Boscia senegalensis
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Boscia senegalensis | ||||||||||||
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Zweig mit Blättern und reifen Früchten (Boscia senegalensis). | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Boscia senegalensis | ||||||||||||
Lam. |
Boscia senegalensis, Hanza oder Aizen ist eine in Afrika vorkommenden Pflanzenart der Gattung Boscia aus der Familie der Kaperngewächse (Capparaceae), die etwa 37 Arten beinhaltet. Sie kommt verbreitet in und am Rand der Sahelzone von Äthiopien bis Mauretanien vor. Die wenig bekannten Früchte der Pflanze gehören zu den traditionellen Nahrungspflanzen in Afrika und haben Potenzial die Ernährungssicherheit in den ariden Gebieten der Sahelzone zu erhöhen. Der Gattungsname Boscia ehrt den französischen Naturforscher Louis Bosc (1759–1828).
Namen
Boscia senegalensis ist in Afrika unter zahlreichen regional gebräuchlichen Namen bekannt: Aizen (Mauretanien und Westsahara), Lamboèga (Burkina Faso), Hanza (Hausa), Anza (Zarma), Ngigili (Fulani), Njàndam (Wolof), Mukheit (Arabisch), Bere (Bambara), Mandiarha (Berber) und Taedent (Tamasheq). Die Früchte von Boscia senegalensis sind auch als Dilo (Hausa), Gigile (Fulani), Kanduwi (Tamasheq) und Bokkhelli (Arabisch) bekannt.[1]
Vorkommen
Als Hauptverbreitungsgebiet der nicht domestizierten B. senegalensis werden die ariden Gebiete innerhalb und am Rand der Sahelzone angesehen. Boscia senegalensis ist in Mauretanien, Guinea, Westsahara, Senegal, Ghana, Mali, Burkina Faso, Niger, Nigeria, Tschad, Sudan, Kamerun, Benin, Togo, Kenia, in der Zentralafrikanischen Republik, Äthiopien, Eritrea, im Südsudan sowie im Süden von Algerien, Marokko und Ägypten verbreitet.[2] Die Sträucher und kleinen Bäume finden sich an trockenen, felsigen, lateritischen Standorten, oft auf Termitenhügeln und Sanddünen sowie bevorzugt in der Nähe von temporären Teichen.[3] Die Pflanze gedeiht sowohl auf sehr sauren, wie auch auf sehr alkalischen und neutralen Böden.[2]
Boscia senegalensis wächst bevorzugt in Höhen von 60 bis 1.450 m bei Durchschnittstemperaturen von 22 bis 30°C, verträgt jedoch auch Temperaturen über 50°C.[4] Die Pflanzen sind dürreresistent und kommen auch mit Niederschlagsmengen von unter 100 bis 500mm / Jahr zurecht.[5] Selbst nach langen Trockenperioden und tiefgründiger Austrocknung der Böden erscheint die Pflanze nach den ersten Regenfällen und bildet zunächst kleine Sträucher.[1]
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Der immergrüne, holzige Strauch oder kleine Baum mit aufsteigenden Ästen erreicht Wuchshöhen von drei bis vier Metern. Die Rinde ist rauh und meist graubraun gefärbt.[6] Er bildet kleine, 12x4 cm elliptische, dicke, ledrige, kurz gestielte Laubblätter aus, die wechselständig oder büschelig gruppiert an Kurztrieben angeordnet sind. Mitunter sind an den Blätter weiche, dünne Härchen vorhanden. Die Cuticula der Blätter ist bis 20 Mikrometer dick, zum Schutz vor Verdunstung sind die Stomata mit verdickten Wänden in tiefen Hohlräumen versenkt. Der Blattstiel ist durchschnittlich 0,5 bis 1,3cm lang.[6]
Generative Merkmale
Die end- oder achselständigen Blütenstände bilden eine einfache oder zusammengesetzte Traube, häufig zu einer Schirmtraube angeordnet. Seltener sind die Blüten auf reduzierten Trieben zu finden. Die kleinen, drei bis fünf Zentimeter großen, gelblichgrünen Blüten sind vierzählig. Es sind vier lanzettförmige Kelchblätter vorhanden, Kronblätter sind nicht ausgebildet. Die 5 bis 36 langen Staubblätter sind in zwei Kreisen um einen oberständigen Fruchtknoten angeordnet. Die Blüten sind durch einen süßlichen Geruch charakterisiert.[6]
