„Königlich ungarischer Hofzug“ – Versionsunterschied
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Version vom 23. März 2023, 12:29 Uhr
Beim königlich ungarischen Hofzug handelte es sich um den Hofzug des Königreichs Ungarn.
Vorgeschichte
Bis 1867 war das Königreich Ungarn ein Teil des Kaisertums Österreich und erlangte erst mit dem Ausgleich von 1867 eine Gleichstellung mit Österreich, mit welchem es in Form des Monarchen verbunden war. Vor der Verstaatlichung der ungarischen Eisenbahnen durch die MAV im Jahr 1891 wurde das Eisenbahnnetz zum Großteil von Privatbahnen, darunter die großen Gesellschaften Österreichisch-Ungarische Staatseisenbahn-Gesellschaft (StEG) und Südbahn-Gesellschaft (Déli Vasut) betrieben. Ebenso uneinheitlich war der Einsatz von Salonwagen für den Kaiser und den Hof, zumeist wurden österreichische Waggons der jeweiligen Privatbahnen verwendet. 1871 wurde der erste ungarische Salonwagen für den König in Budapest gebaut.
Königin Elisabeth nutzte auf ihren Reisen zumeist ihre 1873 gebauten und bei der StEG eingestellten Salonwagen des k.u.k Hofsalonzuges.
Erster Hofzug 1884
Im Jahr 1884 lieferte die renommierte Waggonfabrik Ringhoffer in Prag-Smichov einen 13-teiligen Hofzug nach Ungarn, welcher bei den Ungarischen Staatsbahnen MAV eingestellt wurde. Sämtliche Fahrzeuge dieser Garnitur waren dreiachsig und mit den selben Dimensionen ausgeführt.
Einer der Waggons dieses ersten Hofzuges diente ab 1911 als Dienst-Salonwagen dem Generaldirektor der MAV, wurde 1925 zu einem Zweiachser umgebaut und steht heute im Verkehrsmuseum in Budapest.
Zweiter Hofzug 1896
Aus Anlass der Milleniumsfeiern 1896 spendierte das Königreich Ungarn seinem Herrscher einen prunkvollen neuen Hofzug, der zugleich als Aushängeschild der ungarischen Waggonbau-Industrie dienen sollte. Er wurde Ganz & Co. in Budapest gebaut.
Der Hofzug bestand aus folgenden Fahrzeugen[1]:
- sechsachsiger Salonwagen des Königs (17.500 mm lang)
- sechsachsiger Salonwagen der Königin (17.500 mm lang)
- vierachsiger Hofspeisewagen (17.000 mm lang)
- zwei vierachsige Hofsalonwagen für die Begleitung (17.000 mm lang)
- dreiachsiger Wagen für Bedienstete
- dreiachsiger Dienstwagen
Die mit Sprengwerken versteiften Untergestelle bestanden bei allen Wagen aus Eisen, die Sechs- und Vierachser erhielten zudem zur Verminderung von Lärm Holzteile eingebaut. Sämtliche Wagen waren mit einer elektrischen Signaleinrichtung nach dem System Rayl, Prudhomme und Kohn ausgerüstet. Mit Ausnahme der beiden Königswagen, welche ungebremst waren, besaßen alle Fahrzeuge die in Ungarn standardmäßig angewendete Westingshouse-Druckluftbremse, sowie die Hardy-Vakuumbremse und eine Spindelhandbremse. Der ganze Zug wurde mit elektrischen Glühlampen beleuchtet, welche von Akkumulatoren gespeist wurden. Die sechs- und vierachsigen Wagen besaßen Akkus mit 16, die dreiachsigen Wagen mit 8 Zellen.[1]
Die Wagenkästen waren aus Eichen- und Pitchpine-Holz gefertigt und außen mit Blech verkleidet, das Dach war mit feuerfester Leinwand bedeckt. Die Hohlräume zwischen den Wänden waren zur Lärm- und Wärmedämmung mit getränkten Papierschnitzeln gefüllt, die Dachhohlräume waren zudem mit einer Asbestleinwand ausgefüllt. Die Fußböden waren zur Schalldämpfung mit 4 mm starken Bleiplatten belegt, darüber lag ein starker Filz- und Linoleumbelag aufgebracht sowie ein geknüpfter Teppich. Die Wagen liefen auf Drehgestellen aus gepresstem Blech, die Dreiachser besaßen freie Lenkachsen. Die Wagenprofile waren so angelegt, dass alle Bahnen "des europäischen Festlandes" befahren werden konnten.[1]
