Zum Inhalt springen

Edelstein-Alchemie

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Version vom 11. Mai 2019, 22:00 Uhr von Fkraus (Diskussion | Beiträge) (Schützte „Edelstein-Alchemie“: Bot: Schütze fertige Seiten ([Bearbeiten=Sperrung für nicht registrierte Benutzer] (unbeschränkt) [Verschieben=Sperrung für nicht registrierte Benutzer] (unbeschränkt)))
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version ansehen (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Textdaten
<<< >>>
Autor: Carus Sterne
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Edelstein-Alchemie
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 228,230
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[228]
Edelstein-Alchemie.

Vor einiger Zeit befanden sich die Pariser Juweliere eines Tages in starker Aufregung, und man kann nicht leugnen: sie hatten auch Ursache dazu. Aus dem Sitzungssaale der Akademie der Wissenschaften war die Nachricht in die Oeffentlichkeit gedrungen, daß zwei Chemiker, die Herren E. Fremy und Feil, ein Verfahren ausgemittelt hätten, eine Reihe von Edelsteinen, die dem Diamant im Preise am nächsten stehen, ja bisweilen höher bezahlt werden als dieser, pfundweise darzustellen, nämlich den Rubin, den Sapphir und ohne Zweifel auch den kostbarsten von allen, den orientalischen Smaragd. Zuerst tröstete man sich mit dem Gedanken, daß die echten Steine immer den Vorrang vor den künstlichen behalten würden, aber die Aufregung wuchs, als man vernahm, daß es sich hier durchaus um keine Nachbildung handele, sondern daß diese Steine eben den Naturproducten völlig gleich seien, daß eine Uhr auf künstlichen Rubinen, weil bei beiden Steinen die Härte die gleiche sei, ebenso lange gehen werde, wie die auf natürlichen. Nun behaupteten die Inhaber der größten Edelstein-Vorräthe, daß es eine Sünde wäre, der Natur in’s Handwerk zu pfuschen, und daß dergleichen von der Regierung verboten werden müßte. Auf der anderen Seite jubelten einige feuilletonistische Schwärmer, daß man nun auch bald Gold und Diamanten machen werde, daß die Träume der Alchemisten sich erfüllen würden und daß dann alles Elend der Welt ein Ende haben könnte.

Was das Elend der Welt betrifft, so lassen wir es auf sich beruhen. Von der Verwandlung des Bleies oder anderer geringerer Metalle in edlere müssen wir mit Verlaub bemerken, daß bei dieser Abtheilung der alchemistischen Kunst die Sache doch ganz anders liegt, als bei den Edelsteinen. Die ungeheure Mehrzahl unserer heutigen Chemiker hält die Metalle für einfache, unwandelbare Elemente des Weltbaues, die von Ewigkeit waren, was sie sind und wohl ihre Gestalt und Verbindungsform, aber niemals ihre Natur ändern können. Mit den Edelsteinen ist es ganz anders. Die meisten darunter und gerade die kostbarsten sind vor den Augen des Chemikers ganz gemeiner Herkunft, die oben genannten und viele andere ebenso geschätzten Namens gelten ihnen für gleichwerthig mit den Bestandtheilen des Lehms, der Fürst der Edelsteine sogar mit dem schmutzigen Ruß und Rauch. Nichts als der besondere Zustand seiner Reinheit und Dichtigkeit unterscheidet den Diamanten von der Kohle, den Rubin, Sapphir und orientalischen Smaragd von der Thonerde, die in Verbindung mit Kieselsäure mächtige Lager bildet, aus denen wir das Material für unsere Ziegelbauten und Töpferei entnehmen. Andere Edelsteine, die nicht weniger hoch geschätzt werden, wie der gewöhnliche Smaragd, Aquamarin und Chrysoberyll einerseits und der Hyacinth andererseits, enthalten der Thonerde chemisch nahestehende „Erden“ zum Grundbestandtheile, nämlich erstere die Beryllerde und letzterer die Zirkonerde, aber diese Erden sind an und für sich weder selten noch kostbar, sodaß man in einigen Gegenden mit den weniger reinen Brüdern des Smaragds die – Straßen pflastert. Aehnlich verhalten sich alle anderen Schmucksteine, die Perlen einbegriffen; sie setzen sich der Hauptsache nach größtentheils aus so werthlosen und überall verbreiteten Stoffen zusammen wie Thonerde, Kieselsäure, Fluor, Borsäure, Kalk, Magnesia etc. Ihr einziger Vorzug besteht darin, daß der gemeine Stoff in ihnen seine ihm von Natur zukommende Krystallgestalt in ungewöhnlicher Größe erlangt hat, denn eben die Seltenheit des Vorkommens bedingt neben der natürlichen Schönheit am meisten den höheren Marktpreis.

