.1.3.2.
Nominalkomposition
Der übliche Weg im Thakali, zwei Nomina in einem determinativen Syntagma zu verbinden,
besteht in der Verbindung beider Nomina durch das Genitivaffix:
nomen determinans-GEN + nomen determinatum
Fälle, in denen dieses Affix fehlt, können als Vorstufe zur Nominalkomposition130 (d.h. zur
Bildung von Determinativ- [Tatpurusa-] Komposita) betrachtet werden. Neben oben
(III. 1.2.1.) erwähnten Beispielen vgl.:
(94)
le1 ke4
Feld Aitoeit
Feldarbeit, Ackerbau
129Vgl. etwa tUik. -fe’ in: ben- im- ki , etwa: "der meinige". Allerdings hat dieses A ffix eine weitere
Distribution als Thakali -laA (vgl. KISSUNG 1960,48).
130Der Grund, diese Syntagmen hier als Vorstufe zur Nominalkomposition zu betrachten, liegt hauptsächlich
darin, daR die einzelnen Bestandteile ihre phonologische Autonomie behalten. Zum Begriff des phonologischen
Wortes vgl. II.3.1.
99
(95)
ra1 -e
caca3
Ziege-GENKind
Junges einer (spezifischen) Ziege
vs.
(96)
ra1
caca3
Ziege Kind
Ziegenjunges, Zicklein
In der Juxtaposition zweier Nomina mit gleicher syntaktischer Funktion ohne den Konnektor
ne2 "und” kann man eine Art Kopulativ- (Dvandva-) Komposition sehen:
(97) 131
koJa2-ca dam2 apa1 amä1 -pre
le1 -xi
]d?
-pa mul - d
Kind-PL PART Vater Mutter-COMIT Feld-LOC gehen-VN KOP
PRAET
Die Kinder gingen mit den Eltern zusammen aufs Feld.
Einige sprachhistorisch früher lexikalisierte Nominalkomposita sind:
muke1
"Donner" <
m u1 "Himmel" + ke2 "Lärm"
m unte3
"Mitternacht" < mun3 "Nacht" + te4 "Hälfte"
koprä*
"Weizenmehl" < ko4 "Weizen" + prä* "Mehl"
Alle diese echten Komposita tragen gewöhnlich den Ton des Vordergliedes, wodurch sie als
phonologische Wörter ausgewiesen werden. Diese Technik ist, soweit ersichtlich, in der
gegenwärtigen Sprache nicht mehr produktiv.
Eine weitere Wortbildungsstrategie ist die, ebenfalls nicht mehr produktive, vollständige
Reduplikation einer einsilbigen Wurzel, vgl.
131 Das Syntagma apä1 amä1-cd ergibt den Begriff "Eltern".
100
caca3 "Kind, Tierjimges", vgl. ca3 "Sohn”
lili1 "hinter, nach132", vgl. L'J-se "id."
cucu2"Gipfel", vgl. Guning cxo "sumrait, peak"
prepre1 "zusammen (Postp.)", vgl. -pre "Komitativ (Kasusaffix)"
III.2. Adjektiv
Die Adjektive des Thakali lassen sich aus formalen Gründen in zwei Gruppen einteilen. Einer
kleinen, geschlossenen Gruppe primärer Adjektive, steht eine weitaus größere und theoretisch
offene133 Klasse gegenüber, deren morphologische Charakteristika sie in größere Nähe zum
Verbum, als zum Nomen rücken.
Auf der semantischen Skala der Zeitstabilität (vgl. III. 1.) nehmen die Gegenstände, die in den
meisten Sprachen, die eine solche Kategorie kennen, durch Adjektive bezeichnet werden, den
vagen "Übergangsbereich’1 ein134. Eigenschaften, wie räumliche Ausdehnung, Form,
Oberflächenbeschaffenheit, Farbe, Geschmack, Geruch u.ä.135 bilden den K ern des
semantischen Kontinuums, von dem die Bildung einer Adjektivkategorie (mit einzelsprachlich
spezifischen Grenzen) aus geht. Lexeme, die eine Eigenschaft aus diesem prototypischen
Bereich kodieren, sind auch diejenigen, die am häufigsten in Sprachen, deren
Adjektivkategorie eine geschlossene Klasse bildet, als Adjektive kodiert werden136.
Im Thakali sind es hauptsächlich die Farbbezeichnungen, die sich morphologisch von den
übrigen Adjektiven stark unterscheiden, so daß sie als "eigentliche Adjektive" eine
geschlossene Klasse bilden.
132In dieser Arbeit ansonsten als li2-Ii notiert.
133Zur Begriffsbestimmung von offenen vs. geschlossenen Wortklassen vgl. SCHÄCHTER 1985,5ff.
134Nicht alle Sprachen besitzen eine Adjektivkategorie. Zum Ausdruck "adjektivischer" Gegenstände kann zum
einen die Kategorie Nomen in Richtung auf Gegenstände geringerer Zeitstabilität ausgedehnt werden (adjecüval□oun languages, w ie z,B..Quechua oder Mongolisch), zum anderen kann die Kategorie Verbum umgekehrt auch
Entitäten höherer Zeitstabilität kodieren (adjectival-verb languages, w ie z.B. Chinesisch oder Tibetisch), vgl.
SHOPEN 1985 17, ff.; grundlegend hierzu DlXON 1977.
135Vgl, GlVÖN 1984, 53: "... m ost prototypical adjeclival qualities ... (:) size, shape, texture, color, taste or
smell."
,36Pür diese auf einer breiten Datenbasis gewonnene Generalisierung vgl. DlXON 1977.
101
Belegt sind:
tar2
mlan2
ur2
ol1
pin2
weiß
schwarz
gelb
rot137138
grün/blau
Diese Adjektive unterscheiden sich morphologisch nicht von den Nomina. Lediglich ihre
syntaktische Verwendung räumt ihnen eine gewisse Sonderstellung ein. So treten sie
ausschließlich prädikativ (98) oder attributiv (99) auf, nicht jedoch als selbständiger Agens
oder Patiens eines Satzes (100):
(98)
cu2
nimä*-e
sipjä1 oll m u\
PDEM Vogel-GEN Flügel rot KOP
Die Hügel dieses Vogels sind rot.
(99)
nakju1 tar2 nu4
-si mu[
Hund weiß schlafen-CV KOP
Der weiße Hund schläft.
Nicht möglich ist etwa:
( 100 )
138
*far2 nu4
-si m u\
weiß schlafen-CV KOP
Der Weiße schläft.
