Kernkraftwerk Bohunice

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Kernkraftwerk Bohunice
Kühltürme (stillgelegte V1 links und vorne, V2 rechts und hinten)
Kühltürme (stillgelegte V1 links und vorne, V2 rechts und hinten)
Lage
Kernkraftwerk Bohunice (Slowakei)
Kernkraftwerk Bohunice (Slowakei)
Koordinaten 48° 29′ 40″ N, 17° 40′ 50″ OKoordinaten: 48° 29′ 40″ N, 17° 40′ 50″ O
Land Slowakei Slowakei
Daten
Eigentümer V1: JAVYS
V2: Slovenské elektrárne
Betreiber V1: JAVYS
V2: Slovenské Elektrárne
Projektbeginn 1958
Kommerzieller Betrieb 25. Dezember 1972

Aktive Reaktoren (Brutto)

2  (1000 MW)

Stillgelegte Reaktoren (Brutto)

3  (1.023 MW)
Eingespeiste Energie im Jahr 2021 7.459,73 GWh
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme 380.500 GWh
Stand 01. Januar 2023
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.
f1

Das Kernkraftwerk Bohunice (slowakisch Atómové elektrárne Bohunice, Abk. EBO) steht etwa 2,5 km vom Dorf Jaslovské Bohunice entfernt im Okres Trnava in der Westslowakei. Es besteht aus insgesamt drei Anlagen: das seit 1979 abgeschaltete Bohunice A1, das seit 2008 abgeschaltete Bohunice V1 und das in Betrieb befindliche Bohunice V2 mit einer Leistung von 1 GW. Die Anlagen V1 und V2 besitzen jeweils zwei Druckwasserreaktoren vom Typ WWER-440. In unmittelbarer Nähe zum Kernkraftwerk entstand ab Herbst 2009 das Gas- und Dampfkraftwerk Malženice.

Am Standort befindet sich auch das erste tschechoslowakische Kernkraftwerk Bohunice A1. Der seit 1979 stillgelegte Reaktor war ein tschechoslowakischer einzigartiger Prototyp mit der Bezeichnung KS 150. Es handelt sich hierbei um einen mit Kohlenstoffdioxidgas gekühlten und mit schwerem Wasser moderierten Druckröhrenreaktor, der mit nichtangereichertem Uran betrieben wurde. Außer den Brennelementen wurde der Reaktor ab 1958 von Škoda gebaut und ging 1972 in Betrieb.[1]

Es ereigneten sich in kurzer Folge zwei schwere Unfälle. Am 5. Januar 1976 trat radioaktiv kontaminiertes Kühlmittel in die Reaktorhalle aus. Die Brennelemente wurden normalerweise unter Vollbetrieb gewechselt. Nach dem Auswechseln eines Brennelementes löste sich dieses in der Druckröhre, schoss aus dem Reaktor hinauf in die Reaktorhalle und zerschellte an dem über dem Reaktor stehenden Kran. Durch den offenen Kanal strömte das als Kühlmittel verwendete, unter Druck stehende Kohlenstoffdioxid in den Reaktorraum. Der Bedienungsmannschaft gelang es zwar, mit dem Ladekran den offenen Kanal abzudichten, zwei Mitarbeiter konnten sich aber nicht rechtzeitig retten und erstickten.[2] Am 22. Februar 1977 wurde die Anlage beim Wiederbefüllen mit Brennstäben schwer beschädigt: Bei dem Unfall führten vergessene Reste der Verpackung beigefügten Trocknungsmittels Silicagel an einem Brennelement zu Verstopfungen, sodass das Kühlmittel nicht richtig durchströmen konnte und es zu einer lokalen Überhitzung kam. Die Druckröhre sowie umliegende technologische Kanäle wurden beschädigt. In den Gas-Kühlkreislauf drang schweres Wasser ein. Aufgrund des schnellen Temperaturanstieges wurde die Beschichtung der Brennstäbe in der aktiven Zone beschädigt. Durch das Wegfallen dieser Sperre wurde der Primärbereich kontaminiert und anschließend wegen Undichtigkeiten der Dampfgeneratoren auch Teile des sekundären Bereiches.[1] Bereits im ersten Halbjahr 1978 war klar, dass der Betrieb aus wirtschaftlichen sowie technischen Gründen nicht wieder aufgenommen wird.[3] Die föderale Regierung entschied 1979, den Betrieb nicht wieder aufzunehmen und den Reaktorblock stillzulegen.[1]

Der Unfall im Jahr 1977 wird in der internationalen Unfallstatistik in der Stufe 4 der INES-Skala geführt, der Vorfall im Jahr 1976 wird als ernster Störfall (INES 3) geführt.[4] Die beschädigten und auch die restlichen Brennelemente aus dem Reaktor A1 wurden zwischenzeitlich wieder nach Russland zurückgebracht.[5] Das Reaktorgebäude stellt eine bisher nicht sanierte Altlast auf dem Kraftwerksgelände dar.

