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ADB:Böttger, Johann Friedrich

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Artikel „Böttger, Johann Friedrich“ von Alphons Oppenheim in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 203–205, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:B%C3%B6ttger,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 28. Dezember 2024, 16:37 Uhr UTC)
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Böttger (oder Böttiger): Johann Friedrich B., Erfinder des Porcellans in Europa, Alchemist, geb., nach Angabe des Kirchenbuches, am Sonntage (worauf er Gewicht legte), den 5. Febr. 1685 (nach der Unterschrift seiner Büste im Japan. Palais in Dresden am 4. Febr. 1682) zu Schleiz, Sohn eines Münzcassirers, welcher früh starb. Seine Mutter siedelte nach Magdeburg über und heirathete dort den Stadtmajor und Ingenieur J. F. Tiemann, welcher den jungen B. in der Mathematik, Fortification und Feuerwerkerei unterrichtete. Seine Neigung zur Chemie veranlaßte, daß er in seinem 12. Jahre dem Apotheker F. Zorn in Berlin in die Lehre gegeben wurde, wo er sich durch Wißbegier, Talent und Fleiß auszeichnete und bald nebenbei in der Dagelius’schen Fabrik lackirter Stahlwaaren thätig war. Durch einen Lehrgenossen wurde er der Alchemie zugeführt, las den Basilius, Paracelsus, Lullius u. A. und arbeitete ganze Nächte im Laboratorium der Apotheke. Ein griechischer Mönch, Lascaris, als Alchemist bekannt, schenkte ihm eine rothe Tinctur, mit welcher er vor Zeugen zwei Loth Mercur in feinstes Gold verwandelte. Vertrauen auf seine Kunst und des Lehrherrn Unwillen bewogen ihn 1698 zur Flucht. Nachdem er ein halbes Jahr lang vergebens Versuche gemacht, kehrte er in die Apotheke zurück und versprach, jedoch ohne Wort zu halten, „sich hinfüro alles Laborirens und Sudelns zu enthalten und bloß die Apotheke zu versehen“. Im Juli 1701 zeigte er voller Freude die erste Frucht seiner Anstrengungen, ein Stück gediegnen Goldes und verwandelte Mercur, Blei und Silber in Gold, welches von zahlreichen Zeugen, auch einem Goldschmied, für echt erklärt wurde. Daß nicht absichtlicher Betrug zu Grunde lag, scheint aus Böttger’s Antwort auf die Glückwünsche seiner Freunde hervorzugehen: „Laßt mich zufrieden! Ich habe die rechte Tinctur allerdings gefunden, aber wer weiß, ob ich sie mein Lebtag wieder finde“. Sein Biograph Engelhardt hat dies nicht hinreichend beachtet. Ein fester Glaube an die hermetische Kunst und Selbsttäuschung waren bei den Alchemisten auch der späteren Zeit ebenso häufige Motive ihrer Handlungen wie Betrug, um wie viel mehr bei dem 16jährigen Knaben, welchen der erfinderische Alchemist Kunkel, ein Freund seines Lehrherrn, unterstützte und aufmunterte. Obgleich sein Stiefvater ihn für einen Dieb hielt und Zorn ihn warnte, daß Goldmacher mehrentheils in Narrethei und Unglück gerathen, sprach dieser ihn doch auf der Mutter Bitte von der Lehre los. Berlin war voll von dem Adepten. Der König ließ sich das Böttger’sche Gold vorlegen und Furcht vor einem Proceß bewog den Knaben am 26. Octbr. 1701 zur Flucht nach Wittenberg, wo sich der Professor Kirchmann seiner annahm und er Medicin studiren wollte. Es wurden 1000 Thaler auf seine Einlieferung gesetzt und Offiziere nachgeschickt, die seine Auslieferung verlangten: wie zweifellos aus spätern Aeußerungen des Königs hervorging, weil dieser an seine Macht glaubte und den Goldmacher dem Lande nicht entgehen lassen wollte. Derselbe Grund aber bestimmte die Behörden [204] von Wittenberg und den Statthalter von Sachsen, Anton Egon Fürsten von Fürstenberg, seine Auslieferung zu verweigern und B. zu arretiren. Es folgten nun höchst merkwürdige diplomatische Verhandlungen, eigenhändige Briefe des Königs, in welchen er Auslieferung verlangte, Bestechungs- und gewaltsame Befreiungsversuche, Anschuldigung Böttger’s wegen Giftmord und Betrug, abwechselnd mit gütlichen Versuchen ihn unter Versprechen von Straffreiheit zur Rückkehr zu überreden. Der König nannte die Behörden Esel, einen so „brauchbaren Kerl“ aus Berlin haben entwischen zu lassen. Die Kurfürsten von Sachsen ihrerseits hatten sich seit Generationen im Goldhause zu Dresden mit Alchemie beschäftigt und August II., durch Erhandlung der polnischen Krone, den schwedischen Krieg und Verschwendung noch goldbedürftiger als seine Vorgänger, sandte von Warschau seinen Günstling Nehmitz nach Wittenberg, mit dem Auftrage, den Goldmacher „ohne andern Aufenthalt als Gottes Gewalt“ nach Dresden in Sicherheit zu bringen, in Arrest zu behalten, „mit sattsamer Freiheit“, ihn aber durch einen Bergbeamten stets beobachten und ausforschen zu lassen. Dies geschah und von jetzt ab bis kurz vor seinem Tode war B. fast ohne Unterbrechung Gefangener. Die Haft war Monate lang so streng, daß zu ihm und seinen Wächtern Pabst und Dr. Nehmitz Niemand, selbst der Barbier keinen Zutritt hatte, und daß man ihn verhinderte, das Fenster zu öffnen, wol weil man Selbstmord fürchtete. Vom März 1702 an wurden ihm Zimmer im Schloß und die Erlaubniß eingeräumt, einen Corridor und den Garten zum Spaziergang zu benutzen. Er machte sich den Fürsten von Fürstenberg und besonders den Grafen von Tschirnhausen, einen bekannten Naturforscher und Besitzer von Glashütten und Eisenhämmern, zu Freunden. Seine Verpflegung ward eine verschwenderische und er ergab sich dem Trunk: wol in natürlicher Folge der Verzweiflung, die seine Gefangenschaft, von der er Zeitlebens in rührender Weise um Erlösung bat und die Unfähigkeit, den Stein der Weisen zu liefern, in ihm erzeugte. Ausreden und Versprechungen großer Schätze mußten ihm helfen als gemeinsame Versuche Augusts II. und Fürstenberg’s mit Böttger’s Tinctur ohne Erfolg blieben. Im Juni 1703 sollte er zu dem König nach Polen reisen, entkam jedoch nach Enns in Niederösterreich und wurde erst im September wieder gefangen. Des Königs Vertrauen war nicht gewichen; immer größere Summen verschlang das Laboriren Böttger’s; aber „Böttcherus ille mihi videtur egregiae eruditionis, vir honestus et excellentissimi ingenii“, schrieb des Königs Beichtvater, der Jesuit Vota, und mit größerer Sorgfalt als je wurde er sowol gepflegt, wie bewacht. Er ward nur anonym als „l’homme de Wittenberg“ oder „Monsieur Schrader“bezeichnet. Näherte er sich den Thüren des Gartens, so ward mit einem Blasrohr nach ihm geschossen und der König unterschrieb 36 Punkte, welche das Arcanum dem kurfürstlichen Hause bewahren sollten und über die zu gewinnenden Summen disponirte, „daß ein so heylsam und nützlich Werk zu keinem Uebel und sündlicher Verstockung möge benuzt werden“. Als die Schweden in Sachsen einfielen, ward B. zuerst nach Meißen auf die Albrechtsburg und dann nach dem Königstein gebracht. Hier lebte er vom 5. Sept. 1706 bis zum 22. Sept. 1707 und belebte die Gunst des Königs durch den Verrath eines Fluchtversuchs von Staatsgefangenen, seiner Genossen. Endlich ward ihm auf der Jungfernbastei in Dresden ein Laboratorium und Gewahrsam eingerichtet und hier fing er an, wol auf Tschirnhausen’s Rath und erschreckt durch des Königs Warnung, „Thu’ mir zurecht, Böttger, sonst laß ich dich hängen“, nützlichere Versuche zu machen. Das chinesische Porcellan, ein Monopol der Holländer, zog jährlich große Summen aus Sachsen und Tschirnhausen hatte bereits um 1699 vergebliche Versuche mit einheimischen Erdarten gemacht, diese geschätzte Luxuswaare oder Delfter Steingut nachzuahmen. Vielleicht war es [205] für Schmelztiegel, daß B. im October 1707 rothe Erde der Dresdener Gegend brannte und daraus ein hartes, polirbares, schleifbares Porcellan erhielt. Es wurden sofort große Summen zu seiner Darstellung ausgeworfen. Der König und der Statthalter waren bei der Fabrication im J. 1708 anwesend. Im J. 1710 ward die Fabrik auf die Albrechtsburg nach Meißen verlegt und durch die wunderlichsten Vorsichtsmaßregeln, natürlich vergebens, vor Verrath des Arcanums geschützt. So wurde der Ohrenbeichte wegen kein katholischer Arbeiter angestellt, jeder Angestellte vereidigt und Niemand sonst auf die Burg gelassen. B. blieb in Dresden, wo die Schleiferei und Malerei stattfand, immer noch als Gefangener, der nur wohlbewacht die Reisen nach Meißen und zurück machen durfte. Ein Dresdener Goldschmied fertigte die Modelle; böhmische Glasschleifer wurden angestellt, es wurde bessere rothe Erde bei Meißen entdeckt und um 1711 führte ein Zufall auf weiße Porcellanerde, die der Fabrication bald zu ihrer Höhe verhalf. Trotz dessen gelangte dieselbe noch lange zu keiner finanziellen Blüthe: theilweise weil die verschuldete Regierung die Arbeiter mit der Löhnung, die Fabrik mit dem nöthigen Material im Stich ließ, theilweise weil die Verantwortung zu sehr vertheilt war, theilweise wegen Leichtsinns und Unterschlagungen von Nehmitz u. A. und wol auch von B. selbst. B. erkrankte; er gestand sein alchemistisches Unvermögen ein und bat um Freiheit. Statt dessen erhielt er im J. 1713 nur die Erlaubniß, auszufahren. Seine Augen wurden schwach. Er verlor seine Gönner, 1708 Tschirnhausen, 1716 Fürstenberg und trauerte tief um sie. Um 1716 ward er schlaflos und der König sah mit Schrecken seine Hoffnungen und Geheimnisse in Gefahr unterzugehen. Noch auf dem Todtenbette drohte er ihm mit seiner Ungnade, weil noch der alchemistische Proceß nicht gelungen sei. B. verfiel in Krämpfe. „Ja, Paul“, rief er seinem Liebling Wildenstein zu, „es hilft kein Kraut vor den Tod – ich muß fort – zwar bin ich ein großer Sünder gewesen, doch verlasse ich mich auf das Verdienst Christi.“ Er starb am 13. März 1719, nur 35 Jahre alt. Erst zehn Tage darauf ward seine Leiche in der Stille und im Finstern begraben. So endete ein unglückliches, verfehltes und doch nützliches Leben, dessen Leiden und Irrthümer mindestens ebensosehr dem Zeitgeiste als eigener Schuld zur Last fallen. Er war von wechselnder Laune, aber häufig der erheiterndste Gesellschafter. Er unterstützte stets seine Familie, war ein warmer Freund und wenn er wirklich um 1716 das Arcanum des weißen Porzellans verkauft haben sollte, so können ihm zwei Dinge zur Entschuldigung dienen: erstens der Zwang, unter dem er arbeitete, und dann der Umstand, daß bereits vorher entlassene Arbeiter der Fabrik die Bereitung verbreitet hatten. Andere Fabricationszweige, die er versuchte, mißlangen, so die von Thonpfeifen, Delfter Steingut etc. Daß nicht er, sondern Tschirnhausen das Porcellan in Europa erfunden, ist eine falsche Angabe, die schon durch die obigen Daten widerlegt wird.

C. A. Engelhardt, J. F. Böttger, Erfinder des sächs. Porcellans, Biographie aus authentischen Quellen (Acten und zeitgen. Briefen). Leipzig 1837.