137Im vorliegenden Korpus findet sich aber ein Beispiel, in dem ol‘ morphologisch w ie ein Adjektiv aus der
nachfolgend beschriebenen offenen Klasse behandelt wird:
na1 kon2 o l‘-pa kon2-la a3 man4 m u\
Ich trage nicht gerne rote Kleider.
Hierin deutet sich eine Tendenz an, die Residualklasse der Farbadjektive auszudünnen, bzw. aufzugeben.
138Bine Antwort auf die Frage : "Welcher Hund schläft?" müßte wie in (99), d.h. m it Aufnahme von nakju2
lauten.
102
Neben den o.erw. Farbbezeichnungen treten noch weitere Adjektive auf, die aus formalen
Gründen dieser Gruppe zugerechnet werden müssen139. Es handelt sich durchweg um
Lehnwörter. Eine Auswahl:
coto3
lopi1
pätmäs3
p'eltan1
unrein
< nep.
gierig
< nep.
dumm
< nep.
dumm
< Must.-Tib.
Auch ist die Distribution dieser Adjektive weiter, als die der Farbbezeichnungen. Vgl z.B.
(101) im Gegensatz zu (100):
(101)
p ‘e/tari ‘-pre
sankst3 la1
-pa a3 ta\
dumm -COMIT Umgang machen-VN NEG richtig sein
Man soll sich nicht mit Dummen gemein machen.
Die w eitaus größte Gruppe von Adjektiven weist dem gegenüber morphologische
Charakteristika auf, die mehr denjenigen von Verben ähneln, ohne allerdings ein vollständige
Aufhebung der Adjektivkategorie in der Klasse der Verben zu rechtfertigen.
Obligatorischer Bestandteil aller dieser Adjektive ist das Morphem - p a , das dem Suffix des
Verbalnomens formal und funktional entspricht.
Ein Adjektiv dieser Gruppe (103) ist demnach funktionsäquivalent einem Verbalnomen in
attributiver Funktion (102):
(H>2)
kjäm4 pra4 -pa m i.
Weg gehen-VN Mensch
Mensch, der einen Weg geht; Weg-gehender Mensch; Wanderer
139D a das Häuptcharakterisdkum dieser Gruppe das Fehlen des für die m eisten Adjektive obligatorischen
Morphems -pa ist, können sie auch als "Wurzeladjektive" bezeichnet werden.
103
(103)
tV>J -pa ml3,
groß-VN Mensch
Mensch, der groß ist, groß seiender Mensch; großer Mensch
Diese deutliche Parallelität, die den verbalen Ursprung der Adjektivkategorie verrät, muß
allerdings dahingegen eingeschränkt werden, daß das Affix -pa bei Adjektiven nicht durch
andere Verbalsuffixe substituierbar ist. Bildungen wie
(104)
*fe1
t'o1 -d
PP.3SG groß-PRAET
*Er war groß.
sind nicht möglich.
Ein weiterer eindeutig verbaler Zug des Adjektivs zeigt sich im Kontext der Negation.
Adjektive nehmen das präponierte Negationsadverb a3 an, das zusammen mit Nomina nicht
verwendet werden kann:
(105)
ca2
kan1 a3
lim2 -pa m u\
PDEM Reis NEG lecker-VN KOP
Dieser Reis schmeckt nicht.
Vgl. daneben als nicht mögliche Bildung:
(106)
*cu2 tuntu3 a3
PDEM Tier
nakju* m u\
NEG Hund KOP
^Dieses Tier ist kein Hund.
Schließlich verlangen adjektivische Prädikate die Verwendung der (verbalen) Kopula m u1
(107), während nominale, identifizierende Prädikate die (nominale) Kopula h m 3 (108) bei
sich haben140:
140D ie morphologisch transparenten Adjektive des Thakali können demnach als petrifizierte Verbalnomina von
Verben angesehen werden. Obwohl die meisten hier auftretenden Verbal wurzeln nicht (mehr?) als Vollverben
104
(107)
k i3
-e
picät3
sä* ki3-pa m v\
PP.2SG-GEN Gedanke sehr gut-VN KOP
Dein Vorhaben ist sehr gut.
(108)
cu2
tu n tu 3 nakju 1 imu3
PDEMTier
Hund KOP
Dieses Tier ist ein Hund.
Das gegenseitige Verhältnis von Nomina, Verbalnomina von Prozeßverben . und
Verbalnomina stativischer Verben ("Adjektive") kann durch folgende Tabelle verdeutlicht
werden141:
Nomina
Verben
Adjektive
X
X
X
attributive Verwendung
0142
X
X
Verbalaffixe (* -pa)143
0
X
0
Adverben des Grades
0
0
X
Negation mit a3
0
X
X
prädikative
Verwendung
Die verbalen Eigenschaften der semantischen Adjektive überwiegen mithin deutlich.
Lediglich ihre Inkompatibilität mit verbalen Suffixen deutet an, daß - durch das Eindringen
zahlreicher Adjektive mit eher nominalen Eigenschaften aus dem Nepali begünstigt - eine
separate Adjektivkategorie im Entstehen begriffen ist.
verwendet werden können, werden sie in dieser Arbeit durchgängig als Verben notiert: li3- "schwer sein", statt
lipn3 "schwer". Lediglich innerhalb der Interlinearglossiermgen wurde von diesem Verfahren abgewichen. Hier
steht aus Raumgründen einfach "schwer", bzw. "schwer-VN".
141X = d ie E igenschaft is t vorhanden, 0 = nicht vorhanden, bzw . kategoriell sinnlos (w ie etw a das
Prohibitivzeichcnbeim Nomen).
142Fätle w ie s ä 3 m i3 "Waldmensch" u.ä. können nicht als Beispiele attributiver Verwendung von Nomina
gelten, da das Verhältnis von der beiden Nomina in solchen Syntagmen ein determinatives ist (d.h. etwa
"Mensch, der in einer spezifischen Beziehung zum Wald steht").
143 D.h. die Substituierbarkeit von -pa durch andere verbale Affixe.
105
III.3.
Pronomen
III.3.1.
Personalpronomen
Die Personalpronomina des Thakali sind:
Singular
2
lia1
1’d 3
3
tV
Dual
1
Plural
1
n i2
njan4- (cä )
k i3-cä
nam !-cä
t ‘äm-cä
1
2
3
Nur hier im Pronominalparadigma findet sich eine dreifache Numerusdifferenzierung, die
einen Dual einschließt. Allerdings wird die Dualform ni2 sehr selten gebraucht, bzw. die
Pluralform auch zum Ausdruck der Zweiheit verwandt144.
