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ADB:Gerwig, Robert

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Artikel „Gerwig, Robert“ von Friedrich von Weech in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 315–317, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gerwig,_Robert&oldid=- (Version vom 26. Dezember 2024, 07:36 Uhr UTC)
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Gerwig: Robert G. wurde am 2. Mai 1820 in Karlsruhe geboren. Er war der Sohn eines Ministerialrevisors, der aus einem Pforzheimer Geschlechte stammte. Nachdem er einige Jahre das Lyceum in Karlsruhe besucht hatte, trat er in die dortige Polytechnische Schule ein, um sich zum Ingenieur auszubilden. Als er im J. 1840 die Staatsprüfung bestand, errang er die Note „vorzüglich befähigt“. Als Ingenieurpraktikant auf dem technischen Bureau der Oberdirection des Wasser- und Straßenbaues noch im gleichen Jahr verwendet, wurde G. 1846 Collegialmitglied und Referent dieser Behörde, der er schon seit zwei Jahren zur Unterstützung ihrer Collegialmitglieder beigegeben war, nachdem er bei verschiedenen Aemtern dieses Verwaltungszweiges, besonders zur Hülfsleistung beim Eisenbahnbau verwendet und als hervorragend tüchtig erkannt worden war. Die Oberdirection leitete damals auch den Eisenbahnbau und in diesem war G. vom April 1846 bis zum Juli 1872 in den verschiedenen dienstlichen Rangstufen thätig, seit Juni 1871 mit Titel und Rang eines Baudirectors. Ueberaus groß ist die Zahl der Straßen- und Eisenbahnbauten, die G. in den verschiedenen Theilen des Großherzogthums Baden leitete und bei denen er sich als ein ebenso kenntnißreicher als umsichtiger Ingenieur bewährte. Auch auf dem Gebiete der Correction und Unterhaltung von Binnenflüssen, bei Begutachtung und Anlage von Wasserversorgungen und bei der Fassung von Thermalquellen zeichnete G. sich rühmlich [316] aus. Das bedeutendste Werk, das er in seinem Heimathlande schuf, ist die Schwarzwaldbahn, für die er schon im J. 1857 die Zugslinie festlegte, deren – nach den Worten eines competenten Fachmannes – durch Eigenartigkeit, Kühnheit und Großartigkeit ausgezeichneten Bau er von 1867 an leitete. Als die Schwarzwaldbahn im J. 1873 eröffnet wurde, hatte G., der schon früher sich auch im Auslande die Anerkennung der maßgebenden Kreise erworben hatte und mit verschiedenen Aufträgen beehrt worden war, im J. 1872 einen Ruf als Oberingenieur der Gotthardbahn angenommen. Es war ohne Zweifel seine hervorragende Thätigkeit, sein Fleiß, seine Geschicklichkeit und Thatkraft, die er beim Bau der Schwarzwaldbahn entfaltet hatte, welche Veranlassung wurde, ihm diese ehrenvolle Stellung zu übertragen. Er bewährte sich auch in dieser ebenso wie in seiner Heimath als eine Kraft ersten Ranges und legte die gleichen ausgezeichneten Eigenschaften an den Tag, die in Baden die größte Anerkennung und Bewunderung gefunden hatten. Die Entscheidung der wichtigsten Frage des Gotthardprojectes, der Lage des Haupttunnels, die Projectirungsarbeiten für die Zufahrtslinien, besonders die schwierigste Strecke auf der Nordseite des Tunnels und die Doppelkehren bei Wasen, sind anerkannt hochverdienstliche Leistungen, die nur einem ganz hervorragenden Ingenieur gelingen konnten. Bedauerlicher Weise veranlaßten Meinungsverschiedenheiten mit dem Tunnelbauunternehmer, die Unzulänglichkeit der bei der internationalen Conferenz in Bern im September 1869 für den Bau der Gotthardbahn als nöthig bezeichneten Geldmittel und andere Streitfragen, welche durch Zwistigkeiten mit dem Präsidenten der Direction der Gotthardbahn-Gesellschaft, Nationalrath Alfred Escher, noch verschärft wurden, G., im J. 1875 von der Stellung als Oberingenieur der Gotthardbahn zurückzutreten. Dieser unerwartete Entschluß machte zunächst in der Schweiz, dann aber auch in Deutschland großes Aufsehen und begegnete in der Presse beider Länder mancher Mißdeutung. Aber mit der Zeit wurde man G. gerecht und beurtheilte die Gründe seines Entschlusses unbefangen und daher richtiger. Inzwischen war die oberste Leitung des Eisenbahnwesens in Baden von der Oberdirection des Straßen- und Wasserbaues abgetrennt und für dieselbe eine eigene Generaldirection geschaffen worden. In diese trat G., nach seiner Rückkehr in die Heimath, als Collegialmitglied ein und wurde bald Vorstand der technischen Abtheilung mit dem Titel Oberbaurath. Neben der allgemeinen Oberleitung der sämmtlichen Bauarbeiten wurde ihm die unmittelbare Leitung bedeutenderer Bahnbauten übertragen. Die namhafteste war die sog. Höllenthalbahn von Freiburg nach Neustadt. Deren Vollendung (im J. 1887) sollte er jedoch nicht mehr erleben. Am 6. December 1885 starb G. plötzlich infolge eines Herzschlages.

Neben seiner amtlichen Thätigkeit als Bauingenieur wirkte G. auch noch anregend und fördernd auf anderen Gebieten. Ihm hatte schon im J. 1850 das Ministerium die Einführung und Leitung der Uhrmacherschule in Furtwangen übertragen, mit welcher auch eine Strohflechterei und Holzwaarenfabrikation verbunden wurde. Seine Mußestunden benutzte G. gern zu wissenschaftlichen Privatarbeiten, u. a. zur Betheiligung an der Sammlung badischer Kryptogamen durch Jex und Leiner durch Veröffentlichung einer Schrift über die Bedeutung der Moose für die Wasservertheilung auf der Erdoberfläche, sowie zu verschiedenen Abhandlungen über Grundwasser, über die Ausdehnung der Gletscher in prähistorischer Zeit, über das Erratische in der Bodenseegegend u. a. – Dieser seltene Mann war aber auch noch auf dem politischen Gebiete thätig. Von 1855 bis 1857 und von 1863 bis 1871 gehörte er der zweiten Kammer der badischen Landstände als Vertreter des 17. Wahlkreises Hornberg-Triberg-Wolfach-Furtwangen, [317] 1875 bis 1878 als Abgeordneter der Stadt Pforzheim an. Von 1875 an vertrat er den zweiten badischen Wahlkreis Villingen-Donaueschingen-Engen-Bonndorf im Deutschen Reichstag. Hier wie im badischen Landtag gehörte G. der nationalliberalen Partei an. – Gleich nach seinem Tode wurde von seinen Freunden und Verehrern beschlossen, G. an der Stätte seines am meisten hervortretenden Wirkens, in der Nähe des Bahnhofs von Triberg, ein einfaches Denkmal zu setzen, das im J. 1889 enthüllt wurde.

Badische Biographien IV, 149 ff.