Der pädosexuelle Komplex
Der pädosexuelle Komplex – Handbuch für Betroffene und ihre Gegner ist ein Fälschungsvorwürfen ausgesetztes Sammelwerk über den sozialen und juristischen Rahmen für sexuelle Handlungen mit Minderjährigen. Es wurde 1988 von dem späteren Hochschullehrer für Soziologie Joachim Stephan Hohmann (1953-1999) unter dem Pseudonym Angelo Leopardi herausgegeben. Der Buchtitel hält, im Gegensatz zur wissenschaftlichen Nomenklatur, die wichtige Abgrenzung zwischen Päderastie und Pädophilie einerseits, bei der sich das begehrte Objekt im präpubertären Stadium befindet, und der unter Ephebophilie beschriebenen Zuneigung zu Adoleszenten anderersseits nicht ein. Der in der Öffentlichkeit oft verwischte Unterschied ist sexualwissenschaftlich wie kriminologisch von großer Bedeutung.[1]
Zwei Autoren, Volker Beck und Volkmar Sigusch, warfen dem Herausgeber vor, die ihnen zugeschriebenen Beiträge verfälscht beziehungsweise ein nie gegebenes Interview erfunden zu haben.
Inhalte
Das Werk ist in vier Abschnitte gegliedert:
- Gewaltfrei und einvernehmlich enthält sieben Beiträge aus historischer Sicht
- Ein Leben voll Angst beschreibt in sieben Beiträgen die Situation pädophiler Menschen im Alltag
- Kein Recht auf Zärtlichkeit setzt sich in elf Beiträgen mit Rechtsprechung und Psychiatrie auseinander unter anderem mit einem Blick auf das Ausland, aber auch mit einer Dokumentation über die „Kinder-Sexualität bei den Grünen“
- Stichwort: Emanzipation mit sieben Beiträgen, unter anderem ein Interview mit Frits Bernard und der Beitrag „Kinder brauchen Zärtlichkeit“ des „Vereins für sexuelle Gleichberechtigung“ sowie ein Beitrag der „Fachgruppe Kindersexualität und Pädophilie in der Arbeitsgemeinschaft Humane Sexualität (AHS)“.
Das Buch nennt unter den jeweiligen Beiträgen als Autoren Volker Beck, B. Bendig, Frits Bernard, Edward Brongersma, Thomas J. Göbel, Rene Karthaus, Eberhard Schorsch, Volkmar Sigusch, W. Thomasek, W. Vogel, Th. Wagner, Peter F. Walter, Johannes Werres und Alexander Ziegler. Zu den Autoren zählten somit Pädagogen, Sozialwissenschaftler, Psychologen, Theologen und Juristen.
Volker Beck zugeschriebener Text
Unter der Angabe von Volker Beck als Autor erschien der Beitrag „Das Strafrecht ändern? Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexualpolitik“ zur Frage der Entkriminalisierung der Pädosexualität (Seiten 255 bis 268). Der Beitrag von Beck erfolge laut Herausgeber „aus dem Blick des Schwulenpolitikers“ und stelle die „Sicht des Sexualpolikers“ dar. 2007 äußerte sich Beck in einem Interview auf abgeordnetenwatch.de:[2] „(...) der damalige Abdruck war nicht autorisiert und im Sinn durch eine freie Redigierung vom Herausgeber verfälscht.“ „Nicht nur die Texte des Grünen-Politikers wurden in einem umstrittenen Buch offenbar verfälscht.“, schreibt die Welt. [3]
Zum ihm zugeschriebenen Inhalt sagte Beck 2007:[2] „Ich habe mich seit Ende der 80er Jahre intensiv mit den Berichten von Vereinen wie Wildwasser oder Zartbitter über die Arbeit mit Opfern sexualisierter Gewalt bzw. sexuellen Missbrauchs auseinandergesetzt. Seitdem habe ich mit Liberalisierungsüberlegungen zum Sexualstrafrecht, die über die 1994 in Deutschland erfolgte Gleichstellung von Hetero- und Homosexualität (Streichung des § 175 StGB) hinausgehen, völlig gebrochen und bin Forderungen in diese Richtung immer entgegengetreten.“
Beck erklärte 2013 gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:[4] „Nach meiner Erinnerung ist das Justiziariat der Grünen Fraktion damals gegen Verlag und/oder Herausgeber vorgegangen.“ Gegenüber der Frankfurter Rundschau sagte Beck 2013:[5] „Meiner Erinnerung nach fiel Pädophilen-kritisches weg, anderes wurde aufgepeppt. Aber auch in dieser verfälschten Fassung wandte sich der Text eindeutig gegen die Forderung, das Sexualstrafrecht abzuschaffen. Gleichwohl war auch ich in jener Zeit in dem Irrtum gefangen, dass sexueller Missbrauch und manche pädophile Handlungen unterschiedliche Tatbestände seien.“2007 erklärte Beck in einem Interview auf abgeordnetenwatch.de, der damalige Abdruck sei nicht autorisiert und durch eine freie Redigierung vom Herausgeber im Sinn verfälscht worden.[6] „Nicht nur die Texte des Grünen-Politikers wurden in einem umstrittenen Buch offenbar verfälscht.“, schreibt die Welt. [7] </ref>
Volkmar Sigusch zugeschriebener Text
Das Buch enthält ein angebliches Interview mit Volkmar Sigusch unter dem Titel „‚Ich brenne ihm den Trieb weg!‘ Interview zum Thema Stereotaxie“ (Seiten 192 bis 194).
Zum Inhalt zählte die Forderung, dass man keine Gehirnoperationen bei Straftätern durchführen sollte; stereotaktische Eingriffe an vielen Pädophilen, Homosexuellen und Strafgefangenen seien „medizinethisch sehr problematisch“.
Gegenüber der WELT sagte Sigusch 2013:[8] „Ich habe nie mit Herrn Hohmann gesprochen und ihm daher auch nie ein Interview gegeben“ Sigusch distanziert sich nicht vom Inhalt, aber vom Vorgehen: „Offensichtlich hat er sich Sätze, die ich damals an anderer Stelle über stereotaktische Hirnoperationen gesagt hatte, zusammengesucht, um daraus dann auf eigene Faust dieses ‚Interview‘ zu basteln.“
Rezeption
Das Buch wurde ebenso wie Der grosse Basar von Daniel Cohn-Bendit in der Pädophilie-Debatte 2013 öffentlich diskutiert, die unter anderem in einem wissenschaftlichen Aufklärungsprojekt mündete.[9] Im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 stellte Alexander Dobrindt (CSU) die Glaubwürdigkeit Volker Becks in Frage.[10] Im Zusammenhang mit der Debatte um nichtautorisierte und verfälschte Passagen des Buchbeitrags von Beck wurde Alexander Dobrindt vom Landgericht Berlin unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro oder bis zu sechs Monaten Ordnungshaft untersagt, wörtlich oder sinngemäß zu äußern, Volker Beck sei „Vorsitzender der Pädophilen-AG gewesen.[11] Beck wies mehrfach darauf hin, dass sein Buchbeitrag durch den Herausgeber ohne Autorisierung durch ihn redigiert und verfälscht wurde. Der Landesverband Bayern der Jungen Union (JU) verpflichtete sich gegenüber Beck am 29. Mai 2013 außergerichtlich, seinen Beitrag Das Strafrecht ändern nicht mehr zu verbreiten, „ohne darauf hinzuweisen, dass der damalige Abdruck nicht autorisiert war und im Sinn durch eine freie Redigierung des Herausgebers verfälscht wurde.“[12]
Von den Betroffenenverbänden wurde im Zuge dieser Debatte Kritik geübt, so forderte netzwerkB im Juli 2013 auch personelle Konsequenzen:[13] „Volker Beck, Daniel Cohn-Bendit und andere waren Akteure in der Verharmlosung und Ideologisierung von Pädosexualität, die sich mindestens über einen Zeitraum von 1969 bis 1988 über mehr als 30 Jahre erstreckte und seitdem von den Grünen bis heute vertuscht wird. (...) Die Schreibtischtäter von damals streben auch heute noch nach Ämtern und öffentlicher Anerkennung. Für uns als Opfer ist das unerträglich.“
Andere Bücher Hohmanns
Hohmann gab auch weitere Bücher zum Thema Pädosexualität heraus. 2013 setzte sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit dem von Hohmann 1980 herausgegebenen Sammelwerk Pädophilie heute. Berichte, Meinungen und Interviews zur sexuellen Befreiung des Kindes[14] auseinander. [15]
Weblinks
Literatur
- Joachim S. Hohmann (Hrsg.): „Der pädosexuelle Komplex“ , Verlag Foerster, Berlin, 1988, ISBN 3-922257-66-6
- Florian Mildenberger: Beispiel Peter Schult. Pädophilie im öffentlichen Diskurs, Hamburg: Männerschwarm-Verlag 2006
Einzelnachweise
- ↑ Homosexuelle Pädophilie, Ephebophilie, Androphilie und Päderastie, Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Überschneidungen, von '''Gerard van den Aardweg''', DIJG Bulletin DIJG, 2010, Nr. 19, "Kinsey, Money und mehr. Ein Beitrag zur Debatte über sexuellen Missbrauch an Minderjährigen." S. 34-41
- ↑ a b Abgeordnetenwatch (online)
- ↑ Die Welt 26.05.13 Grünen-Politiker Beistand für Volker Beck im Pädophilie-Streit abgerufen am 25. August 2013
- ↑ FAZ (online)
- ↑ Volker Beck im Interview mit Thorsten Knuf. In: Frankfurter Rundschau, 16. Mai 2013 (online)
- ↑ Interview auf abgeordnetenwatch.de
- ↑ Die Welt 26.05.13 Grünen-Politiker Beistand für Volker Beck im Pädophilie-Streit abgerufen am 25. August 2013
- ↑ WELT (online)
- ↑ Der Spiegel (online)
- ↑ Dobrindt legt Volker Beck Rücktritt nahe. In: Süddeutsche Zeitung, 23. Mai 2013 (online)
- ↑ Missbrauchsdebatte: Gerichtserfolg für Grüne in Pädophiliestreit mit CSU, Spiegel Online, 29. Mai 2013. Abgerufen am 15. August 2013
- ↑ beckstage abgerufen am 15. August 2013
- ↑ netzwerkB fordert personelle Konsequenzen bei den GRÜNEN – Schluss mit der Vertuschung. 22. Juli 2013 (online)
- ↑ Pädophilie heute. Berichte, Meinungen und Interviews zur sexuellen Befreiung des Kindes, Foerster, Frankfurt/Main 1980, ISBN 3-922257-10-0
- ↑ FAZ (online)