1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Küstenstädte sinken - und der Meeresspiegel steigt

13. März 2024

Absinkende Landmassen und steigende Meeresspiegel bedrohen bereits in den nächsten Jahrzehnten weite Teile der US-Ostküste. Auch viele asiatische Metropolen sind betroffen. Schutzmaßnahmen fehlen häufig.

https://p.dw.com/p/4dQ4E
Überschwemmungen in New York
In 24 von 32 analysierten US-Küstenstädten könnte der Meeresspiegel bis zum Jahr 2050 um mehr als 30 Zentimeter ansteigenBild: Andrew Kelly/REUTERS

Es sind zwar nur ein paar Millimeter pro Jahr, aber die Folgen werden dramatisch sein: Viele Küstenstädte weltweit werden deutlich früher als bisher angenommen mit massiven Überschwemmungen zu kämpfen haben. Das liegt nicht nur an steigenden Wasserpegeln durch den Klimawandel, sondern auch am Absinken der Landmassen in Küstennähe.

Die Gründe für die Subsidenz, also die Landabsenkung, variieren je nach Region. Natürliche Faktoren wie Erdbeben, vulkanische Aktivitäten und der Verdichtung feinkörniger, unverfestigter Sedimente spielen eine Rolle. Aber auch Bebauung, Bergbau sowie Abbau von Erdgas und Erdöl, also durch den Menschen bedingte Faktoren, tragen zur Absenkung bei. Besonders groß ist das Ausmaß in Regionen, in denen dem Boden sehr viel Grundwasser entzogen wird, um Wohngebiete oder Industrieanlagen zu bauen. Dadurch wird der Untergrund instabiler und senkt sich ab. 

Kaum Dämme und Flutmauern an der US-Ostküste

Ein bedrohliches Absinken der nordamerikanischen Ostküste hatte zuletzt ein Forschenden-Team um Leonard Ohenhen und Manoochehr Shirzaei von der Virginia Tech nachgewiesen. Laut der im Fachjournal "Pnas Nexus" erschienenen Studie gibt vor allem der Boden unter den Metropolen New York, Baltimore und Norfolk messbar um ein bis zwei Millimeter pro Jahr nach. In dem auf einer Halbinsel gelegenen Charleston in South Carolina senkt sich der Untergrund sogar um vier Millimeter pro Jahr.

Infografik | Nature Magazin US-Landkarte
Die Studie zeigt die Überflutungsrisiken an der US-Ostküste, im Golf von Mexiko und an der US-Westküste bis zum Jahr 2050.Bild: https://www.nature.com

Wird die Senkungsrate mit dem klimawandelbedingten Anstieg des Meeresspiegels um durchschnittlich 3,1 Millimeter pro Jahr addiert (Wert des Weltklimarats (IPCC) vom April 2022), wird das Bedrohungspotential deutlich: Allein an der nordamerikanischen Ostküste werden laut der Berechnungen bis 2050 hunderttausende Menschen von häufigen schweren Überschwemmungen bedroht. Dabei dürften vor allem sozial benachteiligte Bevölkerungsteile besonders stark betroffen sein. Sozialwohnungen befinden sich häufig in niedrig gelegenen Überflutungsgebieten, weil das Land dort billiger ist. Wohlhabende können sich eher Häuser in höheren Lagen leisten.

In 24 von 32 analysierten US-Küstenstädten könnte der Meeresspiegel bis zum Jahr 2050 um mehr als 30 Zentimeter ansteigen. Von den untersuchten Städten an der Atlantikküste verfügen bislang nur drei über entsprechende Dämme oder Flutmauern. An der Pazifikküste werden die Pegel voraussichtlich langsamer ansteigen.

Asiatischen Millionenmetropolen besonders betroffen

Noch unheilvoller wird sich die Kombination von absinkenden Landmassen und steigenden Meeresspiegeln vor allem in Südostasien, Ostasien und Südasien auswirken.

