Nichtwähler

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Die Wahlbeteiligung in der Bundesrepublik hat im Schnitt seit 1949 auf allen Ebenen des politischen Systems mehr oder weniger stark abgenommen. Mit steigender Tendenz: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Nichtwähler verdoppelt. Besonders auffallend ist die niedrige Wahlbeteiligung bei Kommunal-, Regional-, Landtags-, und Europawahlen. Bei den Europawahlen sank die Wahlbeteiligung seit 1979 von 65,7 % auf zuletzt 43,0 % (Europawahl 2004), während die Wahlbeteiligung auf Bundesebene relativ hoch bleibt, wenngleich auch hier ein Rückgang festzustellen ist.

Typen von Nichtwählern

Die sogenannten „unechten Nichtwähler“ , auch technische Nichtwähler genannt, entstehen durch fehlerhafte Wählerverzeichnisse (z.B. sind kurz vor der Wahl verstorbene Personen noch in den Wahlregistern geführt), zu spät abgeschickte Briefwahlunterlagen, Krankheit oder entsprechende kurzfristige Verhinderung. Diese Gruppe wird auf 4-5% der Nichtwähler geschätzt.

Eine weitere Gruppe stellen die „grundsätzlichen Nichtwähler“, die etwa aus religiösen Gründen, wie die Zeugen Jehovas, sich nicht an Wahlen beteiligen. Ihre Zahl wird sehr gering geschätzt. Ferner zählen zu den grundsätzlichen Nichtwählern all jene, die aus mangelndem politischen Interesse und großer Distanz gegenüber politischen Institutionen nie ihre Stimme abgeben. Sie gelten als sozial schlecht integriert, meist verbunden mit niedrigem Berufsstatus und Bildungsgrad.

Die „konjunkturellen Nichtwähler“ stellen die größte Gruppe der Nichtwähler. Sie entscheiden von Wahl zu Wahl, ob sie sich beteiligen wollen oder nicht – je nachdem welche Bedeutung sie der Wahl beimessen (Bundestagswahlen zum Beispiel sehr viel höher als Europawahlen). Sie sind meist mit dem System zufrieden, verfügen über keine oder nur geringe Parteibindung und tendieren ganz allgemein zu wechselhaftem Wahlverhalten. Sie sehen Wählen noch als staatsbürgerliche Pflicht, die allerdings am Wahltag mit privaten Interessen konkurriert.

Die „bekennenden Nichtwähler“ wollen mit ihrer Wahlenthaltung politischen Protest artikulieren. Sie stehen dem herrschenden politischen System kritisch gegenüber. Nichtwählerforscher Michael Eilfort sieht hier in der Wahlenthaltung das Ergebnis einer bewussten Entscheidung durch politisch informierte und interessierte Bürger.


Deutung des Phänomens

Die Experten schätzen das Phänomen Nichtwähler unterschiedlich ein. Zwei entgegengesetzte Thesen stehen sich gegenüber. Während Vertreter der Krisenthese hinter der Wahlenthaltung Politikverdrossenheit, Protest und eine Ablehnung des Systems ausmachen wollen, sehen andere Experten hinter den steigenden Nichtwählerzahlen eine längerfristige Normalisierung.

Normalisierungsthese: Sie besagt, dass das System funktioniere und die Zufriedenheit der Bürger damit so groß sei, dass der Wähler nicht mehr das Gefühl habe, bei jeder Wahl gebraucht zu werden. Außerdem würden nun auch in Deutschland die politisch Uninteressierten die Stimmabgabe verweigern, wie es in anderen demokratischen Ländern schon immer war. Mit dem Rückgang der Wahlbeteiligung werde die Bundesrepublik ganz einfach von einem Trend erfasst, der in anderen westlichen Demokratien schon früher einsetzte - von einem Krisensymptom wird in dieser Denkweise nicht gesprochen. Sozialer Wandel, Dealignment und steigende Flexibilität im Wahlverhalten lassen die Nichtwahl zu einer weiteren akzeptierten Option für den Wechselwähler werden.

Krisenthese: Vertreter dieser These sehen hingegen im Rückgang der Wahlbeteiligung ein Signal für vielfältig motivierte politische Unzufriedenheit und eine zunehmende Anti-Parteien-Haltung. Die Entwicklung in Deutschland basiert, dieser These zu Folge, auf vermehrter Stimmenverweigerung politisch interessierter Bürger und ist als Warnsignal zu verstehen. Die Nichtwahl ist so verstanden ein bewusst eingesetztes Mittel, um Unzufriedenheit und Protest zu äußern – der vielbeschworene „Denkzettel“ und damit ein Akt politischen Verhaltens.