Bustrophedon
Bustrophedon (auch Boustrophedon) bezeichnet die Schreibweise mit zeilenweise abwechselnder Schreibrichtung von links nach rechts und von rechts nach links.
Griechisch βουστροφηδόν boustrophēdon bedeutet wörtlich „ochsenwendig“ (βούς bous „Ochse“, στρέφειν strephein „wenden“; vgl. Strophe). Gemeint ist: „hin und her wie ein Ochse beim Pflügen“. Im Deutschen wird gelegentlich der Ausdruck „furchenwendig“ verwendet.[1]
Das Substantiv Bustrophedon bezeichnet das Schriftmerkmal, manchmal auch einen so geschriebenen Text („das ist ein Bustrophedon“). Daneben gibt es das Adjektiv bustrophedon („ein bustrophedoner Text“), das meistens adverbial verwendet wird („ein bustrophedon geschriebener Text“).
Beispiele bustrophedoner Schriften
Hieroglyphen-luwischen aus der Zeit des hethitischen Großreichs im 2. Jahrtausend v. Chr. und der neo-hethitischen Staaten am Anfang des 1. Jahrtausends v. Chr. sind häufig bustrophedon geschrieben. Neben alten griechischen Inschriften aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. (davor war die übliche Schreibrichtung von rechts nach links, nach 500 v. Chr. durchgehend von links nach rechts) gibt es vereinzelt auch frühe etruskische, lateinische[2] und runische Inschriften,[3] die bustrophedon geschrieben sind.
Nicht nur die Schreibrichtung war im frühen epigraphischen Gebrauch flexibel, auch die Ausrichtung der einzelnen Buchstaben war noch nicht allgemeingültig festgelegt. Die „Bäuche“ der Buchstaben zeigten oft in Schreibrichtung, so dass in einer Zeile von rechts nach links ein komplett spiegelbildlicher Eindruck entstand.
Im archäologischen Museum von Korfu befindet sich eine Grabstele mit vertikaler Bustrophedon-Inschrift, die so genannte Arniadas-Grabstele.
Ein bekanntes Beispiel ist das SATOR-AREPO-Quadrat, auch ROTAS-OPERA-Quadrat genannt. Es ist in die Wand der Palästra von Pompeji geritzt und wurde 1936 ausgegraben. Der Text aus dem 1. Jahrhundert, furchenwendig gelesen, lautet „SATOR-OPERA-TENET-AREPO-ROTAS“.
Die Bilderschrift Rongorongo der frühen Osterinsel-Bewohner ist auf geschnitzten Toromiro-Holztafeln erhalten (25 Beispiele sind erhalten). Sie wird als Bustrophedon gelesen, wobei nach jeder gelesenen Zeile das Lesebrett umgedreht wird.[4] Lesebeginn ist links unten; nach dem Umdrehen wird die zweite Zeile von oben ebenfalls von links nach rechts gelesen, danach das Brett wieder umgedreht. Die Glyphen stehen also im Vergleich zur vorhergehenden Zeile auf dem Kopf.
Das Schreiben in Schlangenlinien hat zur Folge, dass beim Lesen der Zeilensprung entfällt.[5] Im 19. Jahrhundert hat William Moon seine Blindenschrift deshalb als bustrophedone Schrift entwickelt (siehe Moonalphabet).
Einzelnachweise
- ↑ Christa Dürscheid: Einführung in die Schriftlinguistik. 3., überarbeitete und ergänzte Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 3-525-26516-6, S. 118.
- ↑ Hans Joachim Störig: Abenteuer Sprache. Ein Streifzug durch die Sprachen der Erde. 2., überarbeitete Auflage.Langenscheidt, Berlin/München 1997, ISBN 3-581-66936-6, S. 117.
- ↑ Wolfgang Krause: Runen. de Gruyter, Berlin 1970, S. 12.
- ↑ Harald Haarmann: Universalgeschichte der Schrift. Campus Verlag, Frankfurt/ New York 1990, ISBN 3-593-34346-0, S. 189.
- ↑ Vgl. Herbert E. Brekle: Die Antiqualinie von ca. –1500 bis ca. +1500: Untersuchungen zur Morphogenese des westlichen Alphabets auf kognitivistischer Basis, Kap. 3.2: Linearität, Schreibrichtung, Zeiligkeit. Nodus Publikationen, Münster 1994, ISBN 978-3-89323-259-8, S. 31–46.