Books by Frithjof Nungesser
Handeln, Denken und Identität sind von Grund auf sozial. Menschliche Individuen sind motivational... more Handeln, Denken und Identität sind von Grund auf sozial. Menschliche Individuen sind motivational auf Sozialität hin ausgerichtet; ihre Identität wird in Sozialität ausgebildet und revitalisiert; ihr Handeln und Denken wird durch Sozialität strukturiert. Diese These einer konstitutiven Sozialität des Handelns findet sich im klassischen Pragmatismus konsequent ausformuliert. Frithjof Nungesser analysiert die konflikt- und folgenreichen Entstehungsbedingungen sowie die inneren Zusammenhänge und Spannungen dieser Theorieposition. Darauf aufbauend reformuliert er sie im Rückgriff auf aktuelle lebenswissenschaftliche Befunde – insbesondere aus Primatologie, Linguistik, Kultur- und Entwicklungspsychologie. So wird der Pragmatismus als eine Sozialtheorie sichtbar, die Evolution, Handeln und kulturelle Entwicklung in nicht-reduktionistischer, innovativer und empirisch haltbarer Weise verknüpft.
Pragmatism Today. Special Issue Action, Agency and Practice, 2020
Handbuch Kultursoziologie Band 2: Theorien – Methoden – Felder, 2019
Die Vielfalt kultursoziologischer Ansätze, Diskurse, Arbeitsfelder und Methoden wird in diesem Ha... more Die Vielfalt kultursoziologischer Ansätze, Diskurse, Arbeitsfelder und Methoden wird in diesem Handbuch kompakt dargestellt. Geboten wird damit die Möglichkeit zur Orientierung innerhalb des heterogenen Feldes der Kultursoziologie. Unterschiedliche Positionen und das mit ihnen jeweils verbundene Verständnis von ‚Kultur‘ werden sichtbar gemacht und die Leser_innen zur weiterführenden Auseinandersetzung mit diesem Forschungsfeld eingeladen.
Band 2 gibt Einblick in theoretische und methodische Ansätze der Kultursoziologie und präsentiert den derzeitigen Stand kultursoziologischer Forschung zu ausgewählten Gegenstandsbereichen.
Handbuch Kultursoziologie Band 1: Begriffe – Kontexte – Perspektiven – Autor_innen, 2019
Die Vielfalt kultursoziologischer Ansätze, Diskurse, Arbeitsfelder und Methoden wird in diesem Ha... more Die Vielfalt kultursoziologischer Ansätze, Diskurse, Arbeitsfelder und Methoden wird in diesem Handbuch kompakt dargestellt. Geboten wird damit die Möglichkeit zur Orientierung innerhalb des heterogenen Feldes der Kultursoziologie. Unterschiedliche Positionen und das mit ihnen jeweils verbundene Verständnis von ‚Kultur‘ werden sichtbar gemacht und die Leser_innen zur weiterführenden Auseinandersetzung mit diesem Forschungsfeld eingeladen.
Band 1 des Handbuchs widmet sich dem Begriff der Kultur, der Kontextualisierung des Themenfeldes ‚Kultursoziologie‘ im interdisziplinären Umfeld, seiner Entwicklung und gegenwärtigen Ausformung in unterschiedlichen Weltregionen sowie zentralen kultursoziologischen Autor_innen.
transcript: Bielefeld, 2018
Die verschiedenen Soziologien des Lebens fassen das Leben nicht nur als Objekt, das gesellschaf... more Die verschiedenen Soziologien des Lebens fassen das Leben nicht nur als Objekt, das gesellschaftlich erkannt, normiert und gesteigert wird. Sie verstehen es immer auch als Subjekt seines Wissens, seiner Normen und seines Wandels. Das Leben wird nicht vereinseitigt, sondern seine Verschränkungen werden analysiert: die Immanenz von Natur und Kultur, die Gleichzeitigkeit von Aktivität und Passivität, die Ko-Konstitution von Affekt und Kognition, die Identität von Normativität und Normierung.
Im Anschluss an Autorinnen und Autoren wie Bataille, Bergson, Canguilhem, Deleuze, Driesch, Haraway, Plessner, die Pragmatisten oder Simmel entfalten die Beiträge dieses Bandes differente lebenssoziologische Perspektiven und revitalisieren damit einen für die soziologische Theorie in vielerlei Hinsicht instruktiven Diskurs.
