Revolution

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 12. Dezember 2009 um 17:20 Uhr durch 78.128.16.156 (Diskussion) (- wiederholung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Begriff Revolution wurde im 15. Jahrhundert aus dem spätlateinischen revolutio („das Zurückwälzen, die Umdrehung“) entlehnt und zunächst als Fachwort in der Astronomie für die Umdrehung der Himmelskörper verwendet. Später wurde das Wort auch allgemein für „Veränderung, plötzlicher Wandel, Neuerung“ gebräuchlich. Die heutige Bedeutung als „gewaltsamer politischer Umsturz“ bildete sich erst im 18. Jahrhundert unter dem Einfluss der Französischen Revolution.[1] Als begrifflicher Gegensatz gilt seither der Begriff der Evolution.

Näheres zum Bedeutungswandel

In Nicolaus CopernicusDe revolutionibus orbium coelestium bezeichnet revolutio eine gleichbleibende gesetzmäßige und kreisförmig verlaufende Bewegung der Himmelskörper. Er wurde also im Sinne von "wiederkehrend" und nicht wie später im Sinne von "einen neuen Anfang machen" verwandt. Auch im England des 17. Jahrhunderts wurde der Begriff, nun im gesellschaftlichem Kontext, in Bezug auf die Glorious Revolution im Jahr 1688 im Sinne von "zurück wälzen" als Wiederherstellung des alten legitimen Zustandes verwendet.[2]

Umgangssprachliches Verständnis

Revolution ist die meist unter Anwendung von Gewalt erzwungene Totaländerung der staatlichen Ordnung und ist fast immer auf die Einführung eines neuen politischen Systems und den personalen Wechsel der Inhaber der Staatsgewalt ausgerichtet. Entscheidend ist, dass sich der Wandel außerhalb der vorgesehenen Rechtsformen des alten Systems, d. h. nach dessen Definition illegal vollzieht und stattdessen auf politischen und militärischen Kräfteverhältnissen beruht. Die Revolution kann von zahlenmäßig kleinen Gruppen ausgehen, jedoch hängt ihr Gelingen von der Zustimmung der Bevölkerung ab. Zustimmung kann durch Volksabstimmungen, Volksentscheide, die Entscheidung von parlamentarischen Institutionen (Nationalversammlung), Massendemonstrationen, Massenstreiks, Gewaltanwendung, aber auch durch das Ausbleiben politischen Widerstands gegen die Revolutionäre erfolgen. Möglich ist, dass die Träger der Alten Ordnung bereits aufgegeben haben und die Revolution ein politisches Machtvakuum füllt. Das Ende der Revolution kommt mit der Beendigung der Umwälzung oder der Stabilisierung der Macht.

Ein erfolgloser, d.h. niedergeschlagener Revolutionsversuch wird manchmal auch als Revolte oder Aufstand bezeichnet.

Ältere Analysen sozialer Umwälzungen

In der Vorstellungswelt der traditionalen vorindustriellen Gesellschaften, die auf einer harmonischen Ordnung, auf einem Einklang von Mensch, Gesellschaft und Natur mit dem göttlichen Schöpfungsakt basierte, waren die Gemeinschaft, einzelne Gruppen und auch der einzelne Mensch durch die corruptio (Verderbnis) bedroht, die immer dann gegeben ist, wenn eine Ordnung (Regierungsform) ihre positiven Züge verliert, wenn etwa freie Bürger von anderen einseitig abhängig werden, und wenn dabei die „Tugend“ (virtus) verloren geht, die das eigene Wohl mit dem Gemeinwohl vereinigen soll. In einer solchen Situation ist es geboten, an den Ausgangspunkt zurückzukehren (Machiavelli: Ritorno ai prinicipi), Unordnung wieder in Ordnung zurückzuführen. Tatsächlich finden wir bis in die Neuzeit bei revolutionären Bewegungen bis hin zu den Anfängen der französischen Revolution immer wieder die anfängliche Forderung, zum „alten Recht“ zurückzukehren. Dass eine „Revolution“ im heutigen Sinn etwas Neues schaffe, hat sich erst nach der Revolution von 1789 als Auffassung durchgesetzt.

