Kopf Alexander Horwath auf Ipad.
Alexander Horwath schaut.
Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien / Illustration: Otto Beigelbeck

Mit seinem Debütfilm Henry Fonda for President tourt Alexander Horwath derzeit durch Österreich und Deutschland. Zum Serienschauen bleibt dem Filmemacher, Kurator und Filmhistoriker wenig Zeit. Umso mehr, als sich Horwath vom Serienfach mehr und mehr abwendet und sich selbst als Skeptiker bezeichnet. Die besten Jahre habe die Form hinter sich, glaubt Horwath. Nicht nur deshalb schaut er zurzeit Die Sopranos.

"Und zwar zum ersten Mal", sagt Horwath. Die Kultserie mit James Gandolfini erschien vor rund einem Vierteljahrhundert. Mit seiner Lebensgefährtin, der Autorin und Filmwissenschafterin Regina Schlagnitweit schaut er gerade alle Folgen nach und entdeckt spannende Bezüge zum eigenen Fonda-Film: "Wie in Henry Fonda for President geht es stark um die Frage: Können Darstellerinnen und Darsteller so etwas wie Autorinnen- und Autorenschaft über ihr Œuvre hinweg an einem ihrer Werke beanspruchen? Ich glaube, dass es so ist, sodass ich James Gandolfini, Lorraine Bracco und Edie Falco auf jeden Fall zu Autoren dieses Werks erklären würde. Das soll nicht die Leistung von Sopranos-Schöpfer David Chase schmälern. Aber die Stärke, Qualität und Konsistenz, mit der diese Darstellerinnen und Darsteller ihre Figuren mitentwickelt und geprägt haben, faszinieren mich sehr."

"The Old Man" zu abstrus

Er wolle nicht den Eindruck erwecken, als seien cinephile Menschen bei Serien generell ein Vierteljahrhundert zu spät. "So ist es nicht", sagt Horwath: "Wir schauen auch The Old Man und The Bear." Wobei er speziell The Old Man als Beispiel für missglückte Serienerzählung sieht: "Die ersten Folgen waren noch pulpy und cheesy. Uns gefallen auch die Darsteller Jeff Bridges, Alia Shawkat und John Lithgow, aber die Serie treibt in viel zu abstruse Gegenden ab. Wir bleiben trotzdem dran. Die Vertrautheit und die Freude mit den bekannten Gesichtern, Stimmen und Körpern ist das Band, das uns verbindet, obwohl wir vollkommen überzeugt sind davon, dass das miese und unterdurchschnittliche Ware ist."

Der Qualitätsverlust bei Serien sei aber offensichtlich, sagt Horwath: "In den letzten Jahren spürt man, dass da wirklich etwas vorbei ist. Für jemanden, der vom Kino kommt und die Ästhetik des Films schätzt, geben in dieser Hinsicht die allermeisten Serien mittlerweile sehr, sehr wenig her."

Nichts geht über "Better Call Saul"

Horwaths All-Time-Serienfavorit ist und bleibt Better Call Saul über den Werdegang des späteren Breaking Bad-Anwalts Saul Goodman von Vince Gilligan: "Da ist eine kinematografische Intelligenz neben der ganzen Plotgeschichte enthalten, die einfach beispiellos ist, und auch hier sind die Darsteller ganz entscheidend." Die Serie hält er für visuell und filmerzählerisch außergewöhnlich, aber auch in ihrer Musikalität und im Mut zum Regelbruch: "Diese Regelsysteme werden immer wieder auf die Seite geschoben. Das kenne ich sonst nur aus filmischen Erzählungen im Kino."

Seine Serien wählt Horwath über persönliche und geschriebene Empfehlungen von Menschen und Medien, denen er vertraut. Auf die Art stieß er auch auf The White Lotus von Serienschöpfer Mike White, der zuvor als Autor und Darsteller der herausragenden Workplace-Serie Enlightened mit Laura Dern auffiel: "White fand ich als Filmschaffenden und Schauspieler immer wieder witzig und spannend und habe mir die Serie mit Freude angesehen." Die dritte Staffel der spitzen Urlaubssaga startet am 17. Februar.

Freude mit "The Americans"

Horwath und Schlagnitweit schauen Serien abends und meistens drei Folgen am Stück. Der Algorithmus hat aus Prinzip keine Chance: "Ich plädiere für eine Film- und Medienkultur, in der es um das persönliche Vermitteln geht. Ich war bei der Viennale und im Filmmuseum viele Jahre Vermittler, wo es ganz zentral darum ging, mit Leuten etwas zu teilen oder sie für etwas zu begeistern – sei es, indem man darüber schreibt, es in einem Kino zeigt oder in einem Gespräch sagt."

Auf die Art und Weise sei er, um noch einen letzten Serientipp einzubringen, auf die Spionageserie The Americans gekommen, sagt Horwath: "Weil zwei Freunde – sie Filmkritikerin, er Kunstkritiker – uns bei einem Abendessen davon erzählt haben. Mir war das neu, absolut neu. Wir haben das jetzt auch angeschaut, und ich bin für diesen Tipp unendlich dankbar. Das heißt, dieses persönliche 'Sharing Your Enthusiasm' ist für mich der liebste Zugang. Auf diesen Wegen kommt eine lebendige Beschäftigung mit Populärkultur zustande." (Doris Priesching, 14.1.2025)