Die Körperlichkeit des Handelns, die soziale Herstellung handelnder "Subjekte ", die Unzulänglich... more Die Körperlichkeit des Handelns, die soziale Herstellung handelnder "Subjekte ", die Unzulänglichkeit von Theorien rationalen Entscheidens: Diesen Problemen widmen sich pragmatistische Theorien wie auch Theorien sozialer Praktiken. Trotzdem standen sich diese Positionen lange indifferent bis feindselig gegenüber. Eine wirkliche Debatte über ihre oft sehr unterschiedlichen Problemlösungen kommt erst seit Kurzem in Gang. Der Band führt diese Debatte erstmals systematisch. Dabei zielt er nicht nur auf einen Theorievergleich, sondern auch darauf, Antworten aus beiden Diskussionssträngen sozialtheoretisch weiterzuentwickeln.
Seit den späten 1970er Jahren ist es international zu einer Wiederentdeckung des klassischen P... more Seit den späten 1970er Jahren ist es international zu einer Wiederentdeckung des klassischen Pragmatismus gekommen. Auch in der deutschsprachigen Philosophie und Soziologie hat sich – vor allem angeregt durch die Arbeiten von Jürgen Habermas, Karl-Otto Apel und Hans Joas – die Beschäftigung mit pragmatistischen Positionen intensiviert. Der vorliegende Sonderband nimmt den 150. Geburtstag George Herbert Meads zum Anlass, um nach den Potentialen einer pragmatistischen Sozialtheorie zu fragen. Er verfolgt hierbei vornehmlich zwei Ziele: Zum einen soll ein Überblick über die Themen und Probleme gegeben werden, die für die Weiterentwicklung des sozialtheoretischen Pragmatismus relevant sind und mit denen sich Soziologinnen und Soziologen gegenwärtig auseinandersetzen. Zum anderen sollen die Potentiale des pragmatistischen Denkens kontrastiv hervortreten, indem es mit anderen bedeutenden sozialtheoretischen Strängen ins Gespräch gebracht wird, wobei vor allem der Auseinandersetzung mit praxistheoretischen und ethnomethodologischen Ansätzen (Bourdieu, Garfinkel), mit der Akteur-Netzwerk-Theorie sowie mit neuro- und kognitionswissenschaftlichen Erkenntnissen (Spiegelneuronen-Forschung, Tomasello) eine gewichtige Rolle zukommt.
Strafen und opfern, zaubern und beten, urteilen und werten – viele, zum Teil grundlegende mensch... more Strafen und opfern, zaubern und beten, urteilen und werten – viele, zum Teil grundlegende menschliche Tätigkeiten sind unmittelbar mit Religion verbunden. Sie stehen im Zentrum von Marcel Mauss’ religionssoziologischen Schriften, die mehr sind als Vorarbeiten für die Religionssoziologie seines berühmten Onkels Émile Durkheim: Sie sind Meilensteine der Sozial- und Kulturwissenschaften. In ihnen erfährt man nicht nur etwas über Sakralisierungsprozesse, sondern auch über die gesellschaftlichen Ursprünge des Magischen und Religiösen überhaupt. Der Band umfaßt die wichtigsten religionssoziologischen Studien, die sich u. a. mit dem Gebet, dem Opfer, der Magie, dem Strafrecht oder dem Verhältnis von Ritualen und Emotionen beschäftigen. Das Nachwort von Stephan Moebius liefert eine systematische Darstellung der Religionssoziologie von Mauss.