Das Pronomen der 1. Person Plural tritt ohne erkennbaren Funktionsunterschied als njan4 oder
njan4-ca auf, wobei die Form mit dem Pluralsuffix deutlich frequenter ist145:
144Hierm ist sicher eine Neuerung zu sehen. A lle einschlägigen Quellen erwähnen ein Dualpronomen für das
Thakaii (d.h. meist für den Tukche-Dialekt), so HODGSON 1880 (1857), 173 (in der Spalte, Thäk'sya): <Gnisi>
"ye two, recte: w e tw oH(in Hodgsons Liste sind die Personalpronomina für die 1. bzw. 2. Person aller Numeri
jew eils vertauscht worden. D ieser Fehler setzt sich in den Kompilationen von HUNTER 1868, 49/51 und
GRIERSON (KONOW) 1908, 406 - w o er von St. KONOW erahnt wurde - und SHAFER 1966, 123 fort); des
weiteren findet sich bei HAR] 1971,17 <ngi> "we (two)”, vgi. auch Gunmg <qi> 1PL exklusiv (GLOVER 1977,
s.v.), Tamang <’nyin> "id," (K.B.TAMANG/TAYLOR/EVERErr apud HAL£ 1973,310). W elche Funktion (1PL
exklusiv oder 1DU) als ursprünglich anzusehen ist, läßt sich nicht sicher entscheiden. D ie D aten der
tamangischen Gruppe allein scheinen für höheres Alter von 1PL exklusiv zu sprechen, vgl. aber das einer
anderen tibeto-birmanischen Gruppe zugehörige Chepang «apci, nici> "1DÜ" (Bh. CHEPANG/R. C ä UGHLEY/K.
CAUGHLEY apud HALE1973,309), oder Khmauri <niSi> "1DU exklusiv" (SHARMA 1988,99).
14®Die pleonastische Pluralmarkierung (1PL-PL) könnte mit dem vorangehend erwähnten Phänomen in
gew issem Zusammenhang stehen. Vorstellbar ist ein Markiertheitsverschiebungsprozess ("markedness shift" im
Sinne v. D ik 1989, 91f,), nach dem njan4 immer häufiger in dualischen Kontexten auftritt, wodurch die
Notwendigkeit entsteht, die Pluralität besonders zu markieren. D ie vorliegende Datenbasis reicht allerdings nicht
aus, d iese Frage (vor allem hinsichtlich der Anfangsbedingung) zu entscheiden. Eine Differenzierung von
exklusiv vs. inklusiv liegt jedenfalls nicht vor,
106
(109)
ajan4 -ca kju2 tun2.
PP. 1PL-PL Wasser trinken
Wir trinken Wasser.
(HO)
njan4 si1
-la k ‘am2
PP. 1PL sterben-INF können
Wir können sterben.
Für die 2. Person Plural sind zwei Formen in Gebrauch, wobei die transparentere Form ki3-cä
, eine einfache Pluralisierung von Jci3, von jüngeren Sprechern bevorzugt wird.
Die Personalpronomina nehmen die gleichen Kasusaffixe an, wie die Nomina146;
(H l)
tipici2 cacsi ni2
-ran pin2 -o
wenig Salz PP. 1DU-DAT geben-IPV
Gib uns beiden etwas Salz!
M it dem
G enitivaffix übernehm en die Personalpronom ina die Funktion von
Possessivpronomina, für die keine eigenständige Ausdrucksklasse existiert:
(H2)
na1
-se
na1
-e
kon2 te2
-ci
PP. 1SG-ABL/ERG PP. 1SG-GEN Kleid ausziehen-PRAET
Ich zog meine Kleider aus.
(113)
ki3
-e
min2 tä2 imi3
PP.2SG-GEN Name was KOP.INTERR
Wie heißt du?
146Hier mag ein Beispiel genügen, das zugleich die Verwendung des Dualpronomens illustriert
107
In der 3. Person wird kein Unterschied zwischen reflexiver und nichtreflexiver Possessivität
gemacht:
(114)
te 1
fe 1
-e
kola2-e
pikun1 k \i2
-si mu[
PP.3SG PP.3SG-GEN Kind-GEN Gesäß waschen-CV KOP
Sie wäscht den Hintern ihres Kindes (sui infantis, cuoero peöeHKa).
( 115)
njan4 -cä-se
te 1
-e
adu1
to 1 -pa mraiil-ci
PP. 1PL-PL-ABL/ERG PP.3S G-GEN älterer Bruder groß-VN sehen-PRAET
Wir sahen seinen älteren Bruder (eius fratrem, ero öpaTa).
111,3.2.
Demonstrativpronomen
Es existieren drei Demonstrativpronomina, die unterschiedliche Grade der Entfernung des
bezeichneten Gegenstandes vom Sprecher anzeigen:
nahdeiktisch
mittlere Entfernung
femdeiktisch
cu2
ca2
te2
Diese Verteilung erinnert stark an die Trias der lateinischen Demonstrativpronomina (is, iste ,
Ule ) und scheint eine Korrelation der deiktischen Grade mit den drei Personen nahezulegen
( cu2 lokalisierte demnach ein Objekt im Bereich der 1. Person, ca2 und fe2 jeweils im
Bereich der 2. bzw. 3. Person). Tatsächlich ist aber eine solch klare Trennung dem Material
nicht zu entnehmen. Am deutlichsten scheint noch cu2 auf den (räumlichen, wie kognitiven)
Bereich der 1. Person eingeschränkt zu sein. Vor allem ca2 wird sehr häufig auch für Objekte
benutzt, die von Sprecher, wie Hörer gleichermaßen entfernt sind, während te2 diese
Entfernung noch intensiviert und u.a. auch für nicht sichtbare Gegenstände verwendet wird147.
147D ies ist aber keinesfalls obligatorisch. Den zugrundeliegenden Daten laßt sich lediglich ein e skalare
Diffeuenzierung der D eixis entnehmen.
108
Die Demonstrativpronomina treten sowohl als Modifikator von Substantiven (116-118), wie
auch selbständig, substantiviert (119), auf. In letzterer Funktion können sie nominale Affixe
annehmen148 (120):
(116)
ca2
ia 1
lim2 -pa mu1.
PDEM Fleisch lecker-VN KOP
Dieses Fleisch ist lecker.
(117)
caz
mä4 -ri
pitipin1 närän1 iä1 -se
k'arä2 -ci
PDEM Krieg-LOC Prithivin Narayan Shah-ABL/ERG siegen-PRAET
In jenem Krieg war Prithivin Narayan Shah der Sieger.
