verschiedene: Die Gartenlaube (1866) | |
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Und ob am Himmel schwarz und schwer
Auch Wolke sich auf Wolke thürme,
Ihr jagt sie fliehend vor euch her,
Gewaltige Novemberstürme;
Habt rein die Luft und klar gefegt,
Mit rauhem Stoß und wildem Schmettern
Die Welt im tiefsten Grund bewegt –
Das ist so recht das deutsche Wettern!
Hin über die scheinheil’gen Glatzen,
Wie überklang mit hellem Ton
Lebend’ges Wort das todte Schwatzen!
Des Glaubens und des Geistes Henkern
Zur Abwehr den Gewissenslenkern
Stellt’ er vor seines Gottes Haus
Ein streitbar Heer von frommen Denkern.
Verscheucht hat er den finstern Fluch,
Mit treuer Hand der Bücher Buch
Für jeden klaren Blick entsiegelt;
So streute aller Zukunft Samen
Der Luther aus, ein deutscher Mann,
Und Jedem, der nicht anders kann,
Dem hilft auch Gott noch immer. Amen!
Auch er war ein Novemberkind,
Der donnernd braus’t durch alle Weiten,
Hinstirbt wie Spiel auf Harfensaiten,
Das Herz reißt er mit sich von dannen,
Doch nicht in Träume wiegt sein Sang,
Zur That will er die Sehnen spannen,
Ein Aufschrei wider die Tyrannen.
Um unser Schwert hat Schiller’s Lied
Den immergrünen Kranz geflochten,
Der Dichter selbst in Reih’ und Glied
Vorahnend sah er uns’re Schande,
Schlug Lärm inmitten träger Ruh’,
Den Schürern an der Zwietracht Brande
Rief er: „Seid einig, einig!“ zu –
Und schlimmer kam’s, als es gedroht,
Und unser Schicksal schien vollendet,
Da hat den Helfer in der Noth
Uns der November noch gesendet;
Und was dem Troß um ihren Thron,
Den Herr’n und Junkern nicht gelungen,
Wie herrlich ist’s, trotz Spott und Hohn,
Geglückt dem deutschen Bauerjungen!
Nicht Knechtessinn die Freiheit schaffen,
Des Thrones und des Landes Wehr’
Ist ewig nur das Volk in Waffen!“
Da hat den Sieg er ausgesprochen,
Ein wehrhaft Volk sich unterjochen!
Es hat des Scharnhorst stolzes Wort
Nicht blos das fremde Joch zerbrochen.
Mein deutsches Volk, stets eins und frei
Trotz biete jeder Tyrannei,
Du Hort des Wahren und des Rechten!
Dem finster schleichenden Gewürme
Ist wohlig in der Nacht allein.
Ihr fegt uns doch den Himmel rein,
Gewaltige Novemberstürme!
O du Kindermund, o du Kindermund, |
Unbewußter Weisheit froh, |
Vogelsprachekund, vogelsprachekund |
Wie Salomo! |
Wer hat eines Vogels Sang andächtig gelauscht und nicht etwas dabei gedacht, nicht versucht, die Töne in der Menschen Rede zu übertragen, ihnen bestimmte Empfindungen unterzulegen? Der Glaube an die Thierseele hat sich sicherlich zuerst gebildet und am stärksten befestigt durch den Gesang der Vögel. Freilich singen sie nicht alle, die Kinder der Luft, ja nur den wenigsten ist diese liebliche Gabe gegeben. Die Classe der Sperlingsvögel ist es bei uns hauptsächlich, die sie besitzt; und gerade diese „Singvögel“ bewohnen die deutschen Wälder, haben ihre Heimath in dem gemäßigten Himmelsstriche der alten Welt. Ihrer Zahl und Fähigkeit gegenüber sind andere Welttheile arm an gefiederten Sängern. Nordamerika besitzt zwar die wunderbare Spottdrossel, Java den Mino, Australien den Flötenvogel, Brasilien den Sariama und den Glockenspieler, Peru den Organista, – aber so herrlich sie auch zu singen verstehen, sie können sich nicht vergleichen mit dem Fink oder der Nachtigall, in deren Tönen der Mensch mehr finden will, als eine Reihe von Noten, und daher schon unzählige Male versucht hat, sie in seine Sprache zu übersetzen. Zahlreiche Beobachtungen haben dargethan, daß auch die Thiere dem Rufe des Vogels horchen, ihn zu deuten verstehen. Der Jäger hat schon gar oft die Elster, den Häher und die Kohlamsel verwünscht, die den schlauen Fuchs oder das unbedachtsamere Reh vor ihm auf dem Anstand warnen; die Sage von dem Ibis als Wächter des Krokodils ist zwar nicht begründet, wohl aber sind es die Berichte über den südafrikanischen Nashornvogel, die amerikanischen Höhleneulen und andere mit Vierfüßlern in vertrauter Freundschaft lebende Vögel, welche jenen eine nahende Gefahr verkünden, die ihre feinere Organisation früher erfaßt.
Der besondere und wechselnde Ausdruck in den Lauten, im Gesange der Vögel ist für jeden einigermaßen aufmerksamen Beobachter unverkennbar, und der Mensch findet hierin um so eher einen deutlichen Uebergang zur Sprache, als darin nicht nur der Unterschied der Individualitäten hervortritt, sondern sich sogar ganz entschieden gewisse, an die Oertlichkeit gebundene Dialekte wahrnehmen lassen. Jedermann weiß, daß es unter Finken, Nachtigallen, Sprossern gute und schlechte Schläger giebt. Die Vogelhändler haben dafür ganz besondere Nomenclaturen; so für die letzteren Sänger die Touren: David, Woyak, Papst, Doppelschaller, Jacob, Ziack, neuerdings sogar „Patti“ u. s. w.; für die Finken die Schläge: Weingesang, Hochzeitgebühr (Hochzeitbier), Weizenbier, Würzebier, Gerichtsgebühr, Reitzu (Weitschuh), Kuhdieb, Malvasier, Sparbazier, Musketirer, Mützeviel, Davidja, Zitzigall, Gikgak, Doppelschlag, Bräutigam, Harzer Schlag, Tambacher, Kienöl oder Ovakja, Pythia oder Trewittja und Gutjahr. Alle diese Schläge, von welchen viele noch Unterabtheilungen haben, bilden sich ganz von selbst aus; es ist kein Zweifel, daß der Vogel damit häufig ein und dasselbe mit anderen Klängen (um nicht zu sprechen: Worten!) sagt – und völlig verstanden wird. Die britischen Vogelkundigen nehmen allgemein Provincialdialekte der Singvögel an und können genau den Schlag der Stieglitze aus der Grafschaft Kent, der Finken aus Essex und der Nachtigallen aus Surrey von denjenigen anderer Provinzen, z. B. aus Middlesex, unterscheiden, woselbst minder gute Schläger zu finden sind. Dumareau de la Malte, während der ersten französischen Revolution eingekerkert, hatte zur Genossin eine Schwarzamsel, welche er die Marseillaise pfeifen lehrte. Als er die Freiheit erhielt, gab er sie auch seiner Trösterin; mit Verwunderung hörten die Anwohner der Loire Jahre hindurch alle Schwarzamseln des Cantons die Marseillaise singen, welche sie von ihrer gebildeten Schwester erlernt hatten. Beweis, daß der Vogel gutes Ohr für die Melodie besitzt und keineswegs, wie man annimmt, blos auf eine und dieselbe Notenreihe angewiesen ist.
Es ist daher auch kaum in Abrede zu stellen, daß der Vogel
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 705. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_705.jpg&oldid=- (Version vom 12.12.2020)