Papers by Frithjof Nungesser
Österreichischen Zeitschrift für Soziologie , 2021
Österreichische Zeitschrift für Soziologie, 2022
Der Aufsatz untersucht die normativitätstheoretische Bedeutung von George Herbert Meads Arbeiten.... more Der Aufsatz untersucht die normativitätstheoretische Bedeutung von George Herbert Meads Arbeiten. Er konzentriert sich dabei auf zwei zentrale Stränge des Werks. Rekonstruiert werden zum einen Meads am Spielverhalten entwickelte Argumente zur stufenweisen Aneignung normativer Kompetenzen im Laufe der Sozialisation. Im Rückgriff auf aktuelle entwicklungspsychologische Studien wird gezeigt, dass Meads Theorie an Plausibilität gewinnt, wenn man Rollen- („play“) und Regelspiele („game“) nicht als Phasen, sondern als Grundformen des Sozialverhaltens versteht, die parallel zueinander im Zeitverlauf an normativer Bindungskraft und Abstraktheit gewinnen. Rekonstruiert werden zum anderen Meads wenig bekannte gesellschaftstheoretische Überlegungen zu den gegenläufigen Dynamiken generalisierter Perspektiven. In Studien zur Strafjustiz, zu den internationalen Beziehungen oder zu sozialen Konflikten und Reformbewegungen argumentiert Mead, dass die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme die Ausweitung des sozialen Dialogs ebenso ermöglicht wie die aggressive Abgrenzung von Anderen. Anhand des Vergleichs mit Luc Boltanskis und Laurent Thévenots Theorie der Rechtfertigungsordnungen wird im Anschluss herausgearbeitet, dass Mead zwar Konflikten zentrale Bedeutung beimisst, insgesamt aber die Pluralität normativer Perspektiven ausblendet, einer Universalisierungsteleologie zuneigt und spezifische Konfliktformen pathologisiert.
Historical Social Research, 2022
The study of extreme violence confronts researchers with a number of methodological challenges. T... more The study of extreme violence confronts researchers with a number of methodological challenges. This applies especially to approaches in violence research that focus on visual materials. Drawing on research on experiences of violence and resistance in the Guantánamo Bay detention camp, this article discusses two key sets of problems connected with the (in)visibility of violence. Problems of contextual (in)visibility result from various aspects of the context under study (e.g., spatial layout, access control, media technologies). An analysis of Guantánamo and its visual representations suggests that, quite generally, visually-oriented violence research needs to reflect the availability, selectivity, framing, and contested nature of its materials. In contrast, problems of epistemic (in)visibility do not result from the contexts studied but from the way they are studied. These problems become particularly relevant when examining the acts and experiences of those affected by violence. I argue that the dominant methodological approach to violence and culturally entrenched concepts of victimhood promote the neglect of the victims' experiences, subjectivity, and agency. Therefore, research needs to search for alternative ways to approach phenomena of violence-for example, by analyzing non-visual materials, such as personal documents of victims. Referring to accounts of former Guantánamo inmates, some of the challenges of such an approach are discussed. Overall, I conclude that that questions of (in)visibility need to be considered in every study on violence-both as an important condition of analysis and as an essential aspect of the phenomena analyzed.
WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung, 2020
In diesem Aufsatz wird untersucht, wie Tiernutzung und Fleischkonsum zu einer umstrittenen Praxis... more In diesem Aufsatz wird untersucht, wie Tiernutzung und Fleischkonsum zu einer umstrittenen Praxis werden konnten. Erst eine Analyse der Genese dieser moralischen Problematisierung ermöglicht ein Verständnis der komplexen soziokulturellen Hintergründe jener Dissonanz, die in der Sozialpsychologie unter dem Schlagwort des »Fleischparadoxes« untersucht wird. Die Geschichte dieser Problematisierung wird in vier Schritten nachvollzogen: 1) Zunächst wird argumentiert, dass das Auftreten des Paradoxes vor dem Hintergrund von Spannungen und Verschiebungen innerhalb des spezifisch modernen Diskurses über die Mensch-Tier-Differenz verstanden werden muss. Im Anschluss an Philippe Descola wird gezeigt, dass das Fleischparadox keinen grundsätzlichen ontologischen Bruch anzeigt, sondern mit sich verschärfenden Konflikten innerhalb der modernen naturalistischen Weltsicht einhergeht. Ergänzt wird dies durch Argumente Gesa Lindemanns, die auf den konstitutiven wie umkämpften Stellenwert der Tier-Mensch-Grenze für die Konzeption sowohl des modernen Individuums als auch der modernen Rechts-, Moral- und Gewaltordnung verweist. 