2022 hatte ein Forschenden-Team um Matt Wei von der University of Rhode Island die Senkungsraten von 99 Küstenstädten weltweit analysiert. Absenkungen um mindestens zwei Millimeter wurden in fast allen Küstenstädten beobachtet. Aber "in 33 der 99 Städte sinkt ein Teil der Stadt um mindestens zehn Millimeter pro Jahr", heißt es in der Studie. Dieser Wert wäre dreimal höher als der durchschnittliche weltweite Anstieg des Meeresspiegels.

Besonders betroffen sind einige dicht besiedelte Ballungsräume wie Tianjin östlich von Peking, Chittagong in Bangladesch und Semarang auf der indonesischen Hauptinsel Java. Dort senkt sich der Boden um 30 Millimeter pro Jahr - das ist zehnmal so viel wie der durchschnittliche weltweite Anstieg des Meeresspiegels.  Auch Shanghai, Hanoi, Bangkok und Mumbai sind betroffen.   

Zwei Milliarden Menschen global bedroht

Wie dramatisch sich Überschwemmungen auswirken können, ist zum Beispiel in der indonesischen Hauptstadt zu beobachten: In Jakarta lag der Senkungswert zeitweise bei 280 Millimeter, also 28 Zentimeter pro Jahr. Schon jetzt liegt ein Großteil unter dem Meeresspiegel, Überschwemmungen sind eine ständige Bedrohung. Unter anderem ist das ein Grund, warum die Hauptstadt nach Nusantara auf der Insel Borneo verlagert werden soll. 

Ein Forschungsteam um Dr. Tsimur Davydzenka von der Colorado School of Mines hat anhand von mehr als 46.000 Senkungsdaten eine globale Berechnung erstellt. Demnach sind auf Grundlage von 23 Umweltparametern mehr als 6,3 Millionen Quadratkilometer der globalen Landfläche von signifikanten Senkungsraten betroffen, schrieb das Team jüngst in den Geophysical Research Letters. Dazu gehören 231.000 Quadratkilometer städtische und dicht besiedelte Gebiete mit einer Bevölkerung von fast zwei Milliarden Menschen.

Landabsenkung lässt sich verlangsamen

Obwohl Landsenkungen ein globales Problem sind, fehlt ein Bewusstsein dafür. "Das Problem des steigenden Meeresspiegels und der Landabsenkung wird auf breiter Ebene kaum wahrgenommen", beklagt Leonard Ohenhen von der Virginia Tech. Das liege vor allem daran, dass es viele nicht mehr direkt betreffen werde, da die Auswirkungen erst in Jahrzehnten massiv spürbar würden. Um ein Bewusstsein zu schaffen haben sich die Forschenden auf einen "viel näher liegenden Zeitraum fokussiert, nur 26 Jahre von jetzt an."

Ein Bewusstseinswandel sei wichtig, denn durch strengere Regeln für die Grundwasserentnahme lasse sich die Bodenabsenkung in einigen Ballungszentren zumindest verlangsamen, meint auch Matt Wei von der University of Rhode Island. Dies habe zum Beispiel in Shanghai und auch in Jakarta funktioniert. "Diese Beispiele zeigen, dass eine solche Regulierung ein effektives Werkzeug für das Stoppen der Subsidenz sein kann."

 

Quellen:

Nature: Disappearing cities on US coasts, 2024, https://www.nature.com/articles/s41586-024-07038-3

PNAS Nexus: Slowly but surely: Exposure of communities and infrastructure to subsidence on the US east coast, 2024, https://doi.org/10.1093/pnasnexus/pgad426

Geophysical Research Letters: Subsidence in Coastal Cities Throughout the World Observed by InSAR, 2022, https://doi.org/10.1029/2022GL098477 

Geophysical Research Letters: Unveiling the Global Extent of Land Subsidence: The Sinking Crisis, 2024, https://doi.org/10.1029/2023GL104497

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund