Tobias Ginsburg
Tobias Ginsburg (* 1986 in Hamburg) ist ein deutscher Schriftsteller und Theaterregisseur.
Leben und Wirken
Tobias Ginsburg ist jüdisch.[1] Er studierte Dramaturgie, Literaturwissenschaft und Philosophie an der Bayerischen Theaterakademie August Everding und der Ludwig-Maximilians-Universität München. Während seiner Studienzeit arbeitete Ginsburg als Dramaturg, leitete und moderierte die Theaterveranstaltung Café Lachs auf der universitären Studiobühne[2] und assistierte an verschiedenen Theatern. Sein Debüt als Autor und Regisseur gab er 2007 mit Vergewaltigt. Eine romantische Komödie. 2011 schrieb und inszenierte er das dokumentarische Theaterstück Nestbeschmutzung, für das er gemeinsam mit seinen Dramaturgen anderthalb Jahre über Leben, Werk und Familie des NS-Schriftstellers Edwin Erich Dwinger recherchierte.[3] 2012 entstanden die Performance Tabu. Ein deutsches Gesellschaftsspiel am Pathos Theater und das Theaterstück Endlich über den Tod. Es folgten Weltenbrand. Giftgas, der Erste Weltkrieg und danach an der Schauburg und Radikal. Monument der Verwesung im I-camp München. Für Weltenbrand wurden Ginsburg und seine Koautorin Daphne Ebner auf dem Heidelberger Stückemarkt mit dem Jugendstückpreis 2015 ausgezeichnet.[4][5] Das Stück war außerdem für den Deutschen Jugendtheaterpreis 2014 nominiert und wurde zu den Mülheimer Theatertagen 2016 eingeladen.[6] Am 14. Februar 2015 feierte das Theaterstück Goldland Premiere auf der brechtbühne am Theater Augsburg.[7] Ginsburg ist Gründungsmitglied der Theatergruppe Fake to Pretend.
Im März 2018 erschien Ginsburgs Buch Die Reise ins Reich. Unter Reichsbürgern.[8][9] Für diese literarische Reportage schleuste sich Ginsburg undercover in die Szene rechtsextremer und esoterischer Verschwörungstheoretiker ein, schloss sich einer Sekte und anderen Gruppierungen an, traf aber auch auf AfD-Politiker und rechtsextreme Szenegrößen. Seine Rechercheergbenisse unterfütterte er mit historischen Einordnungen und politischer Analyse, zugleich führte das Buch "einen neuen, literarischen Ton in die investigative Reportage ein"[10]: Ginsburg erzählt romanhaft, schreibt einfühlsam und mitunter mit schwarzem Humor über die Menschen und Fanatiker, denen er begegnet. So hieß es etwa in der Süddeutschen Zeitung: "Ginsburg begegnet den Menschen eher mit Neugier denn mit Abneigung, lässt Raum für Sympathie mit den Unsympathischen. Eine große Leistung."[11] Das Buch erreichte im Juni desselben Jahres Platz 5 der Sachbuch-Bestenliste.[12] 2021 erschien das Buch in einer stark erweiterten Neuausgabe (Querdenkerbewegung und Coronaleugner) unter dem Titel Die Reise ins Reich. Unter Rechtsextremisten, Reichsbürgern und anderen Verschwörungstheoretikern im Rowohlt Verlag.
2021 erschien Ginsburgs Buch Die letzten Männer des Westens. Antifeministen, rechte Männerbünde und die Krieger des Patriarchats, eine weitere literarische Undercoverreportage.[13] Anderthalb Jahre lang recherchierte Ginsburg dafür unerkannt in der rechtsextremen Szene Deutschlands, Polens und in den USA, etwa in der Neuen Rechten, bei Nazi-Rappern und klerikalfaschistischen Netzwerken.[14] Günter Wallraff, der das Vorwort beisteuerte, lobte das Buch als "einen Höllengang in ein Finsterreich des Männlichkeitswahns" (S. 13). Das Buch erreichte Platz 2 der Sachbuch-Bestenliste[15], Platz 10 der Börsenblatt-Bestsellerliste[16] und Platz 14 der Spiegel-Bestsellerliste.[17]
Seit 2021 tritt Ginsburg mit Bühnenprogrammen zu seinen Büchern auf, die "mehr einer Stand-Up-Performance als einer Lesung" gleichen. Das Arte Journal lobte die Auftritte als "Scharfsinnig, amüsant und gleichzeitig bleibt einem die Spucke weg",[18] und im RBB hieß es: "Recherchergebnisse mit Bühnenperformance zu vermischen kann vielleicht kein Autor so gut wie Ginsburg."[19]
2016 war Ginsburg Fellow des Hanse-Wissenschaftskollegs.[20] 2020 erhielt er das Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung.[21] Er veröffentlichte Kommentare und journalistische Texte unter anderem im Deutschlandfunk Kultur, in der taz und in Haaretz. Er war wiederholt Gast in Talkshows wie Markus Lanz oder DAS! und trat als Experte bei verschiedenen Fernseh- und Radiosendungen auf.
