Wie gesund ist der häufige Gebrauch von Mundspülungen? Eine spezielle Sorte könnte möglicherweise kontraproduktiv für die Mundflora und sogar krebserregend sein. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie aus Belgien. Doch die Forscher schränken selbst die Gültigkeit ihrer Ergebnisse ein.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Die Mundhöhle ist ein idealer Lebensraum für Bakterien. An kaum einem anderen Ort unseres Körpers tummeln sich mehr Bakterien als in diesem ersten Abschnitt des menschlichen Verdauungstrakt mit Mund und Kauapparat.

 

Zahnhygiene und Krankheiten

Wird die Zahnreinigung vernachlässigt, werden Keime nicht mehr in Schach gehalten. Die Folge: Es können Entzündungen entstehen, die zunächst Zähne und Zahnfleisch betreffen und dann über Nervenbahnen und Blutgefäße in den Körper wandern.

Der Zusammenhang zwischen Zahnhygiene und einer Reihe von Krankheiten ist schon seit längerem bekannt – etwa bei Lungen- und Herzentzündungen, Erektionsstörungen, Herzinfarkten und Schlaganfällen. Forscher vermuten, dass regelmäßiges Zähneputzen Bakterien in den schwer erreichbaren Taschen zwischen Zahnfleisch und Zähnen reduziert und damit verhindert, dass diese in den Blutkreislauf gelangen.

Wie sich Mundspülungen auf die Mundflora auswirken

Doch zu viel und vor allem einseitige Zahnhygiene kann auch schaden. Forscher der medizinischen Fakultät der Universität Antwerpen in Belgien haben untersucht, wie sich die tägliche Anwendung der Mundspülung „Listerine Cool Mint“ auf das oropharyngeale Mikrobiom auswirkt. Darunter versteht man sämtliche in der Mundhöhle angesiedelten Mikroorganismen und Bakterien sowie deren Bedeutung für die orale Gesundheit.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass eine erhöhte Bakterienanzahl in der Mundhöhle nicht nur mit Erkrankungen im Mund-Rachen-Raum zusammenhängen kann, sondern auch mit Krebs. Die Studie („The effect of daily usage of Listerine Cool Mint mouthwash on the oropharyngeal microbiome“) ist im Fachmagazin „Journal of Medical Microbiology“ veröffentlicht worden.

Zur Info: „Listerine Cool Mint“ ist ein sogenanntes bakterizides Mundwasser, das zur Vorbeugung von Zahnbelag und Zahnfleischentzündungen verwendet wird. Bis dato ist wissenschaftlich unklar, ob speziell diese Lösung tatsächlich ein gesundes Mundmikrobiom fördert oder eher untergräbt.

Ältere Studien warnen vor zu viel Mundspülung

  • Wirkung von Alkohol: Bereits 2008 hatten Wissenschaftler der Universität Melbourne in Australien empfohlen, dass Supermärkte im Land keine Mundwässer verkaufen sollten, die Alkohol enthielten. Demnach macht einerseits das verwendete Äthanol die Mundschleimhaut durchlässiger für krebserregende (karzinogene) Substanzen, andererseits ist Acetaldehyd als Abbauzwischenprodukt von Äthanol im Körper selbst eine schädliche und karzinogene Substanz.
  • Krebsrisiko: 2014 hatten Wissenschaftler der schottischen Universität von Glasgow in einer Studie untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen exzessivem Gebrauch von Mundwasser (mehr als dreimal pro Tag) und erhöhtem Risiko für Mundhöhlen- und Kehlkopfkrebs gibt. Es konnte allerdings nicht ermittelt werden, ob eine bestimmte Sorte von Mundwasser für die Risikoerhöhung verantwortlich sein könnte.
Die belgischen Forscher raten, die regelmäßige Anwendung von Mundwasser sorgfältig abzuwiegen (Symbolbild).  Foto: Imago/Christian Ohde