2) In einem zweiten Schritt werden die zunehmenden Spannungen an der Tier-Mensch-Grenze mit Norbert Eliasʼ Theorie des Zivilisationsprozesses verknüpft. Eine solche Verknüpfung hat den Vorteil, dass die Veränderungen im Mensch-Tier-Verhältnis auf ein breites Spektrum historischer makro- und mikrosozialer Transformationen zurückgeführt werden können. Mit Elias lässt sich die wachsende affektive Aversion gegenüber Gewalt im Allgemeinen, aber auch die Verlagerung der Fleischproduktion »hinter die Kulissen« verstehen. Zugleich kann durch die Verortung der Zivilisationsdynamik in einem spezifischen sozialontologischen Rahmen der im Hinblick auf Elias vorgebrachte Ethnozentrismusvorwurf umgangen werden. 3) In einem dritten Schritt werden Transformationen der Wirtschaftsstruktur und die mit ihnen verbundenen Veränderungen der Kontaktmuster zwischen Menschen und Tieren betrachtet. Im Zuge von Urbanisierung und Industrialisierung ging der Kontakt zu Nutz- und Wildtieren für viele Menschen deutlich zurück, während sich parallel die Heimtierhaltung verbreitete. Im Verein mit einem generellen Wandel des Naturverhältnisses ermöglichte dieser Prozess eine zuvor ungekannte Sensibilisierung gegenüber Tierleid. 4) Das Aufkommen der Tierschutz-, später auch der Tierrechtsbewegung, sowie von vegetarischen und veganen Lebensstilen kann schließlich als ein Ausdruck der ontologischen Spannungen und der wachsenden Sensibilisierung gegenüber Gewalt und Tierleid interpretiert werden, der jedoch nur durch Vorstellungen gesellschaftlicher Veränderbarkeit und politischer Gestaltbarkeit sowie durch die Entstehung demokratischer Öffentlichkeiten möglich wurde. Nach ihrer Konstituierung und organisationalen Verankerung konnten diese Protest- und Lebensstilbewegungen dann selbst Motor einer weiteren Sensibilisierung und Problematisierung von Tierleid und Fleischkonsum werden.
Pragmatism Today, 2020
The articles assembled in this special issue of Pragmatism Today address implications and consequ... more The articles assembled in this special issue of Pragmatism Today address implications and consequences of pragmatist thought for our understanding of action, agency and practice. The papers prove once more that the pragmatist conceptualization of action provides an instructive perspective in a broad spectrum of areas. This holds true with respect to the topics analyzed, which range from embodiment and animal cognition to sociality and socialization to games and sports to normativity and justice. It also holds true with respect to the transdisciplinarity of the special issue, which contains articles from philosophers and sociologists but also touches on issues in sport science, cognitive science, or primatology. Finally, the breadth and timeliness of the pragmatist account of action, agency, and practice can be recognized in the volume by the dialogues it facilitates with other theoretical traditions such as phenomenology or cultural psychology.
Pragmatism Today, 2020
In his social theory, G. H. Mead argues that the development of human agency is linked to the eme... more In his social theory, G. H. Mead argues that the development of human agency is linked to the emergence of the human-specific capacity of perspective-taking in the course of social evolution. With his conception of perspective-taking, he knits together three key innovations of pragmatist theory: a non-deterministic understanding of evolution, the notion of organism-environment-interaction, and the idea of the social self. In order to retain Mead's transdisciplinary orientation, it is essential to reevaluate his claims in light of current empirical results - not only from the social sciences but also from the life sciences. Against this background, the paper pursues a threefold objective: First, it aims at a reconstruction of Mead's view on the evolution of sociality, perspective-taking, and agency. Second, the paper contrasts Mead's arguments with Michael Tomasello's seminal contribution to the understanding of human evolution. By drawing on Tomasello's studies, it becomes possible to avoid two major shortcomings of Mead's approach: Tomasello's account of great ape sociality and cognition helps to overcome Mead's dichotomous juxtaposition of animals and humans; moreover, Tomasello's reconstruction of hominin evolution allows to resolve contradictions between Mead's phylogenetic and ontogenetic lines of argument. Finally, the paper proposes a refined conception of perspective-taking. The results of the Mead-Tomasello-comparison, I argue, suggest not only that three levels of perspective-taking should be systematically distinguished but also that the consecutive emergence of these three levels of perspective-taking structure(ed) both the evolutionary and the ontogenetic development of human agency.
