Archäologisches Nationalmuseum Umbrien
Das Archäologische Nationalmuseum Umbrien (Museo archeologico nazionale dell'Umbria) ist eines der bedeutendsten italienischen archäologischen Museen. Es befindet sich in Perugia.
Das Haus befindet sich im ehemaligen Konvent an der Basilica di San Domenico, die im Kern südlich der Stadtmauer von Perugia im 13. Jahrhundert entstand. Im 15. Jahrhundert entstand daneben die heutige Basilika.
Geschichte
Die Geschichte des Museums reicht bis zur Erbschaft des Peruginer Grafen Francesco Filippo Friggeri zurück, der seiner Heimatstadt 1790 seine Sammlung vermachte.[1] Diese wurde zunächst im Palazzo dei Priori ausgestellt. Dem Archäologen Giovan Battista Vermiglioli (1769–1848) verdankt das Haus zahlreiche etruskische Exponate, wobei sich Kommune und Universität die Verwaltung der Stücke teilten und sie im Convento di Montemorcino, dem Sitz der heutigen Università degli Studi di Perugia ausstellten. Die späteren Archäologen und Inhaber des lokalen Lehrstuhls Ariodante Fabretti (1846–1849), Giancarlo Conestabile (1850–1877), Giovan Battista Rossi Scotti (1877–1885) und Luigi Carattoli (1885–1894) vermachten dem Haus weitere Exponate aus Grabungen und Erwerbungen, darunter Stücke aus dem Besitz von Mariano Guardabassi.
Nach einer kurzen Zeit der Leitung durch eine Kommission wurde Giuseppe Bellucci Direktor des Hauses bis zu seinem Tod im Jahr 1921, dessen Erben seine urgeschichtliche Sammlung an Provinz und Kommune sowie den Staat verkauften. Erst 1948 wurden die archäologischen Exponate in besagtem Konvent zusammengeführt. Dies geschah unter Leitung des Direktors Umberto Calzoni, der das Haus von 1925 bis 1958 leitete.[2]
1957 gingen die Exponate vom Besitz der Kommune in denjenigen des Staates über. 1964 entstand die Soprintendenza alle Antichità dell’Umbria, die spätere Soprintendenza per i Beni Archeologici dell'Umbria. Damit kamen weitere Exponate aus verschiedenen Sammlungen ins Haus, nämlich aus einer Reihe von Grabungen unter Federführung der besagten Soprintendenza.
2009 kam es zu einer Neustrukturierung des Museums, denn nun folgte das Konzept des Hauses nicht mehr dem Zugang einzelner Sammlungen, sondern einem chronologischen Prinzip, wenn auch thematische Schwerpunkte gebildet wurden, vor allem im Kloster, dem Chiostro maggiore. Hinzu kam eine neue Website in vier Sprachen.
Ausstellungsstruktur („Besucherpfade“)
Der Chiostro maggiore
Im Chiostro maggiore und seinem Kreuzgang befinden sich etruskische Urnen und Inschriften aus römischer Zeit, die in verschiedenen Sälen ausgestellt sind. Darunter befindet sich eine Inschrift, die - nach der Zerstörung der Stadt durch Parteigänger Octavians (Augustus) im Jahr 41 v. Chr. - anlässlich der Wiedererrichtung Perugias (Perusia restituta) aufgestellt worden war. Auch befindet sich hier die bedeutende Amulettsammlung von Giuseppe Bellucci, dann eine numismatische Sammlung, die vom 3. bis zum 19. Jahrhundert reicht, Goldschmuck, schließlich etruskische Funde aus dem Castel San Mariano,[3] und Fundstücke aus dem Grabmal der Cacni, die aus einer Sequestrierung von geraubtem Kulturgut des Jahres 2013 stammen.[4].
Von der Urgeschichte bis zur Geschichte Perugias
Die sezione pre-protostorica bietet Exponate aus dem Paläolithikum, das in Umbrien 500 bis 200.000 Jahre zurückreicht, darunter Steinwerkzeuge aus dem Grabungen am Monte Peglia (San Venanzo, Provinz Terni), die auf die Anwesenheit des Neandertalers verweisen, der vor allem um Perugia, Norcia und Gubbio Spuren hinterließ. Um Perugia waren vor allem die Freilandstätten um Pila, San Martino in Colle, Badiola, Bosco und San Biagio della Valle ergiebig. Um San Vito in Monte fanden sich die wichtigsten Spuren zum Homo sapiens. Vor allem aus dem Epi-Gravettien (etwa 13.000 bis 11.000 v. Chr.) fanden sich die bedeutendsten Überreste in den Höhlen von Tane del Diavolo. Dann folgen Artefakte aus dem Neolithikum, darunter Keramikstücke, schließlich aus der Bronzezeit, hier sind die Stücke aus der Höhle von Cetona hervorzuheben. Aus dem Neolithikum ragen Fundstücke aus dem unterirdischen, labyrinthartigen Komplex der Pozzi della Piana bei Orvieto hervor. Es handelt sich um eine Fundstätte, die zwischen dem 6. und 5. Jahrtausend v. Chr. wohl aus religiösen Gründen von vielen Gruppen in weitem Umkreis aufgesucht wurde. Aus der Kupfersteinzeit, die in Umbrien kaum belegbar ist, ist das Grab von San Biagio della Valle zu nennen; daneben bietet das Museum Pfeil-, Speer- und Lanzenspitzen sowie Dolche aus älteren Grabungen.