Die chemischen Verbindungen und einfachen Stoffe der mineralischen wie der organischen Natur nehmen die ihnen zukommenden, oft dem geschliffenen Edelsteine sehr ähnlichen scharfkantigen Krystallformen nur dann an, wenn sie aus dem flüssigen Zustande in den festen übergehen, und wachsen nur dann zu einer ansehnlichen Größe, wenn der Uebergang recht langsam vor sich geht. Löst man z. B. in heißem Wasser so viel Alaun auf, wie sich überhaupt lösen will, und hängt in die Flüssigkeit, während man sie langsam an einem ruhige Orte abkühlen läßt, ein mit Wolle umwundenes Drahtgeflecht, z. B. ein Körbchen, oder eine Krone, Rosette u. dergl., so findet man am anderen Morgen jenes Drahtgerippe dicht mit glasartig durchsichtigen, mehr oder weniger großen, meist von acht Flächen begrenzten, glitzernden Krystallen (Octaëdern) bedeckt. Das kalte Wasser vermag nicht so viel von dem Salze aufgelöst zu erhalten, wie das heiße, und der Ueberschuß muß sich, der Abkühlung entsprechend, langsam ausscheiden. Es bilden sich dabei ganz kleine Krystalle, die beständig wachsen, so lange noch eine weitere Ausscheidung stattfindet, und wenn man die Lösung an der offenen Luft ruhig stehen läßt, sodaß sie langsam abdunstet, so kann man endlich sehr große Krystalle erhalten. Enthielt der Alaun gewisse andere Salze als Verunreinigung, so bleiben diese in der Mutterlauge der Krystalle zurück, die Krystallisation ist meistens zugleich eine Reinigung von fremden Beimischungen.

Auf dieselbe Weise haben sich wahrscheinlich auch in der Natur manche Edelsteine gebildet, und die meisten Mineralogen nehmen an, daß sich die aus reiner Kieselsäure bestehenden Bergkrystalle, die oft centnerschwer sind, auf ähnlichem Wege gebildet haben. Fast gewiß ist diese Bildung auf feuchtem Wege vor sich gegangen bei einer weiteren Reihe von Halbedelsteinen, die ebenfalls aus bloßer Kieselsäure bestehen, wie Quarz und Feuerstein, nämlich beim Achat, Jaspis, Opal, Chalcedon, Chrysopras, Karneol, Heliotrop u. A. In derselben Sitzung der Pariser Akademie, in welcher die oben genannten Chemiker ihr Verfahren zur Herstellung künstlicher Rubine und Sapphire beschrieben, theilte Herr Monnier mit, daß er künstliche Opale erhalte habe, indem er eine ganz verdünnte Auflösung von Klee- oder Oxalsäure vorsichtig auf eine syrupsdicke Auflösung von kieselsaurem Natron (Natronwasserglas) goß, wodurch eine langsame Ausscheidung der Kieselsäure bewirkt wird. Verwendete er dabei eine Auflösung von schwefelsaurem Nickeloxydul, so erhielt er apfelgrün gefärbte Steine, wie Chrysopras. Man sieht, daß man also von einem Wachsthume der Edelsteine, so lange der Abscheidungsproceß dauerte, reden darf, und erkennt aus den Gesetzen der Krystallisation, wie durch die Anziehung der gleichartigen Theile, bei Ausschluß der fremdartigen, die Bildung der Edelsteine von ganz reinem Wasser unter den freilich nicht seltenen unreinen verständlicher wird.

