Das hätte sich Christian Stocker vor ein paar Tagen wohl nicht albträumen lassen: Er setzt quasi das Nachwahlmotto seines Ex-Kanzlers Karl Nehammer – "Kein Weiter wie bisher!" – in einem neuen, Stockers Glaubwürdigkeit verhöhnenden Sinne um. Jedenfalls wirkt das so. "Kein Weiter wie bisher" passt tragisch elegant zu Stockers Meinungsmetamorphose, die den FPÖ-Chef vom Sicherheitsrisiko zum mutmaßlich zukünftigen Kanzler von ÖVP-Gnaden aufsteigen lässt.
Auf seiner laufenden Rechtfertigungstour beehrt der neue Parteilastenträger das frische Format Das Gespräch und hat argumentativ Bekanntes im Angebot. Strategieberaterin Heidi Glück (einst Sprecherin von ÖVPler Wolfgang Schüssel) und Ex-Bundespräsidentschaftskandidatin und Ex-Neos-Politikerin Irmgard Griss machen es ihm im Verbund mit Moderatorin Susanne Schnabl auch nicht sonderlich schwer. In einem Setting, das an den ARD-Talk von Caren Miosga erinnert, wiederholt er, aus Staatsinteresse seine Glaubwürdigkeit pulverisiert zu haben. Nur keine Neuwahlen. Nun werde verhandelt, die Budgetgespräche, so erzähle man Stocker seitens der Expertengruppe, liefen gut.
Facebookposting von Herbert Kickl
Breaking News! Schnabl erwähnt ein aktuelles Facebookposting von Herbert Kickl, in dem sich dieser unter anderem zu Demokratie, Verfassungstreue und Rechtsstaatlichkeit bekennt. Stocker findet das gut. Weniger gut gefällt ihm, dass Glück die ÖVP für profillos hält. Er schiebt zu Glück hinüber – der Tisch ist neu – den telefonbuchdicken "Österreich-Plan" der ÖVP, der womöglich auch schon im Haus der Geschichte liegt.
Irgendwann kippt das Gespräch leider in Spezialdebatten (Technologieoffenheit, Umweltschutz), als stünde man vor Wahlen. Wie benimmt sich ein Kanzler Kickl in Brüssel, wie wird das Verhältnis zu Russland? Die Bedenken der besorgten Geheimdienste? Stocker bleibt vage. Er wolle öffentlich keine Bedingungen ausrichten. Spitzenkandidat bei etwaigen Neuwahlen? Mal sehen, sagt Stocker, der immerhin da war und sich nicht hinter Postings versteckt.
Jetzt muss er nur noch die Weisheit widerlegen, wonach sich's, ist der Ruf einmal ruiniert, verhandelt ungeniert. (Ljubiša Tošić, 13.1.2025)