Die Wagen waren dunkelgrün mit hellgrünen Zierlinien lackiert und besaßen goldenen Verzierungen, das Dach war weiß gestrichen. Der Wagen des Königs trug bei festlichen Anlässen an den drei mittleren Fernstern der Seitenwände ein abnehmbares großes ungarisches Reichswappen sowie goldene Fensterumrahmungen und Lorbeergewinde mit dem Namenszug des Königs. Die Fenster sämtlicher Wagen waren doppelt ausgeführt, die Fenster im Schlafraum des Königs besaßen zudem Schutzblenden aus Blech, welche mit abgeheftetem Tuch bespannt waren. Allen Fenstern besaßen zudem federnde Rollos.[1]
Die Fahrzeuge waren im Inneren dem Zeitgeist entsprechend verschwenderisch-überladen ausgestattet, die Innenausstattung wurde vom tschechischen Architekten Jiri Stribral entworfen. Dieser entwarf zudem 1909 die Inneneinrichtung des Salonwagens Sa 22 von Erzherzog Franz Ferdinand. Bei der Ausstattung überwogen dunkle Hölzer und grüne Tapeterien, nur der Salonwagen der Königin war mit Mahagoni und stahlblauen Stoffen im Stil Louis XVI. eher hell ausgestattet. Bei allen anderen Wagen kamen vorwiegend ungarisches Nussholz und üppige Formen im Stil der Italienischen Renaissance zur Anwendung. In den Haupträumen wurden Intarsien mit eingelegten kostbaren Hölzern und edlen Stoffen verwendet, dazu kamen im ganzen Zug traditionelle ungarische Motive in Form von Stickereien. Die Heiz- und Lüftungsöffnungen waren mit handgeschmiedeten und vergoldeten Bronzegittern abgedeckt.[1]
Der Hofzug-Speisewagen bot insgesamt 20 Personen Platz und besaß eine Dekoration mit handgeschnittenen braunen Lederintarsien. Die Vorräume, Korridore und WCs hatten braunes Leder (teilweise mit Intarsienarbeiten) an den Wänden.[1]
Sämtliche Wagen besaßen geschlossene Faltenbalg-Übergänge und wurden mit einer Dampfheizung geheizt, man konnte bei dieser einstellen ob der ganze Waggon oder nur einzelne Heizkörper mit Dampf beaufschlagt wurden. In den Salonwagen des Königs und der Königin befanden sich sogenannte "elektrische Alarmthermometer", welche im Dienerabteil ein Glockenzeichen abgaben, wenn die Temperatur in den allerhöchsten Abteilen über oder unter eine zulässige Grenze schritt. Gleichzeitig zeigte ein hervorspringendes Täfelchen an, ob die Grenze nach oben oder nach unten überschritten wurde und in welchem Raum.[1]
Einsatz und Verbleib
König Franz Joseph I. (ungarisch I. Ferencz Jozsef) soll den Zug nur wenig verwendet haben, er benützte auch für Fahrten in Ungarn angeblich meist den österreichischen k.u.k Hofsalonzug. Nach anderen Quellen soll er in Ungarn wiederum ausschließlich den ungarischen Hofzug verwendet haben und bereits bei der Abfahrt in Wien die ungarische Uniform angelegt haben.[2]
Zur Zeit Kaiser Karl I. (ungarisch IV. Karoly) lief mindesten ein ungarischer Hofzug-Wagen in der Garnitur des kaiserlichen Hofzuges, fotografisch belegt ist der sechsachsige Königswagen. Laut Winkler gewährten die Bahnverwaltungen dem Hof einen Rabatt von 50 %, die Fahrtkosten richteten sich nach der Anzahl der Achsen und wurden vom Obersthofmeisteramt begleichen.[2]
Über den Verbleib dieses zweiten ungarischen Hofzuges ist nichts bekannt, er dürfte in den Wirren der Revolution 1918/20 als Beute nach Rumänien abgeführt worden sein. Bei seinem zweiten Restaurierungsversuch 1921 reiste König Karl lediglich in einfachen Personenwagen.[2]
Literatur
- Dieter Winkler: Die k.(u.)k. Hofzüge und ihre Geschichte. Album-Verlag, Wien 1997, ISBN 3-85164-055-1.
- Sepp Tezak: Der österreichische Kaiserzug 1891. Pospischil, Wien 1982.
- Paul Dost: Wie der Kaiser reiste. Geschichte der Staatszüge und Salonwagen. Franckh’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1998, ISBN 3-440-07571-0.