PFAS erkennen | ersetzen | entfernen

Webspecial Fraunhofer-Magazin 4.2023

Giftige PFAS gefährden unser Wasser. Jetzt sollen sie europaweit verboten werden. Das stellt die Industrie vor gewaltige Probleme, denn die Ewigkeitschemikalien sind für viele Produkte und Prozesse essenziell.
 

PFAS gelten seit mehr als 70 Jahren als Wundermittel für die Industrie. Doch Anfang 2023 gab die Europäische Chemikalienagentur ECHA bekannt, dass damit bald Schluss sein soll. Sie empfiehlt der EU-Kommission ein Verbot der per- und polyfluorierten Alkylverbindungen. So schnell und so weitreichend wie möglich.

»Seit der Ankündigung der ECHA rennen uns die Unternehmen förmlich die Türen ein«, berichtet Dr. Stefan Löbbecke, Sprecher der Fraunhofer-Allianz Chemie. Die Zahl der Anfragen nach Ersatz-Chemikalien, umwelt- und humantoxikologischen Bewertungen verschiedener PFAS-Materialien, Recycling-, Filter- und Reinigungstechnologien sei in den vergangenen Monaten exponentiell gestiegen. Sehr ernst fügt Löbbecke hinzu: »Ich kann die Sorgen und Nöte der Firmen verstehen, die sich teilweise von einem Verbot existentiell bedroht fühlen.« PFAS stecken in Alltagsprodukten wie beschichteten Pfannen, Pizzakartons, Outdoorjacken, aber auch in Medizintechnik, Wärmepumpen, Batterien.

 

Als Prozesschemikalien kommen PFAS beispielsweise in der Halbleiterindustrie zum Einsatz, wo sie in Mikrochips Strukturen ätzen. Sie sind wasser-, schmutz- und ölabweisend, hohe Temperaturen und aggressive Chemikalien können ihnen nichts anhaben, auch gegen Bakterien oder Licht sind sie unempfindlich. Kaum eine andere chemische Substanz kann es mit ihnen aufnehmen, so einzigartig sind ihre Eigenschaften – entsprechend häufig werden sie genutzt. Es gibt PFAS mittlerweile in zahlreichen Varianten, laut US-Umweltschutzbehörde gehören rund 15 000 Stoffe dazu. Doch sind die farb-, geruch- und geschmacklosen Substanzen nicht nur vielseitig einsetzbar, sondern in vielen Fällen auch nachweislich giftig. Sie können Krebs verursachen, unfruchtbar machen, das Immunsystem schwächen. Und: Die industriell erzeugten, extrem stabilen Kohlenstoff- Fluor-Verbindungen, die für PFAS charakteristisch sind, kommen in der Natur nicht vor und können von ihr nicht abgebaut werden.

Auch sind PFAS nicht gleich PFAS

Eine differenzierte Risikobewertung der einzelnen Verbindungen ist wichtig, um solche mit besonders hohem Gefährdungspotenzial für Mensch und Umwelt schneller aus dem Verkehr zu ziehen. Im Fall von PFOS (Perfluoroctansulfonsäure), PFOA (Perfluoroctansäure) und PFHxS (Perfluorhexansulfonsäure) ist das bereits geschehen. Nur in wenigen Ausnahmefällen ist ihr Gebrauch noch erlaubt. Seit dem 25. Februar 2023 ist auch das Inverkehrbringen, die Herstellung und die Verwendung von perfluorierten Carbonsäuren, von denen PFNA (Perfluornonansäure) die bekannteste ist, beschränkt. Die Substanzen gehören alle zu der Gruppe der PFAS, die aus langen Kohlenstoffketten bestehen. Sie reichern sich in Organismen entlang der Nahrungskette an, ausgeschieden werden sie kaum.

Am Ende der Nahrungskette steht der Mensch. Dort binden sich die Stoffe an Proteine im Blut, in Niere und Leber, bleiben jahrelang und können ihre schädigende Wirkung entfalten. Während der Schwangerschaft werden sie über die Plazenta auf das ungeborene Kind übertragen und auch über die Muttermilch weitergegeben. Die Industrie ist inzwischen häufig auf kurzkettige PFAS umgestiegen, die sich aus maximal sechs perfluorierten Kohlenstoffatomen zusammensetzen. Diese reichern sich zwar weniger im Organismus an, sind jedoch mobiler, werden im Boden nicht zurückgehalten und erreichen schnell das Grundwasser, das oft für die Trinkwasserversorgung genutzt wird.