Zeitschrift für Soziologie, 2019
Der Artikel analysiert, welche Formen der Verletzbarkeit sich im Rahmen der Folter zeigen und war... more Der Artikel analysiert, welche Formen der Verletzbarkeit sich im Rahmen der Folter zeigen und warum diese für die Folter ausgenutzt werden können. An einem konkreten Gegenstand wird damit die „Verletzungsoffenheit“ (Popitz) des Menschen systematisch erkundet. Empirische Grundlage sind zwei moderne Folterkomplexe: die US-amerikanischen Folterungen im Rahmen des „Krieges gegen den Terror“ sowie die Folterpraktiken in chinesischen „Umerziehungslagern“. Anhand dieser Fälle werden sechs Kanäle der Verletzbarkeit identifiziert: Demnach zielen Folterpraktiken auf die Untergrabung der Körperkontrolle, der Territorien des Selbst und des personalen Status; ferner greifen sie die soziale Einbettung, die identitätsstiftenden Werte und die Erwartungshorizonte der Opfer an. Abschließend werden drei gewalt- und sozialtheoretische Implikationen der Analyse umrissen. Im Zentrum stehen dabei die Verschränkungen der Verletzungsoffenheit mit den Bedingungen menschlicher Handlungsfähigkeit, das Verhältnis von Machtvollkommenheit und Widerständigkeit sowie die Humanspezifik der Folter.
Zeitschrift für Theoretische Soziologie (ZTS), 2019
Die Gewaltsoziologie untersucht bislang primär das Ausüben, wenig jedoch das Erleiden von Gewalt.... more Die Gewaltsoziologie untersucht bislang primär das Ausüben, wenig jedoch das Erleiden von Gewalt. Vor diesem Hintergrund möchte der vorliegende Aufsatz zeigen, dass die Analyse menschlicher Verletzbarkeit, also die Möglichkeit Schaden zu nehmen und zu leiden, als wesentlicher Gegenstand gewaltsoziologischer Forschung erachtet werden sollte. Um die Vielfalt der Vulnerabilität des Menschen – seine »Verletzungsoffenheit« (Popitz) – konzeptuell zu erfassen, werden sechs Kanäle der Sensibilität identifiziert: Körperkontrolle, Handlungssinn, soziale Einbettung, Territorien des Selbst, personaler Status und identitätsstiftende Werte. Anhand eines breiten Spektrums von Beispielen wird illustriert, dass jeder dieser Kanäle in unterschiedlichen Kontexten angesteuert werden kann: Von Situationen extremer asymmetrischer Gewalt über gezielte nicht-physische Verletzungskontexte bis hin zu nicht-intentionalen oder strukturellen Zusammenhängen. Anschließend wird gezeigt, dass die identifizierten Kanäle auch hochgradig positiven und erfüllenden Erfahrungen zugrunde liegen, wodurch die Ambivalenz der Sensibilität erkennbar wird. Zum Abschluss werden sieben Thesen zur allgemeineren sozialtheoretischen Relevanz von Verletzbarkeit und Sensibilität skizziert, die auf das Zusammenspiel von passiven und aktiven sowie positiven und negativen Erfahrungsdimensionen zielen und den Wurzeln sowie der Spezifik der menschlichen Verletzbarkeit nachgehen.
Zwischen Menschen und Tieren besteht ein ambivalentes Verhältnis. Die Grenzen zwischen Tierliebe ... more Zwischen Menschen und Tieren besteht ein ambivalentes Verhältnis. Die Grenzen zwischen Tierliebe auf der einen, Zwang und Gewalt auf der anderen Seite verschwimmen häufig. Frithjof Nungesser analysiert jene Praktiken im Umgang mit Tieren, die dem gewalttätigen Spektrum zuzurechnen sind. Er nimmt dabei zunächst unterschiedliche Funktionen in den Blick, die mit den Gewaltpraktiken an Tieren verbunden sind: die Nahrungs-, Material- und Wissensgewinnung. Des Weiteren werden Praktiken skizziert, in denen Gewalt primär Selbstzweck ist (z.B. Tierquälerei). Allein für Nahrungszwecke wurden im Jahr 2016 weltweit über 70 Milliarden Landwirbeltiere getötet – eine Zahl, die in der Öffentlichkeit kaum registriert wird. Der Beitrag diskutiert die Frage, warum wir von der hochgradig rationalisierten und technisierten Massengewalt an Tieren so gut wie nichts mitbekommen. Zudem werden die ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen erörtert, die mitsamt der Gewalt aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt werden.
