Verschiedene: Die Gartenlaube (1863) | |
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Noch ehe ein Kind lesen lernt, weiß es gewöhnlich schon, daß der Löwe der König der Thiere ist, und diesen König baldmöglichst einmal zu sehen, ist daher jedenfalls ein ganz gerechtfertigter Wunsch. Aber auch selbst dem Erwachsenen ist dieses berühmte Thier ein so anziehendes, daß es ganz begreiflich ist, wenn, wo in einer Menagerie der Löwe fehlt, dies als eine große Lücke und als eine wesentliche Beeinträchtigung des Geschäfts betrachtet wird. Selbst die zoologischen Gärten können in dieser Hinsicht dem Strom nicht gut widerstehen. In Dresden z. B. sah man sich, obgleich noch gar kein Raubthierhaus erbaut war, im vorigen Jahre genöthigt, ein Paar Löwen anzukaufen, nur um den ewigen Nachfragen, „wo denn die Löwen seien,“ genügen zu können. Neben den Löwen sind es natürlich nun auch die Tiger, Leoparden, die gräßlichen Hyänen,
überhaupt die gefährlichen Thiere, welche in einer Menagerie die meiste Anziehungskraft auf die Menge ausüben, und deshalb sieht man diese auch am allerhäufigsten. Von den großen katzenartigen Raubthieren soll nun diesmal Einiges erzählt werden, natürlich ohne daß es dabei auf eine Bereicherung der Naturgeschichte abgesehen ist.
Die ersten Löwen, welche ich sah, waren die der großen Aken’schen Menagerie. Der größte, der berühmte Nero, befand sich mit einer prächtigen Tigerin in einem Käfig, und der von diesen beiden abstammende Bastard, von welchem ich später erzählen werde, war lange Jahre nachher noch in der Kreuzberg’schen Menagerie zu sehen. Ein anderer in der Menagerie selbst geborener, ausgewachsener Löwe hieß Wilhelm, und er wurde sogar besungen; ich erinnere mich, daß in der Bude gedruckte Gedichte auf diesen Löwen feilgeboten wurden. Wie man es in der Aken’schen Menagerie außerordentlich verstand, Alles recht anziehend für das Publicum zu gestalten, so geschah es auch mit den großen Raubthieren. Es gab Tage, wo die Fütterung derselben nur mit lebenden Thieren geschah, was grausam erscheint, es aber eigentlich nicht ist, da dadurch die Raubthiere sich besser erhalten, indem sie eben von der Natur darauf angewiesen sind. Vor der Fütterung nun wurden aber gewöhnlich eine Anzahl mehr als armstarker Pfähle hereingebracht und damit an die Käfige geschlagen. Die Löwen, schon durch die Erwartung des Futters erregt, geriethen dadurch in die größte Wuth, packten mit Zähnen und Klauen das Holz und rissen, ihren Grimm daran auslassend, dasselbe in Nu zu Splittern auseinander. Noch heute wundert es mich, daß sie sich dabei nicht verwundeten, wenigstens habe ich niemals Etwas davon bemerkt.
Als die Aken’sche Menagerie eingegangen war, dauerte es einige Zeit, ehe wieder neue, d. h. größere, auftauchten, und es war fast, als wenn auch die Löwen kleiner gerathen wären. Der erste Löwe, der mir aus dieser Zeit wieder lebhaft erinnerlich ist, wurde dies auch mehr dadurch, daß ich ihn häufig zeichnete, als daß er sich auszeichnete. Er befand sich in der damals blühenden Schreier’schen Menagerie, derselben, welche die erste Giraffe nach Deutschland brachte. Dieser Löwe lebte mit einem kleinen Hunde zusammen, und wenn Diana sich auf Mars, so hieß der Löwe, gelegt hatte und beide ihr Schläfchen hielten, so war das ein ganz reizender Anblick, wenn nur der Löwe nicht gar so griesgrämlich ausgesehen hätte. Er gehörte zu der Race, bei welcher die Schultern und der Bauch nicht mit langen Haaren bewachsen sind, und welche sich wieder in eine lebhaft gefärbte und eine mehr graugelbe Race zu theilen scheint.
Die Abwartung der Thiere in dieser Menagerie wurde hauptsächlich von zwei Wärtern, einem Tyroler, Brandel, und einem Italiener, Angelo, besorgt, der eine rothblond, der andere kohlschwarz, von Haaren nämlich. Der Tyroler war es auch, welcher in den Käfig des Löwen ging und dessen Dressur, welche einfach genug war, zeigte, wobei der Hund ganz still in einer Ecke saß. Als ich einst diesen Thierbändiger zeichnete (denn er trug einen fußlangen Bart, was mir sehr malerisch erschien), frug ich ihn, wie es ihm zu Muthe gewesen, als er das erste Mal in den Käfig des Löwen hinein gegangen sei. Da gestand er mir, daß er bei dieser Gelegenheit nicht ganz nüchtern gewesen, da er, weil das zureden seines Herrn nicht hinreichend gefruchtet, zur Erhöhung seines Muthes zum Spiritus seine Zuflucht genommen habe. Es sei aber Alles gut abgegangen. Wahrscheinlich hatte er sich als großer Thierbändiger
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863). Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_284.jpg&oldid=- (Version vom 6.10.2024)