Inszenierungen (Auswahl)
- 2007: Vergewaltigt. Eine romantische Komödie
- 2008: Ubu
- 2011: Nestbeschmutzung
- 2012: Endlich
- 2014: Weltenbrand. Ein Stück über Giftgas, den Ersten Weltkrieg und danach
- 2014: Radikal. Monument der Verwesung
- 2015: Goldland
- 2016: Du und ich und das Meer dazwischen
- 2018: Ein Kriegsspiel
Bücher
- Die Reise ins Reich. Unter Reichsbürgern. Das Neue Berlin, Berlin, 2018, 272 S. ISBN 978-3-360-01331-6.
- Die Reise ins Reich. Unter Rechtsextremisten, Reichsbürgern und anderen Verschwörungstheoretikern. Rowohlt, Hamburg, 2021, 320 S. ISBN 978-3499004568.
- Ungekürzte Hörbuchfassung, Audio-To-Go, Headford 2021, ISBN 978-3965193482.
- Die letzten Männer des Westens: Antifeministen, rechte Männerbünde und die Krieger des Patriarchats. Rowohlt, Hamburg, 2021, 336 S., ISBN 978-3499003530.
- Ungekürzte Hörbuchfassung, Audio-To-Go, Headford 2021, ISBN 978-3965193475.
Weblinks
- Autorenseite bei Rowohlt
- Deutschlandfunk Lesart mit Tobias Ginsburg
- Arte Journal: Undercover in der rechten Szene
- Münchner Feuilleton: Auf der Suche nach dem Wahren
- NDR Das! mit Regisseur Tobias Ginsburg
Einzelnachweise
- ↑ Sibylle Peine: Inkognito unter Rechtsradikalen. 4. Januar 2022, abgerufen am 15. Dezember 2022.
- ↑ Café Lachs. LMU, Studiobühne der Theaterwissenschaft, abgerufen am 22. März 2016.
- ↑ Nestbeschmutzung
- ↑ Gewinner des Heidelberger Stückemarkts 2015
- ↑ Weltenbrand auf Nachtkritik.de ( vom 21. Februar 2016 im Internet Archive)
- ↑ Longlist Deutscher Jugendtheaterpreis 2014
- ↑ Theater Augsburg: Goldland ( des vom 6. April 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Spiegel Online: Manche träumen von Ostpreußen, andere vom Weltraum
- ↑ SWR1 Leute: Tobias Ginsburg im Interview
- ↑ Rowohlt: Die Reise ins Reich. Abgerufen am 10. September 2023.
- ↑ Süddeutsche Zeitung: "Die Reise ins Reich" - Undercover bei Reichsbürgern. Abgerufen am 10. September 2023.
- ↑ Zeit Online: Die Sachbuch-Bestenliste für Juni
- ↑ Rowohlt: Die letzten Männer des Westens
- ↑ Die Zeit: Wie rechte Männerbünde Europa bedrohen. Rezension
- ↑ ZDF - Die Sachbuch-Bestenliste für Dezember 2021
- ↑ Börsenblatt-Bestsellerliste Sachbuch Paperback
- ↑ Spiegel-Bestseller Sachbuch
- ↑ Arte Journal: "Die letzten Männer des Westens": Undercover in der rechten Szene - Die ganze Doku. Abgerufen am 27. Februar 2023.
- ↑ RBB Kultur: "Euch wird das Lachen noch vergehen": Tobias Ginsburg im SO36. Abgerufen am 10. September 2023.
- ↑ Hanse-Wissenschaftskolleg: Tobias Ginsburg
- ↑ Die Autorenseite bei Rowohlt
Personendaten | |
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NAME | Ginsburg, Tobias |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Autor und Theaterregisseur |
GEBURTSDATUM | 1986 |
GEBURTSORT | Hamburg |