(118)
na1
-e
tin4 -peti
te2
tin4 t‘o 1 -pa mu[
PP. 1SG-GEN Haus-COMP PDEM Haus groß-VN KOP
Jenes Haus ist größer als mein Haus.
(119)
cu2
lim2 -pa tsa1
imu3
PDEM lecker-VN Fleisch KOP
Dies ist leckeres Fleisch.
( 120)
na1
-se
te 1
-ra
pi3 -ci
cu2
-ca ca3
-ko,
PP. 1SG-ABL/ERG PP.3SG-DAT sagen-FRAET PDEM-PL kochen-IPV
Ich sagte zu ihn "Koche diese (Gemüse)!"
111.3.3.
Interrogativpronomen
Folgende Interrogativpronomina treten auf:
148Mit Kasusaffixen entstehen lokale und temporale Adverbeil, die unter IH.5.1.1.1.-2. behandelt werden.
109
wer
susa2
tä2
ttüa1
k'äjati1
k ’acu1
k ‘aöu' la‘-si
k ‘äs
kate4
km u2
wer alles
was
warum
wann
wie
auf welche Weise
wo, wohin
wieviel
welcher, welches
su2 "wer" und tä2 "was", die eigentlichen Pro -Nomina, nehmen nominale
Kasussuffixe an und treten in allen syntaktischen Funktionen auf, die auch von
Nomina eingenommen werden können:
(121)
su2 k ‘a ‘
-/an
wer komm en-PRA ET.INTERR
Wer ist gekommen?
( 122)
te2 tin4 su2-se
so3 -/a/i
PDEM Haus wer-ABL/ERG machen-PRA ET. INTERR
Wer hat jenes Haus gebaut?
(123)
k i3
su3-ran kan1 ca3 -si mu1 -a
PP.2SG wer-DAT Reis kochen-CV KOP-INTERR
Für wen kochst du Reis?
(124)
te 1
su2-pre
je4 -/an.
PP.3SG wer-COMIT gehen-PRAET.INTERR
Mit wem ist er gegangen?
110
(125)
ki3
tä2 ca1 -si mu1 -a
PP.2SG was essen-CV KOP-INTERR
Was ißt du?
(126)
tini2 k i3
tä2 la*
-lan
heute PP.2SG was machen-PRAET.INTERR
Was hast du heute gemacht?
Beide Pronomina dienen auch dazu, aus einer explizit genannten Klasse von Gegenständen
ein Individuum zu erfragen, m.a.W. sie fungieren sowohl als generelle (121-126), wie auch
als spezifische (127,128) Interrogativpronomina:
(127)
sa2 m i3
mraiil-lant
wer Mensch sehen-PRAET.INTERR
Welchen Mann hast du gesehen?
(128)
ki3
tä2 koj4 pun2 -la jä4 -pa
PP.2SG was Lied setzen-INF gehen-VN.INTERR
Was für ein Lied wirst du singen?
Besonders das Pronomen tä2 "was" tritt auch innerhalb abhängiger Prädikationen auf und
nähert sich in seiner Funktion den aus europäischen Sprachen bekannten Relativpronomina.
Im Unterschied zu diesen tritt es nur dann auf, wenn der "Relativsatz" (d.h. die satzwertige
Konstruktion in der Funktion eines Relativsatzes) keinen expliziten relativierten
Nominalkonstituenten aufweist (im engl, meist headless relative-clause genannt). Auch ist tä2
in solchen Konstruktionen nur in Patiensfunktion belegbar149. Das Verbum des Relativsatzes
steht dabei in einer interrogativen Form:
149 A llgem ein zur Strategie der B ildung von Relativsätzen vgl. IV.7.
111
(129)
k i3
-so
tä2 pi'1 -lan
na1
aJ
io2 -ci
PP. 2SG-ABL/ERG was sagen-PRAET.INTERR PP. 1SG NEG hören-PRAET
Was du gesagt hast, habe ich nicht gehört.
Das Pronomen su2 "wer” kann durch Reduplikation eine Pluralform bilden, die mit "wer alles"
übersetzt werden kann. Eine vergleichbare Form für tä2 existiert nicht:
(130)
k i3
-o
tin4 -ri susu2 mu1 -a
PP.2SG-GEN Haus-LOC wer.PLKOP-INTERR
Wer lebt alles in deinem Haus?
Zur Verwendung der Interrogativpronomina als Indefinitpronomina s.u. III.3.4.
Die übrigen Interrogativpronomina erfragen jeweils eine adverbiale Bestimmung:
k'ä1 "wo, wohin", mit Ablativaffix "woher":
(131)
ca2
nimä1 ki3
-se
k'ä1 ein1
-Jan,
PDEM Vogel PP.2SG-ABL7ERG wo ergreifen-PRAET.INTERR
Wo hast du diesen Vogel gefangen?
(132)
cu2 m i3
k'ä1 je4 -si mu1 -a
PDEM Mensch wohin gehen-CV KOP-INTERR
Wohin geht dieser Mensch?
(133)
cu2 m i3
k'ä’-se
k'a1
-si mu1 -a.
PDEM Mensch wo -ABL/ERG kommen-CV KOP-INTERR
Wo kommt dieser Mensch her?
k'äjan1 "wann1
112
(134)
k'äjan1 fe l
k'a1
-pa
wann PP.3SG kommen-VN.INTERR
Wann kommt et?
k'adu1 "w ie", k'adu1 lal-si "in welcher Weise"
(135)
Ja3
-se
nima k'aöu1 la 1
-si ein1
-laA,
PP.2SG-ABL/ERG Vogel wie machen-CV ergreifen-PRAET.INTERR
Wie hast du den Vogel gefangen?
täla1 "warum"
(136)
tikd1 täla1 pun2 -pa,
Tika warum setzen -VN.INTERR
Warum geben sie die Tika ?
fä7aJ "warum" ist auch Bestandteil eines Syntagmas, das gewöhnlich kausale Nebensätze
einleitet und in dieser Funktion fast zu einer kausalen Konjunktion grammatikalisiert ist: tdla1
pj3~jarise "weil, wörtl.: wenn man sagt, warum":
(137)
k'uju2 aeama1
Alte
ta1
-ei
täla1 pi3 -jaiise mar4-e
p'um2 pun2 -pa
Überraschung werden-PRAET warum sagen-COND Gold-GEN Ei
näkä1
si1
Huhn
sterben -PRAET
-d.
