Miguel Díaz-Canel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Miguel Díaz-Canel (2019)
Miguel Díaz-Canel (2023)

Miguel Mario Díaz-Canel Bermúdez (miˈɣel ˈdi.as kaˈnel, * 20. April 1960 in Falcón, Placetas) ist ein kubanischer Politiker und seit dem 19. April 2018 Präsident des Staats- und des Ministerrats der Republik Kuba. Seit dem 10. Oktober 2019 ist er Staatspräsident der Republik Kuba und seit dem 19. April 2021 außerdem Erster Sekretär der Kommunistischen Partei Kubas (PCC), beides als direkter Nachfolger von Raúl Castro.

Herkunft, Ausbildung und Studium

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Díaz-Canel schloss 1982 sein Studium als Elektronikingenieur ab und arbeitete bis 1985 als Funk-Spezialist bei den kubanischen Streitkräften, wo er den Rang eines Oberstleutnants (Teniente Coronel) innehatte.[1] Ab April 1985 unterrichtete er an der Universidad Central „Marta Abreu“ de Las Villas (UCLV) in Santa Clara. Neben seiner Lehrtätigkeit arbeitete er bis 1987 hauptamtlich für die Nachwuchsorganisation der PCC, die Unión de Jóvenes Comunistas (UJC).

In den 1980er Jahren trug er seine damals noch blonden Haare lang, hörte Rockmusik und unterstützte den Erhalt eines Nachtklubs für Künstler, Rocker, Bohemiens und Transvestiten, was in Kuba als verdächtig galt.[2]

Zwischen 1987 und 1989 erfüllte er internationalistische Missionen in Nicaragua, wo er politischer Kommissar der UJC-Sektion der Armee war. Als er zurückkehrte, wurde er Leiter der UJC in der Provinz Villa Clara. Er wurde zum Mitglied des Nationalkomitees der UJC und 1991 zum Mitglied des Zentralkomitees der PCC gewählt. 1993 wurde er zum zweiten Sekretär des Nationalkomitees der UJC ernannt.

Politische Karriere bis zur Präsidentschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1993 wurde er Mitglied des Provinzkomitees der PCC in Villa Clara und 1994 zu dessen Erstem Sekretär gewählt, dem höchsten öffentlichen Amt auf regionaler Ebene. Unter seiner Führung wurde in der Provinz Villa Clara ein für kubanische Verhältnisse besonders tolerantes Kulturleben ermöglicht. Im Unterschied zu anderen Provinzfunktionären trug er damals oft T-Shirts und fuhr zudem lange mit dem Fahrrad zur Arbeit, bis ihm die Partei dies aus Sicherheitsgründen untersagte.[3][4] 2003 wechselte er von Villa Clara in die Provinz Holguín, wo er ebenfalls den Posten des Ersten Parteisekretärs und damit den Regierungsvorsitz übernahm. Noch im selben Jahr wurde er auf Vorschlag Raúl Castros mit 43 Jahren als bisher jüngster Politiker ins Politbüro des ZK der PCC gewählt, das höchste Gremium der Partei, das aktuell 14 Mitglieder umfasst.[4] Im Mai 2009 wurde er Minister für Hochschulbildung. Am 22. März 2012 gab er diesen Posten auf, um seine neue Position als Vizepräsident des Ministerrats aufnehmen zu können.

In der kubanischen Staatsführung waren seit 1959 maßgeblich dieselben, überwiegend in den 1920er Jahren geborenen ehemaligen Guerillakämpfer vertreten. Während der Präsidentschaft Raúl Castros gelangten weitere Angehörige des Militärs in hohe politische Ämter. Demgegenüber gehörte Díaz-Canel neben Marino Murillo zur jüngeren Generation erfolgreicher Parteikader. Wie die übrigen jüngeren Kader stand er innerhalb der streng hierarchisch organisierten politischen Ordnung für absolute Treue zur Staats- und Parteiführung. Díaz-Canels Aufstieg verlief schrittweise und stetig, wohingegen die politischen Karrieren mehrerer seiner früheren Vorstandskollegen des kommunistischen Jugendverbands nach zwischenzeitlicher Prominenz unrühmlich endeten, darunter die von Roberto Robaina, Otto Rivero, Carlos Valenciaga und Felipe Pérez Roque.[5][6] Laut Berichten ausländischer Medien gehörte Díaz-Canel 2002 zu den Belastungszeugen gegen den in Ungnade gefallenen Außenminister Robaina und trat neben weiteren ehemaligen Mitarbeitern in einer rund zweistündigen Videodokumentation auf, die von der Parteiführung ausschließlich Parteikadern zum Beleg der Verfehlungen des entlassenen Funktionärs vorgeführt wurde.[7][8] Im folgenden Jahr erfolgte dann Canels Berufung ins Politbüro.

