Riociguat

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Strukturformel
Struktur von Riociguat
Allgemeines
Freiname Riociguat
Andere Namen

Methyl-N-[4,6-Diamino-2-[1-[(2-fluorphenyl)methyl]-1H-pyrazolo[3,4-b]pyridin-3-yl]-5-pyrimidinyl]-N-methyl-carbaminat (IUPAC)

Summenformel C20H19FN8O2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 625115-55-1
EG-Nummer (Listennummer) 641-755-1
ECHA-InfoCard 100.169.606
PubChem 11304743
ChemSpider 9479719
DrugBank DB08931
Wikidata Q2154494
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse

sGC-Stimulatoren

Wirkmechanismus

Stimulation der löslichen Guanylatzyklase

Eigenschaften
Molare Masse 422,415 g·mol−1
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: ?
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Riociguat ist ein Arzneistoff, der zur Behandlung der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH) und bestimmter Formen der pulmonalarteriellen Hypertonie (PAH) eingesetzt werden kann. Riociguat ist ein Stimulator der löslichen Guanylatzyklase (sGC), ein wichtiges Enzym im Stickstoffmonoxid-Signalweg. Riociguat wurde von Bayer entwickelt.

Entdeckung und Entwicklung

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Der erste Stickstoffmonoxid-unabhängige, Häm-abhängige Guanylatzyklase-Stimulator YC-1, ein synthetisches Benzylindazolderivat, wurde im Jahr 1978 beschrieben.[2] Die pharmakologische Charakterisierung dieses Stoffes 20 Jahre später zeigte, dass YC-1 nicht nur die Aktivität der löslichen Guanylatzyklase erhöhte, sondern auch mit NO synergistisch die Guanylatzyklase stimulierte. YC-1 war jedoch ein relativ schwacher Vasodilator und zeigte auch Nebenwirkungen. Die Suche unter den Indazol-Wirkstoffen ergab die Identifizierung von BAY 41-2272 und BAY 41-8543.[3] Die Resultate zeigten eine Verbesserung der systemischen arteriellen Sauerstoffversorgung. Weitere Teste führten zur Entdeckung von Riociguat.[4][5] Das Medikament reduzierte im Tiermodell effektiv die pulmonale Hypertonie sowie die krankheitsbedingte Hypertrophie des rechten Herzens mit weiteren strukturellen Veränderungen beider Ventrikel.

2013 wurde das Riociguat als Medikament in den USA zugelassen. 2014 erfolgte die Zulassungsempfehlung durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA.[6]

Ein Forscherteam von der Universität Gießen und von Bayer wurde 2015 für die „zukunftsweisende Entwicklung eines Medikaments“ mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet.[7]

Chemie und Wirkungsweise

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Stickstoffmonoxid (NO) fungiert als Signalmolekül in Zellen der glatten Muskulatur, um die Blutgefäßerweiterung auszulösen. In Patienten mit pulmonaler arterieller Hypertonie (PAH) ist das Enzym NO-Synthase, das die NO-Produktion bedingt, nur reduziert vorhanden. Als Resultat findet man bei diesen Patienten geringere Konzentrationen an zellulär produziertem NO und eine Vasokonstriktion. NO bindet als Signalmolekül an das Enzym lösliche Guanylatzyklase (sGC) und induziert so die Produktion des sekundären Signalmoleküls (second Messenger) cyclisches Guanosinmonophosphat (cGMP). Das synthetisierte cGMP aktiviert die cGMP-abhängige Proteinkinase (Proteinkinase G), welche die zytosolische Calciumionenkonzentration reguliert. Die Änderung des Calciumspiegels in der Zelle verursacht über die Veränderung der Aktin-Myosin-Kontraktion dann die Blutgefäßerweiterung. Bei Vorliegen einer PAH ist dieser Weg gestört, da nicht genügend NO zur Verfügung steht oder es ungenügend wirkt. Im Gegensatz zu NO oder zu häm-unabhängigen sGC-Aktivatoren, z. B. Cinaciguat, wirkt Riociguat als direkter sGC-Stimulator unabhängig von NO.[8] Des Weiteren wirkt Riociguat synergistisch zu NO und erzielt anti-aggregatorische, anti-proliferative und vasodilatorische Effekte.[9][10]

Riociguat erhöht in Konzentrationen zwischen 0,1 und 100 mmol/l die Aktivität des Enzyms sGC. Außerdem wirkt Riociguat in Synergie mit dem NO-Donor-Komplex Diethylamin/NO und kann die sGC-Aktivität in vitro steigern.[11] Eine klinische Phase I Studie zeigte, dass Riociguat schnell vom Körper absorbiert wird und dass die maximale Plasmakonzentration nach ca. 0,5–1,5 Stunden erreicht ist.[12] Die durchschnittliche Eliminationshalbwertzeit liegt zwischen 5 und 10 Stunden.[12] Riociguat-Plasmakonzentrationen können relativ variabel in verschiedenen Patienten sein, weshalb die Dosis zum Therapiebeginn individuell auf den Patienten abgestimmt wird (Titration).

