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Seite:Die Gartenlaube (1860) 096.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1860)


Trappen-Jagd in Klein-Asien. In der kleinasiatischen Türkei, wo so viele kleine Staaten und einst blühende Kulturvölker begraben übereinander liegen, gibt’s wenigstens noch ein üppiges Naturleben. Gräser und Blumen, Gesträuch und Wald, nicht abgeweidet, kaum betreten während eines ganzen Jahres, sprießen im Frühlinge immer wieder mächtig und üppig aus der von Wind, Wetter und Winter niedergedrückten Schicht des vorigen Jahres hervor. Es fehlt oft Tage lang an Menschen, desto lauter und bunter freut sich das ungestörte Gethier des Waldes und Feldes seiner Freiheit und seiner Fittige. Das Wild mit Flügeln ist ersten Ranges. Die Trappe (große und kleine Art) bildet in den großen Ebenen das herrschende Geschlecht. Hinter wild verwachsenen Teichen und Flüssen schlagen wilde Gänse und Enten, Kreuzschnäbel, rothhalsige Speckenten, kleine, listige Kriechenten, Wald- und Feldschnepfen, Kibitze und unzählige andere Sumpf- und Wasservögel oft den tollsten Lärm großer Städte in der menschenlosesten Einsamkeit. Auf dem Felde machen Hasen ihre „Mätzchen“ im Mondschein, bewundert von Hamstern, Wieseln und anderm friedlichen Wild ihrer Art, die nicht solche Kunststücke machen können, wie Herr Lampe, der Hase, in seiner ungestörten Mondscheinlust.

Die wenigen Türken, die zwischen den kleinasiatischen Städten das Land bewohnen, aber nicht bebauen, schießen sich, was sie von diesem Wild brauchen, aber auch nicht mehr. Es wird ihnen sauer mit ihren krummen Beinen und den alten schlechten Flinten mit Feuerstein, die hier von verschiedenen europäischen Soldaten her ihr Ende finden. Nur Wenige haben doppelläufige, deutsche oder französische Percussions-Jagdfiinten.

Nur wenn Engländer oder sonstige Europäer zum Jagen kommen, wird der Türke manchmal zu ungewöhnlicher Anstrengung und Waidmannnlust aufgeregt und ist dann wenigstens in der Theorie oft sehr nützlich. Das wilde Geflügel ist ungeheuer pfiffig und vorsichtig, und es gibt keine größere und feinere Kunst, als die Pfiffigste und scheueste aller feinen Bratensorten, die Trappe, zu belauschen und ihr auf Schußweite nahe zu kommen.

Die große Trappe bevölkert im Sommer ungeheuere wilde Steppen Rußlands und zieht im Winter südwärts bis zu den Gestaden der Dardanellen. Der Sicherheit wegen lassen sie sich – stets in geordneten Stämmen und geschlossenen Gesellschaften, wie es scheint – mitten in größeren Ebenen nieder, und halten nach allen Seiten Wache, um sich bei Annäherung der geringsten Gefahr sofort auf die Flügel zu machen. Trappen von sechzehn bis zwanzig Pfund sind nichts Seltenes und eine Delicatesse. Deshalb hat man längst Mittel und Künste aufgefunden und scheut keine Strapazen, sie doch zu überlisten und sich den Braten herunter zu holen.

Der Engländer Sagah schildert eine solche Trappen-Jagd vom vorigen Winter. Der Tag war hell und kalt, mit einem leichten Nordostwinde, Grund und Boden hart und mit Schneewellen geweißt. Ich, ein Freund und Hafiz Bey, ein junger Türke, brachen gut vorbereitet auf. Mein Gewehr war ausgezeichnet, Hafiz hatte ein altes Feuergewehr, das nach meiner Meinung ihm selbst gefährlicher war, als den Trappen. Kaum zwei Meilen von dem Hause unseres Consuls fangen die großen Ebenen von Arisha an, auf denen König Xerxes sein berühmtes Heer (auf das er sich verließ) paradiren ließ, ehe er auf der Schiffbrücke nach Griechenland übersetzte, um sich dort sehr schlagen zu lassen. Wir gingen bis zu einer leichten Anhöhe in die Ebene hinein und beschatteten unsere Augen, um ringsherum in die weiße Weite hinein zu spähen. Der junge Türke machte die erste Entdeckung: „Dort seh’ ich sie,“ rief er. „Eine ganze Gesellschaft. Ich glaube, sie merken uns. Nieder, nieder! Geschwind!“ Und wir warfen uns nieder und krochen auf Schnee und Eis zu den nächsten Sträuchen und Büschen. Unser Bursche saß zu Pferde und blieb sitzen, ohne daß die Trappen, etwa anderthalb englische Meilen von uns auffliegend, Furcht vor ihm zeigten. Sie geniren sich nicht so leicht vor Thieren, sagte er. Auch vor ganzen Schaaren Menschen, die im Felde arbeiten, fliehen sie nicht. Nur den einzelnen, vorsichtig und mit mörderischen Gedanken aufschauenden Jäger scheinen sie überall sofort auf große Entfernung zu erkennen und seine Absicht zu wittern.