Auf dem VI. Parteitag der PCC im April 2011 stellte Díaz-Canel dem Plenum den Beschlussentwurf zum zuvor von Staats- und Parteichef Raúl Castro vorgetragenen Hauptbericht vor.[9] Diese prominente Rolle wurde als ein Zeichen seines Aufstiegs in der Parteihierarchie gewertet.[10] Neben seiner exekutiven Position und seinen Parteiämtern vertritt Díaz-Canel den Wahlbezirk Holguín als Abgeordneter im nationalen Parlament, der Asamblea Nacional del Poder Popular.

Im Februar 2013 wurde Díaz-Canel als Nachfolger des 82-jährigen José Ramón Machado Ventura zum Ersten Vizepräsidenten des Staatsrates und damit zu Kubas „Nummer Zwei“ nach Raúl Castro ernannt.[11] Seit seiner Wahl zum Vorsitzenden der PCC (Erster Sekretär) im April 2021 auf dem 8. Parteitag der Kommunistischen Partei Kubas besitzt er die volle Macht im Staat.

Präsidentschaft

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Miguel Díaz-Canel und İlham Əliyev

Díaz-Canel wurde am 19. April 2018 vom Parlament zum Nachfolger Raúl Castros als Präsident des Staats- und Ministerrats gewählt.[12] Er ist damit der erste nach der Revolution geborene Präsident Kubas. Jedoch hat er zumindest vorerst nicht die Machtfülle der Castro-Brüder bekommen: Raúl blieb Erster Sekretär des ZK der PCC, der laut Verfassung die Führungsrolle im Staat zukommt.[13]

Nach seiner Wahl zum Präsidenten des Staats- und Ministerrats erklärte er in seiner ersten Rede vor der Nationalversammlung: „Ich übernehme die Verantwortung, für die ich gewählt wurde, mit der Überzeugung, dass alle Kubaner dem Erbe des Oberbefehlshabers Fidel Castro treu bleiben werden“, und betonte, den sozialistischen Weg verteidigen und perfektionieren zu wollen.[14] Angesichts der schwierigen Wirtschaftslage sowie der unter Raúl angestoßenen, aber nur zum Teil umgesetzten Reformen bleibt jedoch der Druck groß, dass die Regierung Díaz-Canel weitere Veränderungen angehen muss.[15]

Im April 2019 trat in Kuba die neue Verfassung in Kraft, nach der es erstmals seit 1976 wieder einen kubanischen Staatspräsidenten gibt. Am 10. Oktober 2019 wurde Miguel Díaz-Canel daraufhin zum Staatspräsidenten Kubas gewählt.[16]

Mit der Wahl von Díaz-Canel verband die Bevölkerung zunächst die Hoffnung, dass mit der Verjüngung der Führungsspitze ein frischer Wind wehen würde. Diese wurde jedoch schnell enttäuscht. Seit 2019 kommt das Land nicht mehr aus dem Krisenmodus heraus. Beginnend mit der Corona-Pandemie, für die das Land nichts konnte, und der mitten in die Pandemie fallende verunglückte Währungsreform zum Jahreswechsel 2020/2021, wo der Peso Convertible (CUC) durch die digitale Moneda Libremente Convertible (MLC) ersetzt wurde, sank die Wirtschaft in fast allen Bereichen. Die Versorgung der Bevölkerung nimmt ab, die Inflation steigt, Stromausfälle nehmen stetig zu und kulminierten im Oktober 2024 in einem mehrtägigen landesweiten Stromausfall. Immer wieder aufflammende Antiregierungsproteste werden brutal unterdrückt. Zwar macht die Regierung hierfür, wie üblich, die US-‚Blockade‘ verantwortlich, jedoch wirft selbst Partner China Kubas Führung mangelnden Reformwillen vor.[17]