Dem von Pierre Bourdieu entwickelten Konzept der symbolischen Gewalt liegt ein erweiterter Gewalt... more Dem von Pierre Bourdieu entwickelten Konzept der symbolischen Gewalt liegt ein erweiterter Gewaltbegriff zugrunde. Mit dem Begriff der symbolischen Gewalt soll erklärt werden, warum unter sozialer Ungleichheit leidende Menschen nicht gegen gesellschaftliche Strukturen protestieren. Im Laufe der Sozialisation werden laut Bourdieu Denk- und Einstellungsmuster vermittelt, die soziale Ungleichheiten als selbstverständlich gegeben erscheinen lassen. Mittels „symbolischer Kämpfe“ wird definiert, welche Regeln in einem bestimmten gesellschaftlichen Feld gelten. Diese sozial vermittelten Regeln bleiben zumeist im Unbewussten verhaftet. Als „sanfte Gewalt“ strukturieren sie gleichsam die soziale Welt und sorgen für eine „verdächtige Ruhe“. Stephan Moebius und Frithjof Nungesser erörtern die Folgen symbolischer Gewalt anhand von zwei gesellschaftlich besonders relevanten Aspekten: Bildung und Geschlecht. Nach der Skizzierung der Funktionsweise symbolischer Gewalt, die sich über den Dreischritt „Erkennen“, „Verkennen“ und „Anerkennen“ vollzieht, werden abschließend Kritikpunkte benannt, die für eine weitere Ausschöpfung des analytischen Potentials des Konzepts zu berücksichtigen sind.
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Books by Frithjof Nungesser
Band 2 gibt Einblick in theoretische und methodische Ansätze der Kultursoziologie und präsentiert den derzeitigen Stand kultursoziologischer Forschung zu ausgewählten Gegenstandsbereichen.
Band 1 des Handbuchs widmet sich dem Begriff der Kultur, der Kontextualisierung des Themenfeldes ‚Kultursoziologie‘ im interdisziplinären Umfeld, seiner Entwicklung und gegenwärtigen Ausformung in unterschiedlichen Weltregionen sowie zentralen kultursoziologischen Autor_innen.
Im Anschluss an Autorinnen und Autoren wie Bataille, Bergson, Canguilhem, Deleuze, Driesch, Haraway, Plessner, die Pragmatisten oder Simmel entfalten die Beiträge dieses Bandes differente lebenssoziologische Perspektiven und revitalisieren damit einen für die soziologische Theorie in vielerlei Hinsicht instruktiven Diskurs.
Papers by Frithjof Nungesser
Band 2 gibt Einblick in theoretische und methodische Ansätze der Kultursoziologie und präsentiert den derzeitigen Stand kultursoziologischer Forschung zu ausgewählten Gegenstandsbereichen.
Band 1 des Handbuchs widmet sich dem Begriff der Kultur, der Kontextualisierung des Themenfeldes ‚Kultursoziologie‘ im interdisziplinären Umfeld, seiner Entwicklung und gegenwärtigen Ausformung in unterschiedlichen Weltregionen sowie zentralen kultursoziologischen Autor_innen.
Im Anschluss an Autorinnen und Autoren wie Bataille, Bergson, Canguilhem, Deleuze, Driesch, Haraway, Plessner, die Pragmatisten oder Simmel entfalten die Beiträge dieses Bandes differente lebenssoziologische Perspektiven und revitalisieren damit einen für die soziologische Theorie in vielerlei Hinsicht instruktiven Diskurs.
Nach Pierre Bourdieu ermöglicht es symbolische Gewalt, Herrschaftsverhältnisse für gewöhnlich ohne physische Gewalt aufrechtzuerhalten, da sie von den Beherrschten selbst anhand von herrschaftsimprägnierten Kategorien wahrgenommen werden und daher als legitim, notwendig oder funktional erscheinen. So zentral das Konzept der symbolischen Gewalt für Bourdieus Soziologie ist, so problematisch erscheint es jedoch bei genauerer Analyse. Der Artikel zeigt, dass symbolische Gewalt der intentionalen und phänomenalen Struktur von Handlungen zuwiderläuft, die üblicherweise als gewalthaft wahrgenommen werden. Daraus folgt eine unklare Verhältnisbestimmung von symbolischen und physischen Gewaltaspekten, was wiederum eine widersprüchliche Position zur Gewaltgeschichte befördert und zugleich jenen normativen Zugriff erschwert, den Bourdieu mit einem erweiterten Gewaltbegriff gerade sicherstellen wollte. Entgegen der verbreiteten Interpretation argumentiert der Beitrag, dass die begrifflichen Widersprüchlichkeiten keinen rhetorischen Kunstgriff darstellen, sondern aus einem unintendierten Bruch mit der grundlegenden terminologischen Strategie Bourdieus resultieren, anhand von scheinbar widersprüchlichen Formulierungen die emische Perspektive der Akteure und die etische Perspektive der Soziologie miteinander zu verbinden. Überzeugen kann Bourdieus Konzeption darüber hinaus auch dort nicht, wo die sozialisatorische Grundierung und konkrete interaktive (Re)Produktion symbolischer Gewalt erfasst werden soll. Im Sinne einer theoriekonstruktiven Kritik wirbt der Artikel schließlich dafür, den subtilen und vielschichtigen Wirkweisen symbolischer Herrschaft mithilfe geeigneterer begrifflicher Mittel nachzuspüren.
