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Seite:Die Gartenlaube (1878) 228.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Edelstein-Alchemie.

Vor einiger Zeit befanden sich die Pariser Juweliere eines Tages in starker Aufregung, und man kann nicht leugnen: sie hatten auch Ursache dazu. Aus dem Sitzungssaale der Akademie der Wissenschaften war die Nachricht in die Oeffentlichkeit gedrungen, daß zwei Chemiker, die Herren E. Fremy und Feil, ein Verfahren ausgemittelt hätten, eine Reihe von Edelsteinen, die dem Diamant im Preise am nächsten stehen, ja bisweilen höher bezahlt werden als dieser, pfundweise darzustellen, nämlich den Rubin, den Sapphir und ohne Zweifel auch den kostbarsten von allen, den orientalischen Smaragd. Zuerst tröstete man sich mit dem Gedanken, daß die echten Steine immer den Vorrang vor den künstlichen behalten würden, aber die Aufregung wuchs, als man vernahm, daß es sich hier durchaus um keine Nachbildung handele, sondern daß diese Steine eben den Naturproducten völlig gleich seien, daß eine Uhr auf künstlichen Rubinen, weil bei beiden Steinen die Härte die gleiche sei, ebenso lange gehen werde, wie die auf natürlichen. Nun behaupteten die Inhaber der größten Edelstein-Vorräthe, daß es eine Sünde wäre, der Natur in’s Handwerk zu pfuschen, und daß dergleichen von der Regierung verboten werden müßte. Auf der anderen Seite jubelten einige feuilletonistische Schwärmer, daß man nun auch bald Gold und Diamanten machen werde, daß die Träume der Alchemisten sich erfüllen würden und daß dann alles Elend der Welt ein Ende haben könnte.

Was das Elend der Welt betrifft, so lassen wir es auf sich beruhen. Von der Verwandlung des Bleies oder anderer geringerer Metalle in edlere müssen wir mit Verlaub bemerken, daß bei dieser Abtheilung der alchemistischen Kunst die Sache doch ganz anders liegt, als bei den Edelsteinen. Die ungeheure Mehrzahl unserer heutigen Chemiker hält die Metalle für einfache, unwandelbare Elemente des Weltbaues, die von Ewigkeit waren, was sie sind und wohl ihre Gestalt und Verbindungsform, aber niemals ihre Natur ändern können. Mit den Edelsteinen ist es ganz anders. Die meisten darunter und gerade die kostbarsten sind vor den Augen des Chemikers ganz gemeiner Herkunft, die oben genannten und viele andere ebenso geschätzten Namens gelten ihnen für gleichwerthig mit den Bestandtheilen des Lehms, der Fürst der Edelsteine sogar mit dem schmutzigen Ruß und Rauch. Nichts als der besondere Zustand seiner Reinheit und Dichtigkeit unterscheidet den Diamanten von der Kohle, den Rubin, Sapphir und orientalischen Smaragd von der Thonerde, die in Verbindung mit Kieselsäure mächtige Lager bildet, aus denen wir das Material für unsere Ziegelbauten und Töpferei entnehmen. Andere Edelsteine, die nicht weniger hoch geschätzt werden, wie der gewöhnliche Smaragd, Aquamarin und Chrysoberyll einerseits und der Hyacinth andererseits, enthalten der Thonerde chemisch nahestehende „Erden“ zum Grundbestandtheile, nämlich erstere die Beryllerde und letzterer die Zirkonerde, aber diese Erden sind an und für sich weder selten noch kostbar, sodaß man in einigen Gegenden mit den weniger reinen Brüdern des Smaragds die – Straßen pflastert. Aehnlich verhalten sich alle anderen Schmucksteine, die Perlen einbegriffen; sie setzen sich der Hauptsache nach größtentheils aus so werthlosen und überall verbreiteten Stoffen zusammen wie Thonerde, Kieselsäure, Fluor, Borsäure, Kalk, Magnesia etc. Ihr einziger Vorzug besteht darin, daß der gemeine Stoff in ihnen seine ihm von Natur zukommende Krystallgestalt in ungewöhnlicher Größe erlangt hat, denn eben die Seltenheit des Vorkommens bedingt neben der natürlichen Schönheit am meisten den höheren Marktpreis.

Die chemischen Verbindungen und einfachen Stoffe der mineralischen wie der organischen Natur nehmen die ihnen zukommenden, oft dem geschliffenen Edelsteine sehr ähnlichen scharfkantigen Krystallformen nur dann an, wenn sie aus dem flüssigen Zustande in den festen übergehen, und wachsen nur dann zu einer ansehnlichen Größe, wenn der Uebergang recht langsam vor sich geht. Löst man z. B. in heißem Wasser so viel Alaun auf, wie sich überhaupt lösen will, und hängt in die Flüssigkeit, während man sie langsam an einem ruhige Orte abkühlen läßt, ein mit Wolle umwundenes Drahtgeflecht, z. B. ein Körbchen, oder eine Krone, Rosette u. dergl., so findet man am anderen Morgen jenes Drahtgerippe dicht mit glasartig durchsichtigen, mehr oder weniger großen, meist von acht Flächen begrenzten, glitzernden Krystallen (Octaëdern) bedeckt. Das kalte Wasser vermag nicht so viel von dem Salze aufgelöst zu erhalten, wie das heiße, und der Ueberschuß muß sich, der Abkühlung entsprechend, langsam ausscheiden. Es bilden sich dabei ganz kleine Krystalle, die beständig wachsen, so lange noch eine weitere Ausscheidung stattfindet, und wenn man die Lösung an der offenen Luft ruhig stehen läßt, sodaß sie langsam abdunstet, so kann man endlich sehr große Krystalle erhalten. Enthielt der Alaun gewisse andere Salze als Verunreinigung, so bleiben diese in der Mutterlauge der Krystalle zurück, die Krystallisation ist meistens zugleich eine Reinigung von fremden Beimischungen.