Ein anderer Krystallisationsweg ist die langsame Erkaltung geschmolzener Massen; man kann denselben den Studirenden der Chemie sehr schön veranschaulichen, wenn man einen Tiegel mit Schwefel oder geschmolzenem Wismuthmetall langsam abkühlen läßt, bis sich an der oberen Fläche eine Kruste von erstarrter Masse bildet. Wenn man diese dann in der Mitte durchstößt und einen Theil der flüssigen Masse herausgießt, so bilden sich an den Wandungen der dadurch entstandenen Höhlung meist sehr schöne Krystalle, und das Ganze gewinnt das Aussehen einer sogenannten Krystalldruse, wie sie Amethyste und andere Halbedelsteine öfter bilden. Man hat denn auch angenommen, daß es nur darauf ankäme, Kohle zu schmelzen, um künstliche Diamanten zu erhalten, aber leider ist eine solche Schmelzung bisher nicht in nennenswerthem Umfange gelungen.

Der fruchtbarste Weg der Natur zur Edelsteinbildung dürfte aber nicht eine einfache Schmelzung, sondern eine feuerflüssige Auflösung der Mineralien und langsame Ausscheidung der neugebildeten Verbindungen durch chemische und elektrische Einflüsse gewesen sein, wie wir alsbald genauer kennen lernen werden. Die Erde war offenbar ehemals, wie die Sonne und die meisten Fixsterne es noch jetzt sind, in einem feuerflüssigen Zustande. Damals gingen die Elemente, um mit der Bibel zu reden, durch einander, wie die Töne eines Psalters, alle Stoffe begegneten einander und gingen die besondersten Verbindungen ein; der gesammte Erdball war ein ungeheures chemisches Laboratorium. Die erdigen Stoffe mit den Leichtmetallen bildeten in der letzten Periode dieser Riesenprocesse wahrscheinlich die geschmolzene „Mutterlauge'“, aus der sich, durch chemische Vorgänge mancherlei Art veranlaßt, hier metallreiche Erze, da Körnchen von Edelmetall und öfter auch gewöhnliche Stoffe, welche die Krystallisation in den Adelstand erhob, langsam ausschieden. Die mitsammt ihren Ausscheidungen erstarrte Mutterlauge nennen wir Urgestein, Granit, Feldspath, Porphyr etc. Ich will hier nicht unerwähnt lassen, daß man diese Urweltsprocesse in neuerer Zeit zum Theil nachgeahmt und z. B. zwei Hauptbestandtheile der [229] Feldspathe, den Albit und den Orthoclas, vor Kurzem künstlich aus einer feuerflüssigen Mineralmischung hergestellt hat.

Die Edelsteine, welche sich auf ähnlichem Wege gebildet haben, würden nun sehr einförmig, meist wasserhell, ausgefallen sein, wenn nicht in der Höllengluth der Urwelt die feuerbeständigen Metalle jene Aufgabe übernommen hätten, die in der modernen Prachtfärberei die Anilinverbindungen erfüllen. Lange ehe es Pflanzen- und Thierfarben gab, spielten die Metalle die Rolle der Pigmente in der Natur und brachten so feurige Nüancen in den Gesteinen hervor, wie sie nur irgend die lebende Natur kennt. Rubin und Smaragd sind wahrscheinlich beide mit Chrom gefärbt, der Sapphir mit Kobalt, der Lapislazuli durch eine Eisenverbindung, andere Edelsteine mit Kupfer-, Nickel-, Manganverbindungen etc. Aber ich brauche den Leser nur auf die prächtigen Glasfenster der gothischen Dome zu verweisen, auf denen alle diese glühenden Farben durch Metallverbindungen im Feuer erzeugt sind, und bei denen das edle Gold den prachtvollen Goldpurpur des Rubinglases erzeugte, um darauf hinzudeuten, daß man wohl nicht mit Unrecht eine nähere Beziehung zwischen Metallen und metallfreien Farbstoffen gesucht hat, die in der Regel in compacter Masse (z. B. die Anilinfarben) lebhaften Metallschimmer zeigen. Die unechten Edelsteine, welche man besonders in Paris von großer Schönheit aus einem sehr stark das Licht brechenden, viel Blei enthaltenden und schweren Glasflusse (Straß) herstellt, sind oft mit denselben Metalloxyden und jedenfalls ebenso „echt“ gefärbt, wie die entsprechenden Edelsteine.