Die Etruskerabteilung behandelt die in Umbrien lebenden Umbri auf der linken Seite des Tibers, sowie die Etrusker auf der rechten. Die Anordnung der Exponate spiegelt dabei die territoriale Struktur wieder, insofern als die etruskischen Stücke rechts des Zentralkorridors, die umbrischen links davon aufgestellt wurden. Auf diese Art kann der Besucher parallel beiden kulturellen Strängen vom 9. bis zum 2. Jahrhundert v. Chr. folgen.
Die Ausstellungsbereiche zur Geschichte Perugias bieten an Stücken aus der Nekropole den Sarkophag des Sperandio aus dem 6. Jahrhundert v. Chr., dazu attische Keramik und weitere Stücke. Die eigentliche Stadtgeschichte, beginnend mit dem 8. Jahrhundert. Eines der zentralen Zeugnisse ist ein auf einem Bucchero-Fragment eingeritzte etruskische Alphabet. Dieses wurde während der Bauarbeiten für den Palazzetto dello Sport in der Via Pellini entdeckt. Dieses älteste Alphabet der Stadt datiert an das Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr.[5]
Sammlungen
Zu den Sammlungen des Hauses zählen die Collezione Guardabassi, die aus Siegeln besteht, dann die Collezione Giuseppe Bellucci (ur- und frühgeschichtliche Exponate), die Sammlung von Umberto Calzoni[6] aus den Höhlen von Cetona. Hinzu kommen Einzelstücke, wie ein 40.000 Jahre altes Bärenskelett eines Sammlers des 19. Jahrhunderts.
Das Cutu-Grabmal
Vom Chiostro aus erreicht man die unterirdisch angelegte Rekonstruktion der Tomba Cutu, ein Hypogäum, das 1983 unweit der etruskischen Mauern Perugias im Stadtteil Monteluce entdeckt wurde. Die entsprechenden Objekte werden so in einer annähernd identischen Umgebung ausgestellt; dazu gehören ein Sarkophag sowie 52 Urnen der Familie Cai Cutu.
Literatur
- Marco Saioni (Hrsg.): Invito al Museo. Percorsi, immagini, materiali del Museo Archeologico Nazionale dell'Umbria, Perugia 2009.
- Dorica Manconi: Collezioni archeologiche e Musei di Perugia, in: Paolo Vitellozzi: Gemme e cammei della Collezione Guardabassi nel Museo Archeologico Nazionale dell'Umbria a Perugia, Viterbo 2010, S. 13-28.
Weblinks
- Archeotouch (deutsche Version, daneben bestehen Fassungen auf Italienisch, Englisch und Französisch)
Anmerkungen
- ↑ Francesco Imbimbo: Il Censimento dei Beni culturali, in: Direzione Generale Provincia di Perugia (Hrsg.): Corrispondenze dall'Ottocento. Materiali e ricerche per la storia della provincia di Perugia, Perugia 2007, S. 38-40, hier: S. 40.
- ↑ Marco Saioni, Maria Cristina De Angelis (Hrsg.): Ti mostrerò cose mai viste. Gli scavi di Belvedere nei diari di Umberto Calzoni, Perugia 2005.
- ↑ Paolo Bruschetti, Alberto Trombetta (Hrsg.): 1812-2012: I Principes di Castel San Mariano. Due secoli dopo la scoperta dei bronzi etruschi, Corciano 2013.
- ↑ Gabriele Cifani: L'ipogeo dei Cacni a Perugia: cronologia e ideologia, in: La memoria ritrovata. Tesori recuperati dall'Arma dei Carabinieri, Catalogo della mostra (Roma, Palazzo del Quirinale, 23 gennaio – 16 marzo 2014), Rom 2014, S. 178-183. Zur Ausstellung vgl. diese Mitteilung des Ministero dei beni e della attività culturali e del turismo.
- ↑ Eine Abbildung findet sich hier.
- ↑ Alessandra Minetti, Giulio Paolucci (Hrsg.): Grandi archeologi del Novecento. Ricerche tra Preistoria e Medioevo nell’Agro Chiusino, Chiuso 2010, darin: Massimo Tarantini: Umberto Calzoni tra Preistoria, Protostoria ed Etruscologia, S. 13-19 und Maria Teresa Cuda: Umberto Calzoni a Cetona, S. 21-30.
Koordinaten: 43° 6′ 24,8″ N, 12° 23′ 32,6″ O