Die Alte war überrascht, weil das goldene Eier legende Huhn nun tot war.
kate4 "wieviel1
legen
-VN
i
113
!
j
(138)
kate4 näkäl-cä fe 1
j
-pre
mu‘ -a
j
wieviel Huhn-PL PP. 3 SG-COMIT KOP-INTERR
Wievieie Hühner hat er?
■
!
kam i2 "welcher, welches" ist selten belegt. Seine funktionale Abgrenzung von tä2 ist
-
nicht ganz klar. Die vorhandenen Belege scheinen anzudeuten, daß dieses Pronomen dann
|
Verwendung findet, wenn nach einem individuellen Mitglied einer durch den Diskurskontext
’
thematisierten Menge von Gegenständen gefragt wird ( su2 und tä2 in vergleichbarer
]
Funktion erfordern nicht, daß dieser Objektbereich bereits dem Diskurskontinuum angehört):
!
'
(139)
c‘opa1-cä -e
ke4 kam 2 ci4
la1
-pa ne2 t‘uj2 mi3 -se
Chopa-PL-GEN Arbeit welcher Rechnung machcn-VN und haupt- Mensch-ABL/ERG
p i3 -pa ke4 -cä la1
\
-laij mjan2
i
sagen-VN Arbeit-PL machen-INF müssen
j
Was ist die Aufgabe der Chopas? Sie müssen alles machen, was Rechnungsführer und
Mukhyas ihnen sagen.
i
1
(Kontext: Der Text zählt die einzelnen Aufgaben (ke4) der verschiedenenDorffunktionäre
I
auf),
j
i
l(
111,3.4.
Indefinitpronomen
|
Formalselbständige Indefinitpronominaexistieren nicht. Die Interrogativpronomina su2 "wer"
j
und tä2 "was" können indefinit verwendet werden. Dies ist vorwiegend in Sätzen mit
j
negiertem Verb der Fall. Als Agens eines transitiven Satzes steht das Indefinitpronomen im
Ergativ:
i
!
(140)
nepäl2-raA su2-se
|
dam2 karä2 -la
a3
k ‘am2 -ci
Nepal-DAT wer-ABL/ERG PART siegen-INF NEG können-PRAET
Niemand konnte Nepal besiegen.
114
Auffällig ist, daß Indefinitpronomina sowohl als Agens eines intransitiven negierten Satzes,
als auch als Patiens eines transitiven negierten Satzes im Genitiv stehen150.
(141)
.
na
1
^,2
ta -e
-se
3
a
-1 ■ I
sej j a ,
PP. 1SG-ABL/ERG was-GEN NEG töten PRAED.PART
Ich habe nichts geschlachtet.
(142)
su2 -e
a3
k'a1
-ci
wer-GEN NEG kommen-PRAET
Niemand kam.
111.4. Verbum
Eine Verbalwurzel kann in finiter Funktion mit und ohne Affixe auftreten. Ist sie affigiert,
kann eines von drei Suffixen die Verbalform abschließen (terminale Affixe). Jede dieser
Formen kann durch das Hilfsverb mu1erweitert werden, das wiederum das terminale Suffix
-ci annehmen kann. Das folgende Schema zeigt das mögliche Formeninventar:
Verbalwunzel
nichtaffigiert
affigiert
-0
Affix +
KOP
-C i
-pa
-si
KOP term.
KOP-»-Affix
-ci mu
-pa mu
-si mu1
150Vgl. m. 1.2.2. zu dieser p a r titiv en Funküou des Oenitivs.
-ci iW -ci
-pa rW -ci
-si iW -ci
115
Das Hilfsverb m u1ist formal identisch mit der zur Prädikation verwandten Kopula151, von der
es aber hier kategoriell unterschieden werden muß152. Die Tatsache, daß es sowohl an das
nominale -pa , als auch an das finite -c i , wie das konverbale -si antreten kann, deutet auf eine
bereits weit fortgeschrittene Grammatikalisierung dieser komplexen Verbalaffixe hin, deren
Funktionen nicht vollständig aus denjenigen ihrer Bestandteile vorhersagbar sind.
Zusätzlich zu den in o.a. Schema aufgezeigten Suffixen bzw. Suffixclustern kann jede
Verbalform im Thakali durch die Partikel a 3 (im Imperativ durch die Prohibitivpartikel t'ä1)
negiert werden, sowie eine nach gestellte Partikel mit modaler Funktion annehmen153.
Ebenfalls nicht in das Schema aufgenommen sind das Zeichen des Infinitivs -la(n), das nur in
komplexen Prädikaten Verwendung findet154, sowie das konditionale Konverbalsuffix -janse.
Schließlich steht auch das Imperativzeichen mit seinen Allomorphen außerhalb dieser
Affixgruppe, da es ausschließlich terminal vorkommt.
111.4.1. Finite Verbalformen
111.4.1.1.
Affixlose Verbalwurzel
Eine Verbalwurzei kann ohne jede Affigierung im Satz verwendet werden. Ihre Funktion ist
dann meist die Bezeichnung eines allgemeingültigen (143), bzw. habituellen (144, 145)
Sachverhaltes:
Ü43)
nim ^-cä pir3
tarana2 a3
Vogel-PL fliegen Fisch
pir3
NEG fliegen
Vögel fliegen, Fische nicht.
151 Für deren Verwendung vgl. IV .5.1.
152D ie Notation (w ie auch die Intcrlinearglossen) dieser Verbalfonn führt aber das Element mu1imm er als KOP
auf, zumal es die phonologischen Kriterien für den Status als selbständiges W ort auch hier erfüllt.
153Zu diesen vgl. 111.4.1.9.
154Zum Infinitiv vgl. ni.4.2.4.
116
(144)
cu2
cär2 kanä3 mun3-se
PDEM Fest Zeit
koj4-ca pan2
Nacht-ABL/ERG lied-PL setzen
Während dieses Festes singt man nachts Lieder.
(145)
naiike3 d a1
-se
ca3 tan2.
morgens PP. 1SG-ABL/ERG Tee trinken
Morgens trinke ich Tee.
Zu den Eigentümlichkeiten der affixlosen Form gehört, daß sie auch für zukünftige
Sachverhalte verwandt wird155:
(146)
na1
cu2
-ri
aptä3 ki4 tu 1 ca2
-se
na1
jer\
PP. 1SG PDEM-LOC Woche eins sitzen PDEM-ABL/ERG PP. 1SG gehen
Ich werde hier eine Woche bleiben, dann werde ich gehen.
(147)
ki
-ran na
a
pm ,
PP.2SG-DAT PP.1SG NEG geben
Ich werde sie dir nicht geben.