Der erste Edelstein, den man nicht blos dem Aussehen, sondern seiner wirklichen Natur und Zusammensetzung nach künstlich hergestellt hat und heute in großen Massen fabricirt, ist der Lasurstein oder Lapislazuli, der Sapphir der classischen Völker, nicht zu verwechseln mit obengedachtem Sapphir der modernen Juweliere. Dieser undurchsichtige, herrlich kornblumenblaue Stein stand bei den alten Indern, Assyrern Persern, Juden, Aegyptern, Griechen etc. wohl von allen Edelsteinen am höchsten in der Gunst und widerlegt dadurch schlagend die von einigen Sprachforschern auf Mißverständnissen ihrer eigenen Wissenschaft begründete Ansicht, daß die alten Völker kein Blau hätten unterscheiden können. Zerrieben giebt dieser Stein das herrliche Lasur- oder Ultramarinblau, mit welchem die Maler des Mittelalters den Mantel oder das Gewand der Madonna zu malen liebten, obwohl sie diesen Färbestoff mit Gold aufwiegen mußten, es aber auch den Bestellern eines Kirchenbildes stets besonders in Rechnung stellten. Vor etwa fünfzig bis sechzig Jahren entdeckte der deutsche Chemiker Gmelin, daß diese schönste aller blauen Farben durch Erhitzen von Thonerde mit Soda, Schwefel und Kohle künstlich erhalten werden kann, und jetzt, nachdem der Franzose Guimet das Verfahren in die Praxis eingeführt hat, stellt man in Europa jährlich ungefähr hundertfünfzigtausend Centner von diesem Edelsteinpulver dar, und zwar die größte Masse in Deutschland.

Schon sehr früh richteten die Chemiker ihre Augen auf eine künstliche Herstellung des Rubin und Sapphir, die ja, wie gesagt, aus bloßer krystallisirter und durch Metallspuren gefärbter Thonerde bestehen. Schon vor mehreren Jahrzehnten gelang es dem Chemiker Gaudin, reine Thonerde, die er aus Alaunlösung niederschlug und mit einer Auflösung von chromsaurem Kali durchfeuchtete, im Knallgasgebläse zu einem rothen Rubinkügelchen zu schmelzen, dessen Farbe je nach dem größeren oder geringeren Chromgehalt, wie in der Natur, aus dem Rosen- in’s Purpurrothe überging. Diese Kügelchen waren so hart, daß sie Glas, Granat und Topas mit Leichtigkeit ritzten, allein es waren keine Krystalle, und ihre Durchsichtigkeit ließ stets zu wünschen übrig. Aehnliche Versuche sind auch von den Chemikern Debray, St. Claire-Deville, Caron, Senarmont, Edelmann und Anderen angestellt worden. Man sah längst ein, daß man eine Krystallisation der Thon- oder Beryllerde anstreben müßte, und zu diesem Zwecke galt es, dieselben mit den erforderlichen Mengen färbender Metallverbindungen in einem feurigen Flusse aufzulösen, um sie daraus langsam auskrystallisiren zu lassen. Als Flußmittel empfahl sich zunächst die Borsäure, weil dieselbe die Eigenschaft besitzt, in der Hitze langsam zu verdampfen, wie sie denn in vulcanischen Gegenden als Dampf aus der Erde hervortritt; sie wird z. B. im Toscanischen gewonnen. Man konnte um so mehr denken, daß dieses feurige Lösungsmittel auch in der Natur bei der Edelsteinfabrikation seine Rolle gespielt habe, und brachte es in einem gewissen Ueberschusse mit Thon- oder Beryllerde in offene Platintiegel, die man in Porcellanöfen einer lange anhaltenden Gluth aussetzte. In der That scheiden sich, sobald der größte Theil der Borsäure verdampft ist, aus diesen im feurigen Flusse erhaltenen Gemengen kleine Rubine, Sapphire oder Smaragde ab, wovon man sich schon vor zwanzig Jahren überzeugte, aber die Krystalle waren zu klein, um die Mühe zu lohnen.