B. senegalensis produziert in Trauben angeordneten Früchte in Form von gelben, kugelförmigen, durchschnittlich 1,5 cm großen Beeren mit einer dünnen harten und spröden Schale, die zu Beginn der Regenzeit erscheinen. Diese Früchte enthalten ein oder zwei, manchmal bis zu vier, Samen[1] die im reifen Zustand einen gelblichgrünen Farbton besitzen. Die runden, flach gedrückten kugelförmigen Samen ähneln oft dem Aussehen von kleinen Schnecken.[7]
Ökologie
Die Pflanzen leisten in ariden Gebieten einen großen Beitrag zur Verminderung der Bodenerosion und der Erhöhung der Nährstoffzirkulation in den kargen Böden. Sie verhindern die äolische Umlagerung von Sand und stabilisieren somit die Sanddünen.[2]
Für Honigbienen und eine Vielfalt anderer Insekten ist Boscia senegalensis eine Quelle für Pollen und Nektar. Die Bitterkeit der Samen wirkt wie ein natürliches Pestizid und hat zur Folge, dass die Früchte nur von wenigen Tieren an den Bäumen und Sträuchern gefressen werden. Wenn die Früchte vollständig reif sind, dient das süße, geleeartige Fruchtfleisch als Nahrungsmittel für diverse Vögel. Die vertrockneten Blätter dienen Dromedaren und anderm Weidevieh in Zeiten extremer Trockenheit als Notfutter.[6]
Systematik und Taxonomie
Die wissenschaftliche Erstbeschreibung von Boscia senegalensis erfolgte 1793 durch Jean-Baptiste de Lamarck in seinem Werk Tableau encyclopédique et méthodique des trois règnes de la nature. Botanique. Band 2, Tafel 395. Sie ist als eigenständige Art der Gattung der Hirtenbäume (Boscia) innerhalb der Kaperngewächse (Capparaceae) anerkannt.
Für die Art gibt es mehrere Synonyme:
- Boscia firma Radlk.
- Boscia octandra Fenzl ex Radlk.
- Boscia octandra Hochst
- Boscia octandra Hochst. ex Radlk.
- Boscia octandra var. firma (Radlk.) Fiori
- Boscia senegalensis (Lam.) Poir.
- Podoria senegalensis (Lam.) Pers.[8]
Nutzung
Diese anspruchslose und hoch belastbare Pflanze besitzt in Dürrezeiten für die Bevölkerung eine große Bedeutung als (Hunger-) Nahrungsmittel.[9] Während der Hungersnot in Darfur 1984/85 mussten sich über 90% der Bevölkerung fast ausschließlich von B.senegalensis ernähren.[10] Die Samen und Früchte werden auf vielen regionalen Märkten in der Sahelzone angeboten.[2] 2017 wurde Couscous, das aus von B. senegalensis hergestellt wurde, durch internationale Organisationen während einer Hungernot über die humanitäre Lebensmittelverteilung IDES großflächig verteilt.
Von der Pflanze können die Früchte, Samen, Wurzeln, Blätter sowie das Holz, u.a. als Baumaterial und Brennstoff genutzt werden.
Früchte
Die Früchte erscheinen zur Beginn der Regenzeit, in einer Periode, in der in diesen Region nur wenige andere Lebensmittel verfügbar sind. Die Früchte können roh verzehrt oder gekocht werden. Die rohen Früchte enthalten ein süßes, geleeartig-durchscheinendes Fruchtfleisch, das rasch zu einem karamellartigen bis spröden, braunen und ziemlich zuckerhaltigen Feststoff mit toffeeähnlichem Geschmack eintrocknet. Die in den Früchten enthaltenen Samen lassen sich nur schwer von dem zähen Fruchtfleisch lösen. Die Früchte können vor dem Verzehr gekocht werden. Der extrahierte Saft kann zu einem zähen, butterartigen Sirup eingekocht werden. Zusammen mit Hirse und Sauermilch werden aus diesem Sirup anschließend Kuchen und Gebäck hergestellt.[11] In einigen Regionen, u.a. im Sudan wird der Saft fermentiert und zu Bier vergoren. Die Früchte enthalten über 65% Kohlenhydate.