Nichts interessanter, als so eine Trappengesellschaft auf dem Boden zu beobachten, wie ich’s jetzt konnte. Den Wachen vertrauend, die sie auf zwei entgegengesetzten Seiten aufstellen, laufen und weiden die andern ganz sorglos umher, bis plötzlich, offenbar auf ein uns unbemerkbares Zeichen der Wache, alle zugleich zu laufen und zu fressen aufhören, ihre Köpfe, wie auf Commando eines Unterofficiers, emporstrecken und alle in derselben Richtung halten. Dies ist der Moment ihrer Flucht. Aber sie steigen nicht mit einem Male empor, sondern nach einer unbeweglichen Stille von höchstens zwei Sekunden zu je Zweien oder Dreien, und dies mit keiner Ueberstürzung.

Wie überlegen zeigen sie sich dem Menschen! Großen Gefahren gegenüber auf Schiffen und bei einem Feuer, z. B. im Theater, werden Tausende intelligenter Menschen wie wahnsinnig und zerquetschen und erdrücken sich, oder hindern wenigstens jeden mit Geistesgegenwart und Umsicht versuchten wirklichen Rettungsplan. Die Trappenheerde war uns näher geflogen und hatte sich etwa 500 Yards vor uns niedergelassen. Hier beobachtete ich sie, hinter Gestrüpp verborgen. Zugleich führten wir unsern Angriffsplan aus. Wir krochen auf dem Bauche nach verschiedenen Seiten ab, versteckt durch eine kleine Erhebung, die zwischen uns und den Trappen lag, um sie zu umzingeln. Der Bursche ritt in einem großen Halbcirkel um sie herum, um sie von der entgegengesetzten Seite her nach uns hin aufzuscheuchen. Er ritt mitten in sie hinein. Dies war die Spitze unserer Waidmannslust und Aufregung. Mein linker Flügel (ich war in der Mitte) feuerte seine beiden Schüsse zuerst ab. Dies brachte den Schwarm in andere Richtung, zu meiner höchsten Freude nach mir her. Ich lag mit pochendem Herren, bis ich den ersten Vogel just über mir sah. Jetzt sprang ich auf, zielte kaltblütig nach dem größten und dann nach einem zweiten. Mit schwerem Schlage, von welchem der Schnee aufstob, klatschten zwei Trappen nieder, ganz todt. Nur ein Jäger versteht meinen Stolz und meine Freude. Beide ganz todt. Nur zwei Schüsse und jeder von vollkommenster Wirkung. Kein Gezappel, kein Todeskampf. Auch mein Freund brachte eine Frucht seiner Arbeit, aber nur eine, der junge Türke kam nur mit einer geschwollenen Backe, aber mit leeren Händen.

Wir wiederholten unsere Manoeuvres den ganzen Lag, aber ohne weiteren Erfolg, nur daß wir einige Trappen verwundeten. Es ist nicht leicht, sie todt zu treffen. Ihr Gefieder ist ungeheuer dick und kugelfest, so daß schwache und fern gehende Ladungen oft ganz wirkungslos abprallen. Auch an späteren Tagen wiederholten wir unsere List und Kunst, oft gegen 4–5 Gesellschaften von 100 bis 300, und im Durchschnitte mit erfreulicher Ernte; aber das Kriechen und Liegen im Schnee ist auf die Dauer kein Spaß und ganz und gar unthunlich, wenn die Sonne während des Tages etwas erweichend gegen Schnee und Boden wirkt.

Deshalb gingen wir bald auf eine weniger waidmännische, listigere Methode über. Wir stopften mehrere der geschossenen Trappen kunstgerecht aus und stellten sie in bequemer Schußweite von bedeckten Gruben auf, in welchen wir lauerten und lauschten, bis bald diese, bald jene lebendige Gesellschaft herankam, offenbar neugierig, was diese einzelnen, ruhigen Collegen mit ihrer steifen, vereinsamten Position und Gebehrde bedeuten sollten. Ich hatte diese leichte und sehr erfolgreiche Methode schon in den Umgegenden von Samsun und Trebisond kennen gelernt. Beide Arten von Trappen, die große und die kleine, werden auf diese Weise angelockt und geschossen. Letztere sind von der Größe eines Huhns und weit feiner im Geschmack und Aroma, als erstere, aber beide gehören zu dem Besten, was geflügeltes Wild für Tisch und Gaumen zu liefern vermag. Wie mehrere der geflügelten Schaaren Kleinasiens, besonders Kriech-Enten, Kreuzschnäbel etc., während des Winters in „geheimnißvollen englischen Lockteichen“ überlistet und abgethan werden, das haben wir in einem früheren Jahrgange zum Besten gegeben.