Soziale Revolutionen im weiteren Sinne

Politische Revolutionen

Die Freiheit führt das Volk, Gemälde von
Eugène Delacroix 1830
Der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 zu Beginn der Französischen Revolution
Mauerbild zur Erinnerung an die portugiesische Nelkenrevolution 1974

Zahlreiche (gelungene oder gescheiterte) politische Revolutionen gab es bereits, bevor sich dieser Begriff dafür durchsetzte, z. B. in weiten Gebieten des deutschsprachigen Raums im Heiligen Römischen Reich (Deutscher Nation) den Bauernkrieg 1524-1526

Geistige Revolutionen

Inflationierte „Revolutions“-Begriffe im Feld der öffentlichen Meinung bezeichnen oft nur einen Stilwandel (Moderevolutionen).

Siehe auch: Paradigmenwechsel; Das personalistische Manifest

Technische Revolutionen (marxistisch: „Revolutionen der Produktivkräfte“)

Revolution (Soziologie)

Zum Begriff

Eine „Revolution“ bezeichnet in der Soziologie sowie umgangssprachlich einen radikalen und meist, jedoch nicht immer gewalttätigen sozialen Wandel (Umsturz) der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse.[3] Eine Revolution wird entweder von einer organisierten, möglicherweise geheimen, Gruppierung von Neuerern (vgl. Avantgarde, Elite) getragen und findet die Unterstützung größerer Bevölkerungsteile, oder sie ist von vornherein eine Massenbewegung.

Teils wird der Begriff der Emanzipation hinzu genommen, d. h. die Idee der Befreiung von gewachsenen Strukturen und eines sozialen oder politischen Freiheitsgewinns für den Einzelnen. Der Stellenwert der einzelnen Kriterien für die Definition einer Revolution ist durchaus umstritten.

Wenn ohne tiefgreifenden (radikalen) sozialen Wandel nur eine kleine Organisation oder ein eng verknüpftes soziales Netzwerk mit relativ geringer Massenbasis einen gewaltsamen Umsturz unternimmt, bezeichnet man dies als Staatsstreich oder, insbesondere unter Beteiligung des Militärs, als „Putsch“. Nach erfolgreichen Staatsstreichen wird der Begriff der „Revolution“ anschließend oft als ideologische Rechtfertigung genutzt, indem der Putsch als Revolution umgedeutet wird.

Der Begriff „Revolution“ wird auch verwendet, um einen allgemeineren tiefgreifenden Wandel der Gesellschaftsstruktur zu bezeichnen, auch wenn es sich dabei nicht zwangsläufig um besonders plötzlich und rapide auftretende Veränderungen handelt. So spricht man etwa von der – global mehrere tausend Jahre dauernden – „Neolithischen Revolution“ oder von der sich zwischen 1750 und 1850 von England über den europäischen Kontinent ausbreitenden „Industriellen Revolution“, die ihrerseits wiederum Vorbedingung für verschiedene politische Revolutionen in diesem Zeitraum war.

Soziologische Theoretiker der Revolution

(Siehe die Werkverzeichnisse in den Personenartikeln.)