Neue Studie: Mundwasser erhöht Anzahl der Bakterien

  • Ausgangsfrage: Die Mediziner aus Antwerpen wollten es in ihrer Studie genauer wissen und haben eine spezielle Mundspülung unter die Lupe genommen. Ihre Ausgangsfrage lautete, ob die tägliche Anwendung von „Listerine Cool Mint“ die Zusammensetzung des Rachen-Mikrobioms beeinflusse.
  • Experiment: Die insgesamt 59 Studienteilnehmer verwendeten drei Monate lang täglich „Listerine Cool Mint“, gefolgt von drei Monaten Placebo-Mundspülung oder umgekehrt. Abstriche im Mund- und Rachenraum wurden regelmäßig auf unterschiedliche Bakterienstämme hin überprüft.
  • Ergebnis: Anstatt die Bakterien abzutöten, erhöhte demnach die tägliche Dosis Mundspülung die Anzahl der Bakterienarten "Fusobacterium nucleatum" und "Streptococcus anginosus" signifikant. "Fusobacterium nucleatum" spielt eine wichtige Rolle bei der Bildung von Parodontitis. "Streptococcus anginosus" besiedelt die oberen Atemwege und verursacht neben Parotondose auch Karies und Abszesse. Außerdem treten diese Streptokokken vermehrt bei Patienten auf, die Magen- oder Speiseröhrenkrebs haben.
  • Folgen: „Die Verwendung von Listerine Cool Mint war mit einer erhöhten Häufigkeit oraler Bakterien verbunden, von denen zuvor berichtet wurde, dass sie bei Parodontal-Erkrankungen, Speiseröhren- und Darmkrebs sowie systemischen Erkrankungen angereichert sind“, schreiben die Mediziner. Anstatt krankmachende Bakterien abzutöten, scheint die Mundspülung demnach die Keime in Mund und Speiseröhre zu fördern.
  • Empfehlung: „Die Ergebnisse legen nahe, dass die regelmäßige Anwendung von Listerine-Mundwasser sorgfältig abgewogen werden sollte.“
  • Einschränkung: Das bedeutet jedoch nicht, dass speziell diese Mundspülung zwingend Erkrankungen auslösen muss. Hinzu kommt, dass die Zahl der Teilnehmer mit 59 Personen sehr gering ist. Für die Forscher ist die Untersuchung deshalb auch lediglich ein Hinweis, dass alkoholhaltige Mundspülungen Krankheiten begünstigen könnten, wie sie einschränkend feststellen. Um einen eindeutigen Zusammenhang zu belegen, müsste weiter und mit mehr Teilnehmern geforscht werden.
Wenn schon Mundspülung, dann besser ohne Alkohol (Symbolbild). Foto: Imago/Jochen Tack

Wie Zahnhygiene funktionieren kann

  • Mundspülung ohne Alkohol: Die meisten Mundspülungen enthalten keinen Alkohol. Dieser wird auf der Flasche mit „Ethanol“ bezeichnet. Mundspülungen ohne Alkohol, die zusätzlich Fluorid enthalten, sind laut Zahnmedizinern grundsätzlich besser geeignet. Wer akut an einer Entzündung im Mund leidet, sollte auf solche Präparate zurückgreifen und eine Weile damit gurgeln, bis sich eine Besserung einstellt.
  • Ernährung: Für die Zahngesundheit ist eine gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse besonders wichtig. Vor allem grünes Gemüse wirkt entzündungshemmend im Mundraum. Käse regt den Speichelfluss an und beugt Karies vor. Zucker ist dagegen generell schlecht für die Zähne.
  • Zahnhygiene: Außerdem sollte man täglich mehrfach die Zähne gründlich putzen und Zahnseide für die Zahnzwischenräume verwenden. Auch regelmäßige Zahnarztbesuche sollte man nicht vergessen.

Info: Was der Hersteller zur Studie sagt

Was sind Mundspülungen?
Mundspülungen sind antiseptisch wirkende Flüssigkeiten, die der Prophylaxe im Mundraum dienen und in kosmetische und medizinische Produkte unterschieden werden. Abhängig von den jeweils verwendeten Inhaltsstoffen können sie laut Herstellern Karies, Zahnbelag, Zahnfleischentzündung und Zahnerosion vorbeugen.

Was sagt der Hersteller?
Die Marke "Listerine" gehört zum US-Konsumgüterkonzern Kenvue Inc. mit Hauptsitz in Skillman (Bundesstaat New Jersey). Auf dessen Website heißt es, dass es „keine glaubwürdige Verbindung zwischen alkoholhaltigen Mundspülungen und Mundkrebs“ gebe. „Entscheidende Reviews zur Untersuchung potenzieller Verbindungen zwischen alkoholhaltigen Mundspülungen und Mundkrebs ergaben keinen derartigen Zusammenhang“, so das Unternehmen weiter. Auf Nachfrage des Privatsenders RTL, erklärte Kenvue Inc.: „Es gibt keinen Beleg dafür, dass Listerine Krebs verursacht.” Das Mundwasser sei sicher, wenn man es wie auf dem Etikett angegeben verwende. Die Studie aus Antwerpen weise zudem „mehrere methodische Schwächen“ auf, „wodurch die Aussagekraft der Ergebnisse infrage gestellt werden könnte”.