Abstract:
According to Pierre Bourdieu, it is due to symbolic violence that social domination can be sustained without resorting to physical force. Because the dominated perceive their situation by means of categories which themselves are structured by power relations, they accept their own domination as legitimate, necessary, or functional. While the concept of symbolic violence takes center stage in Bourdieu’s sociology, upon close analysis it turns out to be highly problematic. The paper shows that symbolic violence runs counter to the intentional and experiential structure of acts which are usually perceived as violent. As a result, the relation between symbolic and physical aspects of violence remains ambiguous in Bourdieu’s writings. This, again, contributes to an inconsistent view on the history of violence and compromises the very normative grasp the extended notion of violence was actually intended to facilitate. Contrary to the prevailing interpretation, the article argues that the conceptual inconsistencies do not constitute a rhetorical artifice, but result from an unintended deviation from Bourdieu’s fundamental terminological strategy to interlink the emic perspective of the actors and the etic perspective of sociology by means of seemingly contradictory phrases. Furthermore, Bourdieu’s account of symbolic violence is not convincing with reference to the conceptualization of socialization and the (re)production of symbolic domination in concrete interaction. In a constructive vein the paper finally calls for the continuing analysis of the subtle and manifold modes of symbolic dominance by the use of more appropriate concepts.
Edited by Hans Joas and Daniel R. Huebner
George Herbert Mead is widely considered one of the most influential American philosophers of the twentieth century, and his work remains vibrant and relevant to many areas of scholarly inquiry today. The Timeliness of George Herbert Mead brings together a range of scholars who provide detailed analyses of Mead’s importance to innovative fields of scholarship, including cognitive science, environmental studies, democratic epistemology, and social ethics, non-teleological historiography, and the history of the natural and social sciences.
Edited by well-respected Mead scholars Hans Joas and Daniel R. Huebner, the volume as a whole makes a coherent statement that places Mead in dialogue with current research, pushing these domains of scholarship forward while also revitalizing the growing literature on an author who has an ongoing and major influence on sociology, psychology, and philosophy.
Michael Tomasellos Arbeiten in der soziologischen Diskussion. 3. Sonderband der »ZTS«
Die Beiträge des Bandes fragen aus soziologischer Sicht nach der Bedeutung der anthropologischen Forschungen Michael Tomasellos für das Verständnis menschlicher Kooperation, Sozialität und Kultur.
Die anthropologischen Forschungen von Michael Tomasello haben in den letzten Jahren eine erhebliche wissenschaftliche Bedeutung erlangt. Obwohl sie auch eine breite soziologische Relevanz besitzen, fehlte bisher in der Soziologie eine konzentrierte und gründliche Auseinandersetzung mit ihnen. Im vorliegenden Sammelband werden Tomasellos Arbeiten nun von renommierten Soziologinnen und Soziologen, die ein breites Spektrum von aktuellen theoretischen Perspektiven vertreten, im Hinblick auf die Genese und die Strukturen menschlicher Kooperation, sozialer Beziehungen und kultureller Ordnungen diskutiert.
Im Anschluss an Autorinnen und Autoren wie Bataille, Bergson, Canguilhem, Deleuze, Driesch, Haraway, Plessner, die Pragmatisten oder Simmel entfalten die Beiträge dieses Bandes differente lebenssoziologische Perspektiven und revitalisieren damit einen für die soziologische Theorie in vielerlei Hinsicht instruktiven Diskurs.