# erkennen

Mögliche Gefährdungen durch verschiedene PFAS im Trinkwasser identifizieren will das Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM im Projekt ZeroPM zusammen mit 15 europäischen Partnern. Dr. Annette Bitsch, Bereichsleiterin Chemikaliensicherheit: »Es ist nicht trivial zu sagen, der eine Stoff ist gefährlicher als der andere. Die ganzheitliche Betrachtung der einzelnen Substanzen ist wichtig. Ein Grunddogma der Toxikologie lautet: Das Risiko berechnet sich aus der Gefährdung, die dem Stoff innewohnt, und der Exposition, also wie häufig komme ich damit in Kontakt?« Dafür analysiert sie Studiendaten und wissenschaftliche Publikationen. »Dabei zeigt sich ziemlich schnell, welche Stoffe kritisch sind.« Daher sei es auch wenig überraschend, dass der Einsatz von PFOS, PFOA, PFHxS und PFNA als Erstes beschränkt wurde.
 

Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat sich bei ihrem jüngsten Gutachten aus dem Jahr 2020 auf diese vier Verbindungen konzentriert und einen Schwellenwert für die maximale Aufnahmemenge pro Woche festgelegt, die als gesundheitlich unbedenklich gilt. Er liegt bei 4,4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht. »Das entspricht nur etwa 0,00003 Milligramm pro Person täglich«, verdeutlicht Bitsch. Am häufigsten sind die Stoffe in Trinkwasser, Fisch, Obst, Eiern und Eiprodukten zu finden.

Für den Plan der Europäischen Chemikalienagentur ECHA, die Beschränkungen bald auf alle PFAS auszuweiten, äußert Bitsch Verständnis: »Das ist ja eine riesige Gruppe an Stoffen mit vielen Subkategorien. Bis die toxikologisch alle sauber durchbewertet sind, vergehen Jahrzehnte. So lange können wir nicht mehr warten.« Ausnahmen, zum Beispiel, weil der Stoff für bestimmte medizinische Anwendungen notwendig ist, die Nutzen-Risiko-Abwägung für eine weitere Verwendung spricht, oder die Unbedenklichkeit wissenschaftlich erwiesen ist, seien immer noch möglich. Die Nachweispflicht liege aber bei der Industrie.

Dr. Taybet Bilkay-Troni
© Fotografie: Jan von Holleben
Wasserstoff für die Energiewende gewinnen ohne PFAS? Bisher unmöglich. Dr. Taybet Bilkay-Troni vom Fraunhofer IAP arbeitet an PFAS-freien Elektrolyseuren, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten.

Die Dringlichkeit einer EU-Regulierung bestätigen auch die jüngsten Forschungsergebnisse des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME, die im Januar 2023 veröffentlicht wurden. In der SumPFAS-Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes kommen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu dem Schluss, dass PFAS wesentlich weiter verbreitet sind als bisher angenommen. Dr. Bernd Göckener, Abteilungsleiter Spurenanalytik und Umweltmonitoring am Fraunhofer IME: »Selbst in kleineren Flüssen fanden wir schon größere Mengen – auch an unbekannteren PFAS. Oftmals ist es also kein lokales Problem mehr, sondern ein generelles. PFAS sind einfach überall.«

Zusammen mit seinem Team untersuchte er rund 200 Schwebstoff- und Sedimentproben aus 170 Flüssen und Seen in ganz Deutschland und verglich sie mit archivierten Proben aus der Umweltprobenbank des Bundes, die seit den 1980er-Jahren die Chemikalienbelastung in der Umwelt und im Menschen dokumentiert. Die gute Nachricht: Die Belastung der Gewässer mit langkettigen PFAS hat abgenommen, die Verbote der EU wirken. Die schlechte: Mit einer modifizierten Analytik, die auch sogenannte Vorläufersubstanzen erfasst, ermittelten Göckener und sein Team eine bis zu 346-mal höhere PFAS-Gesamtkonzentration als mit den klassischen Untersuchungsmethoden. Vorläufersubstanzen oxidieren, einmal in die Umwelt ausgebracht, zu den klassischen PFAS. Göckener: »Man wird diese Tausenden von Substanzen analytisch nie ganz fassen. Wir gehen davon aus, dass die Belastung sehr viel höher ist, als wir messen können.« Besonders viele PFAS fanden Göckener und sein Team flussabwärts von großen Kläranlagen und PFAS produzierenden oder verarbeitenden Industrien. Die Ewigkeitschemikalien gelangen vor allem über das Abwasser in die Flüsse und landen schließlich in der Nord- oder Ostsee. »Die Meere sind das große Auffangbecken für alle PFAS weltweit. Dort werden sie sich immer weiter anreichern«, ist Göckener überzeugt.