In der konstituierenden Sitzung der neu gewählten Nationalversammlung wurde er am 19. April 2023 für eine weitere fünfjährige Amtszeit gewählt. Als große Herausforderungen seiner zweiten Amtszeit werden die Inflation und die Versorgung der Insel mit Medikamenten, Nahrungsmitteln und Elektrizität genannt.[18]

Miguel Díaz-Canel ist in zweiter Ehe mit der Kulturwissenschaftlerin und Tourismusfunktionärin Lis Cuesta Peraza verheiratet. Aus erster Ehe mit der Zahnärztin Marta Villanueva hat er zwei erwachsene Kinder.[19][20]

Commons: Miguel Díaz-Canel – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Emilio Ichikawa: Teniente Coronel Miguel Díaz-Canel: Dos lecturas (Memento vom 8. Juni 2015 im Internet Archive), 8. Dezember 2013.
  2. Von Castros Gnaden – Miguel Díaz-Canel übernimmt in Kuba. In: Spiegel Online, abgerufen am 19. April 2018.
  3. Cuba Shows Its Next President. In: Havana Times, 25. Februar 2013.
  4. a b Juan Tamayo: Miguel Diaz-Canel, Cuba’s new No. 2, respected as smart and personable. In: Miami Herald vom 24. Februar 2013, abgerufen am 27. Februar 2013 (englisch).
  5. Andrea Rodriguez: Miguel Diaz-Canel, Raul Castro’s likely heir-apparent, seen as a serious-minded party loyalist. In: Fox News vom 24. Februar 2013, abgerufen am 22. Januar 2014 (englisch).
  6. Paul Haven: Miguel Diaz-Canel, First Vice President Of Cuba’s Communist Party, Rose Gradually To Castro’s No. 2 (Memento vom 3. Februar 2014 im Internet Archive). In: Huffington Post vom 25. Februar 2013, abgerufen am 22. Januar 2014 (englisch).
  7. Expulsan del Partido Comunista de Cuba a ex canciller Roberto Robaina. In: La Red 21 vom 1. August 2002, abgerufen am 27. Februar 2013 (spanisch).
  8. El ex canciller cubano Roberto Robaina es expulsado del PCC y cesado como diputado (Memento vom 1. Februar 2014 im Internet Archive). In: Diario de Avisos vom 3. August 2002, abgerufen am 27. Februar 2013 (spanisch).
  9. Resolución sobre el Informe Central. (Memento des Originals vom 23. April 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.granma.cubaweb.cu In: Granma vom 19. April 2011, abgerufen am 31. März 2012 (spanisch).
  10. Gerardo Arreola: Aprobado, el plan de reforma de Raúl Castro; eligen al Comité Central. In: La Jornada vom 19. April 2011, abgerufen am 31. März 2012 (spanisch).
  11. Arleen Rodríguez Derivet: Ratificado Raúl como presidente del Consejo de Estado y del Consejo de Ministros (+ Fotos) Artikel vom 24. Februar 2013 auf cubadebate.cu. Abgerufen am 21. April 2021 (spanisch).
  12. Miguel Díaz-Canel zum neuen Präsidenten Kubas gewählt. Abgerufen am 21. April 2018.
  13. Andreas Ross: Das Ende der Ära Castro: Ein Kind der Revolution. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 18. April 2018, abgerufen am 18. April 2018.
  14. Kein Emporkömmling – keine Notlösung: Castro-Nachfolger Diaz-Canel. Abgerufen am 19. April 2018.
  15. Bert Hoffmann: Kuba nach Raúl: Der Reformdruck bleibt hoch. Abgerufen am 29. Mai 2018.
  16. Kuba: Díaz-Canel zum ersten Präsidenten seit 1976 gewählt
  17. Sandra Weiss: Bankrott der Unbelehrbaren. In: IPG-Journal. Friedrich-Ebert-Stiftung, 25. Oktober 2024, abgerufen am 25. Oktober 2024.
  18. tagesschau.de: Kuba: Díaz-Canel als Präsident bestätigt. 20. April 2023, abgerufen am 20. April 2023.
  19. Mimi Whitefield und Nora Gámez Torres: ¿Quién es Miguel Díaz-Canel, el nuevo gobernante de Cuba? In: El Nuevo Herald. 19. April 2018, abgerufen am 21. April 2018 (spanisch).
  20. Sandra Weiss: Miguel Díaz-Canel beerbt Raúl Castro als Präsident Kubas. In: Augsburger Allgemeine. 19. April 2018, abgerufen am 21. April 2018.