Lediglich vorgestellte oder gewünschte Sachverhalte (denen man gemeinsam m it den
futurischen das Merkmal irreal zuordnen kann) werden oft ebenfalls durch die reine
Verbalwurzel kodiert:
155Eine ähnliche Korrelation von extratemporäbhabitiieller und futurischer Funktion findet sich auch in anderen
Sprachen, so z.B. im Lezgischen (Ostkaukasus), vgl. HASPELMATH 1992,139, oder auch im Kymrischen (vgl.
WILLIAMS 19 8 0 ,7 3 ; diesen Hinweis verdanke ich Graham Isaac). Der konzeptionelle Grund hierfür ist wohl
darin zu suchen, daß die Gültigkeit eines allgemein als wahr aufgefaßten Sachverhaltes am ehesten eine sichere
Zukunftsvorhersage erlaubt ("was immer wahr ist, wird auch in der Zukunft wahr sein"). Hiervon ausgehend
dehnt sich der Verwendungsbeieich der affixlosen Form auch auf singuläre zukünftige Sachverhalte aus, wenn
der Sprecher ihr Eintreffen für absolut sicher halt.
117
(148)
Aa1
-e
picär3 -ra te 1
-se
mla3
pä*m
PP. 1SG-GEN Gedanke-DAT PP.3SG-ABL/ERG ungekochter Reis bringen
Ich wünsche, daß er Reis bringt.
III.4.1.2.
-ci
Wenn man davon absieht, für die suffixlose Form ein Nullmorphem anzusetzen, ist die Form
auf -ci das einzige im engeren Sinne finite, deklarative Verbalsuffix des Thakali, d.h. es kann
einerseits (wie -pa, das darüber hinaus aber nominale Eigenschaften hat, und im Unterschied
zu -si) eine Prädikation abschließen, nimmt andererseits aber keine Kasusaffixe an und kann
keine Nomina in attributiver Funktion modifizieren.
Es dient überwiegend dazu, Sachverhalte in der Vergangenheit zu lokalisieren (149, 150),
findet aber auch für momentane Ereignisse in der Gegenwart (151) Verwendung156:
(149)
k ‘aräjo2 dam2 kju2
Hase
tun2 -pa -n
k'a1
-ci\
PART Wasser trinken-VN-LOC kommen-PRAET
Der Hase kam zum Wassertrinken.
(150)
pitipin1 närän1 sa
korka3 -c
pompa1 mu1 -ci;
Prithivin Narayan Shah Gorkha-GEN König
KOP-PRAET
Prithivin Narayan Shah war König von Gorkha,
156D ies kann so gesagt werden, da -ci mit prononciert gegenwartsbezüglichen Temporaladverben kompatibel
ist. In praxi jedoch wird sich die Erwähnung eines momentanen Ereignisses in der Mehrzahl der Fälle auf die
unmittelbare Vergangenheit beziehen ("Es blitzt”, s.h.: "Es hat soeben geblitzt.") Von einem gegenwärtigen
Ereignis kann streng genommen nur gesprochen werden, wenn es eine merkliche zeitliche Ausdehnung besitzt.
"Es blitzt" im Sinne von "Es finden mehrere Blitze statt, es blitzt ständig, es ist ein Gewitter" wird demnach auch
mit der -si mu1 - Form ausgedrückt. D ie Beispiele zeigen, daß die Punktualität des berichteten Ereignisses kein
zentraler Bestandteil der Funktion von -d ist, es sich demnach nicht um ein primär die Aktionsart bezeichnendes
A ffix handelt
118
(151)
con3 muke1 te2 -ciw
jetzt Donner fallen-PRAET
Es donnert im Augenblick.
III.4.1.3.
-pa
Das Affix des Verbalnomens -pa tritt in der großen Mehrzahl der Fälle in abhängigen
Prädikaten, als nonten octionis und zur attributiven Modifikation von Nomina auf157. Bildet
es ohne Erweiterung durch mu* ein finales Prädikat, bezeichnet es einen als unmittelbar
bevorstehend, bzw. als sicher in der nahen Zukunft eintretend vorgestellten Sachverhalt (fiitur
immediat):
(152)
ki3
tini2 le1 -ri ke4 Ja1
-Ja ja"4 -pa
ki2 näma1
PP.2SG heute Feld-LOC Arbeit machen-INF gehen-VN.INTERR oder morgen
jä 4 -pa
gehen-VN.INTERR
Wirst du heute zur Feldarbeit gehen, oder morgen?
(153)
tini2 tin3 sa2-pa ta1 -janse na1
pok'ari1 jä* -pa.
heute Sonne gut-VN werden-COND PP.1SG Pokhara gehen-VN
Wenn heute schönes Wetter sein wird, werde ich nach Pokhara gehen.
III.4.1.4.
-ci m«J
Die Erweiterung des präteritalen -ci durch das Hilfsverb mn1 kodiert ein in der Vergangenheit
lokalisiertes Ereignis mit gegenwärtiger Relevanz, d.h. ein Ereignis, dessen Ergebnis in der
^ D i e s e Funktionen w erden unter IIL 4.2.3. näher beschrieben. Durch diese aus form alen Gründen
vor genom m ene Trennung soll nicht im pliziert werden, daß es sich bei den finiten und den nichtfiniten
Verwendungsmöglichkeiten von -pa etwa um völlig voneinander unabhängige, nicht aufeinander abbildbare
Funktionen handeln muß.
119
Gegenwart spürbare Wirkungen hat. Diese Form findet auch dann Anwendung, wenn der
Sprecher nur aufgrund des Vorliegens eines gegenwärtigen Sachverhaltes auf ein früheres
Ereignis schließt, das er nicht beobachten konnte:
(154)
fe 1
-e
jä l
ki2
-ci
m u\
PP.3SG-GEN Hand brechen-PRAET KOP
Sein Ami ist gebrochen (und deswegen ist er jetzt krank).
(155)
Aa1
-se
picär3
ki4 la1
-ci
mu[
PP. 1SG-ABL/ERG Gedanke eins machen-PRAET KOP
Ich habe eine Idee (und diese Idee hilft uns jetzt weiter).
(156)
su2-se
sunkur1 s e f -ci
m u\
wer-ABL/ERG Schwein töten-PRAET KOP
Jemand hat das Schwein geschlachtet.
Für weitere Beispiele kann auf Text V.6. ("Unsere Vorfahren") verwiesen werden, der fast
vollständig auf dieser Verbalform basiert158.
Aufgrund dieses Funktionsumfangs kann die Affixkombination -ci rau1 durchaus als Perfekt
im Sinne der älteren indogermanischen Sprachen bezeichnet werden159.