Samen
Eine besondere Bedeutung besitzen die Samen von B. senegalensis, besondere während der häufig in der dieser Region auftretenden Hungersnöte. Um die Samen von dem zähen, festen Fruchtfleisch zu lösen, werden die Früchte in der Sonne getrocknet. Nach der Entfernung der äußeren Samenschale, müssen die Samen - um bittere und toxische Bestandteile zu entfernen - mehrere Tage in Wasser eingeweicht. Das Wasser muss dabei täglich gewechselt werden.[12] Der bittere Geschmack wird von hohen Gehalten an Glucocapparin verursacht. Während des Einweichprozesses wird das Glucocaparin modifiziert und in Methylisothiocyanat umgewandelt. Das bittere Einweichwasser wird als natürliches Herbidzid und Pestizid eingesetzt.[13]
Alternativ können die Samen auch mehrere Stunden gekocht werden, wobei das Kochwasser mehrfach getauscht werden muss. Anschließend werden die Samen an der Luft getrocknet. Die getrockneten Samen können geröstet und als Kaffeeersatz oder gemahlen als Ersatz für Mehl verwendet werden. Die Textur der gekochten Samen ist mit Kichererbsen vergleichbar. Daher können die Samen als Einlage für Eintöpfe und Suppen sowie zur Zubereitung von Brei verwendet werden.
In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, die Popularität der anspruchslosen Pflanze zu erhöhen. Auf der Nahrungsmittelmesse in Niamey wurden 2012 mit großem Erfolge neue Lebensmittel, die auf Basis von B. senegalensis-Samen entwickelt wurden, vorgestellt. Neben Backwaren, wie Kuchen, Kekse und Brot können auch Couscous- und Hummus-Zubereitungen mit den Samen der Pflanze hergestellt werden.
Die Samen enthalten in der Trockenmasse 60% Kohlenhydrate und 25% Protein und sind reich an Zink, Eisen, Methionin, Tryptophan, B-Vitaminen und Linolsäure, wo gegen einige essentielle Nährstoffe insbesondere Lysin und Threonin nur in geringen Gehalten vorhanden sind.[12]
Nicht-entbitterte Samen können - wenn sie trocken aufbewahrt werden - mehrere Jahre gelagert und für Notzeiten bevorratet werden.
Wurzeln
Die jungen, geschälten Wurzeln besitzen einen sehr süßen Geschmack. Sie können über mehrere Stunden gekocht und zu einem Sirup extrahiert werden. Alternativ können die geschälten Wurzeln gemahlen werden. Als Getreideersatz oder vermischt mit Getreide werden sie zu Nahrungsbrei verarbeitet. Zur Vorratshaltung können die Wurzeln auch luft- und sonnengetrocknet werden, um sie später zu verarbeiten.
Blätter
Die ledrigen Blätter sind nicht schmackhaft, können aber getrocknet in Notzeiten an Tiere verfüttert werden. In einigen Regionen werden Blätter in Suppen mitgekocht oder unter Reis, Couscous und Brei gemischt. Die Blätter sind reich an Kalium, Kalzium, Mangan und Eisen. Die bioziden Eigenschaften der Blätter werden traditionell genutzt, um Getreidevorräte vor Schädlingen zu schützen, indem man in die Getreidespeicher Blätter von B. senegalensis gibt.