Theoretisch argumentierende Revolutionäre

  • Karl Marx (jede Gesellschaft, in der es eine Form des Besitzes an Produktionsmitteln erlaubt, sich menschliche Arbeit zu unterwerfen, endet zwangsläufig durch Revolution oder Untergang; zu unterscheiden sind „Revolutionen der Produktivkräfte“ von den durch sie ausgelösten „Revolutionen der Produktionsverhältnisse“).
  • Friedrich Engels (Arbeit und deren Beherrschung durch Eigentum löste die erste Revolution nach dem „Urkommunismus“ aus, die die „Wildheit“ durch die „Barbarei“ ablöste und der Beginn der Geschichte war, und Arbeit und Eigentum werden durch die letzte Revolution - die „Weltrevolution“ - optimal disponiert werden, in der das Ende der Geschichte – das Ende des „Reichs der Notwendigkeit“ – und der Beginn des „Reichs der Freiheit“ möglich werden wird).
  • Rosa Luxemburg (der Imperialismus ist dabei die letzte Verteidigungsmöglichkeit des Kapitalismus vor der abschließenden weltweiten proletarischen Revolution – im Bündnis mit dem Proletariat der Kolonialmächte).
  • Lenin (durch den Aufbau einer Kaderpartei von Berufsrevolutionären kann selbst dann, wenn das Proletariat noch eine Minderheit darstellt, die Revolution der Produktionsverhältnisse vorverlegt werden - vgl. a. Revolutionäre Situation).
  • Anton Pannekoek (Parteien und Gewerkschaften – einschließlich der leninistischen – sind untaugliche Formen für den Kampf der Arbeiterklasse um ihre Emanzipation, alles kommt auf die Selbstorganisation der Arbeiterinnen und Arbeiter an) -

sowie (alphabetisch) Bakunin, Bolívar, Danton, Debord, Guevara, Ho Chi Minh, Mao Zedong, Marat, Mazzini, Nkrumah, Robespierre, Saint-Just, Schariati, Torres, Trotzki und andere Revolutionäre des 18. bis 20. Jahrhunderts.

Praktiker der Revolution

Radikaler und rapider sozialer Wandel („Revolutionen“) knüpfte sich auch an erfolgreiche politische, oft auch charismatische Persönlichkeiten, deren soziologische Urteilskraft sich eher nur implizit erschließt, deren soziale Wirkung jedoch bewusst und gewollt revolutionär war, wie bereits im Altertum zum Beispiel Echnaton, Solon oder Cäsar, im Mittelalter zum Beispiel Harald Schönhaar, Otto der Große oder Kasimir der Große und in der Neuzeit zum Beispiel Pombal, Cromwell oder Atatürk.

Revolution (Politikwissenschaft)

Die heutige politikwissenschaftliche Revolutionstheorie nennt fünf Hauptfaktoren, die wesentliche Voraussetzungen zur Entstehung einer Revolution darstellen, wobei der Sonderfall der Entwicklungsländer nicht berücksichtigt ist:

  1. Eine plötzliche Rezession nach einer Zeit wirtschaftlicher Blüte, steigenden Wohlstands und steigender Erwartungen in die Zukunft;
  2. eine öffentliche Meinung, die die bestehenden Institutionen in Frage stellt;
  3. die Solidarisierung verschiedener Gruppen der Gesellschaft, die unterschiedliche Motive haben, mit dem bestehenden Zustand unzufrieden zu sein, und die sich zum Umsturz der alten Ordnung vorübergehend verbünden; eine einzelne Gruppe, Schicht oder Klasse der Gesellschaft bringe keine Revolution zustande;
  4. eine Ideologie;
  5. die Schwäche, Uneinigkeit und Ineffizienz auf Seiten der Gegenkräfte, des Staates.[4]

Siehe auch

Literatur

Commons: Revolution – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Revolution – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Etymologie nach Duden «Etymologie» - Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache, 2. Auflage, Dudenverlag, 1989.
  2. Cordula Koepcke: Revolution. Ursachen und Wirkungen, Günter Olzog Verlag, München 1971, S. 16
  3. Sebastian Haffner zitiert in Geschichte eines Deutschen eine juristische Definition, Revolution sei „die Änderung einer Verfassung mit anderen als den in ihr vorgesehenen Mitteln“, die jedoch auch nach seiner eigenen Ansicht den Sachverhalt nicht treffend beschreibt.
  4. Nach: Eberhard Weis, Der Durchbruch des Bürgertums. 1776–1847. Propyläen Geschichte Europas, Bd. 4, Berlin 1978, S. 96 f.