ISAF 2024
Sein Ziel war der Kranzgewinn – dann bettete er den König ins Sägemehl: Marcel Bieri ist in Menzingen nicht zu stoppen

Wenn er im Kanton Zug antreten könne, sei er meistens gut, sagte Marcel Bieri vor dem Innerschweizer Schwingfest in Menzingen. Am Sonntag gelang ihm schliesslich der grosse Triumph. Es ist eine von mehreren bemerkenswerten Geschichten, die das ISAF 2024 schrieb.

Claudio Zanini
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Marcel Bieri feiert seinen Festsieg nach dem Schlussgang gegen Joel Wicki beim Innerschweizer Schwingfest in Menzingen.
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Marcel Bieri, vorne, feiert seinen Festsieg im Schlussgang gegen Joel Wicki, unten.
Marcel Bieri, rechts, feiert seinen Festsieg im Schlussgang gegen Joel Wicki, links.
Joel Wicki nach der Niederlage.
Fahnenschwinger in Aktion beim Festakt in der Schwingerarena.
Joel Wicki, links, und Noe Van Messel, rechts, im 5. Gang, beim Innerschweizer Schwing und Aelplerfest vom Sonntag, 7. Juli 2024 in Menzingen im Kanton Zug. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Joel Wicki, unten, und Noe Van Messel, oben, im 5. Gang.
Marcel Bieri, oben, und Mike Muellestein, unten, im 5. Gang.
Joel Wicki, oben, und Noe Van Messel, unten, im 5. Gang.
Eine Ansicht in der Schwingerarena im 4. Gang.
Noe Van Messel, oben, und Stefan Ettlin, unten, im 4. Gang.
Sven Schurtenberger, rechts, und Jonas Burch, links, im 4. Gang.
Noe Van Messel im 4. Gang.
Pirmin Reichmuth, oben, und Michael Gwerder, unten, im 4. Gang.
Marcel Bieri im 4. Gang.
Lukas Bissig, links, und Sven Lang, rechts, im 4. Gang.
Sven Lang, rechts, und Christian Schuler, links, im 3. Gang.
Die zwei Schwingfest Radio Kommentatoren des Radio Central, Alfons Spirig, rechts und Daniel von Euw, links, treten nach dem heutigen Fest zurück.
Adrian Walther, rechts, und Nando Durrer, links, im 3. Gang.
Pirmin Reichmuth, oben, und Roger Buerli, unten, im 3. Gang.
Joel Wicki, oben, und Patrick Raebmatter, unten, im 3. Gang.

Marcel Bieri feiert seinen Festsieg nach dem Schlussgang gegen Joel Wicki beim Innerschweizer Schwingfest in Menzingen.

Bild: Urs Flüeler / Keystone (7.7.2024)

Inhaltsverzeichnis

Der Sieger: Zuhause fühlt sich Bieri besonders wohl

Marcel Bieri überrascht im Schlussgang Joel Wicki.

Marcel Bieri überrascht im Schlussgang Joel Wicki.

Bilder: Urs Flüeler/Keystone (Menzingen, 7.7.2024)

Manchmal schreibt der Schwingsport geradezu kitschige Geschichten. Da veranstaltet der Schwingklub Ägerital das Innerschweizer Schwing- und Älplerfest (ISAF) in Menzingen. Es wird ein schmucker Festplatz aus dem Boden gestampft, ungefähr 500 Meter von jenem Ort entfernt, an dem der Zuger Spitzenschwinger Marcel Bieri (29) aufgewachsen ist. Bieri gehört dem Schwingklub Ägerital an, natürlich. Und dieser Bieri stürmt an seinem Heimfest tatsächlich in den Schlussgang, wo er dann auch noch nach wenigen Sekunden den amtierenden Schwingerkönig Joel Wicki mit einem Kurz auf den Rücken legt. Manchmal ist die Realität besser als die Fiktion.

Im Vorfeld des Schwingfests sagte Marcel Bieri gegenüber unserer Zeitung, dass er oft erfolgreich sei, wenn er in heimischen Gefilden antreten dürfe. Einen deutlicheren Nachweis hätte er am Sonntag nicht erbringen können. Nach dem gewonnenen Schlussgang gegen Joel Wicki sagte er: «Das bedeutet nicht, dass Wicki der schlechtere Schwinger ist. Es kann auf beide Seiten fallen. Ich hätte wirklich nie gedacht, dass ich dieses Fest gewinnen könnte. Mein Ziel war eigentlich, den Kranz zu holen.» Der Festsieg ist hoch verdient. Ein Blick auf sein Notenblatt genügt: Bieri hat nebst Wicki auch noch Mike Müllestein bezwungen und mit Domenic Schneider gestellt.

Der Primarlehrer aus Edlibach befindet sich aktuell schlicht in einer bewundernswerten Form. Bei seinem letzten Einsatz vor dem ISAF gewann er das Nordwestschweizer Teilverbandsfest. Bei den Nordwestschweizern durfte er nur antreten, weil Wicki wegen einer Blessur Forfait geben musste.

Der Sieger der Herzen: Noe van Messel

Sieger der Herzen? «Da müssen Sie das Publikum fragen», entgegnet Noe van Messel.

Sieger der Herzen? «Da müssen Sie das Publikum fragen», entgegnet Noe van Messel.