Medizinische Anwendungen
Die Blätter und Wurzeln werden verbreitet in der afrikanischen Volksheilkunde verwendet. Die Blätter haben antiparasitäre, fungizide, entzündungshemmende und wundheilende Eigenschaften und werden bei Koliken, Gallenerkrankungen, Hepatitis, Bilharziose, gegen Hämorrhoiden, zur Entwurmung und zur Behandlung der Dracontiasis verwendet. Eine Emulsion, die aus den Blätter hergestellt wird, wird als Augenspülung verwendet. Die pulverisierten, getrockneten Wurzeln werden zur Entwurmung eingesetzt. Die Früchte werden in einigen Regionen zur volksheilkundlichen Behandlung der Syphilis verwendet.[2][12]
Die Wurzeln von Boscia senegalensis wurden im südwestlichen Niger, in der Tillabéri-Region, zusammen mit Strophanthus sarmentosa-Samen, Wurzeln von Calotropis procera, Ästen von Euphorbia sudanica, Rinde von Ziziphus mauretiania, pulverisierten Früchten von Capsicum frutescens und dem Kopf der Gemeinen Sandrasselotter zur Zubereitung von Pfeilgiften verwendet.[6]
Sonstiges
Pflanzenteile, vorallem die Rinde von Boscia senegalensis werden im Sudan und Niger zur Filterung von Wasser eingesetzt. Die Pflanzenbestanteile enthalten flockungsaktive Inhaltsstoffe, die eine Ausfällung von Trübstoffen und somit eine Klärung des Wassers bewirken.[14]
Die Republik Niger würdigte die Pflanze auf einer 45 CFA-Franc-Briefmarke.[15]
Einzelnachweise
- ↑ a b c Senegal boscia articles - Encyclopedia of Life. Abgerufen am 11. Januar 2021 (englisch).
- ↑ a b c d e Boscia senegalensis Aizen, Boscia PFAF Plant Database. Abgerufen am 11. Januar 2021.
- ↑ CJB - African plant database - Detail. Abgerufen am 11. Januar 2021.
- ↑ Richard Biebl: Protoplasmatische Ökologie der Pflanzen: Wasser und Temperatur. Springer, Vienna 1962, ISBN 978-3-7091-5763-3, S. 171.
- ↑ G.E. Wickens: Non-timber uses of selected arid zone trees and shrubs in Africa. Food and Agriculture Organization of the United Nations, Rom 1988, ISBN 92-5102745-5.
- ↑ a b c d e Hans Dieter Neuwinger: African ethnobotany : poisons and drugs : chemistry, pharmacology, toxicology. Chapman & Hall, London 1996, ISBN 3-8261-0077-8, S. 327–329.
- ↑ Leopold Just: Ueber Boscia sengalensis Lam. In: Botanischer Jahresbericht. Band 6, Nr. 2, 1878, S. 989.
- ↑ Boscia senegalensis Lam. Abgerufen am 11. Januar 2021 (englisch).
- ↑ Niger : Le Hanza, une plante qualifiée d’aliment de famine, valorisée à Zinder. In: sahelien.com. 29. April 2016, abgerufen am 13. Januar 2021 (fr-FR).
- ↑ National Research Council (U.S.). Development, Security, and Cooperation.: Lost crops of Africa. Volume III, Fruits : Aizen (Mukheit). National Academies Press, Washington, D.C. 2008, ISBN 978-0-309-10597-2.
- ↑ Niger : Le Hanza, une plante qualifiée d’aliment de famine, valorisée à Zinder. In: sahelien.com. 29. April 2016, abgerufen am 10. Januar 2021 (fr-FR).
- ↑ a b c Boscia senegalensis | Purdue University Famine Foods. Abgerufen am 13. Januar 2021 (englisch).
- ↑ Loren J. Rivera-Vega; Sebastian Krosse; Rob M. de Graaf; Josef Garvi; Renate D. Garvi-Bode; Nicole M. van Dam: Allelopathic effects of glucosinolate breakdown products in Hanza [Boscia senegalensis (Pers.) Lam.] processing waste water. In: Frontiers in Plant Science. Band 6, 2015, S. 532.
- ↑ U. Rott & H.-P. Haug: Moringa-Projekt: Umweltfreundliche Trinkwasseraufbereitung durch den Einsatz von Samen des Moringa oleifera / Meerrettichbaum. Hrsg.: Deutsche Bundesstiftung Umwelt. Stuttgart 1997, S. 4.
- ↑ Issue of Niger postage stamps 2017 | Niger postage stamps. Abgerufen am 13. Januar 2021.
Literatur
- Hans Dieter Neuwinger: African Ethnobotany: Poisons and Drugs : Chemistry, Pharmacology, Toxicology, CRC Press, 1996, S. 327-329
Weblinks
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