158Einige Sätze in diesem T ext scheinen der o.a. Funktionsbestimmung von -ci m u 1 (als Perfekt) zu
widersprechen, da nicht alle berichteten Sachverhalte in die Gegenwart wirken (einige, w ie z.B. die Tatsache, daß
die Bewohner Marphas früher von der Jagd lebten, gelten sogar ausdrücklich nicht mehr). D ie gesam te Erzählung
hingegen - die Vorgeschichte des Dorfes - berichtet, w ie es zum jetzigen Zustand Marphas gekommen ist, so daß
die Perfektdefinition auch hierfür aufrechterhalten werden kann. V gl. hierzu auch T ext 15 (The Tulachan
Legend) in der Sammlung von Texten im Tukche-Dialekt von M. HARI (H A R I1970,239-250), w o ähnliches zu
beobachten ist. Hierin könnte sich ein Funktionswandel des Perfekts in Richtung auf ein allgemeines tempus
mrrativum andeuten (vgl. das Schicksal des indogermanischen Perfekts im Lateinischen).
159Zur Funktionsbestimmung des indogermanischen Perfekts vgl. SCHMIDT 1964, diesem ähnliche Perfekta
finden sich auch in anderen Sprachen, so z.B. im Georgischen (JOB 1994) oder in Cuköo-kamöadalisehen
Sprachen (vgl. BENVENISTE 1970).
120
II1.4.1.5.
-si rau1
Diese Form besteht aus dem durch das Hilfsverb erweiterten Konverb -si160. Sie kodiert einen
als zeitlich andauernd vorgestellten Sachverhalt, der sich in der Gegenwart vollzieht. Diese
hochfrequente Form ist das eigentliche Präsens (oder praesens durativum ) des Thakali:
(157)
nam2 ju 1
-si m u\
Regen herabkommen-CV KOP
Es regnet
(158)
kjäm4 pra4 -pa nri3
ni4 kjdm4-ri
Ijäma1 se1
-si m a\
Weg gehen-VN Mensch zwei Weg -LOC Wort reden.HON-CV KOP
Zwei Wanderer unterhalten sich auf dem Weg.
(159)
£eJ
fe2
-ri
tu 1 -si mu[
PP. 3 SG PDEM-LOC sitzen-CV KOP
Er sitzt dort.
III.4.1.6.
-pa inu ‘-ci
Die Erweiterung des Verbalnomens -pa durch das Hilfsverb rmiJ ist charakteristisch für
solche Verbalwurzeln, die adjektivische Bedeutungen haben. Die adjektivische Prädikation
wird durch den Zusatz von -ci in der Vergangenheit lokalisiert:
(160)
näkd1 k i3 -pa m u1 -er
Huhn schön-VN KOP-PRAET
Das Huhn war schön.
160Dessen rein konverbale Funktionen werden unter III,4.2.1. näher besprochen,
121
Bei nichtadjektivisehen (bzw. einen Vorgang oder eine Handlung bezeichnenden)
Verbalwurzeln dient -pa m n,-ci dazu, einen als länger andauernden Zustand, oder habituellen
Vorgang vorgestellten Sachverhalt in der Vergangenheit zu lokalisieren:
(161)
ca2 ju l3 -ri Aa1
-e
apäs tu 1
-pa mu1 -ci.
PDEM Dorf-LOC PP. 1SG-GEN Vater wohnen-VN KOP-PRAET
In jenem Dorf hielt mein Vater sich auf.
(162)
k\iju2-se
mar4-e
p‘um2 tintin3 dam2 cun2
Alte -ABL/ERG Gold-GEN Ei
-pa m u1 -ci.
täglich PART verkaufen-VN KOP-PRAET
Die Alte verkaufte jeden Tag ein goldenes Ei.
-ci mu ‘-ci
1IL4.1.7.
Wird der durch die Perfektform ausgedruckte Sachverhalt durch -ci in die Vergangenheit
verlegt, entsteht eine Form der Vorvergangenheit (Plusquamperfekt):
(163)
ca2
as3 -raA teptät3 -se
me1 pan2 -si mu3 -ci.
PDEM Gans-DAT Devadatta-ABL/ERG Pfeil setzen-CV KOP-PRAET
Auf diese Gans hatte Devadatta den Pfeil abgeschossen.
(Der Schuß Devadattas auf die Gans geht der Haupthandlung der Erzählung voran).
III.4.1.8.
-si m u-ci
D as praesens durativum
auf
-si
Vergangenheitsbedeutung:164
(164)
nam2 ja 1
-si mu1 -ci.
Regen herabkommen-CV KOP-PRAET
Es regnete ("war am regnen").
m u1 erhält durch den Z u satz von
-c i
122
(165)
fe 1
tila2 ca2 tia4 -ri ke4 ln1
-si ma1 -ci
PP.3SG gestern PDEM Haus-LOC Arbeit machen-CV KOP-PRAET
Gestern abeitete er in diesem Haus.
III.4.1.9. Finite Verbalformen mit Modalpartikeln
Durch die Hinzufügung der Partikel miäe2 zu einer finiten Verbalform kann der Sprecher zum
Ausdruck bringen, daß ihm der berichtete Sachverhalt nicht sicher erscheint. Dies ist
naturgemäß besonders häufig der Fall bei Aussagen über zukünftige Ereignisse. Die Funktion
dieser Partikel ist derjenigen der deutschen Modalpartikel "wohl" sehr ähnlich:
(166)
tc
-se
päcäc3-ri to 3
cun2
-pa mise2
PP.3SG-ABL/ERG Markt-LOC Gemüse verkaufen-VN IRR
Er wird wohl auf dem Markt Gemüse verkaufen.
(167)
k'a1
-pa pärsä3-ri
kjaprä2
sa2-pa a3
ta1
mi£e2
kommen-VN Jahr -LOC Buchweizen gut-VN NEG werden IRR
Nächstes Jahr wird der Buchweizen schlecht sein.
Im zugrundeliegenden Korpus ist ein Beispiel mit einem Vergangenheitstempus belegt:
(168)
cuz
surikurJ sej1 -ci
mike2
PDEM Schwein töten-PRAET IRR
Ich glaube, dieses Schwein wurde geschlachtet.
Eine weitere Modalpartikel mit ähnlicher Funktion - meid2 - tritt gelegentlich auf. Soweit
festgestellt werden kann, schwächt sie den Grad der Sicherheit des Sprechers hinsichtlich des
berichteten Sachverhaltes noch weiter ab. Ihre Funktion entspricht etwa der des deutschen
"vielleicht":
i
i
123
(169)
te ‘
kan1 ca 1 meki2
PP.3SGReis essen DUB
& wird vielleicht Reis essen.