# ersetzen

Es sei denn, es gelingt, PFAS-Alternativen zu entwickeln und so den beständigen Zulauf zumindest zu reduzieren. Daran arbeitet Dr. Jakob Barz am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB. Er nutzt Plasmatechnologie für die Funktionalisierung verschiedener Materialoberflächen, macht sie zum Beispiel chemikalienstabil, schmutz-, wasser- oder eisabweisend. Barz: »Bei vielen Anwendungen braucht man PFAS-Beschichtungen strenggenommen gar nicht. Nur richtig gute Ölabweisung bekommen wir noch nicht hin.«

Je nach gefordertem Eigenschaftsprofil bringt er in das Plasma verschiedene chemische Stoffe ein. »Die Moleküle werden auseinandergebrochen. Die einzelnen Fragmente reagieren an der Materialoberfläche und bilden dort eine Polymerschicht. Welches Polymer entsteht, hängt immer davon ab, welche Substanzen ich unter welchen Prozessbedingungen in mein Plasma gebe.« Ein Vorteil der Plasmabeschichtung: Sie kann sehr dünn aufgebracht werden, sodass sie sich wie ein Film über die Oberfläche legt. Strukturen oder Poren bleiben erhalten und werden nicht verstopft – ideal beispielsweise für die Beschichtung von Lötschablonen für Computerplatinen oder von Membranen für die Abwasser-Filtration. Beides Anwendungen, bei denen heute PFAS zum Einsatz kommen.

 

Dr. Achim Weber (l.) und Dr.-Ing. Thomas Hahn
© Fotografie: Jan von Holleben
Mit Chitosan aus Krabbenschalen wollen Dr. Achim Weber (l.) und Dr.-Ing. Thomas Hahn Outdoor- Textilien wasserfest machen und so PFAS-Beschichtungen ersetzen.

Für die wasserabweisende Beschichtung von Outdoor-Textilien setzen die Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IGB hingegen auf einen biobasierten, nachhaltigen Ersatzstoff: Chitosan. Er bildet eine robuste Hülle um die Textilfaser und sorgt so für eine bessere Abriebbeständigkeit. Gewonnen wird er unter anderem aus Krustentieren. In der EU fallen jährlich rund 250 000 Tonnen Schalenabfälle an, weltweit mehr als 6 Millionen – eine ergiebige Rohstoffquelle. Auch Insektenhäute und -panzer, ein häufiger Reststoff bei der Tierfutterproduktion, enthalten Chitin, aus dem Chitosan hergestellt wird. »Chitosan ist wesentlich reaktiver als Chitin. Das machen wir uns zunutze. Wir bringen es gleichzeitig mit wasserabweisenden Pflanzenölen auf das Textil aus. Unter Hitze und Druck verbinden sich die Substanzen zu einer gleichmäßigen, robusten Schutzschicht«, erklärt Dr.-Ing. Thomas Hahn, stellvertretender Leiter der Arbeitsgruppe Bioprozessentwicklung am Fraunhofer IGB. Und sein Kollege Dr. Achim ­Weber ergänzt: »Der Clou ist, dass sich unsere naturstoffbasierte Imprägnierung nach der Reinigung in der Waschmaschine einfach wieder aktivieren lässt, indem man das Textil bügelt oder in den Trockner gibt.« Ein weiterer Pluspunkt: Die Formulierung lässt sich mit den bereits in der Textilindustrie verwendeten Maschinen und Produktionstechnologien problemlos aufbringen. »Auch Lebensmittelverpackungen oder beschichtete Kartonagen, die beispielsweise Waschpulver vor Nässe und Verklumpen schützen, sind mit Chitosan gut machbar«, so Weber. Auf PFAS könne hier getrost verzichtet werden.