Klinische Studien

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Verschiedene klinische Studien wurden und werden zurzeit durchgeführt, um diverse Aspekte von Riociguat zu untersuchen.[13]

Die erste Studie zur Bestätigung des Wirkungskonzepts von Riociguat in Patienten mit PAH wurde im Lungen-Zentrum der Universität Gießen durchgeführt. Dazu wurden bei neunzehn Patienten evaluiert.[9] Das Medikament wurde gut vertragen und war im Vergleich zu NO länger wirksam und effizienter. Weiter Studien waren CHEST-1 und PATENT-1 sowie deren Verlängerungsstudien Detaillierte Beschreibungen dieser Studien sind auf der National Institutes of Health(NIH)-Webseite zu finden.[13] Bei CHEST wurde die Belastungsfähigkeit durch den sogenannten 6-Minuten-Gehtest evaluiert.[14][15]

  • Adempas (D, A, CH)

Einzelnachweise

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  1. Vorlage:CL Inventory/nicht harmonisiertFür diesen Stoff liegt noch keine harmonisierte Einstufung vor. Wiedergegeben ist eine von einer Selbsteinstufung durch Inverkehrbringer abgeleitete Kennzeichnung von methyl[4,6-diamino-2-[1-(2-fluorobenzyl)-1H-pyrazolo[3,4-b]pyridin-3-yl]pyrimidin-5-yl]methyl carbamate im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 11. Juli 2020.
  2. Yoshina S, Tanaka A, Kuo SC: Studies on heterocyclic compounds. XXXVI. Synthesis of furo[3,2-c]pyrazole derivatives. (4) Synthesis of 1,3-diphenylfuro[3,2-c]pyrazole-5-carboxaldehyde and its derivatives (author's transl). In: Yakugaku Zasshi. 98. Jahrgang, Nr. 3, März 1978, S. 272–9, PMID 650406 (japanisch).
  3. Stasch JP, Becker EM, Alonso-Alija C, et al.: NO-independent regulatory site on soluble guanylate cyclase. In: Nature. 410. Jahrgang, Nr. 6825, März 2001, S. 212–5, doi:10.1038/35065611, PMID 11242081.
  4. Evgenov OV, Pacher P, Schmidt PM, Haskó G, Schmidt HH, Stasch JP: NO-independent stimulators and activators of soluble guanylate cyclase: discovery and therapeutic potential. In: Nature Reviews Drug Discovery. 5. Jahrgang, Nr. 9, September 2006, S. 755–68, doi:10.1038/nrd2038, PMID 16955067, PMC 2225477 (freier Volltext).
  5. Mittendorf J, Weigand S, Alonso-Alija C, et al.: Discovery of riociguat (BAY 63-2521): a potent, oral stimulator of soluble guanylate cyclase for the treatment of pulmonary hypertension. In: ChemMedChem. 4. Jahrgang, Nr. 5, Mai 2009, S. 853–65, doi:10.1002/cmdc.200900014, PMID 19263460.
  6. Apotheke adhoc: Zulassung für Adempas. 31. Januar 2014, ehemals im Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 9. Dezember 2014.@1@2Vorlage:Toter Link/www.apotheke-adhoc.de (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
  7. Deutscher Zukunftspreis geht an DZL-Forscher Prof. Ghofrani und Team. In: dzl.de. Deutsches Zentrum für Lungenforschung, 3. Dezember 2015, abgerufen am 20. Juli 2024.
  8. Evgenov OV, Pacher P, Schmidt PM, Haskó G, Schmidt HH, Stasch JP: NO-independent stimulators and activators of soluble guanylate cyclase: discovery and therapeutic potential. In: Nature Reviews. Drug Discovery. 5. Jahrgang, Nr. 9, September 2006, S. 755–68, doi:10.1038/nrd2038, PMID 16955067, PMC 2225477 (freier Volltext).
  9. a b Grimminger F, Weimann G, Frey R, et al.: First acute haemodynamic study of soluble guanylate cyclase stimulator riociguat in pulmonary hypertension. In: The European Respiratory Journal. 33. Jahrgang, Nr. 4, April 2009, S. 785–92, doi:10.1183/09031936.00039808, PMID 19129292.
  10. Stasch JP, Hobbs AJ: NO-independent, haem-dependent soluble guanylate cyclase stimulators. In: Handbook of Experimental Pharmacology. 191. Jahrgang, Nr. 191, 2009, S. 277–308, doi:10.1007/978-3-540-68964-5_13, PMID 19089334.
  11. Schermuly RT, Stasch JP, Pullamsetti SS, et al.: Expression and function of soluble guanylate cyclase in pulmonary arterial hypertension. In: The European Respiratory Journal. 32. Jahrgang, Nr. 4, Oktober 2008, S. 881–91, doi:10.1183/09031936.00114407, PMID 18550612.
  12. a b Frey R, Mück W, Unger S, Artmeier-Brandt U, Weimann G, Wensing G: Pharmacokinetics, pharmacodynamics, tolerability, and safety of the soluble guanylate cyclase activator cinaciguat (BAY 58-2667) in healthy male volunteers. In: Journal of Clinical Pharmacology. 48. Jahrgang, Nr. 12, Dezember 2008, S. 1400–10, doi:10.1177/0091270008322906, PMID 18779378.
  13. a b ClinicalTrials.gov: Riociguat.
  14. Der 6-Minuten-Gehtest: Eine kostengünstige Alternative zur Spiroergometrie bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz?, in: Zeitschrift für Kardiologie, 2000, 89(2), S. 72–80, doi:10.1007/s003920050012.
  15. ClinicalTrials.gov: A Study to Evaluate Efficacy and Safety of Oral BAY63-2521 in Patients With CTEPH.