Viel günstiger sind nun die neuen Versuche Fremy’s ausgefallen, die von einem etwas anderen Grundsatze ausgingen, nämlich davon, die Thonerde aus ihrer gewöhnlichen Verbindung mit Kieselsäure, wie sie in der Natur überall vorkommt, durch Einwirkung eines Stoffes, der zu der letzteren eine größere Verwandtschaft besitzt, langsam zu verdrängen, wobei sich in der feuerflüssigen Mutterlauge kleine Thonerdekrystalle bilden, die durch fernere Ausscheidung langsam wachsen. In den Glasfabriken des Herrn Feil konnten mit Bequemlichkeit viertel und halbe Centner dieser Edelsteinmutterlauge zwei und drei Wochen lang in beständigem feurigem Flusse erhalten werden, und dem entsprechend erhielt man sehr günstige Resultate. Am vortheilhaftesten erwies es sich, die Trennung der Thonerde von der Kieselsäure durch Bleioxyd zu bewirken, und man brachte zu diesem Zwecke eine Mischung von gleichen Gewichtstheilen reiner Porcellanerde und Mennige in einen großen Tiegel aus feuerfestem Thon und setzte denselben einer mehrwöchentlichen lebhaften Rothgluth aus. In der Regel entzieht dabei das Blei auch den Tiegelwänden die darin enthaltene Kieselsäure und frißt durch dieselben; man muß daher, um Verluste zu vermeiden, den Edelsteintiegel noch in einen zweiten hineinsetzen.

Nach mehreren Wochen geduldigen Harrens, welches so recht an das erwartungsvolle Zuwarten der alten Alchemisten vor dem Tiegel erinnert, in welchem sich der Stein der Weisen bilden sollte, wird der Tiegel herausgenommen, und man läßt ihn erkalten. Man findet den Inhalt nach der Zertrümmerung des Tiegels in zwei Schichten gesondert, in eine obere glasige, welche vorzugsweise aus Bleisilicat besteht, und eine untere krystallinische, welche in rundlichen Ballen die schönsten Thonerdekrystalle enthält. Hatte man nichts als Thonerde und Mennige in den Tiegel gebracht, so sind diese Krystalle farblos wie Glas. Aber man kann sich bald überzeugen, daß sie Glas und Bergkrystall, ja sogar den sehr harten Topas ritzen, kurz, man hat den edlen Korund oder Diamantspath vor sich, so genannt, weil er nächst dem Diamanten (und dem Bor) der härteste aller Steine ist.

Rubine, Sapphire und orientalische Smaragde sind nun nichts Anderes als gefärbte Korunde, und die ersteren beiden ließen sich leicht durch Zusatz entsprechender Mengen der färbenden Metallverbindungen erhalten. Setzte man dem Gemische aus Thonerde und Mennige zwei bis drei Procent doppelt chromsaures Kali zu, so zeigten die Krystalle die schön rosenrothe Farbe der Rubine; nahm man nur eine Spur dieses Salzes und fügte zugleich eine kleine Menge Kobaltoxyd hinzu, so erhielt man Sapphire. Die so gewonnenen Edelsteine sind in der Regel mit einer festen Kruste von Bleisilicat bedeckt, welche man am besten auf chemischem Wege durch Schmelzen mit Bleioxyd oder Kali entfernt, oder mittelst Fluorwasserstoffsäure ablöst. Unter den mehreren Kilogrammen solcher Thonerdekrystalle, welche die Entdecker der Akademie vorlegten, befanden sich zahlreiche Stücke, die von natürlichen Rubinen und Sapphiren in keiner Weise zu unterscheiden waren. Sie besitzen ihre Krystallgestalt, ihre Schwere, Härte, Farbe und ihren Diamantglanz, obwohl der letztere noch ein wenig zu wünschen übrig ließ.