Unverzichtbar sind die Ewigkeitschemikalien hingegen bisher für die Energiewende. Egal ob in Elektrolyseuren zur Gewinnung von Wasserstoff, in Brennstoffzellen oder in Batterien – überall stecken Membranen aus PFAS. Sie müssen unter anderem über eine hohe chemische Stabilität, spezielle Leit- und Durchlässigkeiten verfügen. »Die Materialanforderungen sind extrem«, weiß Dr. Taybet Bilkay-Troni, Leiterin der Abteilung Polymere und Elektronik am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP. Trotzdem hat sie sich zusammen mit ihrem Team auf die Suche nach Alternativen gemacht – mit Erfolg.  Zusammen mit dem Zentrum für BrennstoffzellenTechnik ZBT ist es ihnen gelungen, ein neuartiges Polymer zu entwickeln und daraus Membranen für Anionenaustauschermembran-Wasserelektrolyseure (AEM-WE) zu fertigen.

Bilkay-Troni erklärt: »Die Membran ist das Herzstück jedes Elektrolyseurs. Sie ist entscheidend für die Zuverlässigkeit und den Wirkungsgrad der Elektrolyse, also der Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff durch den Einsatz von elektrischem Strom.« Für die Elektrolyse werden außer der Membran zwei Elektroden (Anode und Kathode) benötigt, eine Gleichstromquelle und eine elektrisch leitfähige Flüssigkeit, das Elektrolyt. An der Kathode sammelt sich der positiv geladene Wasserstoff, an der Anode der negativ geladene Sauerstoff. Die Membran sorgt für den Transport der negativ geladenen Ionen, der sogenannten Anionen, und trennt den Anoden- und Kathodenraum. Als Elektrolyt dient eine schwache Lauge, die Elektrolyse erfolgt bei Temperaturen von etwa 60 bis 80 Grad – Betriebsbedingungen, denen die Membran dauerhaft ausgesetzt ist. Trotzdem darf sie nicht spröde werden, muss flexibel bleiben und ihre ionische Leitfähigkeit behalten.

Die ersten Ergebnisse in der Elektrolyse-Testzelle sind vielversprechend, die PFAS-freie Membran bleibt stabil. Auch lässt sich das neue Polymer, aus dem die Membran gefertigt ist, sehr gut verarbeiten. Ein weiterer Vorteil: Auf den Einsatz kostspieliger Elektroden aus seltenen Edelmetallen, wie sie bei den derzeit gebräuchlichen Protonenaustauschermembranen notwendig sind, kann verzichtet werden. In Zukunft könnte die Membran auch in Brennstoffzellen zur Anwendung kommen.

»Bis dahin sind jedoch noch einige Entwicklungsschritte nötig«, räumt Bilkay-Troni ein. »Wir sind gerade erst am Anfang unserer Forschung. Als Nächstes wollen wir die Membran gemeinsam mit unserem Partner, der ZBT GmbH, in einer realen Umgebung über einen längeren Zeitraum testen, um die Stabilität und Leitfähigkeit weiter verbessern zu können.« In drei bis fünf Jahren, glaubt sie, könne die Mem-bran marktreif sein. »Die Nachfrage ist groß. Die Unternehmen wollen allerdings immer am liebsten ein fertiges Produkt. Das können wir nicht bieten. Nur gemeinsam mit der Industrie können wir gute Lösungen entwickeln, die ihren Bedürfnissen auch gerecht werden.«

# entfernen

Solange wir PFAS nicht vollständig ersetzen können, ist es umso wichtiger, sie so gut wie möglich abzufangen und zu verhindern, dass sie sich weiter in der Umwelt verteilen. Zu diesem Zweck hat Dr. Stefano Bruzzano vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT zusammen mit der Cornelsen Umwelttechnologie GmbH bereits vor einigen Jahren eine Reinigungstechnologie entwickelt und seither kontinuierlich modifiziert. Sie ist besonders effizient bei lokal begrenzten, hohen Emissionswerten, wie sie beispielsweise bei Löscheinsätzen mit Spezialschäumen entstehen, aber auch auf Deponien, in denen PFAS-haltige Konsumgüter langsam »ausbluten« und die Chemikalien ins Grundwasser sickern.

