Wir hörten es nur bis 1/210 Uhr, dann schliefen wir tief und fest ein. Man hat hier viel mehr Schlafbedürfnis als irgendwo anders. Die Unruhe des Tages, der Trubel in den Gassen, die Flucht der fremdartigen, erregenden Eindrücke macht müde.
Heute lag vom Morgen an etwas Freudiges in der Luft. Der Kanonendonner schwieg. Der Morgen war leuchtend blau und sonnig. Gestern hatte man davon gesprochen, daß wir die Russen wieder aus Jaroslau geworfen hätten, und heute erzählte man sich, daß eine Abteilung Pioniere nach Radymno abgegangen wäre, um die von uns gesprengte Brücke wieder instand zu setzen.
Auch die russische Artillerie, die im Begriff war, sich feste Stellungen zu bauen, soll durch das Feuer unserer Festungsgeschütze schwer gelitten haben und ihre Stellungen sollen gänzlich zerstört sein.
Natürlich ist das alles nur Gerücht, niemand weiß Bestimmtes, aber jeder klammert sich daran.
Der vorgestrige Abend dagegen war düster. Kanonendonner und zwei Dörfer in hellen Flammen. Der ganze Himmel blutigrot und schwere Rauchsäulen. Es sind die Dörfer Malkowice und Nowosiolki, und es heißt, daß wir sie selbst in Brand gesteckt haben.
Gestern, kurz vor Sonnenuntergang, war ich wieder auf dem Schloßberg. Der Himmel lag wie eine schwere, bleierne Kuppel über dem Land, drückte auf den Horizont herab. Nur wo die Wölbung die Linie des Horizontes schon fast berührte, brachen im Westen ein paar halbverschleierte, rote Sonnenuntergangsstrahlen unter dem Rande der Kuppel durch. Es war, als stände dahinter der ganze Himmel in Feuer und dieses Feuer bräche nur an dieser einen Stelle durch. In der Richtung gegen Lemberg aber, im
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)