Wie vollkommen die Nachahmung der Natur geglückt ist, erhellt unter Anderem aus einer besonderen Eigenthümlichkeit, welche die künstlichen Rubine mit den natürlichen theilen: beide verlieren nämlich, wenn sie erhitzt werden, ihre rosenrothe Färbung und erlangen dieselbe erst nach dem Erkalten wieder. Die Steinschneider, denen man diese künstlichen Rubine zum Schleifen übergab, fanden sie nicht nur ebenso hart, wie die natürlichen, sondern sogar zum Theil härter; sie griffen sehr bald die besten Schleifsteine von gehärtetem Stahl an. Möglicher Weise würden sie sich also für die Uhrenfabrikation zu Zapfenlagern noch besser eignen, als die natürlichen.

[230] Aber auch das Juwelier-Geschäft wird jedenfalls von diesen Entdeckungen früher oder später Nutzen ziehen. Die bisher erhalteten Rubine kamen, obwohl sehr schön, der Prima-Qualität der natürlichen nicht gleich, aber es handelt sich hier auch nur um die ersten Ergebnisse eines neuen Weges, und es ist höchlichst anzuerkennen, daß die Entdecker ihr Verfahren sogleich und ohne alle Geheimnißkrämerei veröffentlicht haben. Nun können auch Andere diesem neuen Zweige einer hoffnungsvollen Alchemie nachgehen. Vielleicht muß man den Krystallen noch mehr Zeit lassen, sich auszubilden, denn die Natur hat sehr viel Zeit zu solchen Productionen gehabt, und vielleicht eben nur deshalb so vollkommene Leistungen hervorgebracht. Ohne Zweifel wird man in Zukunft diese Thonerde-Krystalle auch grün, gelb und purpurviolett färben, um so jene Edelsteine darzustellen, die man bisher als orientalischen Smaragd, Topas und Amethyst von den geringeren Steinen gleichen Namens unterschied. Der Beisatz „orientalisch“ ist hierbei immer nur ein nicht geographisch zu nehmender Titel gewesen, den die Juweliere den härteren Thonerde-Edelsteinen, zum Unterschiede von den gleichfarbigen, aber chemisch verschiedenen und billigeren eigentlichen Smaragden, Topasen und Amethysten, beilegten. Möglicher Weise werden in nicht zu ferner Zukunft diese orientalischen Steine billiger, als die letzteren, und der Mittelstand, der es bisher „nicht konnte“, kann dann im strahlenden Geschmeide mit den Fürstinnen der Vorzeit wetteifern.

Auch dem Diamanten hat man sich schon früher nach denselben Grundsätzen zu nähern gesucht, das heißt indem man auf chemischem Wege eine langsame Ausscheidung des Kohlenstoffs aus seinen Verbindungen herbeizuführen suchte. Indessen hier muß die chemische Wissenschaft vorläufig demüthig bekennen, daß sie noch gar keine bestimmte Vorstellung davon aufweisen kann, wie wohl der Diamant in der Natur entstanden sein mag. Die Einen meinen, er könne wohl nur aus einer ungeheuren Glühhitze hervorgegangen sein; die Anderen halten eine urlangsame Bildung auf kaltem Wege für wahrscheinlicher; ja es fehlt nicht an solchen, die ihn für das Product einer organischen Thätigkeit ansehen, weil man nämlich nicht selten in demselben grüne zellenartige Bildungen, die gewissen Algen ähnlich erscheinen, gewahrt. Vielleicht wäre es gegenüber den riesigen Fortschritten der synthetischen (das heißt: die Körper zusammensetzenden) Chemie gut, wenn der Diamant seinen alten Titel (Adamas, das heißt der Unbezwingliche) auch den Chemikern gegenüber in Respect hielte. Denn was sollte wohl eine anständige Frau in Zukunft tragen, wenn der Fürst des Steinreiches denen, die seinem Throne am nächsten stehen, nachfolgte und sich ebenfalls für wenige Mark herstellen ließe?

Carus Sterne.