III.4.1.10.
Imperativ, Adhortativ und Prohibitiv
Das Imperativmofphem tritt abhängig vom Auslaut der Verbalwurzel in folgenden Varianten
bzw. Allomorphen auf:
nach Konsonanten
I j / ):
pin2- "geben"
kin2- "nehmen"
dom2- "schlagen"
cun2- "verkaufen"
re2- "aufstehen"
p i3- "sagen“
caj3- "geruhen161"
pi{*- "bringen"
-o
nach /e /, lil, Ij f :
-to
nach iä l :
-ko
nach lu (\
-ko
~ -to
~
-rio162
—> pin2-o
-> kin2-o
-> dom2-o
—> curi2-o
re2-to
-> p i3-to
—> caj3-to
pä*-ko
—» k \i2-ko
irti2- "waschen"
su 3-"sitzen (hon.)" —> du3-to
—» nu4-no
nu4- "schlafen"
Auf fa l auslautende einsilbige Verbal wurzeln163 bilden den Imperativ, indem sie diesen
Auslautvokal durch l o i ersetzen:
k ‘al- "kommen"
ca1- "essen"
—> Ipv. kW
—> Ipv. co1
161 Dies ist selbstverständlich nur eine Behelfsübersetzung. D ieses Verbum dient zur periphrastischen Bildung
des honorifikativen Imperativs, vgl. IIL4.5.
162Es ist nicht klar ersichtlich, ob eine dieser Varianten die umgebungsbedingte Form darstellt und die übrigen
demnach lexikalische Idiosynkrasien sind. D ie Informanten akzeptierten die angeführten Imperative von HuStänunen" nur in der o.a. Form.
163D ie folgenden sind die einzigen Imperativformen dieser Art, die erhoben werden konnten. Es is t möglich, daß
als zusätzliche Bedingung für diese Bildungsweise noch Ton 1 relevant ist.
I
124
Ja1- "machen"
—> Ipv. io1
Der Imperativ bezeichnet eine direkte (unhöfliche) Aufforderung:
(170)
cu2
täsin3 ki2
-to,
PDEM Stock brechen-IPV
Zerbrich diesen Stock!
(171)
ki3
-e
caku2 riaJ
-raii curi2
-o
PP.2SG-GEN Messer PP. 1SG-DAT verkaufen-IPV
Verkaufe mir dein Messer!
Zum Ausdruck einer höflichen Aufforderung wird der Imperativ des Verbums caf- (etwa:
"geruhen zu", "so gut sein zu", eine eigene lexikalische Bedeutung ist nicht ermittelbar) der
Infinitivform164 nachgestellt:
(172)
k i3
-e
caku2 na1
-ran
cnA2
-la
caf
-to
PP.2SG-GEN Messer PP.1SG-DAT verkaufen-INF geruhen-lPV
Verkaufe mir bitte dein Messer!
Ein Adhortativ wird durch das Suffix -do gebildet:
(173)
tini2 comsom3 je4 -do,
heute Jomsom gehen-HORT
Wir wollen heute nach Jomsom gehen!
Zur Bildung des Prohibitivs wird der Imperativform die Partikel t‘ä! vorangestellt, in der
honorifikativen Imperativform steht sie hingegen vor dem lexikalischen Verb (175):
164Zum Infinitiv und d en au f ihm basierenden periphrastischen V erbalbildungeu vgl. 10.4.2.4.
125
(174)
nakju]-ra
iä 1 dom2 -o,
Hund -DAT PROH schlagen-IPV
Schlage den Hund nicht!
(175)
cu2
täsin3 tä 1
ki2
-Ja ca f
-toi
PDEM Stock PROH brechen-INF geruhen-IPV
Zerbrich diesen Stock bitte nicht!
Der Adhortativ wird mit der gewöhnlichen Negation a3 verneint:
(176)
tini2 comsom3-ri a3 jo4 -do
heute Jomsom -LOC NEG gehen-HORT
Wir wollen heute nicht nach Jomsom gehen!
I1I.4.1.11.
Interrogative Verbalformen
Für das Verbalnomen auf -pa in finiter Funktion lautet die interrogative Form gleich der
deklarativen:
(177)
k ‘äjan* ki3
k ‘a ‘
-pa
wann PP.2SG kommen-VN.INTERR
Wann kommst du?
(178)
Aa
näma' k'a1 -pa#
PP. 1SG morgen kommen-VN
Ich komme morgen.
Für das Affix des Präteritums -er tritt hingegen eine eigene Interrogativform -lan ein:
126
(1?9)näkä1 caca3-ran kate4 pa
-lari
Huhn Kind-DAT wieviel bezahlen-PRAET.INTERR
Wieviel hat er für die Küken bezahlt?
An das Hilfsverb lu a, tritt zur Bildung der Frageform das Affix -a an:
(180)
na1
-e
kju4 k'ä1 mu1 -a
PP. 1SG-GEN Schaf wo KOP-INTERR
Wo ist mein Schaf?
(181)
k i3
kate4 k'adä2 -ri lo1 -si mu1 -a.
PP.2SG wieviel Klasse-LOC lesen-CV KOP-INTERR
Auf welcher Stufe studierst du?
(182)
k i3
k i3
-e
Ijäkiri1 ke4 la1
-si mu* -a
PP.2SG PP.2SG-GEN für
Arbeit machen-CV KOP-INTERR
Arbeitest du für dich selbst?
Die finiten Verbalformen mit ihren interrogativen Substituenten sind demnach:
deklarativ
interrogativ
-cf
-laA
-pa
(-ci iu u -a )165
-si muJ-a
-pa
-ci m u1
-si m u1
-ci m aJ-ci
-pa mu ‘-ci
-si m u^ci
(-ci muJ-fari)
(-pa m u‘-lan)
(-si mu^laA)
16SD ie eingeklammerteil Formen sind im vorliegenden Korpus nicht durch eigene B eispiele belegbar. Ihre
Akzeptabilität wurde aber von allen Informanten bestätigt. Inwieweit sie allerdings tatsächlich gebildet und
gebraucht werden, muß hier offen bleiben.
127
I1I.4.2.
Nichtfinite Verbalformen
111.4.2,1.
Das kopulative Konverb -si
Die Verbalform auf -si ist das frequentere der beiden Konverben166 des Thakali. Seine
Funktion ist es, in komplexen Sätzen167 zwei oder m