Die PerfluorAd®-Reinigungsanlage kann in einem mobilen Container direkt vor Ort zum Einsatz kommen und belastetes Wasser säubern. Dafür wird es in das Anlagebecken gepumpt und mit PerfluorAd® versetzt, einem eigens entwickelten, biologisch abbaubaren Flüssigwirkstoff, an den die PFAS binden und zu Boden sinken. Das restliche Wasser wird durch Aktivkohlefilter geleitet, in denen die wenigen PFAS zurückgehalten werden, die im ersten Reinigungsschritt nicht erfasst wurden. Der stark kontaminierte Bodensatz wird später in einer Verbrennungsanlage bei Temperaturen deutlich über 1000 Grad Celsius fachgerecht entsorgt. Bruzzano: »Die Stärke unseres Verfahrens liegt in der Kombination der verschiedenen Methoden.« Die Aktivkohlefilter, die in vielen Wasseraufbereitungsanlagen schon vorhanden seien, reichten für eine leistungsstarke und ökologisch sinnvolle Reinigung nicht aus. Bei höheren Kontaminationen von mehr als zehn Mikrogramm PFAS pro Liter setzten sie sich schnell zu. »Wichtig ist im Vorfeld eine Analyse des belasteten Wassers, um unser Verfahren auf die enthaltenen PFAS-Substanzen, Begleitstoffe im Wasser und die Höhe der Kontamination abzustimmen«, betont Bruzzano. Danach richte sich unter anderem, wie viel PerfluorAd® hinzugefügt werden muss, und ob gegebenenfalls weitere Prozesshilfsmittel wie Flockungsmittel zum Abtrennen der PFAS notwendig sind.

Dr.-Ing. Georg Umlauf
© Fotografie: Jan von Holleben
Fische können aufatmen: Dr.-Ing. Georg Umlauf vom Fraunhofer IGB entfernt PFAS aus Abwasser.

Einen Schritt weiter geht Dr.-Ing. Georg Umlauf vom Fraunhofer IGB. Er will PFAS aus dem Wasser nicht nur entfernen, sondern ihre Strukturen zerstören und so unschädlich machen. Dafür verwendet er Plasmatechnologie wie sein Kollege Dr. Jakob Barz. Umlauf erklärt: »Wir zünden zwischen zwei Elektroden ein Luftplasma, dazwischen fließt das belastete Wasser an einer Säule nach unten. Da das Plasma ein sehr energiereiches Medium ist, können wir die PFAS-Molekülketten aufbrechen und so die Kohlenstoffketten immer weiter verkürzen. Dafür muss das Wasser allerdings mehrmals im Kreis gepumpt werden, weil ein einmaliger kurzer Kontakt mit dem Plasma nicht ausreicht. Endziel ist die Mineralisierung der PFAS – damit haben sie sich quasi aufgelöst. Eine energieintensive Verbrennung ist dann überflüssig.«

Im Laborreaktor testete Umlauf die Plasma-Reinigungsmethode erfolgreich mit realen Proben aus PFAS-verunreinigten Abwässern. In Zukunft will er das Verfahren an größere Volumina anpassen. Eine verbesserte Analytik soll eine genauere Überwachung des Prozesses ermöglichen und helfen, die Anzahl der notwendigen Pump-Kreisläufe individuell anzupassen. »Allerdings gibt es noch einige Herausforderungen zu überwinden bis zur fertigen Anlage, die mehrere Zehntausend Kubikmeter Wasser pro Jahr säubern kann. Für die weitere Forschung sind wir auf der Suche nach Partnern aus der Abfallverwertung und der Industrie.« Damit wäre selbst für die Ewigkeitschemikalien eine Endlichkeit erreicht.

Die Zeit drängt. Bereits im Jahr 2025 will die Europäische Kommission über das PFAS-Verbot entscheiden. Ohne Übergangsfristen und Ausnahmereglungen wird es nicht gehen. Zu wichtig sind die Substanzen für eine schnelle Energie- und Verkehrswende, für die moderne Medizintechnik, für die Halbleiterindustrie. Die Dringlichkeit der Fraunhofer-Forschung unterstreicht deshalb Allianz-Sprecher Löbbecke: »Wir können die PFAS-Emissionen begrenzen. Auf PFAS komplett verzichten können wir zurzeit noch nicht.«

Nachgewiesene PFAS-Belastung

in Nanogramm pro Liter | Nanogramm pro Kilogramm

Grafik Nachgewiesene PFAS-Belastung in Deutschland in Nanogramm pro Liter | Nanogramm pro Kilogramm
© Grafik: NDR, WDR, Süddeutsche Zeitung

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