Die Gunst des Publikums gewann Noe van Messel in Menzingen problemlos. Immer wieder waren die kräftigen «Noe! Noe! Noe!»-Rufe zu hören. Das Glanzstück lieferte der 22-jährige Zuger im 2. Gang gegen Domenic Schneider ab. Schon in der ersten Minute zwang er das Ostschweizer Schwergewicht (145 kg) in die Defensivarbeit. Schneider wehrte sich am Boden mit seiner ganzen Kraft – doch Van Messel liess ihn nicht mehr aufstehen und siegte. Die Stimmung in der Arena kochte ein erstes Mal hoch.

Van Messel, auch er ein Spross des Schwingklubs Ägerital, sagte später nüchtern: «Ich mag es, wenn ich stämmige Gegner habe. Ich habe mich sehr sicher gefühlt.» Die Leistung ist insofern erstaunlich, da Van Messel in diesem Jahr noch kein Kranzfest bestritt. Im Frühjahr zog er sich zwei Muskelfaserrisse am Oberschenkel zu, erst in den letzten vier Wochen konnte er richtig trainieren.

Im 5. Gang wurde dann der Höhenflug gestoppt. Und zwar vom Schwingerkönig höchstpersönlich. Joel Wicki bettete Van Messel unwiderstehlich ins Sägemehl. «Ich habe mich auf diesen Gang gefreut. Ich schwinge gern mit Joel», sagte Van Messel. «Aber er hat viel besser gegriffen als ich. Und mir fehlte das Abgebrühte.» Mit dem 2. Schlussrang wurde er dennoch belohnt. Und vielleicht war er am Ende sogar der Sieger der Herzen. Van Messel sagte dazu: «Da müssen Sie das Publikum fragen. Ich will einfach immer alles geben und greife immer an, ich glaube, das kommt gut an.»

Der Aufreger: Die TV-Kamera ist im Weg

Für Domenic Schneider (rechts) läuft es am Vormittag noch nicht nach Wunsch – dann dreht er auf.

Für Domenic Schneider (rechts) läuft es am Vormittag noch nicht nach Wunsch – dann dreht er auf.

«Schwinge mit Ussicht» lautete der Slogan des Innerschweizer Schwingfests. Die Aussicht wäre in Menzingen ja an sich grossartig. Nur: Es war zunächst nicht viel davon zu sehen. Am Vormittag machte der Nebel aus dem 7. Juli einen Novembertag. Hinzu kam ein ungemütlicher Wind und andauernder Regen. Die nasskalten Bedingungen schienen am Sonntagmorgen auch die Schwinger zu hemmen. Die Spitzenpaarungen endeten bis auf eine Ausnahme gestellt.

Einem schien die Situation im 1. Gang gar nicht gepasst zu haben: Domenic Schneider, dem Thurgauer. Schneider fühlte sich nach dem gestellten Gang gegen Marcel Bieri offenbar von den Fernsehkameras bedrängt. «Ihr müsst schauen, wo ihr mit den Kameras durchläuft», sagte er in scharfem Ton. Für Schneider stand in Menzingen viel auf dem Spiel, er strebte nach dem Kranzgewinn, der seine Sammlung komplettieren würde. Am Nachmittag besserten sich Wetter und Stimmung deutlich. Der Regen stoppte, die Sonne zeigte sich – und Schneider siegte nur noch. Am Ende sicherte er sich den Kranz. Nun hat er sämtliche Teilverbandskränze mindestens einmal gewonnen.

Der Defensivkönig: Nando Durrer

Wendiger als eine Schlange: Nando Durrer (links) entwischt Adrian Walther.

Wendiger als eine Schlange: Nando Durrer (links) entwischt Adrian Walther.

Bild: Urs Flüeler/Keystone

Der Berner Adrian Walther würde auf jeden Fall über den Werkzeugkasten verfügen, um die Innerschweizer am eigenen Teilverbandsfest vor unlösbare Probleme zu stellen. Mit Joel Wicki bekam er im Anschwingen eine denkbar schwere Aufgabe zugeteilt, mehr als ein Unentschieden gab es nicht. Im 3. Gang waren dann Walthers Schlussgang-Ambitionen dahin. Der Obwaldner Nando Durrer, der fast 30 Zentimeter kleiner ist als der zwei Meter lange Walther, verteidigte wieder einmal nach allen Regeln der Defensivkunst und hing dem Berner einen Gestellten an. Am Nachmittag liess Walther drei Maximalnoten folgen und kämpfte sich doch noch auf den geteilten 2. Rang vor.

Kränze: Premiere für neun Schwinger

Für neun Schwinger wurde das ISAF 2024 zum Meilenstein der Karriere. Sie gewannen zum ersten Mal den begehrten Teilverbandskranz. Sie heissen Lukas von Euw (Ingenbohl), Patrick Betschart (Immensee), Florian Ulrich (Steinen), Luca Müller (Unterägeri), Jonas Troxler (Urswil), Lukas Heinzer (Goldau), Joel Kessler (Siebnen), Bruno Schürpf (Schwyz) und Christoph Waser (Beckenried). Am meisten Kränze holten die Luzerner (11), gefolgt von den Schwyzern (7), Zugern (6), Ob-/Nidwaldnern (4) und Urnern (2). Zwei Kränze holten die Nordostschweizer, einer ging nach Bern.

Das Innerschweizer Schwingfest ist Geschichte: Marcel Bieri mit Heimsieg.

Video: Tele1