Auf dieselbe Weise haben sich wahrscheinlich auch in der Natur manche Edelsteine gebildet, und die meisten Mineralogen nehmen an, daß sich die aus reiner Kieselsäure bestehenden Bergkrystalle, die oft centnerschwer sind, auf ähnlichem Wege gebildet haben. Fast gewiß ist diese Bildung auf feuchtem Wege vor sich gegangen bei einer weiteren Reihe von Halbedelsteinen, die ebenfalls aus bloßer Kieselsäure bestehen, wie Quarz und Feuerstein, nämlich beim Achat, Jaspis, Opal, Chalcedon, Chrysopras, Karneol, Heliotrop u. A. In derselben Sitzung der Pariser Akademie, in welcher die oben genannten Chemiker ihr Verfahren zur Herstellung künstlicher Rubine und Sapphire beschrieben, theilte Herr Monnier mit, daß er künstliche Opale erhalte habe, indem er eine ganz verdünnte Auflösung von Klee- oder Oxalsäure vorsichtig auf eine syrupsdicke Auflösung von kieselsaurem Natron (Natronwasserglas) goß, wodurch eine langsame Ausscheidung der Kieselsäure bewirkt wird. Verwendete er dabei eine Auflösung von schwefelsaurem Nickeloxydul, so erhielt er apfelgrün gefärbte Steine, wie Chrysopras. Man sieht, daß man also von einem Wachsthume der Edelsteine, so lange der Abscheidungsproceß dauerte, reden darf, und erkennt aus den Gesetzen der Krystallisation, wie durch die Anziehung der gleichartigen Theile, bei Ausschluß der fremdartigen, die Bildung der Edelsteine von ganz reinem Wasser unter den freilich nicht seltenen unreinen verständlicher wird.

Ein anderer Krystallisationsweg ist die langsame Erkaltung geschmolzener Massen; man kann denselben den Studirenden der Chemie sehr schön veranschaulichen, wenn man einen Tiegel mit Schwefel oder geschmolzenem Wismuthmetall langsam abkühlen läßt, bis sich an der oberen Fläche eine Kruste von erstarrter Masse bildet. Wenn man diese dann in der Mitte durchstößt und einen Theil der flüssigen Masse herausgießt, so bilden sich an den Wandungen der dadurch entstandenen Höhlung meist sehr schöne Krystalle, und das Ganze gewinnt das Aussehen einer sogenannten Krystalldruse, wie sie Amethyste und andere Halbedelsteine öfter bilden. Man hat denn auch angenommen, daß es nur darauf ankäme, Kohle zu schmelzen, um künstliche Diamanten zu erhalten, aber leider ist eine solche Schmelzung bisher nicht in nennenswerthem Umfange gelungen.

Der fruchtbarste Weg der Natur zur Edelsteinbildung dürfte aber nicht eine einfache Schmelzung, sondern eine feuerflüssige Auflösung der Mineralien und langsame Ausscheidung der neugebildeten Verbindungen durch chemische und elektrische Einflüsse gewesen sein, wie wir alsbald genauer kennen lernen werden. Die Erde war offenbar ehemals, wie die Sonne und die meisten Fixsterne es noch jetzt sind, in einem feuerflüssigen Zustande. Damals gingen die Elemente, um mit der Bibel zu reden, durch einander, wie die Töne eines Psalters, alle Stoffe begegneten einander und gingen die besondersten Verbindungen ein; der gesammte Erdball war ein ungeheures chemisches Laboratorium. Die erdigen Stoffe mit den Leichtmetallen bildeten in der letzten Periode dieser Riesenprocesse wahrscheinlich die geschmolzene „Mutterlauge'“, aus der sich, durch chemische Vorgänge mancherlei Art veranlaßt, hier metallreiche Erze, da Körnchen von Edelmetall und öfter auch gewöhnliche Stoffe, welche die Krystallisation in den Adelstand erhob, langsam ausschieden. Die mitsammt ihren Ausscheidungen erstarrte Mutterlauge nennen wir Urgestein, Granit, Feldspath, Porphyr etc. Ich will hier nicht unerwähnt lassen, daß man diese Urweltsprocesse in neuerer Zeit zum Theil nachgeahmt und z. B. zwei Hauptbestandtheile der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_228.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)