In der mittlerweile stillgelegten Anlage V1 sind zwei 440 MW WWER vom Typ WWER-440/230 der 1. Generation eingesetzt, die konstruktionsbedingt eine Reihe von Sicherheitsmängeln aufweisen. Die Blöcke besaßen jeweils eine installierte Leistung von 440 MW und gingen zwischen 1978 und 1985 ans Netz.

Sicherheitsüberprüfungen und Nachrüstungen

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1991 wurden von der IAEA Sicherheitsüberprüfungen für mehrere Kernkraftwerke vom Typ WWER-440/230 durchgeführt, die sich auf die Anlagentechnik wie auch auf die Betriebsführung der Kernkraftwerke bezogen. Es betraf die Kraftwerksblöcke Bohunice 1–2, Kosloduj 1–4 (Bulgarien) sowie Nowoworonesch 3–4 und Kola 1–2 (Russland). Ziel war es, die Länder bei der Sicherheitsüberprüfung der Kernkraftwerke zu unterstützen, um Konstruktions- und Betriebsschwächen zu ermitteln und die technische Grundlage für die Verbesserung der Kraftwerkssicherheit zu liefern. Etwa 1300 spezifische Sicherheitselemente wurden bei der Überprüfung identifiziert, die hinsichtlich ihrer sicherheitstechnischen Bedeutung in vier Kategorien mit zunehmendem Schweregrad eingestuft wurden.[6]

Von 1996 bis 2000 wurde Bohunice für 215 Millionen US$ modernisiert. Das Konsortium REKON – Siemens KWU und VUJE Trnava – war Hauptauftragnehmer. Es wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Teile des Kraftwerks erneuert, dazu zählen Notkühlsystem, Notstromversorgung und die Instrumente inkl. Steuerung. Bis zum Jahr 2000 wurden die Notkühlsysteme verbessert sowie die Kontroll- und Leittechnik der beiden Reaktoren für mehr als 120 Millionen Euro mit westlicher Steuertechnik und Elektronik nachgerüstet.

Die Stilllegung der Anlage V1 mit den Reaktoren 1 und 2 wurde mit der EU im Beitrittsvertrag 2003[7] durch Protokoll Nr. 9 betreffend die Reaktoren 1 und 2 des Kernkraftwerks Bohunice V1 in der Slowakei vereinbart. Der erste Block wurde am 31. Dezember 2006 abgeschaltet.[8][9] Der Block 2 wurde planmäßig am 31. Dezember 2008 abgeschaltet.[10][11] Vier Reaktoren des gleichen Typs wurden im Kernkraftwerk Greifswald schon im Jahr 1990 abgeschaltet, da auch hier festgestellt wurde, dass die Reaktoren der Version 230 nicht im ausreichenden Umfang modernisierungsfähig sind. Als Ersatz sollen zwei Reaktoren im zweiten slowakischen Kernkraftwerk in Mochovce fertiggestellt werden.

Geplante Wiederinbetriebnahme wegen Gasstreit

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Aufgrund der am 7. Januar 2009 wegen des Streites zwischen Russland und dem Gas-Transitland Ukraine unterbrochenen Gaslieferung stand das Land laut Wirtschaftsminister Ľubomír Jahnátek nach dem Verbrauch der letzten für die Stromversorgung verfügbaren Gasreserven vor einem energetischen Kollaps. Deshalb beschloss die slowakische Regierung am 10. Januar 2009, als Notmaßnahme den abgeschalteten Block für begrenzte Zeit wieder in Betrieb zu nehmen, um den Zusammenbruch des slowakischen Energieversorgungsnetzes zu verhindern. Die Verletzung des EU-Beitrittsvertrages durch diesen Schritt sowie die zu erwartenden Proteste von Österreich und von Umweltverbänden nahm Ministerpräsident Robert Fico dabei bewusst in Kauf.[12]

Wenige Tage später gab das slowakische Außenministerium bekannt, dank unterstützender Gaslieferungen aus Tschechien sei ein Wiederanfahren vorläufig vom Tisch.[13]

Die in der Anlage V2 eingesetzten WWER sind vom Typ WWER-440/213 aus der 2. Generation und gingen am 20. August 1984 und 18. Dezember 1985 ans Netz. 1987 und 1997 wurde die Anlage V2 zur zusätzlichen Nutzung von Fernwärme umgebaut. Die beiden Reaktorblöcke Bohunice-3 und Bohunice-4 des Typs WWER-440/213 sind modernisierungsfähig und werden nachgerüstet und weiterbetrieben.[14]

2005 bis 2008 wurden die Bohunice-V2-Reaktoren einer Modernisierung unterzogen. Unter anderem wurden die seismische Stabilität, das Kühlsystem und das Steuerungssystem modernisiert. In weiterer Folge wurde bis November 2010 die Leistung beider Einheiten von 440 MW auf je 505 MW gesteigert. Der weitere Betrieb war ursprünglich bis 2025 geplant, soll aber nach einer Ertüchtigung bis 2045 verlängert werden.[15]

Die slowakische Regierung hatte bekanntgegeben, dass für die Abschaltung von Bohunice V1 ein neues Kernkraftwerk gebaut werden soll. Es gab die Möglichkeit eines fünften Blocks in Mochovce und ein neues Kernkraftwerk in Kecerovce. E.ON äußerte im März 2007 sein Interesse an einem neuen Kernkraftwerk in Bohunice und ČEZ einige Monate später im Oktober ebenfalls. Später hatte man beschlossen, in Bohunice ein 1200 MW starkes Kernkraftwerk zu bauen und in Kecerovce ebenfalls einen 1.200 MW starken Block. Am 17. September 2008 unterzeichnete die Slowakei mit Frankreich ein Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit im Bereich der friedlichen Nutzung der Kernenergie, mit dem Ziel, einen EPR oder Atmea in Bohunice zu bauen. Es sind aber auch noch Druckwasserreaktor-Projekte anderer Hersteller wie Westinghouse und Mitsubishi sowie ein russischer WWER-Typ im Wettbewerb.

Daten der Reaktorblöcke

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Das Kernkraftwerk besteht aus den drei Teilanlagen Bohunice A1, Bohunice V1 (Block 1 und 2) und Bohunice V2 (Block 3 und 4).

Reaktorblock[8] Reaktortyp Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Abschal-
tung
Bohunice A1 Druckröhrenreaktor KS-150 93 MW 143 MW 1. August 1958 25. Dezember 1972 25. Dezember 1972 17. Mai 1979

Bohunice V1

Bohunice 1 WWER-440/230 408 MW 440 MW 24. April 1972 17. Dezember 1978 1. April 1980 31. Dezember 2006
Bohunice 2 WWER-440/230 408 MW 440 MW 24. April 1972 26. März 1980 1. Januar 1981 31. Dezember 2008

Bohunice V2

Bohunice 3 WWER-440/213 466 MW 500 MW 1. Dezember 1976 20. August 1984 14. Februar 1985 (2045 geplant[15])
Bohunice 4 WWER-440/213 466 MW 500 MW 1. Dezember 1976 9. August 1985 18. Dezember 1985 (2045 geplant)

Einzelnachweise

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  1. a b c JAVYS: Angaben zum Kernkraftwerk Bohunice A-1 (Memento des Originals vom 3. Oktober 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.javys.sk (englisch/slowakisch)
  2. SME.sk: Černobyľ mohol byť u nás (Interview mit Milan Antolík, Mitglied der Bedienungsmannschaft während des Unfalls)
  3. Jozef Keher: Historické aspekty JE V1 – Historic Aspects of V1 NPP. In: Dobroslav Dobák et al.: 50 rokov jadrových elektrární na Slovensku. Jadrová a vyraďovacia spoločnosť und Enel Slovenské elektrárne, 2007. S. 56–75 (PDF (Memento des Originals vom 31. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.javys.sk)
  4. Martin Slezák: Historické aspekty VYZ – Historical aspects of VYZ. In: Dobroslav Dobák et al.: 50 rokov jadrových elektrární na Slovensku. Jadrová a vyraďovacia spoločnosť und Enel Slovenské elektrárne, 2007. S. 98–109 (PDF (Memento des Originals vom 31. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.javys.sk)
  5. Miroslav Lipár: Pod kontrolou dozoru – Under kontrol of supervision. In: Dobroslav Dobák et al.: 50 rokov jadrových elektrární na Slovensku. Jadrová a vyraďovacia spoločnosť und Enel Slovenské elektrárne, 2007. S. 118–133 (PDF (Memento des Originals vom 31. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.javys.sk)
  6. Ranking of safety issues for WWER-440 model 230 nuclear power plants, IAEA, Wien, 1992 (IAEA-TECDOC-640).
  7. Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge – Protokoll Nr. 9 über die Reaktoren 1 und 2 des Kernkraftwerks Bohunice v1 in der Slowakei
  8. a b Power Reactor Information System der IAEA: „Slovak Republic: Nuclear Power Reactors“ (englisch)
  9. DPA Meldung vom 29. Dezember 2006@1@2Vorlage:Toter Link/kurier.at (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im November 2022. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. veröffentlicht durch Kurier Online
  10. EU-Beitrittsvertragsgesetz vom 18. Sept. 2003 (BGBl. II S. 1408)
  11. Jaslovske Bohunice: Atomreaktor abgeschaltet auf n-tv abgerufen am 31. Dezember 2008
  12. Spiegel online: Slowakei knipst Atomkraftwerk wieder an
  13. Energie: Atomkraftwerk Bohunice geht nicht in Betrieb am 19. Januar 2009, abgerufen am 23. Januar 2009.
  14. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Memento des Originals vom 11. März 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bmu.de - Umweltschutz im Beitrittsvertrag
  15. a b Nuclear Power in Slovakia (Updated August 2023). August 2023, abgerufen am 19. Dezember 2023: „SE is planning to extend the licences of the V2 units to 2045 following upgrading.“