Ein Lebenslauf. Am 9. Jan. starb in Wien der letzte directe Sprößling des freiherrlichen Stammes v. d. Trenk, preußischer Linie, die Nichte des unglücklichen Abenteurers, der im Beginne der greßen französischen Revolution unter der Guillotine sein Leben verlor, und somit auch eine Verwandte des österreichischen Pandurenführers, der aus dem Spielberg starb – Frau Edle v. Kuschieke, geborene Freiin v. d. Trenk, im 87. Lebensjahre und in solch’ tiefer Armuth, daß ihr Leichnam von der protestantischen Gemeinde A. C., deren Pfründnerin die Verstorbene auch gewesen, gratis zur Erde bestattet werden mußte. Ihre Lebensgeschichte ist eines der ergreifendsten Beispiele von den Wandlungen menschlichen Geschickes, von der Vergänglichkeit stolzester Geschlechter.

Karoline Freiin v. d. Trenk war in der Lausitz geboren, vermählte sich zu Ende des vorigen Jahrhunderts mit dem preußischen Schiffscapitain v. Kuschieke, der aber im Jahre 1807 von den Franzosen zu Stettin wegen patriotischer Widersetzlichkeit verhaftet und von ihnen an einen Ort geschafft wurde, wo er gänzlich verscholl, ohne daß seine Gattin je wieder etwas von ihm gehört hätte. Sie zog sich nach Breslau zurück, begab sich später nach Prag und ließ sich endlich 1809 in Wien nieder, wo sie sich durch Spitzenverfertigung auf maschinenmäßigem Wege ihren Unterhalt zu erwerben suchte. Im Jahre 1830 verlor sie durch die Ueberschwemmung den größten Theil ihrer Habe und das ganze Repositorium ihrer Familienpapiere. Sie versank bald darauf in Noth und mußte ihre Existenz auf Gnadengaben stützen. Im Jahre 1848, wo diese Quelle plötzlich versiechte, sah man die 75jährige Freiin v. d. Trenk mit dem Schubkarren auf den öffentlichen Arbeitsplätzen tagwerken, um sich, gleich den Aermsten der Armen, einige Groschen für den Unterhalt ihres Lebenn zu erwerben. Einige Jahre später gerieth sie ganz in die Kategorie der Unterstützungsbedürftigsten der Residenz. Die protestantische Gemeinde gewährte ihr eine Pfründe von jährlich zwölf Gulden. Die Pfarre der Leopoldstadt bemühte sich, die alte Frau in den Genuß wohlthätiger Stiftungen zu versetzen, und erwirkte ihr den Mitgenuß der Aspremont’schen Stiftung mit 61/2 Kr. WW., der Mareut’schen mit 151/2 Kr. östr. W. und – der Trenk’schen mit 41/2 Kr. östr. W. täglicher Alimente, so daß sie monatlich gegen 10 Gulden aus Wohlthätigkeitsanstalten und nebenbei auch noch von Zeit zu Zeit Gnadengaben der Kaiserin-Mutter und anderer Mitglieder des kaiserl. Hofes erhielt – bis sie endlich nach sechswöchentlicher Krankheit an Altersschwäche in den Armen ihrer Pflegetochter mit dem tiefen Seufzer verschied: „Wir haben keinen Kreuzer im Hause, was wirst Du machen, wenn ich nun sterben sollte?“

Merkwürdig ist, daß sofort nach dem Tode dieser Frau ein historischer Roman: „Friedrich von der Trenk“ angekündigt wird, dessen Herausgeber nach bis jetzt unbekannten Quellen gearbeitet haben und über viele Momente des Trenk’schen Lebens Aufschluß geben will, über die Trenk aus Rücksichten gegen lebende Personen in seinen Memoiren zu schweigen genöthigt war. Wahrscheinlich ist damit die Prinzessin Amalie, Schwester Friedrich des Großen gemeint, die bekanntlich ihrer Liebe zu Trenk das größte Opfer brachte, dessen ein Weib fähig ist: das ihrer Schönheit. Sie zerstörte dieselbe freiwillig, als sie noch in schönster Blüthe stand, um sich dadurch einem verhaßten Ehebündnisse zu entziehen.




Brave Familie. Als der König Friedrich Wilhelm III. sich mit der jetzt noch lebenden Fürstin von Liegnitz geb. Gräfin von Harrach verheirathete, reiste kurz zuvor der Graf Harrach durch H., einem kleinen Städtchen in der Provinz Sachsen. Der dortige Wirth zur Sonne hatte kaum erfahren, daß der Einkehrende der Graf Harrach sei, als er sich demselben näherte und ihn vertraulich auf die Schulter klopfte: „Herr Graf,“ sagte er unter höflichen Verbeugungen, „ich gratulire bestens, Sie können sehr froh sein, Ihre liebe Tochter macht eine gute Partie, sie kommt in eine sehr brave Familie.“





Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1860). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1860, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1860)_096.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)